DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-09-2017 21:00
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.09.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
An den Alpen Dauerregen, in Staulagen Unwetter. Sonst unbeständiges und kühles
Schauerwetter, dabei kurze Kaltluftgewitter mit Graupel und Böen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... gerät Deutschland zunehmend in den direkten Einflussbereich des
meridional aufgestellten Höhentroges, der durch einen in seine Rückseite
hineinlaufenden Sekundärtrog regeneriert wird und sich nach Süden ausweitet,
wobei sich in etwa über den Schweizer Alpen ein eigenständiges Drehzentrum
ausbildet. Auf dessen Vorderseite verstärken sich vor allem im Laufe der zweiten
Nachthälfte noch einmal die überwiegend aus WLA resultierenden und durch PVA
gestützten Hebungsprozesse über dem Alpenraum, was sich wohl auch auf die
Niederschlagssituation am bayerischen Alpenrand auswirkt. Unterstützt wird das
Ganze noch durch die im Südosten des Landes nach wie vor bestehende
Scherungssituation mit nördlichen Winden in der Grundschicht und Südwestwind in
der Höhe. Die Folge sind weiterhin andauernde Niederschläge südlich der Donau,
die sich vorübergehend wieder etwas intensivieren. Mit Verlagerung der
Scherungskonstellation nach Osten kommt bzgl. der Intensität der Niederschläge
mehr und mehr die Staukomponente zum Tragen, da bis in Höhen von 700 bis 600 hPa
der Wind zunehmend auf Nordwest bis Nordost und auch etwas zunimmt. Summa
summarum ergeben sich in der Simulation des ICON-EU bis Samstag, 06 UTC an den
Alpen und im angrenzenden Vorland Mengen zwischen 10 und 20 mm in 12 Stunden, im
Stau der Alpen auch bis knapp über 30 mm, wobei GFS (06 UTC) und ECMWF (00 UTC)
geringere Mengen auf der Karte haben.
Ins Spiel kommt auch so allmählich die Schneefallgrenze. Die Temperatut in 850
hPa sinkt bis 06 UTC am Alpenrand auf etwa +4 (ICON-EU) bis +2 Grad (WRF 4 km).
Somit sollte es bis auf unter 2000 m schneien. In windschwachen Senken bzw.
höher gelegenen Tälern kann es auch bis nahe 1600 m herab schneien.
Niederschläge skaliger Natur gibt es im Laufe der Nacht auch weiterhin entlang
des durch die WLA und die Scherungskonstellation "warmen Förderbandes" über dem
Südosten und äußersten Osten Deutschlands. Allerdings verschiebt sich der
Schwerpunkt der Niederschläge mit Trogannäherung (die Achse des Höhentroges
befindet sich in den Frühstunden über dem Westen des Landes) mehr und mehr nach
Osten und mehr als 5 mm in 12 Stunden hat eigentlich kein Modell mehr auf der
Karte.
Der Westen und Nordwesten des Landes geraten zunehmend in den Einflussbereich
der höhenkältesten Luftmasse mit etwa -23 Grad in 500 hPa und +4 Grad in 850
hPa. Allerdings sollte mit der fehlenden diabatischen Komponente die
Schauertätigkeit im Laufe der Nacht zumindest im Binnenland erst einmal
abklingen. Vereinzelte kurze Gewitter kann man aber vor allem in der ersten
Nachthälfte nicht ausschließen.
Etwas anders verhält es sich über dem noch relativ warmen Nord- und eventuell
auch schon Ostseewasser, wo es auch die Nacht über hinweg für kurze Schauer,
eventuell auch Gewitter reicht.
Ansonsten lockern die Wolken vor allem im Norden und Westen auch mal stärker
auf, so dass sich örtlich Nebel bilden kann. Die Temperaturen sinken auf
herbstlich frische 10 bis 5 Grad, an den Küsten bleibt es milder, bei längerem
Aufklaren kann es noch etwas weiter runtergehen, bis hin zu leichtem Bodenfrost
in ungünstigen Lagen.

Samstag ... verbleiben wir im Einflussbereich des Troges, der eine Art
Dipolstruktur ausbildet mit Drehzentren über Dänemark und über Norditalien. Die
Höhenkaltluft setzt sich noch weiter nach Osten durch mit Werten in 500 hPa
zwischen -19 Grad im Südosten und -23 Grad im Nordwesten.
Auf Bodenniveau verbleiben wir zwischen einer Tiefdruckrinne, die von
Norditalien über das südöstliche Mitteleuropa bis zum Baltikum reicht (mit
Tiefzentren über Ligurien, der nördlichen Adria und Nordostpolen) und einem über
Frankreich hinweg bis zur Nordsee reichenden Azorenhochkeil innerhalb eines
relativ schwachgradientigen Druckfeldes, wobei in 700 hPa weiterhin eine etwas
kräftigere nordwestliche bis nordöstliche Anströmung gegen die Alpen gerichtet
bleibt, so dass die Stausituation dort noch andauert. Bis zum Abend simuliert
ICON-EU nochmals 10 bis 15, in exponierten Staulagen im Chiemgau bis 25 mm in 12
Stunden, wobei die Schneefallgrenze tagesgangbedingt wieder etwas ansteigt.
Erneut haben ECMWF und GFS etwas geringere Mengen in petto.
Im übrigen Land kommt im Tagesverlauf die konvektive Maschinerie in Gang. Die
höchste Labilität und ML-Cape (100 bis 400 J/kg) werden im Norden und Westen bis
in die mittleren Landesteile hinein simuliert, folgerichtig springen die Modelle
konvektionstechnisch dort auch am ehesten an. Dort ist zwar am verbreitetsten
mit Schauern und auch kurzen Gewittern zu rechnen, das heißt aber nicht, dass es
weiter östlich und südlich nicht auch für einige Schauer reicht. Als
Begleiterscheinungen kommen in erster Linie Böen Bft 7 und Graupel in Frage,
innerhalb stärkerer Entwicklungen vielleicht auch mal eine Bft 8 und kleinräumig
Starkregen bis 25 mm in einer Stunde (letzterer vor allem entlang kleinräumiger
Konvergenzen, was auch heute im Münsterland schon der Fall gewesen ist). In den
Staulagen einiger west- und südwestdeutscher Mittelgebirge werden von den
Modellen recht unisono gebietsweise mehr als 10 mm in 12 Stunden simuliert,
sonst allgemein weniger und auch mit inhomogenerer räumlicher Verteilung.
Am Rande sei noch erwähnt, dass im Küstenumfeld bei ähnlichen
Umgebungsbedingungen primär in den Vormittags- und Mittagsstunden schon mal die
ein oder andere Wasserhose (Typ 2-Tornado) beobachtet wurde, wobei andererseits
momentan in den einzelnen Modellsimulationen nirgendwo ein wirklich konvergentes
Bodenwindfeld auszumachen ist.
Während es im Süden und Südosten überwiegend bedeckt bleibt, bekommt man vor
allem im Westen und Norden zwischen den Schauern doch auch immer wieder mal die
Sonne zu Gesicht. Das wirkt sich auch auf die Temperaturen aus: Am Alpenrand
werden kaum 10 Grad erreicht, sonst 14 bis 20 Grad, wobei die 20 Grad eher die
Ausnahme darstellen.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich an der Trogkonstellation nur wenig, außer
vielleicht, dass der gesamte Komplex geringfügig nach Osten vorankommt. Auch die
niedertroposphärisch nördliche Anströmung gegen die Alpen bleibt noch erhalten,
wobei sich der Schwerpunkt der Stauniederschläge ein wenig nach Osten
verschiebt. Im Chiemgau werden in Staulagen nochmals Mengen bis über 25 mm
simuliert (vom ICON-EU, von den externen Modellen eher weniger), nach Westen zu
dagegen keine 10 mm mehr. Die Schneefallgrenze dürfte - ähnlich wie in der
Vornacht - wieder auf unter 2000 m sinken.
Im übrigen Land klingen die Schauer und Gewitter allmählich ab, die Konvektion
kommt aber wohl nicht ganz zum Erliegen. Vor allem in den südwestdeutschen
Mittelgebirgen, aber auch am Erzgebirge gibt es noch einzelne Schauer, ebenso
über dem relativ warmen Nord- und Ostseewasser, wobei vor allem dort auch ein
kurzes Gewitter nicht ausgeschlossen ist. Ansonsten klart der Himmel aber vor
allem im Norden und Westen sowie in den mittleren Landesteilen gebietsweise auf,
so dass sich Nebel bilden kann. Die Nacht wird wieder recht frisch mit Minima
zwischen 10 und 4 Grad, in ungünstigen Lagen bei Aufklaren auch darunter mit
Bodenfrostgefahr, an den Küsten bleibt es etwas milder.

Sonntag ... verlagert sich das Drehzentrum des Troges allmählich ins nördliche
Mitteleuropa, so dass der Südwesten Deutschlands bereits auf dessen Rückseite
unterhalb einer nordwestlichen Höhenströmung gerät. Somit verbleiben wir nach
wie vor im Einflussbereich der labil geschichteten Höhenkaltluft mit
Temperaturen zwischen -18 und -23 Grad in 500 hPa und etwa +6 Grad in 850 hPa.
Die nördliche Anströmung gegen die Alpen lässt allmählich nach und auch das
weiterhin schwachgradientige Bodendruckfeld ist etwas antizyklonaler konturiert
(es stellt sich eine Art Brückenkonstellation ein, die das Nordeuropahoch mit
dem Azorenhoch verbindet), so dass die Stauniederschläge an den Alpen nachlassen
bzw. in Schauer übergehen. Auch im übrigen Land entwickeln sich wieder -
insgesamt recht inhomogen verteilt - Schauer und kurze Gewitter mit ähnlichen
Begleiterscheinungen wie am Vortag, insgesamt aber wohl nicht mehr so häufig
auftretend. Vor allem für den Nordwesten und Norden deuten die Modelle eine
gewisse Wetterberuhigung an und simulieren kaum mehr Niederschläge.
Auch sonst werden in der Fläche meist weniger als 5 mm, lediglich im Bergland
etwas mehr simuliert.
Am meisten Sonne darf man wohl im Norden und Westen erwarten, auch sonst gewinnt
die Sonne vielleicht etwas mehr Spielanteile als am Vortag, wobei allerdings in
den meisten Regionen noch der bewölkte Eindruck überwiegt. Auch die Temperatur
macht keine großen Sprünge, die Höchstwerte liegen zwischen 15 und 21 Grad, am
Alpenrand bleibt es teilweise kühler.

In der Nacht zum Montag ist die Trogachse zunehmend negativ geneigt und
erstreckt sich über Jütland und Ostdeutschland und Südpolen hinweg bis nach
Ungarn. Somit dreht die Höhenströmung auf der Rückseite des Troges über dem
Westen und Süden Deutschlands auf Nordwest und es dominiert Absinken.
Im Bodenfeld kann sich dadurch der antizyklonale Einfluss etwas verstärken, vor
allem über Süddeutschland kommt es zu Druckanstieg und es bildet sich dort eine
eigene flache Hochdruckparzelle.
Die höhenkälteste Luftmasse wird allmählich in den Nordosten und Osten des
Landes verdrängt, da die Temperatur in 850 hPa so gut wie gar nicht ansteigt,
stabilisiert die Luftmasse zusehends. Somit klingt die Schauertätigkeit rasch
ab, am ehesten kann es in den Küstenregionen noch kurze Schauer gegen. Ansonsten
lockern die Wolken auf, teilweise klart es auf, so dass die
Nebelwahrscheinlichkeit gegenüber den Vornächsten noch etwas zunimmt. Mit Minima
zwischen 10 und 3 Grad, an den Küsten etwas milder, wird die Nacht wieder
frisch, in ungünstigen Lagen gibt es Bodenfrost.

Montag ... verlagert der Trog sein Drehzentrum bis zum Abend allmählich in die
Osthälfte Deutschlands und verliert zunehmend an Kontur. Im Bodendruckfeld
bleibt es bei den schwachgradientigen, leicht antizyklonal konturierten
Druckverhältnissen, wobei sich die flache Hochdruckparzelle über Süddeutschland
geringfügig verstärkt.
Die höhenkälteste Luftmasse befindet sich nun in etwa über dem Osten und
Südosten des Landes, insgesamt stabilisiert such die Luftmasse aber auch dort
etwas. Dennoch dürfte es - nicht zuletzt mit orographischer Unterstützung - vor
allem dort und auch an den Alpen für einzelne Schauer reichen, ein kurzes
Gewitter (ML-Cape meist um 100 J/kg) nicht ausgeschlossen.
Aber auch im übrigen Land stellt sich mitnichten ein strahlend sonniger Tag ein,
denn in der vor allem bis etwa 700 hPa recht labil geschichteten und kühlen
Luftmasse (Temperaturen in 850 hPa zwischen 5 Grad im Nordosten und 8 Grad im
Südwesten) entwickeln sich mit diabatischer Erwärmung rasch Quellwolken. Für
Schauer reicht es aber kaum mehr, so dass man in einigen Regionen, vor allem im
Westen und Norden durchaus von einem freundlichen Wettercharakter sprechen kann.
Auch die Temperatur bewegt sich mühsam nach oben und erreicht Höchstwerte
zwischen 16 und 22 Grad.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterentwicklung (mit kleineren Differenzen bzgl. der genauen
Position und Ausrichtung des Höhentrogkomplexes) wird von allen Modellen ähnlich
simuliert.
Nach wie vor simuliert ICON-EU etwas höhere RR-Mengen für den Alpenrand als GFS
und ECMWF. Dennoch dürfte es - aufsummiert bis Samstagabend bzw. (nach Osten zu)
bis Sonntagfrüh zumindest in den Staulagen für unwetterartige Mengen reichen.
COSMO-LEPS zeigt auch recht hohe Wahrscheinlichkeiten dafür, ECMWF-LEPS hat sie
dagegen gegenüber dem gestrigen 00 UTC-Lauf etwas zurückgenommen. Somit wurde
erst einmal beschlossen, an der räumlichen Ausdehnung der Unwetterwarnung nicht
wirklich was zu verändern (höchstens nach Norden zu ein Stück wegzuschneiden),
dafür aber die Mengen ein wenig anzupassen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff