DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-08-2017 09:00
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 22.08.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HM (Hoch Mitteleuropa)

Heute nix, morgen wenig bis gar nichts und ab der Nacht zum Donnerstag - mal
sehen (gemeint sind mögliche Gewitter).

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland nach wie vor unter einer glatten
nordwestlichen Höhenströmung. Damit diese überhaupt zustande kommt, bedarf es
eines Rückens und eines Troges, die beide auch tatsächlich vorhanden sind.
Während - wie es sich für eine Nordwestströmung gehört - das Potenzialmaximum
westlich von uns positioniert ist, befindet sich der Trog östlich des Landes.
Oder etwas konkreter, die Keilachse verläuft heute früh leicht gekrümmt von
Katalonien über UK bis nach Island, die Trogachse quasi von der Ägäis bis zum
Nordkap. Das gesamte Wellenmuster zeigt sich nur schwach progressiv, so dass
sich tagsüber an der Ausgangssituation wenig bis gar nichts ändert. Okay,
aktuell findet man im äußersten Nordosten noch einen Sekundärtrog, der derzeit
aber wetterunwirksam ist und sich bis Mittag in den Westen Polen verdünnisiert.
So ist die Geschichte des heutigen Tages rasch erzählt. Inmitten einer flachen,
von Mitteleuropa bis zum Europäischen Nordmeer reichenden Bodenhochdruckzone
gestaltet sich der Wetterablauf ruhig und entspannt. Dabei kann sich die am
Wochenende eingeflossene und mittlerweile gealterte Meeresluft allmählich
erwärmen, was im Süden und Westen mit leicht advektiver Unterstützung (Anstieg
von T850 auf 10 bis 13°C => 23 bis 28°C in 2m Höhe) flotter von der Hand geht
als in den übrigen Landesteilen (nordöstlich der Weser nur 5 bis 7°C => 18 bis
21°C). Unterhalb einer etwa bei 800 hPa liegenden Absinkinversion bilden sich
Quellwolken, die im Osten und Nordosten der Sonneneinstrahlung etwas mehr
zusetzen als im Rest des Vorhersageraums. Für Schauer oder gar Gewitter sollte
es im äußersten Nordosten nach Lesart der meisten Modelle nicht mehr reichen,
aber wenn wir was gelernt haben, dann das: Modell ist Modell, Natur ist Natur.
Nicht unerwähnt sollen die hohen und mittelhohen Wolkenfelder bleiben, die im
Vorfeld einer Warmfront von den Niederlanden südostwärts driften, ohne dabei
aber den freundlichen Wettercharakter nachhaltig zu versauen.

So können wir schon auf die Nacht zum Mittwoch kommen, zu der es zumindest aus
meteorologischer Sicht auch nicht besonders viel zu erzählen gibt. Der Rücken
kommt zwar näher, die Achse verbleibt bis zum Morgen aber immer noch knapp
westlich von uns. Bei überwiegend gering bewölktem oder klarem Himmel bilden
sich ein paar flache und in der Regel nicht besonders dichte Nebelfelder. Dazu
kühlt es vor allem in der Nordosthälfte vielerorts bis in den einstelligen
Temperaturbereich ab, in einigen Kältelöchern sogar auf 5°C oder etwas darunter
(MOS-Mix zeigt z.B. für die Lüneburger Heide, genauer für Faßberg, einen Wert
von 2°C, was die Gefahr von Bodenfrost birgt).

Mittwoch... kommt der Höhenrücken endlich in Deutschland an. Seine Achse reicht
in 500 hPa - bezogen auf unseren Raum - am Abend etwa von der Schweiz bis nach
Jütland, in 300 hPa etwas weiter westlich. Damit hat sich gegenüber den
Vorläufen kaum etwas geändert, was Vorhersagemeteorologen mit Freude zur
Kenntnis nehmen. Die Achse der umfangreichen, von Süd- über Mittel- bis nach
Nordeuropa reichenden Bodenhochdruckzone verschiebt sich noch etwas nach Osten,
wodurch eine Tiefdruckrinne (sie stellt den Fortsatz eines am Mittag knapp
nordwestlich von Schottland positionierten Tiefs dar) von Westen her dichter an
den Vorhersageraum heranrücken kann - zunächst ohne nennenswerte Wirkung.
Obwohl, so ganz stimmt das nicht, denn zwischen der Rinne und dem langsam
ostwärts wandernden Hoch kommt eine wenn auch schwache südliche
Strömungskomponente ins Spiel, die die Advektion warmer und im Süden und Westen
auch potenziell instabiler Subtropikluft begünstigt. Dabei baut sich ein
ordentlicher Temperaturgradient auf mit T850-Werten, die am Tagesende zwischen
7°C in Odernähe und bis zu 17°C südlich der Donau liegen. Dass das auch
Auswirkungen auf die Entwicklung der 2m-Temperatur zur Folge hat, ist evident.
So steigt diese auf 25 bis 30°C im Süden und Westen sowie in Teilen der Mitte,
an Oberrhein, Mosel, Saar und Nahe auch 1 bis 2 Grad darüber. Sonst stehen 20
bis 26°C auf der Karte, was gegenüber den Vortagen einen nicht
wegzudiskutierenden Fortschritt darstellt.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass über weite Strecken des Tages die Sonne
scheint. Dabei stören einige hohe, durch WLA induzierte Wolkenfelder ebenso
wenig wie die wenigen Quellwolken, die sich noch bilden (die meisten wohl im
äußersten Nordosten). Stellt sich noch die Frage nach möglichen Gewittern? Wie
bereits angedeutet, nimmt die Labilität der Luftmasse im Süden und Westen
merklich zu und es wird auch merklich ML-CAPE aufgebaut bis hin zu lokalen 1500
J/kg (dazu PPWs von 25 bis 30 mm, im Westen auch etwas darüber). Was fehlt, sind
die Antriebe, um diesen Treibstoff zu zünden. Außerdem ist die Luftmasse durch
die Nähe zum Höhenrücken stark gedeckelt, was nicht zuletzt an den hohen
CIN-Werten (vielfach dreistellig) deutlich wird. Kurzum, bis zum Sonnenuntergang
wird konvektiv wahrscheinlich nicht allzu viel passieren. Allerdings schließt
dass einzelne, im Wesentlichen orografisch getriggerte Überentwicklungen im
Süden und Südwesten, in den Abendstunden dann auch im Westen nicht ganz aus.
Sollten tatsächlich lokale Gewitter hochploppen, steht aufgrund deren
Quasistationarität vor allem der Starkregen im Blickpunkt des Geschehens, wobei
- zugegeben Worst-case-szenario - sogar Unwetter nicht ausgeschlossen sind.
Hagel und Sturmböen spielen mangels ausreichender Organisation eher eine
untergeordnete Rolle.

In der Nacht zum Donnerstag wandert der Höhenrücken langsam nach Osten über den
Vorhersageraum hinweg und wir gelangen auf die Vorderseite eines breiten aber
flachen Höhentroges über Westeuropa respektive dem nahen Ostatlantik. Die
Höhenströmung dreht auf West-Südwest, wobei direkt hinter dem Rücken ein gaaanz
flacher KW-Trog über den Norden ostwärts schwenkt. Gleichzeitig kommt die
Tiefdruckrinne über der Nordhälfte ostwärts voran, während sie sich nach Süden
hin nur schwach im Druckfeld abbildet. Sie wird nach hinten durch eine Kaltfront
begrenzt, die sich ebenfalls nach Osten orientiert und dabei im Norden sowie in
der Mitte recht flott vorankommt. Ob sich dabei im Vorfeld eine Konvergenzlinie
bildet, wie in den Vorhersagekarten skizziert, bleibt abzuwarten.
Wie auch immer, Tatsache ist, dass sich trotz wenig konvektionsfreudiger
Tageszeit vor der Kaltfront und von der Grundschicht abgehoben einige Schauer
oder Gewitter entwickeln können. Mangels ausreichend Scherung sprich derzeit
nicht viel für wirklich organisierte Strukturen, was auch in den numerischen
Prognosen zum Ausdruck kommt. Die agieren ohnehin recht defensiv was die
Entwicklung von Gewittern angeht, trotzdem sollte man sich davon nicht einlullen
lassen. Für ein paar markante "Knaller" (mit Starkregen, vielleicht Sturmböen)
dürfte es doch reichen, wobei die räumliche Zuordnung heuer noch äußerst
schwierig ist. Man darf gespannt sein, was die konvektionserlaubenden Modelle im
Laufe des Tages, vor allem aber morgen so auf den Markt schmeißen.


Donnerstag... liegen wir unter einer leicht flatternden (also mit sehr flachen
Trog-Keil-Strukturen ausgestatteten) west-südwestlichen Höhenströmung. Die o.e.
Kaltfront schwenkt im Norden und in der Mitte nach Osten durch und führt
rückseitig einen Schwall erwärmter Atlantikluft heran, in der sich die
850-hPa-Temperatur bei 8/9°C einpendelt. Nach Abzug letzter Schauer und
(vielleicht) Gewitter aus dem Osten und Nordosten passiert wahrscheinlich nicht
mehr allzu viel in der maritimen Luftmasse. Die Labilität hält sich in Grenzen,
so dass viel mehr als Quellbewölkung und ein paar Schauer wohl nix passieren
wird. Immerhin frischt der SW-W-Wind am Rande einer zonal ausgerichteten
Tiefdruckzone über Nord- und Nordwesteuropa im Norden etwas auf, was an der See
und vielleicht auch im schleswig-holsteinischen Binnenland die eine oder andere
steife Böe 7 Bft zur Folge hat. Die Temperatur steigt auf 20 bis 26°C, in der
östlichen Mitte auch etwas darüber.
Im Süden des Landes wird die Kaltfront aufgrund ihrer zunehmend
strömungsparallelen Exposition merklich ausgebremst und nimmt folgerichtig eine
weitgehend zonale Ausrichtung an. Wahrscheinlich wird sie den Alpenbogen nicht
erreichen, was nichts anderes bedeutet, dass der äußerste Süden nicht in den
Genuss eines Luftmassenwechsels kommt (Tageshöchstwerte 24 bis 30°C). Damit
besteht trotz nicht besonders günstiger dynamischer Rahmenbedingungen die Gefahr
einzelner, im Wesentlichen orografisch ausgelöster Gewitter mit Schwerpunkt
"Starkregen". Als Dämpfer stärkerer Gewitter könnte sich schauerartiger und
lokal gewittriger Regen entpuppen, der nach ICON bereits am Vormittag aus der
Schweiz in den Süden BWs und das Allgäu zieht und sich von dort in Richtung
Oberbayern verlagert. Allerdings wird dieses Szenario weder von IFS noch von GFS
mitgetragen, so dass diesbezüglich noch einige Fragen offen bleiben müssen. Nur
so viel für den Augenblick, auch in der Nacht zum Freitag bleibt die
Gewitterneigung südlich der wieder etwas nach Norden vorstoßenden
Luftmassengrenze (dann freilich als Warmfront) gegeben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Prognosen stehen - was die Basisfelder angeht - auf sehr breitem Fuß. Einige
Unsicherheiten in der Detailentwicklung sind im Text bereits angerissen worden.
Es fällt auf, dass die Kaltfront am Donnerstag wohl doch etwas weiter nach Süden
vordringt als das in einigen älteren Simulationen (auch aus der Mittelfrist
heraus) der Fall war.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann