DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-08-2017 21:00
SXEU31 DWAV 141800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 14.08.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nach ruhiger Nacht im Tagesverlauf von Westen her zunehmende Gewitterneigung,
dabei lokale Unwetter nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines LW-Trogs über
dem nahen Ostatlantik. Zwar nimmt die südwestliche Höhenströmung allmählich
zyklonalere Züge an als das tagsüber noch der Fall war, gleichwohl dürfte die
Nacht zum Dienstag eher beschaulich über die Bühne gehen. Daran ändert auch die
Tatsache nichts, dass das Bodenhoch seinen Schwerpunkt immer weiter von uns
entfernt (in Richtung baltische Staaten) und gleichzeitig die vor der Trogachse
befindliche Tiefdruckrinne den Westen des europäischen Kontinents erreicht. Es
mangelt an substanziellen Hebungsantrieben, so dass außer einiger
WLA-getriggerter hoher und mittelhoher Wolken- und ein paar weniger lokaler
Nebelfelder nicht viel zu holen ist aus der Atmosphäre - wenn die wenigen
abendlichen Gewitter im äußersten Süden, die immer noch möglich sind,
zusammengefallen sind. Das trifft übrigens auch auf den südöstlichen Wind zu,
der trotz Gradientzunahme tagesgangbedingt nicht wirklich aus dem Quark kommt.
Einzig in einigen exponierten Höhenlagen sowie auf der freien Nordsee kommt
etwas Bewegung ins Spiel, was unter dem Strich für ein paar wenige 7er-Böen
reichen könnte - also nichts, was einen echten Helgoländer aus der Reserve
locken könnte.

Dienstag ... ist es dann allerdings vorbei mit der atmosphärischen
Beschaulichkeit. So rückt nicht nur der Höhentrog mit seiner diffluenten
Vorderseite (=> PVA) immer dichter an den Vorhersageraum heran. Gleiches gilt
für die vorgeschaltete Tiefdruckrinne, die in ihrem hinteren Teil (also im
Westen) von einer Kaltfront abgeschlossen wird. Diese (abschließende) Kaltfront
wird wohl erst in den Abendstunden auf Deutschland übergreifen, um dann in der
Nacht zum Mittwoch rasch (im Norden rascher als im Süden) Boden nach Osten hin
gutzumachen. Ob vorher schon eine vorlaufende Kaltfront unser Land erreicht (was
der derzeitigen Analyse mit zwei Kaltfronten bei bzw. westlich von Irland
entsprechen würde (12 UTC)) oder es eher klassisch auf eine Konvergenz im
Bereich der niedertroposphärisch wärmsten Luft hinausläuft, ist derzeit noch
nicht sicher und hängt u.a. auch von bürointernen Einflüssen ab (Analysen
können eine sehr personenbezogene Angelegenheit sein).
Fakt ist, dass vor dem Trog ein WLA-Gebiet über den Norden des Landes
nordostwärts schwenkt, dessen hebungsdynamische Wirkung wahrscheinlich aber
weitgehend verpufft. So ist die Luftmasse im Nordosten, aber auch in den
östlichen Landesteilen zunächst noch zu trocken und auch nicht labil genug, als
dass nennenswerte Konvektion in diesen Regionen in Gang kommen könnte (selbst
dann wohl nicht, wenn sich tatsächlich von Westen her eine Konvergenz nähern
würde). Es läuft eher auf ein paar hohe und mittelhohe Wolkenfelder hinaus, die
ja bereits in der Nacht am Himmel erscheinen können.
Als nächstes fällt auf, dass auf der unmittelbaren Trogvorderseite (die Achse
liegt um 18 UTC etwa von der westlichen Nordsee bis nach Nordostfrankreich und
erreicht unseren Raum somit ziemlich spät) KLA diagnostiziert wird. Sie wirkt
dämpfend auf die PVA-induzierte Hebung, was neben dem späten Übergreifen
zusätzlich Dampf aus der ganzen Angelegenheit nehmen dürfte. Trotzdem steht uns
freilich eine gewitterträchtige Lage ins Haus, die bis in die Nacht zum
Mittwoch, im südöstlichen Bayern vielleicht sogar bis Mittwochvormittag andauern
wird.
Dabei ist - auf Basis numerischer Prognosen mit Unterstützung konzeptioneller
Überlegungen - folgender Ablauf vorstellbar:
Gegen Mittag kommt es im Westen und Nordwesten zu ersten präfrontalen Gewittern,
die sich wahrscheinlich - nicht zuletzt aufgrund zunehmender Scherung - alsbald
linienartig organisieren und sich unter Intensivierung über den Norden und die
Mitte ostwärts verlagern. Dabei besteht die Gefahr von Starkregen (PPWs bis 40
mm), größerem Hagel (ML-CAPE bis zu 1500 J/kg plus zunehmender Organisation) und
(schweren) Sturmböen (die Oberwinde sind zwar nur moderat, hochauflösende
Modelle wie z.B. das französische AROME zeigen aber die Möglichkeit ausgeprägter
bogenförmiger Strukturen an). Es spricht einiges dafür, dass die Gewitter in der
Basis markant abgewarnt werden können, wohl wissend, dass räumlich eng begrenzt
die Gefahr von Unwettern besteht. An der Kaltfront selbst, die dann zum Abend
hin auf den Westen und Nordwesten übergreift, kommt es zwar auch noch zu
schauerartig verstärkten Regenfällen und Gewittern, es lässt sich aber bereits
eine Stabilisierung der Schichtung ausmachen, die wirklich kräftigen
Entwicklungen entgegen steht.
Nach Süden hin fällt die Auslöse potenzieller Gewitter aus verschiedenen Gründen
offensichtlich deutlich schwerer als im Westen. Zwar sind ausreichend Labilität
und auch ML-CAPE vorhanden, z.T. ist die Luftmasse aber gedeckelt (CIN). Zudem
fehlen (zumindest prognostisch) im Bodenfeld klare konfluente Windstrukturen und
in der Höhe ist die (schwache) Strömung noch recht lange leicht antizyklonal
konturiert. Trotzdem reicht es am Nachmittag vielleicht für einzelne kräftige
Überentwicklungen, die am ehesten über dem Bergland generiert werden.
Ansonsten gilt noch zu erwähnen, dass die Sonne im Osten und Süden ordentlich
Gas gibt und die präfrontale subtropische Luftmasse dort bei T850 zwischen 14
und 18°C auf hochsommerliche 27 bis 32°C erhitzt. Aber auch sonst reicht es
trotz teilweise bewölkten Himmels und früh einsetzender Konvektion zu 24 bis
29°C.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich das gesamte synoptische System recht
zügig nach Osten. Dabei wird die Kaltfront die vorlaufende Konvergenz (oder
vorlaufende Kaltfront) sehr wahrscheinlich einholen und nach Norden hin rascher
durchgehen als im Süden, wo sie etwas zurückhängt und leicht ins Schleifen
gerät. Es kommt zunächst zu weiteren Gewittern, die ähnliche
Begleiterscheinungen aufzubieten haben wie tagsüber bis hin zu lokalen
Unwettern. Später beruhigt sich die Lage von Westen her, vor allem die Hagel-
und Sturmgefahr nimmt ab. Im Südosten, vornehmlich in Südostbayern, kann es aber
bis in die Frühstunden zu (teils gewittrigen) Starkregenfällen kommen.
Ansonsten steigt der Druck in der postfrontal einfließenden erwärmten
Atlantikluft an und bei auffächerndem Gradienten bildet sich stellenweise Nebel.


Mittwoch ... baut sich bei uns eine leicht flatternde südwestliche Höhenströmung
auf, in der zunächst ein kurzwelliger Rücken den Vorhersageraum passiert, bevor
ein nicht minder kurzwelliger Sekundärtrog folgt. Unter dem Strich sind dabei
aber keine substanziellen dynamischen Vertikalbewegungen zu erwarten, so dass
der Wetterablauf von anderen Mechanismen bestimmt wird.
Im Bodendruckfeld baut sich ein Hoch mit etwas über 1020 hPa auf, das sein
Zentrum im Tagesverlauf über Deutschland hinweg zum östlichen Mitteleuropa
verlagert. Dabei baut sich über weiten Teilen des Landes etwa bei 750 bis 800
hPa eine schwache, aber in den Prognosesoundings gut erkennbare Sperrschicht
auf, die feuchte und labil geschichtete Grundschicht von deutlich trockenerer
und stabilerer Luft in der mittleren Troposphäre trennt. Kurzum, mit dem
Tagesgang werden sich in der frisch eingeflossenen Atlantikluft Quellungen
bilden, die sich teilweise an der Inversion ausbreiten, aber auch größere
Zwischenräume für sonnige Abschnitte übrig lassen. Oder mit anderen Worten, es
wird verbreitet heiter bis wolkig und trocken bei Tageshöchstwerten von rund
20°C an den Küsten und bis zu 27°C in der Mitte.
Nach Süden hin, wo sich noch Reste der schleifenden Kaltfront befinden und auch
kein wirklicher Luftmassenwechsel vollzogen hat, ist es mit der Etablierung der
Sperrschicht nicht allzu weit her. Hinzu kommt die unweigerliche Tatsache, dass
die dort befindlichen Reste der Warmluft weiterhin über ein gewisses Quantum an
Labilität verfügen und ML-CAPE-Werte von vereinzelt bis zu 1500 J/kg aufgebaut
werden.
Nachdem die letzten nächtlichen Regenfälle und (vielleicht) auch Gewitter aus
dem Südosten Bayerns bis zum Vormittag abgezogen sind, lockert die Wolkendecke
vorübergehend auf. Am Nachmittag und Abend entwickeln sich dann mit diabatischer
Unterstützung insbesondere über dem Bergland einzelne Gewitter, deren Intensität
bis in den markanten Bereich geht. Wenn es dumm läuft - und bei konvektiv
geprägten Wetterlagen läuft es ziemlich häufig dumm - sind lokal eng begrenzt
sogar Unwetter durch Starkregen (PPWs nahe 30 mm, schwache Strömung) und/oder
Hagel nicht ausgeschlossen, auch wenn die fehlende Scherung gegen größeren Hagel
spricht. Sollte der o.e. Sekundärtrog etwas weiter südlich ansetzen als von ICON
gezeigt, wäre die Gewittergefahr auch im "Nicht-Bergland" noch etwas größer. So
oder so, mit 24 bis 29°C wird flächenmäßig definitiv wärmer als im Norden.

In der Nacht zum Donnerstag fallen die Schauer und Gewitter im Süden zusammen.
Vielerorts wird es gering bewölkt oder klar, wobei sich ein paar überwiegend
flache Nebelfelder bilden können.

Donnerstag ... wird das gesamte Strömungsregime schon wieder zyklonaler. Dabei
löst sich aus dem breiten, aber nur mit flacher Amplitude versehenen
Potenzialtrog über dem nahen Ostatlantik bzw. Westeuropa ein Randtrog, der im
Tagesverlauf von Frankreich und Benelux her auf Deutschland übergreift und
nachfolgend nordostwärts schwenkt. Dabei überlagern sich zumindest zeitweise
vorderseitige PVA mit WLA, so dass für Hebung auf der synoptischen Skala gesorgt
ist.
Im Bodendruckfeld rückt zunehmend ein veritables Tief mit etwas unter 990 hPa in
den Blickpunkt, das zur Mittagszeit gut 400 km südlich von Island liegt, Tendenz
laaangsam südwärts ziehend. Davon ausgehend erstreckt sich ein markanter
Bodentrog bis nach Mitteleuropa respektive Deutschland, dem man auf Basis der
numerischen Prognosen ein eigenständiges Frontensystem zustehen kann (ähnlich
wie bei einer Welle), während die eigentliche Kaltfront zunächst noch
west-nordwestlich von uns verbleibt.
Wie auch immer die synoptischen Details auch aussehen mögen, Tatsache ist, dass
von Westen her teils schauerartig verstärkte Regenfälle einsetzen, die sich im
Tagesverlauf ostwärts verlagern. Während die Gewittergefahr nach Westen und
Nordwesten hin mangels ausreichend Labilität gering ist, nimmt sie im Süden und
Osten sowie in Teilen der Mitte deutlich zu. So wird mit dem auf südliche
Richtungen rückdrehenden Wind die im Süden lagernde potenziell instabil
geschichtete Warmluft nordwärts geführt, wobei sie zunehmend gehoben wird. Die
Folge sind Gewitter bis in den markanten Bereich, lokal vielleicht sogar
Unwetter. Allerdings ist es für Details noch etwas zu früh. Während im Westen
und Nordwesten Temperaturmaxima von 20 bis 25°C auf der Karte stehen, sind es in
den übrigen Landesteilen 25 bis 30°C, im südöstlichen Bayern lokal punktuell
vielleicht sogar etwas darüber - bevor es zum Wochenende bergab geht...


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft sind sich die Modelle hinsichtlich der allgemeinen Entwicklung
weitgehend einig. Bei Niederschlagsprozessen und Gewittern offenbaren sich die
üblichen Unschärfen respektive Unsicherheiten, die vielfach erst kurzfristig mit
Nowcastingwerkzeugen ausgemerzt werden können.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann