DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-08-2017 21:00
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 01.08.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts im Süden und Südosten noch Schwergewitterlage, allmählich nach Osten
abziehend. An den Folgetagen im Süden weiterhin heiß mit Gefahr vereinzelter
Gewitter- Unwetter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines
Langwellentroges, der sich vom Seegebiet nördlich Schottlands südsüdwestwärts
über die Iberische Halbinsel hinweg bis vor die marokkanische Küste erstreckt,
unterhalb einer recht kräftigen südwestlichen Höhenströmung. Im Verlaufe der
Nacht verlagert sich ein darin eingebetteter Kurzwellentrog rasch über den Osten
und Süden des Vorhersagegebietes hinweg ostwärts. Vor allem in der ersten
Nachthälfte werden über der Osthälfte aufgrund von PVA noch markante
Hebungsprozesse ausgelöst.
Im Bodenfeld verläuft - ausgehend von einem Tiefdruckgebiet über Südschweden -
ein langgestreckter Frontenzug von der Ostseeküste quer über Deutschland hinweg
südostwärts bis zum Saarland. Vorderseitig gelangte heute sehr warme bis heiße
und instabil geschichtete Luft in den Süden und Südosten des Landes. Die ML-Cape
erreichte laut Modell Werte von über 200 J/kg, die PPW-Werte teils über 40 mm.
Allerdings ist die Luftmasse aufgrund kräftiger niedertroposphärischer WLA stark
gedeckelt (CIN bis 600 J/kg!!), so dass es abseits der Front bis zum Abend noch
nicht zur Auslöse gereicht hat. Bis dato gab es lediglich eine sehr kräftige
Entwicklung bei Stuttgart, die sich aber nicht als sehr langlebig erwies.
Mit Annäherung und Passage des Kurzwellentroges und damit zunehmender Hebung,
aber auch mit beginnender Abkühlung der niederen Troposphäre und somit
schwächerer Deckelung dürfte es aber jetzt am Abend letztendlich doch noch
verbreiteter für Auslöse reichen. Ein erster Hot Spot deutet sich dabei aus der
Schweiz heraus an, wo sich im Mittelland bereits ein größerer Cluster gebildet
hat, der aktuell auf den Bodensee und Oberschwaben übergreift. Später kann es
dann auch weiter nördlich und östlich starke Entwicklungen geben, am ehesten
wohl in Bayern und dem Südosten Baden-Württembergs, dann vielleicht auch weiter
im Nordosten, in Sachsen und Brandenburg. Aufgrund der markanten Scherung (teils
über 25 m/s 0 bis 6 km, über 15 m/s 0 bis 1 km) sind auch die Nacht über hinweg
langlebige Strukturen (Bow-Echos) zu erwarten. Somit treten als
Begleiterscheinungen in erster Linie schwere Sturm- bis hin zu Orkanböen auf,
anfangs sind auch extreme Böen über 140 km/h nicht ausgeschlossen, auch größerer
Hagel über 3 cm, bei eventuellen vorlaufenden Einzelentwicklungen anfangs auch
über 5 cm sind möglich. Nicht zuletzt den hohen PPW-Werten geschuldet können
auch extreme Downbursts mit mehr als 40 mm in kurzer Zeit auftreten.
Im Laufe der zweiten Nachthälfte verlagert sich der Schwerpunkt der
Gewittertätigkeit mehr und mehr nach Osten mit zugleich allmählich abnehmendem
Unwetterpotenzial. Spätestens ausgangs der Nacht dürfte auch der Südosten
Bayerns aus dem Gröbsten raus sein.
Im Frontbereich dauern auch die Nacht über hinweg die schauerartigen Regenfälle
weiter an und kommen südostwärts voran. Darin eingelagert können auch noch
einzelne Gewitter mit Starkregen auftreten, das Unwetterpotenzial ist aber
gering.
Im Norden und Westen beruhigt sich das Wetter im Einflussbereich eines
durchschwenkenden Bodenhochkeils, die gebietsweise auftretenden Niederschläge
klingen ab und die Wolken lockern auf.


Mittwoch ... verbleiben wir unterhalb der recht glatt konturierten, aber
zunächst noch leicht zyklonal gekrümmten südwestlichen Höhenströmung. Ein darin
eingebetteter flacher Sekundärtrog erreicht bis zum Abend die Biskaya. Auf
dessen Vorderseite führt WLA im Tagesverlauf zu einem leichten Potenzialgewinn
über dem Vorhersagegebiet.
Auch der Bodenhochkeil weitet sich vor allem über der Osthälfte etwas nach
Norden aus, ehe im Nordwesten wieder leichter Druckfall einsetzt. Das
Frontensystem über Süddeutschland kommt aber nur geringfügig nach Norden voran.
Somit schwappt die bis fast zu den Alpen abgedrängte instabil geschichtete
Luftmasse bis zum Abend lediglich bis etwa zu einer Linie Schwarzwald -
Oberpfälzer Wald zurück.
Südlich davon werden erneut mehr als 1500 J/kg, punktuell auch mehr als 2000
J/kg ML-Cape simuliert bei PPW-Werten von mehr als 30 mm. Da aber nahezu kein
dynamischer Hebungsprozess auszumachen ist, ist Auslöse lediglich orographisch
getriggert denkbar und selbst viele Konvektion zulassenden Modelle haben kaum
Signale dafür im Programm. Sollte es dennoch zur Auslöse reichen, muss erneut
mit Begleiterscheinungen bis in den Unwetterbereich gerechnet werden, wenn auch
nicht so extrem wie heute. In erster Linie dürfte das bzgl. Hagel (2 bis 4 cm)
und Starkregen (um 30 mm in kurzer Zeit) der Fall sein. Zwar ist die
Wahrscheinlichkeit für Gewitter direkt an den Alpen noch am höchsten, dennoch
kann man generell in etwa südlich einer Linie Schwarzwald - Oberpfälzer Wald
deren Auftreten nicht ausschließen.
Im übrigen Land hat sich eine deutlich stabiler geschichtete maritime Luftmasse
breit gemacht, wobei bei schwachem Zwischenhocheinfluss keine markanten
Wetterereignisse zu erwarten sind. Lediglich im Mittelgebirgsraum könnte es
eventuell für den ein oder anderen kurzen Schauer reichen, wobei im östlichen
Bergland auch ein Gewitter nicht ausgeschlossen ist.
Im Westen und Nordwesten ziehen im Vorfeld des sich bis zum Abend zum Ärmelkanal
verlagernden okkludierenden Frontensystems eines Tiefs westlich der Britischen
Inseln dichtere Wolken auf, eventuell fällt am Abend auch schon etwas Regen.
Vor allem der Norden und Nordwesten gelangen in den Einflussbereich erwärmter
Meeresluft mit Temperaturen zwischen 9 und 12 Grad in 850 hPa. Weiter südlich
setzt sich Biskayaluft durch, während sich der äußerste Süden noch im
Einflussbereich der subtropischen Luftmasse aus dem westlichen Mittelmeerraum
befindet. Dort werden Höchstwerte zwischen 28 und 33 Grad erreicht, sonst
deutlich angenehmere 22 bis 28 Grad, an den Küsten etwa 20 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag greift das Drehzentrum des ostatlantischen
Höhentroges auf den Norden der Britischen Inseln über, wodurch die Höhenströmung
bei uns wieder etwas aufsteilt. Die instabil geschichtete Luftmasse kommt somit
wieder ein wenig nach Norden voran und erfasst - abgesehen vom äußersten Norden
- weite Teile Bayerns und Baden-Württembergs. Einzelne Gewitter sind dort
während der Nacht nicht ausgeschlossen, vor allem entlang und südlich der Donau.
Kleinräumig besteht dann auch Unwetterpotenzial, vor allem bzgl. Starkregens.
Allerdings ist mangels Hebung zumindest in Bayern nicht mit einer verbreiteten
Gewittertätigkeit zu rechnen, während das im Baden-Württemberg, vor allem im
Schwarzwald, der mehr und mehr in den Einflussbereich des Westeuropatroges
gelangt, eventuell doch der Fall sein könnte.
Markantere, vornehmlich durch WLA getriggerte, aber vor allem ausgangs der Nacht
auch durch PVA gestützte Hebung wird dagegen auf der Vorderseite eines nach
Benelux ziehenden flachen Kurzwellentroges über dem Westen und Südwesten, siehe
Absatz vorher) des Landes simuliert. Dabei greift das okkludierte Frontensystem
des sich allmählich nach Irland verlagernden Tiefdruckgebietes in den
Frühstunden auf den äußersten Westen und Nordwesten Deutschlands über. Die Folge
sind schauerartige Regenfälle, wobei ICON-EU im Westen stellenweise mehr als 15
mm simuliert. Signale für Starkregen gibt es aber keine.
Im Vorfeld der Front frischt der Wind aus Süd bis Südwest auf, eventuell reicht
es in den Frühstunden ganz im Westen in freien Lagen, am ehesten noch am
Nordrand von Venn und Eifel, für erste steife Böen (Bft 7).

Donnerstag ... verlagert sich der flache Kurzwellentrog über den Norden und die
Mitte des Landes sehr rasch hinweg ostwärts, verliert dabei an Kontur und somit
auch Wetterwirksamkeit. Dahinter stellt sich erneut eine recht glatt bzw. später
nach Süden zu auch leicht antizyklonal konturierte westsüdwestliche
Höhenströmung ein.
Im Bodenfeld überquert das teilokkludierte Frontensystem zumindest mit
schauerartigen Regenfällen Norddeutschland ostwärts, kommt aber über der Mitte
kaum mehr nach Süden voran. Die Intensität der Regenfälle lässt mit Passage des
Kurzwellentroges rasch nach, so dass keine warnrelevanten Mengen erreicht werden
(meist weniger als 5 mm, stellenweise mehr, ICON-EU im westlichen Bergland sogar
über 10 mm). Vereinzelt kann mit Kaltfrontpassage auch mal ein kurzes Gewitter
auftreten, vor allem nach Norden zu, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber
gering. Auch in der postfrontal einströmenden, lediglich in der niederen
Troposphäre labil geschichteten subpolaren Meeresluftmasse reicht es kaum mehr
für Schauer oder kurze Gewitter. Dafür verschärft sich im Nordwesten und Westen
an der Südostflanke des nach Schottland ziehenden Bodentiefs der Druckgradient
und er Wind frischt - auch unterstützt durch die sich im Tagesgang verstärkende
turbulente Durchmischung - deutlich aus Südwest auf. Dabei gibt es bis in die
mittleren Landesteile recht verbreitet steife Böen (Bft 7), in den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge auch stürmische Böen (Bft 8), auf exponierten
Gipfeln Sturmböen.
Der Süden und Südosten des Landes verbleiben nach wie vor im Einflussbereich der
instabil geschichteten Luftmasse, die sich noch ein wenig nach Nordosten
ausweiten kann und eventuell auch auf Sachsen und Thüringen übergreift. Erneut
werden mehr als 1500 J/kg ML-Cape simuliert bei PPW-Werten über 30 mm. Mit
Durchschwenken des Troges kommt dieses Mal auch etwas mehr dynamische Hebung ins
Spiel, zumindest vorübergehend, so dass wohl etwas verbreiteter mit Auslöse zu
rechnen ist. Dämpfend wirken dann allerdings wiederum die nachmittags und abends
leicht antizyklonal konturierte Höhenströmung und ein Bodenhochkeil, der dann
nach Süddeutschland schwenkt. Dennoch muss im Tagesverlauf auch vereinzelt
wieder mit unwetterartigen Entwicklungen, vor allem, was Starkregen und Hagel
betrifft, gerechnet werden, eventuell auch in Sachsen und Thüringen.
Im Norden bleibt es zunächst meist stark bewölkt, postfrontal kann sich
vielleicht wieder ab und zu die Sonne durchsetzen. In der Südhälfte scheint die
Sonne dagegen häufiger. Die Temperaturen ändern sich nur wenig, im Norden und
Nordwesten werden 22 bis 28 Grad, an der Nordsee etwa 20 Grad erreicht, im Süden
und Südosten wieder heiße 28 bis 33 oder gar 34 Grad (Südostbayern), wobei der
Kelch der heißesten Luft, die vor allem im Osten Österreichs und weiter südlich
für eine veritable Hitzewelle sorgt, glücklicherweise an uns vorübergeht.

In der Nacht zum Freitag greift ein weiterer Kurzwellentrog auf die Nordsee über
und erreicht morgens die Deutsche Bucht. Damit gelangen etwas höhenkältere und
labiler geschichtete Luftmassen dorthin, so dass es über der Nordsee einzelne
Schauer oder kurze Gewitter geben kann.
Das Bodentief zieht weiter zur nördlichen Nordsee, die Kaltfront kommt aber nur
langsam nach Südostdeutschland voran. Dort kann es nachts weiterhin einzelne,
teils kräftige Gewitter, gebietsweise auch gewittrigen Starkregen geben, wobei
das Unwetterpotenzial nachts nicht allzu hoch ist, am ehesten ist bzgl.
Starkregens ein Überschreiten der Warnkriterien denkbar.
Im übrigen Land verläuft die Nacht warntechnisch relativ ruhig. GFS simuliert im
Westen und in den mittleren Landesteilen entlang bzw. knapp nördlich der Front
leichte Regenfälle, ansonsten bleibt es meist trocken. Der Wind schwächt sich
ebenfalls ab, warnrelevante Böen (Bft 7 bis 8 aus Südwest) gibt es noch im
Nordseeumfeld und auf einigen Bergen.

Freitag ... zieht der Kurzwellentrog über Norddeutschland hinweg sehr rasch
nordostwärts, dahinter ist die westsüdwestliche Höhenströmung weiterhin sehr
glatt, aber wieder etwas zyklonaler konturiert. Dynamische Hebungsantriebe sind
kaum auszumachen und resultieren aus eingebetteten, aber nur sehr schwer
auszumachenden kurzwelligen Troganteilen.
Im Bodenfeld kommt die Kaltfront weiterhin kaum nach Süden voran und verwellt
immer wieder. Somit verbleiben zumindest weite Teile Baden-Württembergs und
Bayerns weiterhin im Einflussbereich der sehr warmen bis heißen und labilen
Luftmasse. Wo genau die Grenze zur stabileren verläuft, ist noch schwer
abschätzbar, tendenziell aber wohl weiter südlich als am Vortag. Aktuell fahren
die meisten Modelle sogar einen recht einheitlichen Kurs und simulieren die
Grenze in etwa vom Südschwarzwald nordostwärts bis nach Oberfranken verlaufend.
Südlich davon können sich bei ähnlichen Cape- und PPW-Werten wie am Vortag
erneut Gewitter entwickeln, über deren Häufigkeit und räumlicher Verteilung noch
keine genaueren Aussagen treffen lassen. Jedenfalls sind erneut unwetterartige
Entwicklungen, vor allem südlich der Donau, nicht ausgeschlossen.
Die Kaltfront selbst erweist sich nach Lesart der meisten Modelle als wenig
wetteraktiv. Nur vereinzelt werden an ihr Schauer simuliert, lediglich GFS hat
in einigen Läufen weiterhin teils skalige Niederschläge leichter bis mäßiger
Intensität auf der Karte, allerdings auch ohne warnrelevante Mengen.
In den Nordwesten und Norden gelangt weiterhin eine etwas höhenkältere
Luftmasse, wobei die Labilität eventuell für einzelne Schauer oder kurze
Gewitter reicht, am ehesten im Nordseeumfeld. Innerhalb kräftigerer
Entwicklungen kann es dann Graupel oder kleinkörnigen Hagel und bei Oberwinden
von etwa 40 kn in 850 bzw. 700 hPa auch mal eine Sturmböe geben. Auch außerhalb
der Schauer frischt der Wind im Tagesgang wieder deutlich auf, zumal sich der
Druckgradient an der Südflanke des bis zum Abend nach Südnorwegen ziehenden
Bodentiefs noch verschärft. Im Norden und in der Mitte des Landes gibt es
verbreitet steife, nach Norden zu und in freien Lagen auch stürmische Böen aus
West bis Südwest, auf den Berggipfeln und in exponierten Küstenlagen reicht es
eventuell auch für einzelne Sturmböen.
Die heißeste Luftmasse wird insgesamt etwas nach Südosten abgedrängt, dennoch
reicht es in etwa südöstlich einer Linie Nordbaden - Lausitz für Höchstwerte
zwischen 27 und 32, in Südostbayern vielleicht nochmal 33 Grad. Ansonsten liegen
die Höchstwerte zwischen 22 und 28 Grad, im Nordwesten zwischen 18 und 23 Grad.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle simulieren die großräumige Wetterentwicklung im
Kurzfristbereich alle ähnlich. Unterschiede gibt es hauptsächlich bzgl. der
räumlichen Verteilung und Intensität der konvektiven Niederschläge in
Süddeutschland.
Bzgl. der heutigen Lage fällt auf, das quasi sämtliche Modelle den starken
Deckel unterschätzt und recht verbreitet Auslöse simuliert haben. Allerdings ist
eine derartige "loaded gun"-Situation schon lange nicht mehr aufgetreten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff