DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-07-2017 21:00
SXEU31 DWAV 111800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.07.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute einzelne Gewitter, nordostwärts ziehend. Teils mit stürmischen Böen. Dabei
Starkregen vor allem im Osten und Süden nicht ganz auszuschließen, Unwetter
jedoch wenig wahrscheinlich.
Am Mittwoch im Norden und Westen Regen, in Staulagen der westlichen
Mittelgebirge wahrscheinlich Dauerregen oder Starkregen. Nach Süden hin
Gewitter, dabei Gefahr von schweren Sturmböen, auch orkanartige Böen nicht ganz
ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Vorderseite eines Troges, der sich vom
Nordmeer in die Nordsee erstreckt. Dabei greift die östliche Teilachse dieses
Troges auf Deutschland über und kommt bis Mittwochfrüh bis nach Ostpolen voran.
Vorderseitig erfolgt in der noch einigermaßen labilen Luftmasse Hebung, wodurch
sich erneut Schauer und Gewitter entwickeln. Der Gehalt an niederschlagbarem
Wasser geht weiter zurück und liegt dann "nur noch" bei 25 bis 30 mm, aber
gestützt durch den Tagesgang sind vor allem im Nordosten, aber auch an den Alpen
noch einmal kräftigere Entwicklungen vorstellbar (wiederum durch Starkregen),
wobei allerdings Unwetter zusehends weniger wahrscheinlich werden, aber nicht
ganz auszuschließen sind.
Von Westen her setzt, gestützt durch schwachen, nur in unteren
Troposphärenschichten vorhandenen antizyklonalen Einfluss, Stabilisierung ein.
Zwar wird es auch dort nicht niederschlagsfrei bleiben, Starkregen ist jedoch
deutlich weniger wahrscheinlich. In Verbindung mit Gewittern muss auch mit
stürmischen Böen gerechnet werden.
Allerdings lässt von Nordwesten und Westen einsetzende Warmluftadvektion in der
Nacht zum Mittwoch mehrschichtige Bewölkung mit Niederschlägen aufziehen. Diese
stehen in Verbindung mit einer auf Westeuropa übergreifenden Frontalwelle, die
über Südengland hinweg zum Ostausgang des Ärmelkanals (etwa vor die
Rheinmündung) gesteuert wird. Diese Welle deformiert die mitteltroposphärische
Strömung, so dass über der westlichen Nordsee und zur Bretagne reichend eine
Austrogung erfolgt. Dieser Trog wird nachfolgend die Funktion des Haupttroges
übernehmen. Wahrscheinlich werden bis Mittwochfrüh noch keine Warnschwellen in
Bezug auf Dauerregen erreicht. Im Südosten und im Osten bleibt es noch
weitgehend trocken, aber auch dort ziehen bereits mittelhohe und hohe
Wolkenfelder auf.

Mittwoch ... wird die entwicklungsgünstig liegende Frontalwelle bis in den
Nordosten Deutschlands gesteuert und erreicht am Abend die Oderbucht. Der
unmittelbar danach folgende markante Trog dringt unter weiterer leichter
Verschärfung bis in die Mitte Deutschlands vor. Da sich die Frontalwelle unter
dem Maximum der Vorticityadvektion befindet, ist von einer weiteren
Intensivierung dieser Welle wahrscheinlich bis hin zu einem abgeschlossenen Tief
auszugehen.
Im Bereich dieses Tiefs und an dessen Nordflanke ist die Schichtung stabil,
wodurch die Niederschläge einen skaligen Charakter aufweisen. Eine
Überschreitung der Warnschwellen in Bezug auf Dauerregen oder bei entsprechend
rascherer Verlagerung der Strukturen von Starkregen ist in den Staulagen einiger
westlicher und nördlicher Mittelgebirge (Hochsauerland, Rothaargebirge,
vielleicht auch Harz) sowie in Nordseenähe am wahrscheinlichsten. Unwetterartige
Dauerniederschläge sind jedoch unwahrscheinlich.
Dies ist auch nicht unbedingt die Gefahr. Eine wesentlich gefährlichere
Entwicklung vollzieht sich an der Südflanke des Troges sowie unmittelbar an
dessen Vorderseite. Bedingt durch das trogvorderseitige Rückdrehen der Strömung
auf Südwest dringt feuchtlabile Luft in den gesamten Südwesten und Süden
Deutschlands vor. Der Gehalt an niederschlagbarem Wasser steigt erneut auf 30
bis knapp 40 mm, trogvorderseitig kommt kräftige Hebung ins Spiel. Im Gegensatz
zur heutigen Lage nimmt die Scherung deutlich zu, was sowohl
niedertroposphärisch als auch bis in höhere Troposphärenschichten hinauf
reichend der Fall ist. Ab Mittag wären demnach im Westen und Südwesten und
danach im gesamten Süden und im östlichen Mittelgebirgsraum die Voraussetzungen
für organisiertere und möglicherweise sogar rotierende Strukturen hochreichender
Konvektion gegeben. Auch ohne Konvektion sind aufgrund des deutlich zunehmenden
Gradienten an der Südflanke der Frontalwelle im Süden und im Mittelgebirgsraum
sowie später rückseitig der Welle an der Nordsee stürmische Böen vorstellbar,
auf Berggipfeln können Sturmböen, exponiert auch schwere Sturmböen auftreten.
Kommen dann noch konvektive Umlagerungen ins Spiel, sollten schwere Sturmböen
und zum Teil auch orkanartige Böen in Betracht gezogen werden. Im 925 hPa-Niveau
sind als Windgeschwindigkeit bis 45 kt, in 850 hPa bis 60 kt zu erwarten, wobei
sich ein Low Level Jet ausbilden dürfte. Weiter nach Südosten hin sind derartige
Entwicklungen am wahrscheinlichsten, da dort zunächst, bedingt auch durch leicht
föhnigen Einfluss, noch Auflockerungen vorstellbar sind und der Tagesgang dann
voll wirksam werden kann.
Die Temperaturen gehen auf 17 bis 23 Grad zurück, nur ganz im Südosten sind noch
einmal bis 26 Grad möglich.
In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich der Trog nach Ostpolen und verliert
seinen Einfluss auf unser Wettergeschehen. Die Frontalwelle bzw. das Tief, das
aus dieser hervorgegangen ist, zieht zu den Baltischen Staaten. Damit ziehen die
Niederschläge in den Osten ab, wahrscheinlich ohne dass Warnschwellen in Bezug
auf Dauerregen weiterhin überschritten werden. Die Gewittertätigkeit kommt sehr
wahrscheinlich bereits in den Abendstunden zum Erliegen.
Allerdings wird durch das abziehende Tief im Osten ein kräftiger Gradient
aufrecht gehalten, so dass weiterhin Wind-, im Bergland und an der Ostseeküste
stürmische Böen und auf höheren Berggipfeln der östlichen Mittelgebirge
Sturmböen zu erwarten sind. Erst in den Frühstunden flaut auch dort der Wind
merklich ab.
In den anderen Gebieten sorgt der nachrückende Bodenhochkeil für eine
Wetterberuhigung, wodurch es verbreitet aufklart. Dort, wo es zuvor viel
geregnet hat, können sich flache Nebelfelder bilden.

Donnerstag ... greift der Höhenrücken auf Deutschland über, gefolgt von einem
weiteren Trog, der die Britischen Inseln erreicht. Allerdings wird der Rücken
flacher gerechnet als es bei weiter zurückliegenden Modellläufen der Fall war.
Das mit dem Rücken korrespondierende Bodenhoch verlagert sich nach Deutschland.
In dessen Bereich bleibt es schwachgradientig. Nachdem die letzten Niederschläge
aus dem Osten nach Polen abgezogen sind, bleibt es weitgehend niederschlagsfrei.
Im Tagesverlauf wird nur der Norden und Nordosten noch von dichteren
Wolkenfeldern gestreift. Ansonsten sorgt Absinken für Aufheiterungen und auch
für längere sonnige Abschnitte. Nennenswerte Konvektion sollte hierdurch
unterbunden werden.
Auf der Rückseite des dann nach Osten abgezogenen Troges ist in die mittleren
und nördlichen Teile Deutschlands kühlere Luft gelangt, so dass dort als
Tageshöchstwerte nur 17 bis 23 Grad zu erwarten sind. Am südlichen Ober- und
Hochrhein sollte die 25 Grad-Marke erreicht werden.
In der Nacht zum Freitag greift der nachfolgende Trog unter leichter
Intensivierung auf den Westen Deutschlands über. Der Trog nähert sich aber zu
einer tagesgangsbedingt ungünstigen Zeit, so dass sich dessen Wetterwirksamkeit
auf einzelne Gewitter in Nordseenähe beschränken dürfte. Vor allem nach Osten
und Süden hin ist noch das nach Osten abziehende Bodenhoch wetterwirksam, so
dass es dort aufklaren kann.

Freitag ... verbleibt Deutschland im Einflussbereich des o.g. Troges. In der
eingeflossenen labil geschichteten Luftmasse entwickeln sich wiederholt Schauer
und kurze Gewitter. Am wahrscheinlichsten sind diese im Nordwesten und Westen,
am geringsten ist die Wahrscheinlichkeit für konvektive Umlagerungen im
Nordosten. Unwetterartige Entwicklungen zeichnen sich jedoch nicht ab. Da es
sich um eine mäßig-warme atlantische Luftmasse handelt, ist die Konvektion für
unwetterartige Entwicklungen nicht hochreichend genug. In Verbindung mit
kräftigeren Schauern oder Gewittern sind vor allem im Westen und Süden
stürmische Böen nicht ganz auszuschließen.
Auflockerungen sind am ehesten im Süden zu erwarten. Zudem kann in diese Gebiete
die kühlere Luft noch nicht so recht vordringen, so dass in tieferen Lagen
erneut Maxima bis 25 Grad erreicht werden können. Ansonsten bewegen sich die
Temperaturen zwischen 19 und 23, in Küstennähe und im Bergland um 17 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Auch hinsichtlich der Frontalwelle ergeben sich keine gravierenden
Unterschiede mehr zwischen den einzelnen Modellen. Hoch auflösende Modelle
deuten die Passage mehrerer Staffeln an, die mit entsprechenden
Wettererscheinungen verbunden sein dürften. Allerdings werden von den Modellen
nur Böen bis hin zu Sturmstärke gezeigt. Hier findet die konvektive Komponente
noch keinen Eingang, so dass hinsichtlich der Abschätzung der Böen eher
konvektive Überlegungen zum Zuge kommen sollten.
Letztgesagtes trifft auch auf probabilistische Verfahren zu. COSMO-LEPS und auch
COSMO-DE EPS sprechen dabei eher auf die Böen an der Rückseite der Frontalwelle
an, die an der Nordsee und über dem Nordwesten Deutschlands gezeigt werden.
Signale für schwere Sturmböen sind gerade mal bei PEPS zu sehen.
In Bezug auf Dauerregen werden von COSMO-LEPS die Signale mehr zur Nordsee hin
verschoben. Deterministische Modelle wie auch PEPS lassen am ehesten eine
Überschreitung von Schwellenwerten in Bezug auf Dauerregen in den Staulagen der
westlichen und zentralen Mittelgebirge zu. Für unwetterartige
Niederschlagssummen lassen sich keine Indizien finden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann