DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-08-2017 09:00
SXEU31 DWAV 250800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 25.08.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Am ehesten Wa (West antizyklonal)

Heute in der südlichen Mitte teils kräftige Gewitter, lokal Unwetter. Im Süden
wahrscheinlich nur vereinzelte Gewitter, im Norden nix. In der Nacht und am
Samstag sich nach Norden und Nordosten verlagernde Gewitteraktivität, am Sonntag
dann wieder vornehmlich im Süden Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befindet sich Deutschland unterhalb einer relativ glatten westlichen
Höhenströmung, in der - für das bloße Auge in den Potenzialfeldern kaum sichtbar
- extrem flache Trog-Keil-Muster nach Osten ablaufen. Die Wirksamkeit dieser
Muster kann man den diagnostischen Omegafeldern der Modelle entnehmen, die von
Nordostfrankreich und Luxemburg her immer mal wieder kleine, sich über die
südliche Mitte nach Osten verlagernden Hebungsmaxima zeigen. Nun ist die Numerik
das eine und die Natur das andere, will heißen, ein paar diagnostische
Hebungs-Hot-Spots bedeuten noch nicht, dass es auch wirklich so kommt, aber
schauen mer mal.
Zunächst mal gilt es sich einen Überblick über die Bodendruckverteilung sowie
der über Deutschland präsenten Luftmassen zu verschaffen. Mit dem Attribut
"gradientschwach" trifft man die aktuelle Lage eigentlich ziemlich gut. Am Rande
einer umfangreichen Tiefdruckzone über Nordeuropa befinden wir uns quasi in
einer Art luftdrucktechnischem Niemandsland, was uns zunächst mal einen
windschwachen Freitag beschert. Bei genauerem Hinschauen findet man dann aber
doch ein schwaches Hoch über dem Alpenraum (knapp über 1020 hPa) und ein flaches
Tief (etwas unter 1015 hPa), das heute früh über Westfrankreich positioniert
war. Davon ausgehend erstreckt sich eine zonal exponierte Warmfront bis nach
Süddeutschland, die ihre Bezeichnung als Luftmassengrenze wohlverdient hat. Sie
trennt feuchtwarme und labil geschichtete, vielfach aber auch gedeckelte
Subtropikluft im Süden des Landes (ML-CAPE lokal um 1500 J/kg, PPWs über 30 mm,
teils um 40 mm) von mäßig warmer und deutlich stabilerer Meeresluft im Norden
sowie in Teilen der Mitte. Dabei hat sich zwischen Nord und Süd ein veritabler
Temperaturgradient von etwas über 10 Grad aufgebaut, der heute Abend von rund
8°C an der Grenze zu Dänemark und bis zu 19°C am Alpenrand markiert wird -
Respekt!
Wie auch immer, Tatsache ist, dass das flache Tief über Frankreich langsam nach
Norden zieht, wodurch auch die Warmfront bei uns etwas nach Norden vorankommt -
ein Prozess allerdings, der mit infinitesimal anmutender Geschwindigkeit
vonstattengeht. Immerhin, zum Tagesende dürfte die Luftmassengrenze die Main-
und Mosellinie überschritten haben und sich irgendwo über dem zentralen
Mittelgebirgsraum ost-west-orientiert befinden.
Soweit alles schön und gut, aber wat kriegen wa denn nun für Wetter heute? Nun,
im Grunde lässt sich das heutige Geschehen in drei Zonen einteilen. Da wäre
zunächst mal der große, im heutigen Fall über die Norddeutsche Tiefebene hinweg
bis in den zentralen Mittelgebirgsraum reichende Norden. Dort steht ein
trockener Wechsel von Sonne und Wolken auf der Karte bei Nachmittagstemperaturen
um 20°C an der See und bis zu 26°C im südlichen Bereich des Nordens. An der
Ostsee weht dabei ein mäßiger bis frischer West-Südwestwind, 7er-Böen (untere
Warnschwelle) dürften aber nur in wenigen Einzelfällen erreicht werden.
Südlich der genannten Region schließt sich ein Streifen an, der heute latent am
gefährdetsten für konvektive Umlagerungen ist. Er befindet sich in unmittelbarer
Frontnähe bzw. knapp davor und reicht etwa von RP und dem Saarland bis hinüber
nach Oberfranken bzw. zum Vogtland. Zwar wird in diesem Bereich aufgrund
vorhandener Warmfrontbewölkung gar nicht mal so hohe ML-CAPE generiert, doch
reicht die von der Grundschicht entkoppelte MU-CAPE offensichtlich aus, um (mit
Unterstützung des Tagesgangs und der Front) mit den o.e. Hebungsmaxima so gut zu
interagieren, dass am Ende nennenswerte Konvektion in Gang kommt. Vorstellbar
ist dabei ein von verschiedenen Modellen offeriertes Szenario, in dem sich im
Tagesverlauf im Westen (grob zwischen Eifel und Pfälzer Wald) Gewitter
entwickeln oder bereits von NO-Frankreich und Luxemburg zu uns reinziehen, um
dann über Südhessen und Nordbaden in Richtung Franken und Südthüringen zu
ziehen. Trotz geringer Scherung gibt es Hinweise, dass die Gewitter (oder einige
davon) möglicherweise zu einem kleineren Multizellencluster zusammenwachsen, was
man aber abwarten muss. Fakt ist, dass die Gewitter vor allem mit Starkregen,
aber auch Hagel (allerdings nicht zu großkörnig) und Sturmböen einhergehen
können. Dabei sollte in der Basis von markanten Gewittern ausgegangen werden, in
Einzelfällen sind aber auch Unwetter vor allem durch Starkregen möglich.
Bliebe noch der Süden, sprich große Teile von BW und Bayern, wo zwar die
labilste Luftmasse mit der meisten Einstrahlung gegeben ist (Tmax um 30°C), wo
aber auch eine nicht unerhebliche Deckelung gegeben ist. Kurzum, einzelne
orografisch ausgelöste Gewitter sollten uns nicht überraschen. Ob es für mehr
reichen wird, ist aus numerischer Sicht zwar unwahrscheinlich. Allerdings
sollten wir die aktuelle Gewitteraktivität über Zentralfrankreich weiterhin gut
beobachten. Laut AROME sollen sich die südlichen Zellen am Vormittag zwar
abschwächen respektive auflösen, doch wer weiß, wer weiß - Aufmerksamkeit hat
noch nie geschadet. Nur noch so viel, wenn sich Gewitter über dem Bergland
entwickeln, dann können diese auch kräftig ausfallen, Unwettergefahr durch
Starkregen >25 mm/h und/oder größeren Hagel um 3 cm inclusive.

In der Nacht zum Samstag erreicht das flache Tief Belgien und die zugehörige
Warmfront macht weiter Boden nach Norden hin gut, auch wenn der Landgewinn nicht
exorbitant ausfällt. Entscheidender vielmehr ist die Tatsache, dass trotz
minimaler Aufwölbung der westlichen Höhenströmung (und damit eigentlich
antizyklonaleren Rahmenbedingungen) die konvektive Aktivität im Frontbereich
hoch bleibt, also nix mit tagesgangbedingtem Nachlassen. Die Zone potenzieller
Gewitter verlagert sich langsam nordwärts und erfasst einen Streifen, der vom
südlichen NRW bis hinüber nach Sachsen, vielleicht auch bis zur Lausitz reicht.
Die Qualität der Gewitter unterscheidet sich zunächst nicht von denen des Tages,
erst im Laufe der Nacht nimmt vor allem die Hagelgefahr aber auch allgemein die
Unwettergefahr ab.
Im Süden fallen etwaige Gewitter zusammen und im Norden bleibt es sowieso
trocken. Dort bildet sich stellenweise Nebel, und auch im Süden können sich
dort, wo es zuvor geregnet hat, ein paar Nebelfelder bilden.


Samstag... verbleiben wir unter der west-südwestlichen Höhenströmung, die
zunächst leicht antizyklonal konturiert ist, bevor sie später mit Verlagerung
eines Höhentiefs von UK zur nördlichen Nordsee etwas zyklonaler wird. Am Boden
verlagert sich das flache Tief über die westlichen in Richtung BB, womit auch
die Luftmassengrenze noch etwas nach Norden vorankommt. Damit gewinnt auch die
potenziell instabile Warmluft an Raum nach Norden und Nordosten, wo dann - nach
der berühmten vormittäglichen Depression (gemeint ist ein Minimum konvektiver
Aktivität) - konvektive Umlagerungen ähnlicher Qualität wie heute in Gang
kommen. Wie weit die potenziellen Gewitter tatsächlich vorankommen und wo die
Begrenzung nach Süden hin liegt, ist derzeit noch mit einigen Unschärfen
versehen. Es spricht aber einiges dafür, dass das nördliche Niedersachsen, HH
und SH sowie MV nicht von den konvektiven Prozessen erfasst werden. Dafür könnte
es dort gebietsweise skalig regnen, wie es ICON und COSMO-DE in ihrem
Angebotskatalog haben.
Ansonsten gilt noch zu konstatieren, dass große Teile Süddeutschlands
(eigentlich fast die gesamte Südhälfte) vor einem sonnenscheinreichen und
heißen, teils auch schawülen (Stichwort Hitzebelastung) Endaugusttag stehen, an
dem die Temperatur auf 28 bis 33°C, lokal vielleicht auf 34°C steigt (im Norden
stehen dagegen erträgliche (so die Meinung des Verfassers) 20 bis 25°C auf dem
Programm. Einzelne Gewitter werden - wenn überhaupt - wieder nur über dem
Bergland ausgelöst, was aber schwer wird, weil sich von SW her eine gewisse
Abtrocknung der Luftmasse abzeichnet. Kracht es allerdings doch, dann richtig
mit der Gefahr von Unwettern durch Starkregen und/oder größeren Hagel.

In der Nacht zum Sonntag überquert das o.e. Höhentief den Skagerrak in Richtung
Südschweden, was in Norddeutschland mit einer Austrogung einhergeht. Das flache
Bodentief zieht in Richtung NW-Polen ab, womit sich schauerartige Regenfälle und
Gewitter in den Osten und Nordosten verlagern. Wie stark dieses dann ausfallen
werden, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, weil der Spread innerhalb
des Modellpools zu groß ist. Nur so viel, ICON simuliert die stärkste Aktivität
(an der Ostsee lokal um 30 mm/12 h), was nicht zuletzt der Wirkung des
Höhentroges geschuldet sein dürfte.
Offen ist auch noch, wieviel Wetter an der Kaltfront dran ist, die rückseitig
des Tiefs mit auf nordwestliche Richtungen drehenden Wind wieder bis zur Mitte
vorankommt. Ansonsten bildet sich bei längerem Aufklaren stellenweise Nebel.


Sonntag... zieht das Höhentief zu den baltischen Staaten, womit auch die
Austrogung über Norddeutschland ihr Ende findet. Rückseitig zonalisiert die
Höhenströmung vorübergehend auf glatt West, bevor in der Nacht zum Montag ein
weiterer flacher Trog von Benelux und der Nordsee her übergreift.
Bevor es soweit ist beschäftigen wir uns mit den Ereignissen der unteren
Troposphäre, die klar im Zeichen der langsam nach Süden vorankommenden
Kaltfront stehen, wo sie im Tagesverlauf ankommt, um dort quasistationär zu
werden (strömungsparallele Ausrichtung). Rückseitig breitet sich erneut stabile
und mäßig warme Meeresluft in den gesamten Norden und Teile der Mitte aus (T850
7 bis 12°C), während sich im Süden die feuchtlabile Subtropikluft hält (T850 bis
zu 19°C, ML-CAPE bis zu 1500 J/kg, PPW um 35 mm). Dort ist die Gefahr einzelner
kräftiger Gewitter am größten, lokale Unwetter durch Starkregen/Hagel nicht
ausgeschlossen. Aber auch in der Mitte sind mit Kaltfrontpassage bzw. im
unmittelbaren Vorfeld einzelne Schauer und Gewitter möglich.
Postfrontal stellt sich wechselnde Bewölkung ein, in der niederschlagstechnisch
nicht allzu viel passiert. Einzig im Nordosten könnte es mit dem abziehenden
Trog/Bodentief anfangs noch schauerartig und vielleicht auch gewittrig regnen,
Tendenz im Laufe des Vormittags nachlassend.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Weichen für heute und das bevorstehende letzte Augustwochenende sind
gestellt. Die Modelle bieten sehr ähnliche Basisfelder an, zeigen aber die
typischen Unschärfen bei der Niederschlags- und Gewitterentwicklung. Dabei gilt
es besonders heute die Aufmerksamkeit auf die Entwicklungen stromauf genaustens
zu beobachten, damit wir im Süden keine unliebsamen Überraschungen erleben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann