DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-08-2017 09:00
SXEU31 DWAV 100800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 10.08.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrM (Trog Mitteleuropa)

Heute und am Freitag schauerartige Regenfälle, teils Stark- oder Dauerregen. Vor
allem nach Osten hin teils auch kräftige Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland auf der Ostflanke eines Höhentroges über
Westeuropa, in dem ein abgeschlossenes Höhentief integriert ist. Sein
Drehzentrum befindet sich heute früh etwa über Zentralfrankreich mit leichter
Verlagerungstendenz in Richtung Westalpen. Vorderseitig wird eine diffluente
südliche Strömung induziert, in der es durch PVA, teils unterstützt durch WLA zu
dynamischen Hebungsprozessen kommt. Hinzu kommen hebungsgünstige
Scherungsbedingungen in der Vertikalen, da sich unter der südlichen
Höhenströmung eine wenn auch flache (Mächtigkeit unter 1 km) und vergleichsweise
schwache nordwestliche bis nördliche Strömung etabliert hat. Sie ist das
Resultat der großräumigen Druckverteilung, die vom leicht nach Osten
verschobenen und bis nach Westeuropa reichenden Azorenhoch und einer vom Balkan
über Polen bis zur Ostsee verlaufenden Tiefdruckrinne geprägt ist.
Deutschland liegt genau zwischen den Stühlen, was aber auch auf die Luftmassen
zutrifft. So befindet sich die kühle, aus subpolaren Breiten eingeflossene
Meeresluft mit Taupunkten um 10°C überwiegend knapp westlich von uns. Lediglich
in den Nordwesten des Landes ist diese Luft auch schon eingeflossen, was dort
heute einen eher unspektakulären und weitgehend niederschlagsfreien Donnerstag
zur Folge hat. Auf der anderen Seite - also knapp östlich des Vorhersageraums -
befindet sich feucht-warme und instabil geschichtete Subtropikluft mit
Taupunkten bis zu 18/19°C, die aber immer mal wieder über die Landesgrenzen in
die östlichen und südöstlichen Regionen herüberschwappt. Zwischen diesen
Luftmassenextremen liegt in weiten Teilen des Vorhersageraums eine gemäßigte und
nicht überbordend labil geschichtete Mischluft (Td grob 12 bis 16°C), die nach
Westen und Osten hin jeweils durch meridional verlaufende und teils stark
wellende (Osten) Luftmassen abgegrenzt werden.
Zum Wetter des heutigen Tages: Dort kommt es im SW und W im Bereich der
westlichen Luftmasse aus der Schweiz heraus zu weiteren Regenfällen, Tendenz im
Tagesverlauf langsam ostwärts verlagernd und spätestens in der kommenden Nacht
deutlich abschwächend. Während sich die Modelle hinsichtlich der räumlichen
Verteilung dieses Regenkorridors weitgehend einig sind, herrscht bei der
Quantität nach wie vor Uneinigkeit. Akkumuliert über 12 h sollten die Mengen
größtenteils unter den Warnschwellen von 25 mm/12h (Dauerregen) bzw. 20 mm/6h
(Starkregen) bleiben. Lediglich im Odenwald-Spessart-Raum besteht eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit, dass diese Schwellen mal gerissen werden, auch wenn es
aktuell nicht danach aussieht. Hier muss ggf. kurzfristig gehandelt werden.
Ansonsten ziehen am Vormittag einige Restschauer aus der Nacht über den
Nordosten ab, wobei die Starkregengefahr allmählich und es stellt sich von
Süden vorübergehend eine Wetterberuhigung ein. In der zweiten Tageshälfte bilden
sich im Süden vornehmlich über Bayern (vor allem aus Österreich heraus) Schauer
und einzelne Gewitter, die sich bis zum Abend intensivieren und langsam gen
Mitte ausweiten (Richtung Thüringen und Sachsen). Dabei besteht die Gefahr (was
von einigen Modellen auch angedeutet wird), dass die konvektiven Zellen zu einem
größeren mesoskaligen System verclustern, das in der kommenden Nacht via Sachsen
und Thüringen nach Sachsen-Anhalt und BB, vielleicht auch noch in südöstliche
NDS (vor allem in die Harzregion) zieht. Bei PPWs von mehr als 30 mm (teils
sogar über 40 mm und nach ICON später im Oder/Neiße-Gebiet sogar über 50 mm)
muss gebietsweise mit Starkregen mit Mengen im markanten Bereich (ein- und
mehrstündig) gerechnet werden, aber auch die Unwetterschwelle von mehr als 25
mm/h respektive 35 mm/6h kann an der einen oder anderen Stelle überschritten
werden. Da die höchsten Labilitäts- und CAPE-Werte knapp östlich von uns
simuliert werden, ist das Augenmerk nicht nur auf Gewitter zu legen, sondern man
sollte auch nicht-gewittrigen oder nur von vereinzelten Gewittern durchsetzten
Starkregen auf dem Schirm haben. Am größten ist die Gewitterwahrscheinlichkeit
im grenznahen Bereich zu Tschechien und Polen bzw. im südöstlichen Bayern, wobei
Starkregen teils bis in den Unwetterbereich eindeutig die Nummer eins auf der
Agenda der zu beachtenden Begleiterscheinungen darstellt. Gleichwohl können
Hagel und Sturmböen freilich nicht ganz ausgeschlossen werden.
Bliebe abschließend noch zu erwähnen, dass wir es heute mit einer großen
Temperaturspanne zu tun haben, die von teils unter 15°C im Dauerregen
Südwestdeutschlands bis zu 25 oder gar 26°C im südöstlichen Bayern und an Oder
und Neiße reicht.

Freitag... überquert das Höhentief die Alpen allmählich in Richtung Norditalien,
trotzdem herrscht bei uns noch keine Entwarnung. Es bleibt nämlich ein weit nach
Norden reichender Sekundärtrog übrig, der weiterhin für ein zyklonales Umfeld in
der Höhe sorgt. Im Bodendruckfeld ändert sich relativ wenig, wir verbleiben
zwischen dem bis nach Westeuropa gerichteten Azorenhochkeil und der leicht
ostwärts verschobenen Tiefdruckrinne. Ein nennenswerter Luftmassenwechsel steht
dabei noch nicht ins Haus.
So einfach die Beschreibung der Wetterlage auch scheint, die Auswirkungen im
Detail sind äußerst diffizil und stellen offensichtlich auch die geballte
Numerik vor schier unlösbare Aufgaben. Klar ist eigentlich nur, dass es in
weiten Teilen des Landes erneut zu schauerartig verstärkten Regenfällen kommt,
die lokal sicherlich markanten Starkregen bringen und vereinzelt auch die
Unwetterschwelle erreichen oder knapp überschreiten werden. Allerdings
offerieren die Modelle ein sehr uneinheitliches Bild hinsichtlich der Intensität
allgemein sowie der räumlichen Platzierung warnrelevanter Hot-Spots im
Speziellen, was ein vorausschauendes, nicht in-situ-geprägtes Warnmanagement
äußerst schwierig macht - vor allem auch im Hinblick auf eine eventuelle, aus
mehreren Regenabschnitten bestehende Dauerregenwarnung (24-48 h). Betrachtet man
die 12h-RR-Prognosen für Freitag, so setzt ICON die Maxima mit bis zu 45 mm in
die Harzregion und nach Unterfranken. ECMF setzt die Peaks mit rund 30 mm nach
Oberhessen und in den Nordschwarzwald und in der Nacht zum Samstag noch einen
ins Rothaargebirge (knapp 30 mm). GFS ist allgemein schwächer aufgestellt und
setzt die höchsten Mengen (maximal um 20 mm) in die westlichen Landesteile. Das
neueste EURO4 von 00 UTC simuliert für morgen auch keine großen Mengen (und
liegt damit, auch in der Gesamtakkumulation bis Samstagfrüh, mehr als deutlich
unter dem 18-UTC-Lauf).
In puncto mögliche Gewitter besteht die größte Gefahr dafür im äußersten Osten
und Nordosten, wo nochmals etwas instabil geschichtete Warmluft (in abgespeckter
Version) von Polen herüberschwappen kann. Und auch im Südwesten kann es lokal
mal krachen, was einer leichten Labilisierung durch die Höhentiefpassage
geschuldet ist.
Temperaturmäßig landen wir bei gerade mal 13/14°C im Falle länger andauernden
Regens und bis zu 25°C an der Grenze zu unseren polnischen Nachbarn


Samstag... beginnen sich die troggebundenen Regenfälle bereits in der (Vor)Nacht
abzuschwächen, wobei die Modelle auch da noch sehr unterschiedliche Lösungen
hinsichtlich Intensität und räumlicher Verteilung anbieten. Fakt aber ist, dass
die Wetterlage beginnt sich umzustellen. Das Höhentief zieht zum Balkan ab und
das nördliche Trogresiduum schwenkt allmählich nordostwärts, so dass die
Höhenströmung über dem Vorhersageraum beginnt zu zonalisieren. Im Bodendruckfeld
weitet sich der Azorenhochkeil über Süddeutschland und die Alpen ostwärts aus,
während gleichzeitig von der Nordsee und Benelux die Kaltfront eines Sturmtiefs
über der Norwegischen See auf den Nordwesten übergreift. An der Front bildet
sich über Südnorwegen ein kleines Teiltief, zwischen dem und dem besagten
Azorenhochkeil sich der Gradient etwas verschärft. Für die ganz große Windnummer
wird es sicherlich nicht reichen, trotzdem sind an der Küste und in einigen
Hochlagen mit Tagesgang einzelne 7er-Böen, auf dem windanfälligen Blocksberg im
Harz vielleicht sogar eine stürmische Böe 8 Bft aus Südwesten möglich.
Regentechnisch fällt an den Alpen anfangs noch Regen, sonst entwickeln sich im
Südosten noch einzelne Schauer. Ansonsten breitet sich mit der Front
schauerartiger Regen von Nordwesten landeinwärts aus, wobei aber keine
Warnschwellen überschritten werden. Thermisch wird mit Tageshöchstwerten von 17
bis 22°C eher auf Sparflamme gekocht.

Modellvergleich und -einschätzung
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Auch wenn die Basisfelder innerhalb des Modellpools weitgehend kongruent und
auch konsistent simuliert werden, auf die Niederschlagsprognose trifft das
mitnichten zu. Im Text wurde das bereits schon mehrfach erwähnt. Was noch nicht
erwähnt wurde, dass auch die probabilistischen Verfahren keine eindeutigen oder
zumindest einigermaßen belastbaren Aussagen zulassen, was die Sache nicht
einfacher macht. Oder in anderen Worten, die Grenzen der Vorhersagbarkeit werden
uns mit der vorliegenden Lage einmal mehr eindrucksvoll vor Augen geführt,
zumindest dann, wenn man ins Detail gehen möchte.
So werden wir warntechnisch vielfach im Nowcastmodus mit kurzer Vorlaufzeit
agieren müssen, auch wenn am frühen Mittag wahrscheinlich eine Dauerregenwarnung
für die Harzregion nebst Peripherie herausgegeben wird.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Offmann