DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-07-2017 21:00
SXEU31 DWAV 191800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.07.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Gewitter bis hin zum Unwetter, heute im Nordwesten und in der Mitte und in der
Nacht auf den Norden und Nordosten übergreifend. Am Donnerstag im Osten und
Süden sowie in Teilen der Mitte erneut Gewitter mit Unwettergefahr.
Wahrscheinlichkeit von unwetterartigen Gewittern zum Wochenende hin jedoch
zusehends abnehmend.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einem Höhenkeil, der von einem von Karelien
bis ins Schwarzmeergebiet reichenden Trog im Osten und von einem sich vom nahen
Ostatlantik zur Iberischen Halbinsel erstreckenden Trog flankiert wird. Im
Bereich des Keils erfolgte Absinken und damit eine nahezu ungehinderte
Einstrahlung und Aufheizung der Luftmasse auf Temperaturen deutlich über 30 bis
35 Grad. Mit dem Schwenken der Achse des Keils nach Osten dreht die Strömung auf
Süd-Südwest. Mit dieser gelangt feuchtwarme und labil geschichtete Luft nach
Deutschland, wobei CAPE auf 1500 bis etwa 2500 J/kg steigt und der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser 30 bis über 40 mm, ganz im Westen auch bis 45 mm,
erreicht. Der Temp von 12 UTC von De Bilt bestätigt diese Vorhersagen.
Mit der südwestlichen Strömung wurde nicht nur Luft subtropischen Ursprungs,
sondern auch kurzwellige Tröge eingesteuert, die die Hebung für die Auslösung
von Gewittern gegeben sind. Somit waren die Voraussetzungen für eine
ausgewachsene Schwergewitterlage zumindest im Westen und Nordwesten Deutschlands
gegeben. Entsprechend entwickelte sich auch ein erster Gewitterkomplex, der ab
etwa 15 Uhr von Belgien kommend auf das südliche NRW übergriff und mit einer
hohen Unwetterwarnung versehen wurde. Laut Radar trat sogar größerer Hagel auf;
auch schwere Sturmböen waren dabei. Ab 16:30 Uhr begann der Komplex zu
verclustern und setzte danach im Nordwesten und auch im Südteil neu an. Bedingt
durch die nahezu nicht vorhandene Scherung wiesen die Zellen noch keine allzu
lange Lebensdauer auf.
Mit den Schwenken des Keils nach Nordostdeutschland setzt sich nahezu überall
eine süd-südwestliche und leicht mäandrierende Strömung durch. Mit dieser dringt
die feuchtlabile Luft weiter nach Nordosten vor. Der atlantische Trog kommt dann
bis zur Biskaya und zur Iberischen Halbinsel voran. Die diesem Trog vorgelagerte
Tiefdruckrinne weitet sich zusehends in den Nordwesten und später in den
gesamten Norden Deutschlands aus. Folglich sollte sich das Maximum der
Gewittertätigkeit in diese Gebiete verschieben. Gegenüber der aktuellen
Situation nimmt vor allem die niedertroposphärische Scherung noch deutlich zu.
Somit wären auch Konvektionszellen mit einer längeren Lebensdauer vorstellbar.
Aber auch in den anderen Gebieten südwestlich der Elbe und Berliner Urstromtal
ist die Schichtung hinreichend labil und die Luftmasse entsprechend mit Feuchte
geladen, so dass Gewitter bis hin zum Unwetter auch dort vorstellbar sind.
Allerdings ist dort die Hebung aufgrund der Nähe zum Keil deutlich schwächer
bzw. nicht vorhanden, so dass der Hebungsantrieb durch die Mittelgebirge
geliefert werden muss.
Im Laufe der Nacht können von Frankreich und auch von den Alpen her erneut
Gewitter bis hin zum Unwetter auf Deutschland übergreifen.

Donnerstag ... verabschiedet sich der Höhenkeil nach Osten, so dass sich über
dem gesamten Vorhersagegebiet eine südwestliche mäandrierende Strömung
durchsetzt. Die labilste Luftmasse mit CAPE bis annähernd 2000 J/kg und einem
Flüssigwassergehalt bis über 40 mm wird nach Nordostdeutschland abgedrängt.
Folglich sind dort Gewitter bis hin zum Unwetter (erneut durch größeren Hagel
und heftigen Starkregen, auch schwere Sturmböen nicht ganz auszuschließen) am
wahrscheinlichsten. Dort werden diese Entwicklungen durch niedertroposphärische
Scherung gestützt.
In den anderen Gebieten setzt sich mit einer auf West und später wieder auf
Südwest drehenden bodennahen Strömung eine etwas gemäßigtere Luftmasse durch.
Zwar ist auch dort die Schichtung noch hinreichend labil; Hebung wird geboten,
aber der Gehalt an niederschlagbarem Wasser geht auf 30 bis unter 25 mm zurück
und CAPE liegt nur noch bei wenigen hundert J/kg. Mit anderen Worten: Gewitter
sind auch dort zu erwarten; Unwetter jedoch deutlich weniger wahrscheinlich als
im Nordosten, aber nicht ganz auszuschließen. Von Westen einsetzende
Kaltluftadvektion kann dann auch mal für größere Auflockerungen und
Aufheiterungen sorgen und dürfte die hochreichende Konvektion weitgehend
dämpfen.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 24 bis 28, in Oder- und Neißenähe nochmals
bis 30 Grad und in Küstennähe sowie ganz im Nordwesten 20 bis 24 Grad.
In der Nacht zum Freitag weitet sich der über Westeuropa liegende Trog etwas
nach Süden aus, was die Strömung aufsteilen lässt. Die Strömung wird somit
leicht antizyklonal, was sich auch im Bodendruckfeld durch ein schwaches Hoch
bemerkbar macht, das für eine weitgehende Wetterberuhigung sorgt. Im Nordwesten
und Westen erfolgt dann eine merkliche Stabilisierung. Generell dürfte dann aber
in der zweiten Nachthälfte auch im Nordosten und ganz im Osten die
Gewittertätigkeit zum Erliegen kommen.

Freitag ... wird an der Vorderseite des westeuropäischen Troges (der
mittlerweile ausgetropft ist und sich in ein Höhentief über den britischen
Inseln umgewandelt hat) ein weiterer Kurzwellentrog nach Nordosten gesteuert.
Mit Annäherung dieses Kurzwellentroges steilt die Strömung auf, so dass die
feuchtlabile Luftmasse, die zuvor im Süden bereits zu den Alpen zurückgedrängt
war, wieder eingesteuert wird und in den gesamten Süden bis etwa zur Mainlinie
und in den Erzgebirgsraum hinein vordringt. Dies geht erneut mit einem Anstieg
des Gehalts an niederschlagbarem Wasser auf 25 bis etwa 35 mm einher. Da sich
dort eine diffluente Vorderseite abzeichnet, ist auch ein entsprechender
Hebungsantrieb gegeben. Folglich werden in diesen Gebieten Gewitter bis hin zum
Unwetter wieder wahrscheinlicher. Dabei kann das gesamte Spektrum bis hin zu
schweren Sturmböen ausgeschöpft werden. Allerdings ist die Scherung
vergleichsweise schwach, so dass langlebige Strukturen wenig wahrscheinblich
sind. Allerdings ist aufgrund des Charakters der Luftmasse die
Wahrscheinlichkeit für unwetterartige Entwicklungen nicht so hoch wie heute.
In den anderen Gebieten hält sich noch die eher gemäßigte Luftmasse. Zwar können
sich auch dort bevorzugt über den Mittelgebirgen einzelne Gewitter entwickeln.
Unwetter sind dort jedoch wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen.
Die Temperaturen ändern sich gegenüber Donnerstag nur unwesentlich.
In der Nacht zum Samstag wird der zuvor beschriebene Sekundärtrog um das
Höhentief herum gesteuert und erreicht den Südwesten Deutschlands. Folglich
kommt die feuchtlabile Luft im Osten noch weiter nach Norden voran. Da durch
diesen Kurzwellentrog einigermaßen Hebung generiert wird, dürfte im Südosten und
Osten sowie zum Teil auch in den mittleren Gebieten die Gewittertätigkeit noch
nicht so recht oder erst sehr spät zum Erliegen kommen. Wie weit dann die
Gewittertätigkeit noch auf den Südwesten übergreift, ist noch unsicher.
Zumindest in der ersten Nachthälfte sind Unwetter durch heftigen Starkregen,
weniger durch größeren Hagel oder Sturmböen, vorstellbar.
Im Nordosten und im Westen ist die Wahrscheinlichkeit für konvektive
Umlagerungen gering. Dort hat sich eine stabilere Luftmasse durchgesetzt, so
dass dort eine Wetterberuhigung zu erwarten ist.

Samstag ... liegt das wetterbestimmende Höhentief nach wie vor über den
Britischen Inseln. Der von diesem Tief ausgehende Haupttrog schwenkt nach
Ostfrankreich, wobei sich auch über dem Vorhersagebiet eine zunehmende
Zyklonalität bemerkbar macht. Dies lässt die Strömung im Norden und Nordosten
annähernd auf Süd drehen, wogegen sich sonst eine südwestliche Strömung
abzeichnet. Hinzu kommt eine ausgeprägte Diffluenz, was weitere Hebung
generiert.
Mit dieser Strömung gelangt die feuchtwarme und labil geschichtete Luft in den
Osten und Südosten Deutschlands. Hierdurch entwickeln sich im Tagesverlauf
erneut Gewitter bis hin zum Unwetter, wobei Unwettergefahr im wesentlichen durch
heftigen Starkregen und weniger durch größeren Hagel und schwere Sturmböen
gegeben ist.
In Ostseenähe und in Vorpommern wird diese Luftmasse durch ein schwaches Hoch
über Nordeuropa zurückgehalten. In den Westen gelangt eine gemäßigtere
Luftmasse; Kaltluftadvektion bewirkt dort eine Stabilisierung, so dass dort die
Voraussetzungen für hochreichende Konvektion nicht gegeben sind.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 24 bis 29, in Küstennähe und im Bergland
Werte um 21 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Der oben beschriebene Ablauf lässt sich auch bei abgeleiteten Größen
externer Modelle wie CAPE nachvollziehen. Allerdings zeigt EZMW für Freitag eine
höhere Wahrscheinlichkeit für eine Wetterberuhigung.
Probabilistische Verfahren wie COSMO-LEPS und das EPS des EZMW stützen
hinsichtlich der Verteilung der Luftmassen (CAPE!) die oben getroffenen
Aussagen.
Zum Wochenende hin wird die Unwettergefahr zusehends geringer. Dieser Prozess
setzt bereits morgen ein, da die labilste Luftmasse bereits nach Osten
abgedrängt ist. Dies wird auch von hoch auflösenden Modellen (simulierte
Radarreflektivität und 6-std. Niederschlagssummen) gezeigt. Allerdings sind
unwetterartige Entwicklungen (hauptsächlich durch heftigen Starkregen und
weniger durch größeren Hagel) nach wie vor nicht auszuschließen. Extreme
Unwetter sollte es dann allerdings nicht mehr geben.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann