DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-07-2017 09:00
SXEU31 DWAV 050800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 05.07.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wa
Heute und zunächst auch am Donnerstag höchstens im Bergland geringe
Gewitterwahrscheinlichkeit. Ab Donnerstagabend, in der Nacht zum und am Freitag
verbreiteter Gewitter mit erhöhtem Unwetterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich Deutschland zwischen einem umfangreichen
nordeuropäischen Höhentrog und einem flachen Rücken, der sich - eingebettet in
die ansonsten recht zonal konturierte Frontalzone - über Frankreich und die
Britischen Inseln hinweg nordwärts erstreckt, unterhalb einer nordwestlichen
Höhenströmung. Dabei hat ein kurzwelliger Anteil in der vergangenen Nacht und
heute Früh den Norden bzw. Nordosten des Landes überquert. Bis 00 UTC erreicht
der Rücken mit seiner Achse die Nordsee.
Im Bodenfeld dominiert über dem Vorhersagegebiet ein schwachgradientiges
Druckfeld. Einem Hochdruckgebiet über der Nordsee steht ein recht flaches Tief
über Finnland bzw. Nordwestrussland gegenüber, woraus über Nord- und
Nordostdeutschland eine schwache nordwestliche Bodenströmung resultiert, mit der
recht kühle bzw. mäßig warme Nordseeluft advehiert wird. Weiter südlich weitet
sich - ausgehend vom tiefen Luftdruck über der Biskaya - eine flache
Tiefdruckrinne bis nach Süddeutschland aus, womit sich dort von Südwesten her
eine sehr warme und zunehmend instabil geschichtete Luftmasse "breit macht".
Diese ist allerdings aufgrund der nieder- und mitteltroposphärischen WLA stark
gedeckelt. Resultierend daraus simulieren die vorliegenden, auch Konvektion
erlaubenden Modelle (COSMO-DE und WRF 4 km) eine zu starke Feuchteanreicherung
in der Grundschicht (Taupunkte nach ICON-EU zum 18 UTC-Termin 16 bis 20 Grad)
und entsprechend eine zu hohe Cape von punktuell mehr als 1500 J/kg. Zudem sind
vorderseitig des sich nähernden Rückens keine großräumigen dynamischen
Hebungsantriebe auszumachen. Somit dürfte sich - wenn überhaupt - Auslöse auf
die Orographie beschränken (Alpen, Schwarzwald, südostbayerischer
Mittelgebirgsraum), aber auch das erscheint wenig wahrscheinlich. Sollte es
dennoch für das ein oder andere Gewitter reichen, treten als Begleiterscheinung
am ehesten Starkregen (aufgrund der geringen Zuggeschwindigkeit bei ppw-Werten
zwischen 20 und 25 mm) und kleinkörniger Hagel auf.
Mehr Wetteraktivität ist dagegen wohl entlang des als Luftmassengrenze
fungierenden, aktuell in etwa entlang des nördlichen und östlichen
Mittelgebirgsraumes schleifenden Frontensystems zu erwarten. Dieses kommt
mangels Schubkomponente nur langsam nach Süden voran und erreicht bis zum Abend
in etwa eine Linie Niederrhein - Zittauer Gebirge. Die aktuell noch recht
verbreitet auftretenden schauerartigen Regenfälle im Nordosten schwächen sich
mit Abzug des Kurzwellentroges zwar erst einmal ab, allerdings dürfte im
unmittelbar präfrontalen Bereich bevorzugt nach Osten zu - hier vor allem
unterstützt durch die Orographie - die Niederschlagstätigkeit im Nachmittags-
und Abendverlauf wieder aufleben. Dabei sind neben Schauern auch einzelne
Gewitter zu erwarten, die ebenfalls lokal eng begrenzt von Starkregen,
kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen begleitet werden können. Betroffen
davon dürften am ehesten der Thüringer Wald, Erz- und Zittauer Gebirge sowie
deren Vorland sein. Immerhin simulieren GFS und ICON-EU punktuell mehr als 10
mm. Die Konvektion erlaubenden Modelle (insbesondere COSMO-DE) gehen die Sache
allerdings deutlich verhaltener an und simulieren lediglich vereinzelte (Arome
von 18 UTC, da sogar auch Richtung Westmünsterland) bis keine (COSMO-DE von 03
UTC) Gewitter in diesem Bereich.
Ansonsten steht aber ein warntechnisch ruhiger Tag ins Haus. In der Südhälfte
scheint überwiegend die Sonne und bei Temperaturen in 850 hPa, die bis zum Abend
auf 13 bis 17 Grad steigen, werden Höchstwerte zwischen 25 und 32 Grad erwartet.
In der Nordhälfte bleibt es im Bereich des schleifenden Frontensystems
vielerorts bedeckt, vor allem an den Küsten kann sich aber nach dessen
allmählicher Südverlagerung zum Nachmittag hin eventuell noch die Sonne
durchsetzen. Hier werden bei 5 (Ostsee) bis 12 Grad in 850 hPa lediglich
Höchstwerte zwischen 17 und 23 Grad erwartet.

In der Nacht zum Donnerstag steilt die Höhenströmung mit leichter Aufwölbung des
Rückens über der Nordsee vor allem im Nordosten des Landes etwas auf, während
der Westen mehr und mehr in den Rückenbereich gelangt. Somit nimmt auch die
Luftmassengrenze eine mehr und mehr Nordwest-Südost- Ausrichtung an und
erstreckt sich Donnerstagfrüh in etwa vom Westmünsterland bis nach Oberfranken.
Dabei lässt die Wetteraktivität im Frontbereich mit Annäherung des Rückens und
somit dominierenden Absinkens weiter nach.
Eventuelle Gewittertätigkeit kommt somit rasch zum Erliegen, ansonsten dürfte es
in der Nacht im Einflussbereich der Luftmassengrenze keine nennenswerten
Niederschläge mehr geben. Im Süden und Südwesten verläuft die Nacht meist gering
bewölkt, auch im Nordosten gibt es größere Lücken, wobei sich dort eventuell
etwas Nebel ausbilden kann. Während in den Ballungszentren Südwestdeutschlands
die Minima kaum mehr die 18 Grad unterschreiten, wird es im äußersten Norden und
Nordosten mit 6 bis 10 Grad recht frisch.


Donnerstag... schwenkt der Höhenrücken unter deutlichem Amplitudenverlust über
das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts und befindet sich am Freitag, 00 UTC
bereits über dem Westen Polens. Dahinter dreht die Höhenströmung wieder auf
West, wobei ein flacher, vor allem in 300 hPa aber recht deutlich auszumachender
Kurzwellentrog abends von den Britischen Inseln auf Benelux übergreift.
Trogvorderseitig verstärkt sich zum späteren Abend aufgrund von WLA und
unterstützt durch schwache PVA der Hebungsantrieb über dem Westen Deutschlands.
Im Bodenfeld kann die Luftmassengrenze nachmittags mit der wieder etwas
rückdrehenden Höhenströmung vor allem im Westen des Landes nach Norden
vorankommen und erstreckt sich abends in etwa vom nördlichen Emsland bis zum
Zittauer Gebirge. Die Advektion sehr warmer bis heißer und instabil
geschichteter Luft nach Süd- und Westdeutschland verstärkt sich noch etwas,
allerdings bleibt die Luftmasse im Einflussbereich des Rückens nach wie vor
stark gedeckelt, woraus erneut eine zu hoch simulierte Cape (bis 2000 J/kg
ML-Cape im Westen) resultiert. Die Temperatur in 850 hPa steigt im Süden und in
der Mitte bis zum Abend auf 16 bis 20 Grad, im Norden und Nordosten auf 8 bis 14
Grad. Konvektion dürfte sich zunächst, wenn überhaupt, erneut auf das Bergland
beschränken mit ähnlichen Begleiterscheinungen wie am Vortag (insgesamt steigt
bei auftretender Konvektion aufgrund etwas höherer ppw-Werte das
Unwetterpotenzial etwas an, vor allem kommen aufgrund des recht großen Spreads
in der Grundschicht auch mehr die Sturmböen ins Spiel, allerdings wird noch
weniger Auslöse simuliert als am Vortag).
Erst gegen Abend steigt - mit Annäherung des Kurzwellentroges - vor allem im
Westen im Bereich entlang bzw. knapp südlich der Luftmassengrenze das
Gewitterrisiko etwas an. Vorstellbar ist auch das Übergreifen eines größeren und
organisierten Komplexes (bis 20 m/s hochreichende Scherung reicht dafür wohl
aus) zum späteren Abend auf das Rheinland (vor allem WRF 4 km hat ein derartiges
Szenario auf der Karte). Dann steigt auch das Unwetterpotenzial an.
In der Südhälfte verläuft der Tag erneut recht sonnig und es wird noch heißer
als am Vortag, die Höchstwerte liegen zwischen 28 und 34 Grad. Auch im Norden
und Nordosten kann sich die Sonne im Tagesverlauf häufiger durchsetzen bei
allerdings deutlich gemäßigteren Höchstwerten zwischen 19 und 26 Grad.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der flache Kurzwellentrog von Benelux her
rasch ostwärts und erreicht morgens in etwa die Mitte (in 500 hPa) bzw. den
Westen (in 300 hPa) des Landes. Dabei bleiben die trogvorderseitigen
Hebungsprozesse im Großen und Ganzen aufrecht.
Im Bodenfeld nimmt die Luftmassengrenze wieder eine etwas zonaler orientierte
Ausrichtung an, kommt aber kaum mehr nach Norden voran. Mit der Hebung verstärkt
sich auch die Wetteraktivität in ihrem Einflussbereich deutlich. Ein flaches
Bodentief erreicht nach ICON-EU in den Frühstunden Belgien, nach GFS dagegen
eher den Norden der Niederlande, wodurch die Luftmassengrenze nach dem Modell
weiterhin eine leichte Nordwest-Südost Ausrichtung aufweist.
Vor allem knapp südlich der Luftmassengrenze dürfte die Gewitteraktivität
innerhalb der potenziell instabilen Luftmasse von Westen her zunehmen. Bei über
20 m/s 0 bis 6 km Scherung und bis 15 m/s 0 bis 2 km Scherung ist durchaus
organisierte Konvektion vorstellbar, z.B. in Form eines MCS, der von West nach
Osten über die (mehr oder weniger nördliche) Mitte des Landes hinwegzieht. Das
geschieht zwar zu einer eher ungünstigen Tageszeit, dennoch bleibt im Falle des
Auftretens eines solchen Szenarios das Unwetterpotenzial vor allem in der ersten
Nachthälfte noch recht hoch. GFS lässt die konvektive Aktivität im Westen weiter
nach Norden vorankommen. Insgesamt simulieren die Modelle in der Zone der
stärksten Aktivität recht verbreitet Mengen zwischen 10 und 15 mm in 12 Stunden.

Im Nordosten - nach ICON-EU auch im Nordwesten - sowie im Süden verläuft die
Nacht dagegen noch ruhig, eventuelle Gewitter im südlichen Bergland lösen sich
rasch auf. Erneut ist die Nacht im Norden deutlich angenehmer temperiert als im
Süden und Südwesten, wo in den Ballungszentren die 20 Gradmarke teilweise kaum
mehr unterschritten wird.

Freitag... schwenkt der Kurzwellentrog bis zum Abend rasch weiter nach Polen.
Dahinter wölbt sich zum Abend hin ein flacher Höhenrücken über den Westen und
Norden Deutschlands hinweg nordwärts auf.
Im Bodenfeld zieht das Tiefdruckgebiet von Belgien bzw. den Niederlanden über
die Mitte Deutschlands hinweg ostsüdostwärts. Rückseitig gelangt eine deutlich
stabilere Luftmasse in den Nordwesten des Landes, wobei dieser Prozess vom GFS
ein wenig langsamer als vom ICON-EU simuliert wird.
Im Warmsektor des Tiefs erreichen die Instabilitätsparameter jedoch ähnliche
Werte wie am Vortag. Erneut werden vor allem im Westen/Südwesten mehr als 1500
J/kg ML-Cape simuliert bei PPW-Werten von über 30 mm. Der Deckel dürfte deutlich
schwächer aufgestellt sein als an den Vortagen (am ehesten noch über
Südostbayern) bzw. kaum mehr vorhanden sein. Die Folge ist wohl recht
frühzeitige und verbreitete Auslöse in weiten Teilen der Mitte und des
Südwestens, wobei sich nach aktueller Modellsicht kaum Schwerpunkte ausmachen
lassen, zumal ja auch ein nächtlicher MCS prognosetechnisch ziemlich viel
durcheinander werfen kann. Im Südosten, also vor allem in Bayern, dürfte der
Deckel noch etwas länger halten, dort geht es wohl erst am Nachmittag oder gar
Abend so richtig los.
Insgesamt ist das Unwetterpotenzial recht hoch, vor allem, was Starkregen
angeht, da erneut teilweise von einer recht langsamen Zuggeschwindigkeit
auszugehen ist. Angesichts der Cape kommt natürlich auch der Hagel
unwettertechnisch ins Spiel, während das Thema Wind wohl eine nicht ganz so
große Rolle spielt. Insgesamt gilt: Je später die Auslöse, desto höher das
Unwetterpotenzial.
Außen vor bleiben wohl der Norden und Nordosten, nach ICON-EU auch der
Nordwesten. Auch im Westen setzt im Tagesverlauf wohl Stabilisierung ein.
Über die Verteilung der Sonnenanteile lassen sich noch recht wenig Aussagen
tätigen. Am sonnigsten dürfte es wohl im Südosten bleiben, auch an den Küsten
und im Nordosten scheint die Sonne recht häufig. Dazwischen bleibt es wohl eher
bewölkt. Somit erreichen die Temperaturen im Süden und Südwesten sowie in der
Mitte mit Höchstwerten zwischen 25 und 32 Grad wohl auch nicht mehr die Werte
des Vortages, dennoch wird die Luftmasse als unangenehm und schwül empfunden. Im
Norden und Nordosten ist es mit 20 bis 26 Grad dagegen sehr angenehm temperiert.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle unterscheiden sich hinsichtlich der großräumigen
Wetterentwicklung kaum. Im Detail sind die Differenzen vor allem hinsichtlich
der Verteilung der konvektiven Niederschläge naturgemäß etwas größer und wurden
im Text grob angesprochen.
In der Nacht zum Freitag und am Freitag tagsüber besteht wieder ein erhöhtes
Unwetterpotenzial. Aus aktueller Sicht wären in der Nacht vor allem der Westen
und die Mitte des Landes betroffen, am Freitag dann wohl am ehesten der Süden
und Südosten. Detaillierte Aussagen darüber lassen sich wohl erst am morgigen
Donnerstag treffen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff