DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-07-2017 21:00
SXEU31 DWAV 301800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 30.07.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Abgesehen vom Nordwesten und Norden ein variables Gewitter- und teils sehr hohes
Unwetterpotential. Im Süden und Osten bleibt es hochsommerlich heiß.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... liegt ein umfangreiches Höhentief mit Zentrum nördlich von Irland,
während über Ost- und Südosteuropa ein kräftiger Keil in Richtung Baltikum
vorstößt. Zwischen beiden Druckgebilden liegt Deutschland in einer strammen
Südwestströmung, in die mehrere Kurzwellen eingebettet rasch nach Nordosten
ziehen. Im Bodendruck wurde ein kräftiges Bodentief mit Kerndruck von rund 996
hPa (12 UTC) über der zentralen Nordsee analysiert, das weiter nach Nordost in
Richtung Südnorwegen/-schweden zieht, seinen Kerndruck dabei aber nur unmerklich
verändert. Die dazugehörige Warmfront hat den Norden Deutschlands nordostwärts
verlassen und nun richtet sich das Augenmerk auf die von Westen
hereinschwenkende Kaltfront. Präfrontal beeinflusst eine feuchte, warme und
labil geschichtete Luftmasse weite Bereiche Süd- und Ostdeutschlands mit
gemessenen bodennahen Taupunkten von 14 bis 18 Grad und lokalen Spitzenwerten um
20 Grad über Vorpommern. Die aus der Numerik ausgelesenen MLCAPE-Vorhersagen von
800 bis 1500 J/kg werden auch durch 12 UTC Soundingaufstiege gestützt (Stuttgart
[10739] mit 1500 J/kg, Kümmersbruck [10771] mit 800 J/kg und Lindenberg [10393]
mit 900 J/kg MLCAPE). Auch die aus der Numerik erwarteten 10 bis 20 m/s
hochreichende Scherung wurden in den Soundings gezeigt. Von daher besteht auch
am Abend bei jedem Gewitter, das sich im Süden und Osten Deutschlands
entwickelt, das Potential organisierter Konvektion. Der Zellmodus besteht aus
einer Mixtur organisierter diskreter Zellen (Multizellen oder Superzelle) und
einem zunehmend linienhaft anwachsenden Zellmodus dank verstärkter "cold pool"
Bildung bei konvektiven Gewitterclustern. Begleiterscheinungen wie großer Hagel,
Starkregen und Sturmböen sind zu erwarten, wobei auch schwere Sturmböen
besonders bei linienhafter Anordnung im Bereich des Möglichen liegen (Bft 10).
Bezüglich Tornadopotentials bestand noch bis zum frühen Abend über dem äußersten
Nordosten (Vorpommern) ein lokales Potential, da dort die sehr feuchte
Grenzschicht mit etwas rückdrehenden Winden für temporär förderliche Bedingungen
bezüglich einer örtlichen Tornadoentwicklung gut war. Mittlerweile (im Verlauf
des Abends) dreht der bodennahe Wind aber durchgreifend auf West, sodass dieses
Risiko rasch nachlässt. Hier ziehen die stärksten Gewitter zügig über dem
Nordosten in Richtung Ostsee ab, während die Gewitter- und Unwettergefahr über
Süddeutschland weiter andauert.
Im Westen und Nordwesten verläuft der Abend deutlich ruhiger und auch der mäßige
Wind aus Südwest flaut allmählich ab. Die Temperatur liegt zwischen 20 und 25
Grad im Westen und 23 bis 27 Grad im gesamten Osten.

In der Nacht zum Montag verlagert sich eine recht aktive Kurzwelle von Benelux
nach Norddeutschland und sorgt aus synoptischer Sicht für eine Fortdauer des
Hebungsantriebes. Gleichzeitig überläuft diese Kurzwelle auch eine quer über
Deutschland liegende und wellende Front, die sich grob von der Südpfalz bis zur
Oder erstreckt. Zwar nimmt die Labilität im Verlauf der Nacht immer weiter ab,
es muss aber weiterhin mit rund 200-500 J/kg zunehmend gedeckelten MLCAPE bei
unverändert starker hochreichender Scherung gerechnet werden (mit höherem
MUCAPE). Für Süd- und speziell Südostdeutschland bedeutet das zunächst eine
Fortdauer der Unwetterlage, bevor die Unwettergefahr nach Mitternacht allmählich
von West nach Ost nachlässt. Ansonsten muss auch entlang der Front, also im
Südwesten, der Mitte und über dem Nordosten mit wiederholt auftretenden
Gewittern gerechnet werden, die zumeist im markanten Bereich bezüglich
Starkregens und Sturmböen bleiben. Örtlich kann ein unwetterartiges Gewitter
allerdings nicht ausgeschlossen werden. Über dem Nordwesten und Westen verläuft
die Nacht bei teils aufgelockerter Bewölkung deutlich ruhiger mit einem nur
geringen Schauerrisiko. Die Tiefstwerte liegen zwischen 18 und 13 Grad und der
Wind weht abseits von Gewittern schwach bis mäßig aus Südwest und frischt
besonders über der offenen Nordsee noch zeitweise böig auf.

Montag ... ist weiterhin Geopotentialabbau über der Biskaya in Form eines sich
entwickelnden Langewellentroges zu erwarten, wobei die Strömung in der unteren
Troposphäre über Mitteleuropa vorübergehend antizyklonaler geprägt ist. Im
Bodendruck ist gar ein seichtes Bodenhoch zu erkennen. Derweilen verbleibt die
Frontalzone über Deutschland und sorgt in der mittleren und oberen Troposphäre
für eine Fortdauer der strammen Südwestströmung. Was auffällt ist, dass in
dieser Strömung zwar einzelne und von der Numerik variabel gerechnete Kurzwellen
gezeigt werden, die allerdings deutlich schwächer im Vergleich zum Vortag
ausfallen. Es ist fraglich, ob diese überhaupt eine große Rolle bei der
Entwicklung der Gewitter spielen werden. Die über Deutschland
wellende/schleifende Front sollte in etwa über der Mitte Deutschlands liegen und
spielt bei der Frage der Entwicklung von Gewittern eine entscheidende Rolle. Ein
weiterer wichtiger Faktor wird sein, wo die Schwerpunkte der Konvektion sein
werden, die aus der Nacht heraus die Entwicklung regional entscheidend
beeinflussen (z.B. verminderte Einstrahlung durch Restbewölkung). Des Weiteren
erwärmt sich die Luftmasse über Süddeutschland in 850 hPa fortwährend auf Werte
von mehr als 20 Grad, was eine Intensivierung des konvektionshemmenden "Deckels"
bedeutet. Wie gestern bereits angedeutet dürfte der Fokus für lokale Entwicklung
von Gewittern über dem Schwarzwald liegen, wo die quasi-stationäre Front und
Orografie im Zusammenspiel mit starker diabatischer Erwärmung für das
Durchbrechen des Deckels ausreichen sollte. Egal wo, jeder Aufwind, der über
Süddeutschland entstehen kann wächst in einer Umgebung, die sehr günstig für
organisierte und langlebige Konvektion ist. Dank einer sehr feuchten
Grenzschicht südlich der Front (durch zunehmende Evapotranspiration in Folge
kräftiger Einstrahlung südlich der Front sowie einer beständig konfluenten
Strömung entlang der Front) und weiter zunehmenden "lapse rates" steigen die
MLCAPE im Süden auf rund 1000 bis 2000 J/kg. Bei weiter starker hochreichender
Scherung von 15 bis 25 m/s sind die Bedingungen günstig, dass jedes Gewitter
organisiert und mit Superzellenpotential eine erhöhte Unwettergefahr durch sehr
großen Hagel, Starkregen und Sturmböen darstellt. Ob sich eine isolierte Zelle
oder ein großräumiger Gewittercluster entwickelt lässt sich wohl erst im Nowcast
endgültig beantworten. Abseits der Gewitter scheint im Süden häufig die Sonne
und das bei heißen 28 bis 33 Grad. Im Norden und Westen erwartet uns ein recht
schöner Sommertag, allerdings ziehen hier zeitweise dichte Wolkenfelder durch
und bergen ein geringes Schauerrisiko. Meist bleibt es jedoch trocken und das
bei Höchstwerten von 23 bis 28 Grad. Der Wind weht abseits der Gewitter im Süden
schwach aus Ost, im Nordwesten aus Südwest und frischt im Nordseeumfeld
zeitweise etwas auf.

In der Nacht zum Dienstag verschiebt sich der Langwellentrog zögernd weiter nach
Osten. In der Folge steilt die Strömung etwas weiter auf und kräftigere
Kurzwellen werden an dessen Ostflanke über Ostfrankreich nach Norddeutschland
geführt. Gleichzeitig wird die bisher quasi-stationär über der Mitte
Deutschlands liegende Front im Zuge der allgemeinen Rückdrehung des Windes
allmählich als aktive Warmfront nach Norden geführt und sollte den gesamten
Westen, die Mitte und den Nordosten Deutschlands erfassen. Besonders im Umfeld
der Front bleibt die Atmosphäre weiterhin labil geschichtet mit gedeckelten
MLCAPE von 400 bis 800 J/kg und deutlich höheren MUCAPE-Werten. Gleichzeitig
bleibt die Scherung sehr hoch mit einer 0-6 km Scherung von mehr als 25 m/s.
Vorhersagesoundings von ICON deuten zu dieser Zeit eine Konvektionsbasis
oberhalb etwa 800 hPa an, während die Grenzschicht relativ warm / gedeckelt
bleibt. Im Zuge der jeweiligen Kurzwellenpassagen dürften von Ostfrankreich über
die Mitte in den Nordosten wiederholt kräftige Gewitter ziehen, die
gegensätzlich zur normalerweise nächtlichen Abnahme der Unwettergefahr die
gesamte Nacht über ein hohes Unwetterpotential besonders durch Hagel und
Starkregen aufweisen. Wiederholt über dieselbe Region ziehende Gewitter können
aufsummiert über mehrere Stunden auch erhebliches Starkregenpotential aufweisen.
Wie groß das Stumböenpotential sein wird hängt davon ab, wie stark die Gewitter
in die gedeckelte Grenzschicht vorstoßen können. Im Süden bleibt es meist klar
und trocken, wobei die Tiefstwerte besonders in den Innenstädten kaum unter die
20 Grad-Marke fallen. Auch sonst bleibt es mit 19 bis 16 Grad sehr mild. Über
den Nordwesten und Norden ziehen dichte Wolkenfelder vorüber und hier bleibt es
meist trocken mit Tiefstwerten von 16 bis 12 Grad.

Dienstag ... ändert sich zwar auf der synoptischen Skala wenig, doch insgesamt
spitzt sich die Unwetterlage besonders mit Blick auf die "Zutaten" (u.a.
Scherung, Labilität) immer weiter zu. Die Warmfront kommt tagsüber nochmal etwas
weiter nach Norden voran und wird über dem Nordwesten und äußersten Norden
erwartet. Folglich spannt sich ein weiträumiger Warmsektor über weiten Bereichen
Deutschlands auf und wird nordseitig durch die Warmfront begrenzt. Dabei
verläuft der Tag nordseitig der Warmfront (über dem äußersten Nordwesten und
Norden) meist bedeckt mit länger anhaltendem Regen, der zeitweise auch konvektiv
verstärkt fällt. Allerdings deuten die Ensembles wie Cosmos-LEPS oder aber
EZMW-EPS nur mit sehr geringen Wahrscheinlichkeiten das Überschreiten der
Warnschwellen von 25 l/qm/12h an.
Südlich der Warmfront (also die restlichen Bereiche Deutschlands betreffend)
besteht zunächst einmal tagsüber erneut das Problem eines klaren
Hebungsmechanismus. Allerdings dürften schwache Impulse, die über die aktive
Warmfront geführt werden, sowie im Tagesverlauf durch intensive Einstrahlung
auch thermische sowie orografische Auslöse zunehmend wahrscheinlich werden. Das
bedeutet, dass im Tagesverlauf zunächst nur einzelne Zellen entstehen, die sich
jedoch rasch ausweiten und großflächiger werden (Clusterbildung). Aktuell liegt
der Fokus für die stärkste Entwicklung entlang der Front im Westen und weiter
bis in den Nordosten von Deutschland. Bezüglich der Zutaten steht ungewöhnlich
viel Labilität (1500 bis 2500 J/kg MLCAPE) und extreme Scherung (hochreichend 30
bis 35 m/s und um 20 m/s in den untersten 3 km AGL) zur Verfügung. Superzellen
sind wahrscheinlich mit teils extrem großen Hagel, orkanartigen Böen und
heftigem Starkregen. Besonders im Augenmerk dürften Zellen sein, die am Südrand
der Warmfront nach Osten ziehen und in eine ungewöhnlich feuchte und stark
gescherte Grenzschicht fußen. Kein Wunder, dass also auch das Tornadopotential
nicht unerwähnt bleiben sollte und aus heutiger Sicht besonders über der
nördlichen Mitte und dem Nordosten am größten ausfällt. Zusammengefasst: Bitte
behalten Sie die weitere Wetterentwicklung besonders für diesen Tag genau im
Auge und verfolgen Sie weitere Aktualisierungen z.B. über die Internetseite des
DWD!
Weiter im Süden und Osten (besonders von Bayern bis nach Sachsen) dürfte der
Deckel bis zum Abend die Konvektion meist unterdrücken, nur örtliche Auslöse
über dem Bergland mit entsprechender lokaler Unwettergefahr kann nicht
ausgeschlossen werden. Sonst bleibt es meist sonnig und trocken mit Höchstwerten
im Süden und Osten von 30 bis 36 Grad, im Südosten lokal noch mehr. Gemäßigter
fallen die Höchstwerte im Regen im äußersten Nordwesten und Norden aus mit 22
bis 26 Grad. Abseits der Gewitter weht der Wind nur schwach aus West.

In der Nacht zum Mittwoch dauert die Unwettergefahr in weiten Bereichen
Deutschland zunächst unvermindert an, wobei nur der Nordwesten und äußerste
Westen davon ausgenommen sind. Diese Regionen befinden sich rückseitig der
Front, die nun in Form einer Kaltfront allmählich nach Südosten vorankommt
(forciert durch eine kleine Bodentiefentwicklung, die sich über West- und
Norddeutschland in Richtung südliche Ostsee verlagert sowie Druckanstieg über
Benelux und der Nordsee). Die facettenreiche Unwetterlage verlagert sich dabei
im Verlauf der Nacht allmählich in den Süden und Osten Deutschlands, wo wohl die
gesamte Nacht über Unwettergefahr durch Hagel, Starkregen (einstündig, aber
durch Clusterbildung auch mehrstündig) und teils schwere Sturmböen herrscht. Im
Norden und Westen verläuft die Nacht zwar bewölkt, aber meist trocken und somit
deutlich ruhiger. Die Tiefstwerte liegen zwischen 20 Grad im Südosten und 13
Grad im Nordwesten. Der Wind weht abseits der Gewitter meist schwach aus West
bis Südwest, kann allerdings im Alpenvorland im Zuge einer regionalen
Gradientverschärfung zeitweise böig aus West auffrischen.

Mittwoch ... liegt Deutschland zwischen den Stühlen zwischen einer nach
Nordosten abziehenden Kurzwellen und vorderseitig eines neuen Troges vor Irland.
Die seit Tagen vorherrschende stramme Südwestströmung fächert in der Folge etwas
auf, was auch die Scherung über Deutschland abschwächen sollte auf allerdings
noch immer kräftige Werte von 15 bis 20 m/s (0-6 km Scherung). Erneut wird die
nach Südosten vorstoßende Kaltfront durch fehlenden Antrieb und eine zunehmend
strömungsparallele Ausrichtung über Süddeutschland quasi-stationär und trennt
die labile Luftmasse im Süden von deutlich trockenerer Luft im Westen und
Norden. Von daher beschränkt sich das Gewitter- und wohl auch erneut auftretende
Unwetterpotential auf den Süden und Südosten, vielleicht auch äußersten Osten
Deutschlands. Postfrontal gestaltet sich der Tag im Westen und Norden wechselnd
bewölkt und abgesehen von einzelnen Schauern meist trocken. Der Nordwest-Südost
gerichtete Temperaturgradient bleibt bestehen mit 22 Grad im Nordwesten und 32
Grad im Südosten. Der Wind weht schwach bis mäßig aus Südwest bis West.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie bereits gestern erwähnt besteht innerhalb der Modelle auf
synoptisch-skaliger Ebene eine sehr gute Übereinstimmung, so dass der allgemeine
Wetterablauf als sicher einzustufen ist. Weiterhin bereiten die unterschiedlich
gerechneten Kurzwellen bezüglich timing und regionalem Auftreten Probleme bei
der Regionalisierung des größten Gewitterpotentials. Für den Montag und
besonders für den Dienstag wird auch innerhalb der Ensembles Unwetterpotential
gezeigt, wobei als Beispiel der CAPE/shear Parameter beim EFI genannt werden
soll, der flächig in den betroffenen Bereichen über 0.8 bis 0.9 liegt mit einem
SOT von teils mehr als +2 !. Bezüglich Starkregenpotentials werden Signale von
COSMO-LEPS und EZMW-EPS gezeigt, die jedoch räumlich schwanken und abhängig von
der finalen Zugbahn der Gewittercluster sind. Lokal gehen die
Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25 l/qm Niederschlag in 12 Stunden auf über 30
% (z.B. Nacht um Montag im Süden und Nacht zum Mittwoch im Nordosten).
Allerdings wird dieser Niederschlag eher innerhalb weniger Stunden
(mehrstündiger Starkregen) und nicht als Dauerregen fallen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy