DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-06-2017 09:00
SXEU31 DWAV 300800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 30.06.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TM (Tief Mitteleuropa) mit Übergang zu NWz (Nordwest zyklonal)

Heute im Norden weiterer Dauerregen, teils Unwetter, kommende Nacht nachlassend.
In den übrigen Landesteilen Schauer und einzelne Gewitter (maximal markant, vor
allem durch Starkregen oder stürmische Böen).
Am Wochenende unbeständig, warntechnisch aber wenig Arbeit.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung heute früh ein dipolartiges
Höhentief mit Drehzentren über dem Ärmelkanal und dem äußersten Norden Polens.
Die Drehzentren verlieren im Tagesverlauf immer mehr an Kontur, so dass das
Höhentief zu einer langgestreckten, fast wurstförmigen Ellipse mutiert, deren
Längsachse am Abend vom Baltikum bis zur Bretagne reicht (ICON, 500 hPa).
Korrespondierend dazu bildet sich im Bodendruckfeld ebenfalls ein dipolartiges
Tiefdrucksystem ab mit einem Minimum an der polnischen Nordküste (um 03 UTC
etwas unter 990 hPa) und einem sekundären Minimum an der englischen Ostküste.
Auch dieses Gebilde verschmilzt bis zum Tagesende zu einer langgestreckten
Ellipse, wobei das östliche Tief (RASMUND) den Hut auf hat und sich unweit von
Gotland einnistet, während vom westlichen Tief nur noch ein Bodentrog übrig
bleibt.
Wie auch immer, der größte Teil Deutschlands befindet sich auf der Südflanke des
gesamten Konstrukts, wobei von Westen her gemäßigte und leicht labil
geschichtete Meeresluft polaren Ursprungs einströmt. Durch den weiten Bogen, den
die Luftmasse um die breite Tiefdruckzone herum schlagen muss, ist sie deutlich
erwärmt, was auch an 850-hPa-Temperaturen zwischen 7°C (im äußersten NW) und
11°C (im äußersten SO) deutlich wird. Im äußersten Norden befinden sich noch die
Reste der mittlerweile abgehobenen feucht-warmen Luftmasse, die gestern Teilen
Ostdeutschlands extreme Regenfälle gebracht hat. Diese um das Tief nach Westen
geführte Luft wird in den nächsten Stunden mehr und mehr nach Norden gedrückt,
so dass der anfänglich im N und NO noch auftretende Dauerregen (im Wesentlichen
induziert durch WLA und veritablen Gegenstrom (W-NW unten, O oben)) nicht nur
tendenziell schwächer wird, sondern sich auch immer weiter in den äußersten
Norden zurückzieht. Da das Ganze aber nur sehr schleppend vonstattengeht, kommen
in einem Streifen von SH bis hinüber nach Vorpommern noch mal 10 bis 30 mm,
lokal um oder auch etwas über 40 mm Regen innert 12 h dazu. Warntechnisch
bedeutet das, dass die WU-Dauerregenwarnung in SH unangetastet weiterlaufen
kann, während es in MV eine WU-Verlängerung gibt. Ansonsten können die Warnungen
von Süden her allmählich abgebaut werden bzw. auslaufen.
Im großen Rest des Landes gestaltet sich der Wetterablauf wechselhaft mit
konvektiven Umlagerungen, die aktuell noch gedämpft unterwegs sind, mit dem
Tagesgang aber etwas an Stärke zulegen dürften. Dabei sind auch einzelne
Gewitter in Kalkül zu ziehen, deren Intensität aber maximal im markanten Bereich
anzusiedeln ist. Eine Regionalisierung etwaiger Gewitter fällt aufgrund nicht
vorhandener organisierter Strukturen schwer. Auffallend ist, dass die
850-hPa-Winde stärker sind als die 500-hPa-Winde, was für das Vorhandensein
eines Low-Level-Jets spricht. Auf alle Fälle ziehen die Zellen, was stürmische
Böen als begleitenden Parameter weit oben auf der Karte erscheinen lässt. Nach
Norden hin (knapp südlich des stratiformen Regengebietes) ist die Luft aber auch
ziemlich feucht (PPW um oder etwas über 25 mm), so dass auch das niedrig
angesetzte Starkregenkriterium von 15 mm/h rasch erreicht ist. Die Gefahr ist
bei PPWs unter 20 mm im Süden geringer. Die CAPE-Werte verbleiben unter 500
J/kg, so dass wohl im Regelfall nur von kleinkörnigem Hagel auszugehen ist.
Abgesehen von konvektiven Böen frischt der SW-W-Wind besonders auf der Süd- und
Südwestflanke des Bodentiefs soweit auf, dass die untere Warnschwelle 7 Bft
gebietsweise gerissen wird. Ansonsten werden zwar vereinzelt immer mal wieder
7er-Böen auftreten, großflächige Warnungen rechtfertigt das aber nicht. In
exponierten Kamm- und Gipfellagen einiger Mittelgebirge reicht es für Sturmböen
8-9 Bft. Während die Temperatur im bedeckten und regnerischen Norden bei
schlappen 15 bis 19°C verharrt, erwärmt sich die Luft in den übrigen
Landesteilen auf 19 bis 24°C.

In der Nacht zum Samstag kippt die gesamte Trogkonfiguration leicht nach
Südosten. Damit verlagern sich die Regenfälle mehr und mehr in den NW des
Landes, wobei die meisten Modelle eine weitere Abschwächung simulieren. 2 bis 10
mm stehen bis morgen früh auf der Karte, lokal vielleicht noch mal bis zu 15 mm,
so dass derzeit nicht von einer Verlängerung oder auch Neuausgabe von
Dauerregenwarnungen ausgegangen werden muss. Als signifikanter Abweichler
entpuppt sich das amerikanische GFS, das in Vorpommern ein signifikantes Maximum
von 25 bis knapp 40 mm simuliert - eine Menge, die weder von den anderen
Modellen noch von der Probabilistik unterstützt wird.
Ansonsten schwächt sich die Konvektion tagesgangbedingt ab, vor allem am
Alpenrand kann es aber immer noch mal regnen. Auch der Wind nimmt soweit ab,
dass Warnungen nicht mehr nötig sind, auch wenn es vielleicht in einigen
exponierten Hochlagen noch veritabel pfeift (LLJ).

Samstag... drehen sich das elliptische Höhentief respektive der Höhentrog sowie
der korrespondierende Bodentrog weiter gegen den Uhrzeigersinn, so dass diese
immer weiter südostwärts schwenken. Das Bodentief verlagert sich zur baltischen
Küste und die zugehörige Okklusion (die die herumgeholte und abgehobene Warmluft
markiert) kommt von NW her landeinwärts voran. Unterstützt durch andauernde WLA
verlagert sich auch der skalige (oder auch stratiforme) Regen von NW her weiter
landeinwärts, was großen Teilen der NW-Hälfte einen eher regnerischen Julistart
beschert. Im westlichen Mittelgebirgsraum werden dabei Mengen zwischen 5 und 10
mm innert 12 h erreicht, örtlich durch Stau auch etwas mehr, warnwürdige Mengen
zeichnen sich aber nicht ab. Auffallend ist, dass GFS das Maximum weiterhin im
Nordosten simuliert mit rund 20 mm unweit von Berlin.
Nach Süden und zur östlichen Mitte hin gibt es nicht nur gewisse Chancen auf ein
paar Auflockerungen, dort werden sich auch einzelne Schauer oder Gewitter
entwickeln, die aber maximal im markanten Bereich anzusiedeln sind (stürmischen
Böen, Starkregen, kleinkörniger Hagel). Abgesetzt von Schauern und Gewittern
frischt der südwestliche Wind vornehmlich im S und in der östlichen Mitte
mitunter stark böig auf mit einzelnen 7er-Böen, die wahrscheinlich aber schwer
abzuwarnen sein dürften, wenn man nicht ein "oversize-warning" akzeptieren
möchte. In einigen exponierten Hochlagen (Brocken, Fichtelberg, vielleicht
Feldberg im Schwarzwald) treten stürmische Böen 8 Bft auf.
Durch die starke Bewölkung und den Regen, aber auch bedingt durch die Tatsache,
dass die maritime Luftmasse nun auf direkterem Weg zu uns gesteuert wird, werden
in der NW-Hälfte nur noch 16 bis 20°C, in den übrigen Regionen 18 bis 23°C
erreicht.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der Höhentrog südostwärts durch, gefolgt vom
Bodentrog nebst eingelagerter Okklusion. Folgerichtig zieht auch das Regengebiet
mehr und mehr in die Südosthälfte. Die 12h-Mengen verbleiben überwiegend im
einstelligen Bereich abzüglich einiger weniger Staulagen (z.B. Schwarzwald oder
Erzgebirge), wo punktuell durchaus bis 15 mm, vielleicht auch mal bis zu 20 mm
zusammenkommen können. Abgesehen von einigen exponierten Hochlagen schwächt sich
der Wind ab, Gleiches gilt für anfänglich evtl. noch auftretende Schauer oder
Gewitter.

Sonntag... wandert ein kurzwelliger Höhenrücken ost-südostwärts über den
Vorhersageraum hinweg. Dabei korrespondiert er mit einem Keil des Azorenhochs,
der bis nach Süddeutschland gerichtet ist. Aber wie so oft in der Natur, nicht
überall, wo Hochdruckeinfluss draufsteht, ist auch Hochdruckeinfluss drin. Oder
mit anderen Worten, so wirklich dolle wird der Sonntag unter dem Strich nicht
werden.
Zum einen sorgen die Reste der inzwischen im Süden angekommenen Okklusion vor
allem südlich der Donau zunächst noch für Regenfälle, die sich wohl erst am
Nachmittag und Abend an bzw. in die Alpen zurückziehen. Besonders am
unmittelbaren Alpenrand fällt der Regen staubedingt auch mal etwas intensiver
aus, ohne dass dabei aber Warnschwellen gerissen werden. Die von ICON punktuell
angebotenen rund 20 mm/12 h spiegeln das "Höchste der Gefühle" wider, andere
Modelle sind defensiver aufgestellt.
Rückseitig der Okklusion etabliert sich ein von SW-Deutschland bis in den NO
reichender Streifen, in dem kompensatorisches Absinken weitgehend trockene
Verhältnisse und einige Auflockerungen garantiert. Noch weiter nordwestlich -
unmittelbar hinter dem abwandernden Rücken, quasi wenn die Luft rein ist -
greift dann schon das nächste okkludierende Frontensystem auf den W und NW über.
Es gehört zu einem Tief, das bis Mittag von den Färöer-Inseln in Richtung
Haltenbank zieht. Mit Annäherung der Front trübt es von der Nordsee und Benelux
her rasch ein und es beginnt leicht zu regnen oder nieseln. Zwar bleiben die
Mengen mit unter 5 mm gering, für einen tristen Sonntagnachmittag reicht es aber
allemal.
Warntechnisch gibt es kaum Arbeit, auch wenn der westliche Wind an der einen
oder anderen Stelle mitunter böig auffrischt. 7er-Böen sind aber die Ausnahme
(am ehesten noch im Osten). Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 18 bis 24°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die großräumige Entwicklung sehr ähnlich. Der größte
Unterschied betrifft den Regen in der kommenden Nacht und am Samstag, wo GFS
deutlich von den anderen Modellen abweicht (siehe Text).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann