DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-07-2017 09:00
SXEU31 DWAV 210800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 21.07.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Tr W

Heute im Süden, nachts und am Samstag zunehmend auch wieder in den anderen
Landesteilen Gewitter mit Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegen wir auf der Vorderseite eines Troges über Westeuropa in einer
südwestlichen Höhenströmung. Dabei kommt das Drehzentrum des Troges über Irland
etwas nach Süden voran, aber kaum nach Osten, stromab formiert sich wieder ein
Höhenkeil, dessen Achse über dem Nordosten unseres Landes liegt und nur zögernd
nach NE abwandert. Das flache Hoch im Bodendruckfeld zieht etwas nordwärts und
von Südwesten weitet sich eine flache Rinne, ausgehend vom Tief bei Irland in
den Westen und Südwesten aus.
Dabei gewinnt schwülwarme und instabile Luft über dem Süden und Südosten wieder
nach Norden an Raum und breitet sich bis in die südliche Mitte aus. Weiter
nördlich bleibt eine trockenere und stabilere Luftmasse wetterbestimmend.
Mangels Hebung bilden sich dort nach Erreichen der Auslösetemperatur ausgehend
vom Bergland ab den frühen Nachmittagsstunden Schauer und Gewitter. Bei CAPE
Werten über 1000 J/kg und einem Wassergehalt von 30 bis 35 mm besteht vereinzelt
Unwettergefahr hauptsächlich durch heftigen Starkregen, da die Scherung fehlt
und bei gradientschwachen Bedingungen eher Einzelzellen, bzw. Multizellen
entstehen. Dennoch können ganz vereinzelt Sturmböen und Hagel nicht
ausgeschlossen werden, dass diese Begleiterscheinungen unwetterartig werden,
scheint aber unwahrscheinlich. Weiter nördlich sorgt schwacher
Zwischenhocheinfluss für einen freundlichen und ruhigen Tag, mal abgesehen vom
Nordosten, wo Reste der Tiefdruckrinne mit den eingelagerten Ausläufern zunächst
für wolkiges Wetter, an der Ostsee auch für vereinzelte Schauer sorgen können.


In der Nacht zum Samstag nähert sich der Trog von Westen her an und der Rücken
wird nach Nordosten abgedrängt, während die Rinne im Bodendruckfeld nach Norden
vorankommt. Somit breitet sich auch die instabile Luft wieder nach Norden aus,
deren Vordergrenze von einer Warmfront markiert wird, die ausgangs der Nacht von
Südniedersachsen zum Erzgebirge reicht, während die Kaltfront in den Westen
eindringt. Damit verstärkt sich nachts, gestützt durch zunehmende dynamische
Hebung kurzwelliger Tröge, die Gewitteraktivität deutlich, wobei sich die
Gewitter nach Norden ausweiten und Samstagmorgen Südniedersachsen und die Elbe
erreichen können, während es sich im Südwesten wieder beruhigt. Es besteht über
die Nacht hinweg die Möglichkeit vereinzelter Unwetter, vor allem durch
Starkregen. Möglicherweise formieren sich aus den Gewittern aus nicht gewittrige
Starkregengebiete.


Samstag... weitet der Trog seinen Einfluss etwas nach Osten hin aus, das
Drehzentrum liegt abends über Südwestengland, so dass wir mehr und mehr in den
Einflussbereich des Troges gelangen. Das fast achsensenkrecht darunter liegende
Tief am Boden weist dagegen kaum noch Entwicklungspotential auf und liegt nahe
dem Westausgang des Ärmelkanals. Von dort ausgehend reicht eine Tiefdruckrinne
nach Mitteleuropa hinein.
Wichtig für uns ist aber auch die Tatsache, dass trogvorderseitig durch positive
Vorticityadvektion und die Diffluenz in der Höhe kräftige Hebung auf Deutschland
übergreift und die schwülwarme und gewitterträchtige Luft weiter nach Norden
gesaugt wird und abends bis auf den äußersten Nordosten fast ganz Deutschland
beeinflusst. Im äußersten Nordosten blockiert hoher Druck über Nordeuropa das
Vorankommen der feuchtwarmen Luft. Damit liegt die Warmfront abends über dem
äußersten Norden, während die Kaltfront wellend über dem äußersten Westen kaum
nach Osten Boden gut machen kann.

Der Wassergehalt in der schwülwarmen Luft liegt zwischen 30 und 40 mm, zudem
sollt Cape wieder über 1500 J/kg, was aber abzuwarten bleibt. Die Generierung
der hohen Cape Werte hängt stark von der Einstrahlung ab, und damit von der
Frage wieviel Bewölkung die nächtlichen Gewitter hinterlassen. Dies lässt aber
vorab kaum abschätzen.
Dort wo es aber einstrahlt und labilisert liegt CAPE zum Teil ungedeckelt vor,
so dass die Gewitter tagsüber rasch wieder aufleben. Mit Annäherung des Troges
nimmt auch die südwestliche Höhenströmung etwas zu, entsprechend auch die
hochreichende Scherung, so dass sich organisierte, langlebige Strukturen bilden
können und die Unwettergefahr ansteigt. Neben Starkregen, dürften dann auch
Hagel und Sturmböen wieder eine größere Rolle spielen. Die Schwerpunkte
auszumachen fällt aus den erwähnten Gründen, zusätzlich zu den
Modellunsicherheiten, nicht leicht.
Ganz im Nordosten und ganz im Westen passiert mangels Labilität wohl nicht
allzuviel, ansonsten sind Gewitter mit Unwetterpotential nicht unwahrscheinlich.
Wobei in einem breiten Streifen von Niedersachsen bis zu Lausitz und nach
Ostbayern die Hebung eines tagsüber nach Norden ziehenden Kurzwellentroges am
stärksten greift und die größten Niederschlagsmengen simuliert werden. Insgesamt
zeichnet sich ein nächster Höhepunkt der Gewitteraktivität ab, auch eine
überregionale Unwetterlage ist nicht ausgeschlossen.
Im Westen beginnt im Tagesverlauf mit Kaltluftadvektion eine stabilere Luft
fußzufassen. Abends greift in diese Luft die Kaltfront des Bodentiefs über und
bringt im äußersten Westen schauerartigen Regen, der nur vereinzelt
gewittrig ist.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der Höhentrog mit seinem Drehzentrum zur
südwestlichen Nordsee, von Westen her greift ein weiterer kurzwelliger Anteil
auf Deutschland über. Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief verlagert
sich zur mittleren Nordsee. Die Kaltfront kommt bis in die Mitte Deutschlands
voran. Mit der auf Südwest bis West drehenden Grundströmung wird später die
instabilste Luftmasse nach Osten abgedrängt, anfangs kann es aber auch in der
Osthälfte noch einzelne kräftige Gewitter bis in den Unwetterbereich geben. Nach
kurzer Wetterberuhigung greifen die frontgebundenen schauerartigen Niederschläge
von Westen her bis morgens auf die mittleren Landesteile über und verstärken
sich aufgrund der dynamischen Hebungsprozesse vorderseitig des Kurzwellentroges
noch. Bei immer noch vorhandener MU-Cape gibt es auch Gewitter, die lokal eng
begrenzt von Starkregen begleitet werden können. Mit deutlich zunehmender
Scherung (teils über 20 m/s) sind auch organisierte Strukturen und stürmische
Böen, vielleicht auch Sturmböen denkbar, allerdings bleibt die Unwettergefahr
mangels Luftmassenqualität geringer.


Sonntag... verlagert der Höhentrog sein Drehzentrum in die südliche Nordsee. An
dessen Südostflanke bleibt die
westsüdwestliche Höhenströmung über Deutschland zyklonal konturiert, kurzwellige
Anteile lassen sich anhand der Hebungs- bzw. Advektionsfelder ausmachen. Das
Bodentief, mit Kern dann über der mittleren Nordsee, weist nur geringe
Verlagerungstendenz auf. Das Frontensystem überquert im Tagesverlauf auch die
Osthälfte des Landes, ihm folgt erwärmte subpolare Meeresluft. Mit Annäherung
des Bodentroges verschärft sich im Westen Deutschlands vor allem im
Nachmittagsverlauf der Druckgradient und der Wind frischt aus Südwest bis West
auf, vereinzelt gibt es steife,
in exponierten Mittelgebirgslagen eventuell stürmische Böen (Bft 7 bis 8).
Die frontgebundenen schauerartigen Niederschläge überqueren somit auch die
Osthälfte, wobei es auch Gewitter mit Starkregen geben kann. Je nachdem wie
lange es dort einstrahlt und sich Cape aufbauen kann, sind auch Unwetter im
Nordosten nicht ausgeschlossen. Spätestens zum Abend ziehen die Gewitter aber
auch von dort ostwärts ab. Dahinter kommt es nur vorübergehend zu einer
Wetterberuhigung.
Mit Annäherung des Troges wird im Tagesverlauf in den Nordwesten höhenkalte Luft
advehiert, die Temperatur in 500 hPa sinkt auf -18 bis -21 Grad, in 850 hPa auf
etwa 7 Grad. Somit lebt dort vor allem ab mittags die Schauertätigkeit wieder
etwas auf, bei einer simulierten Cape von mehreren 100 J/kg sind auch kurze
Gewitter mit Graupel, eventuell Starkregen und Böen 7 bis 8 Bft denkbar.
Auch im Südosten gibt es anfangs Gewitter, im Tagesverlauf breitet sich von den
Alpen her schauerartiger Regen zum Alpenrand und von dort bis zum südlichen
Bayerwald aus, da dort die Kaltfront schleifend zurückhängt.

Insgesamt steht ein eher wolkiger Tag ins Haus, vor allem im Süden lockern die
Wolken aber auch stärker auf. Bei 850 hPa-Temperaturen zwischen 7 Grad im
Nordwesten und 12 Grad im Südosten werden Höchstwerte zwischen 21 und 26 Grad
erwartet, im Südosten und Osten stellenweise darüber, an der Nordsee teils
darunter.
In der Nacht zum Montag kommt es mit Übergreifen der Haupttrogachse von Westen
her erneut zu schauerartigen, vereinzelt gewittrigen Regenfällen, und auch im
Südosten fällt längere Zeit Regen, der anfangs von einzelnen Gewittern
durchsetzt sein kann und lokal die 12 stündigen Dauerregenwarnkriterien reist.
Zumindest nach ICON Lesart, GFS simuliert noch ähnlich, die "Europäer" folgen
dem nicht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren den Ablauf großräumig ähnlich, wie so oft im Detail aber
mit größeren Unterschieden. Vor allem die Entwicklung am Samstag ist noch mit
Fragezeichen versehen. Aus Modellsicht, aber auch aus der Tatsache heraus, dass
die nächtlichen Gewitter oder Starkregenfälle mit der verbleibenden Bewölkung
den avisierten hohen Cape Werten und damit aber auch der hohen Gewittergefahr
tagsüber im Norden und Nordosten durchaus noch einen Strich durch die Rechnung
machen können. Angesichts dieser, auch schon im Text genannten Unsicherheiten
wird zunächst auf eine Vorabinformation verzichtet. Das Timing der Entwicklung
am Sonntag (Unwetter im Osten??) ist auch noch unsicher, ebenso wie der
eventuelle Dauerregen in der Nacht auf Montag. Abhilfe bringen vielleicht die
nächsten Modellläufe.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner