DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-06-2017 09:00
SXEU31 DWAV 280800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.06.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
T M
Heute Osten, Norden und zum Teil in der Mitte Gewitter, dabei Unwettergefahr
durch heftigen Starkregen und größeren Hagel. Dabei Höhepunkt der Gewitterlage.
Am Donnerstag im Süden, danach eher im Osten Unwettergefahr durch ergiebigen und
zum Teil schauerartig verstärkten Dauerregen*

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegt Deutschland an der Vorderseite eines Troges, der sich
zusehends zum westlichen Mittelmeer ansaugt. Dies lässt die Strömung aufsteilen,
wodurch feuchtlabile Luft subtropischen Ursprungs nach Mitteleuropa gelangt.
Das korrespondierende Bodentief erstreckt sich über nahezu ganz Mitteleuropa,
wobei sich ein Zentrum über dem Emsland herausbildet. Ein weiteres Tiefzentrum,
das Bestandteil einer Tiefruckrinne ist, entwickelt sich in der wärmsten und
labilsten Luft über dem östlichen Mitteleuropa, wobei diese Luftmasse im
Tagesverlauf von der Kaltfront des Tiefs über den Niederlanden in den Osten
Deutschlands und später nach Polen und Tschechien abgedrängt wird. An der
Nordflanke des sich entwickelnden Tiefs verschärft sich der Gradient, so dass an
der Küste Windböen, in exponierten Küstenlagen auch stürmische Böen auftreten
können.
In der vorgelagerten Warmluft steigt im Norden und Nordosten Deutschlands der
Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis auf 45 mm, CAPE erreicht ganz im Osten
mehr als 1500 J/kg, auch wird durch kurzwellige Keil-Trog-Strukturen etwas
Hebung generiert, so dass in diesen Gebieten die Voraussetzungen für eine
Schwergewitterlage gegeben sind. Allerdings ist die Scherung dort, wo CAPE am
höchsten ist, nach wie vor schwach ausgeprägt, so dass langlebige organisiertere
Strukturen wie Superzellen eher unwahrscheinlich sind. Für Unwetter,
hauptsächlich durch heftigen Starkregen, nach Osten hin auch durch größeren
Hagel, sollte es mühelos reichen. Etwas geringer ist die Wahrscheinlichkeit von
heftigen Gewittern wahrscheinlich nur im Westen Deutschlands. In diese Gebiete
gelangt rückseitig der Kaltfront eine eher gemäßigte und weniger labile
Luftmasse. Auch ist dort der Hebungsantrieb nicht mehr so gegeben, das
Kondensationsniveau liegt deutlich höher und Scherung ist ohnehin kaum
vorhanden.
Auflockerungen sind im Osten und Südosten noch am wahrscheinlichsten, so dass
dort die Temperatur auf 25 bis 29 Grad steigt. Ansonsten werden 22 bis 26, im
Küstenbereich 17 bis 22 Grad erreicht.
In der Nacht zum Donnerstag überquert ein kräftigerer Sekundärtrog des über
Westeuropa liegenden Langwellentroges die Alpen. Hierdurch wird eine Zyklogenese
ausgelöst. Das sich dabei entwickelnde Tief wird bis Donnerstagfrüh auf
Vb-ähnlicher Zugbahn wahrscheinlich ein wenig östlich von Neiße und Oder nach
Norden gesteuert. An dessen Nord- und Westflanke kommen schauerartige und von
Gewittern durchsetzte Niederschläge in Gang, die von den Alpen her auf den Süden
Deutschlands übergreifen und nachfolgend den Osten erfassen. Wahrscheinlich
werden hierbei Unwetterschwellen überschritten. Da es sich bei diesem
Niederschlagsereignis zunächst um schauerartig verstärkten und gewittrigen Regen
mit Unterbrechungen handelt, wäre warntechnisch zunächst eher auf Starkregen als
auf Dauerregen zu orientieren. Entsprechend wird eine Unwetter-Vorabinformation
abgefasst.
An der Nordflanke dieses Tiefs bleibt ein kräftiger Gradient bestehen, so dass
an den Küsten weiterhin Wind- und auch stürmische Böen aus östlichen Richtungen
zu erwarten sind.

Donnerstag... bildet sich das allmählich nach Nordwestpolen ziehende Bodentief
zusehends auch in der mittleren Troposphäre ab, was zu einer Ausweitung des
westeuropäischen Troges nach Mitteleuropa führt. Vielmehr liegen dann weite
Teile Westeuropas und nahezu ganz Mitteleuropa unter einem ausgedehnten
Tiefdruckkomplex. Die wärmste und labilste Luft ist mittlerweile weit nach Osten
abgedrängt und wird durch dieses Tiefdrucksystem an dessen Nordflanke
"zurückgeholt". Dies geht im Nordosten und Osten Deutschlands mit zum Teil
länger andauernden und anfangs auch noch schauerartig verstärkten Niederschlägen
einher. Aufgrund des Charakters der einbezogenen Luftmassen können anfangs noch
Gewitter eingelagert sein. Sehr wahrscheinlich werden in einigen Regionen die
Schwellenwerte für Unwetter überschritten. Am ehesten kommen hierfür die Gebiete
in Oder- und Neißenähe, Teile der Lausitz und der Erzgebirgsraum in Frage. Da
dieses Ereignis wahrscheinlich (mit Unterbrechungen) bis in den Samstag hinein
anhält, wäre warntechnisch eher auf eine Dauerregenlage zu orientieren. Eine
entsprechende Unwetter-Vorabinformation wird vorbereitet.
Da mit den aktuellen Läufen diese Entwicklung ein wenig weiter östlich gesehen
wird, sind unwetterartige Niederschläge im Bereich der östlichen Mittelgebirge,
wie es am Vortag noch angenommen wurde, wenig wahrscheinlich. Allerdings ist
dieses Szenario bei weitem noch nicht sicher; Überraschungen in beide Richtungen
sind nach wie vor möglich.
An den Flanken des Tiefs treten Windböen (im Küstenbereich aus Ost bis Nordost,
im östlichen Mittelgebirgsraum aus Südwest) auf. In exponierten Lagen kann es
auch zu stürmischen Böen kommen.
Im Südwesten und im Süden wird durch einen weiteren Sekundärtrog Hebung
induziert, so dass in der dort eingeflossenen gemäßigteren, aber ebenfalls noch
labilen Luftmasse Schauer und Gewitter ausgelöst werden können. Aufgrund des
deutlich geringeren Gehalts an niederschlagbarem Wasser, der in diesen Gebieten
nur noch bei 20 bis 30 mm liegt, sind Unwetter durch heftigen Starkregen nur
noch wenig wahrscheinlich (aber nicht ganz auszuschließen).
Dazwischen wird es einen breiten Bereich geben, der sich etwa vom Westen bis in
den zentralen Mittelgebirgsraum erstreckt und wo sich kompensierendes Absinken
durchsetzt, was hochreichende Konvektion weniger wahrscheinlich werden lässt.
Am Nachmittag bewegen sich aufgrund der meist starken bis geschlossenen
Bewölkung die Temperaturen zwischen 17 und 23 Grad. Nur in Odernähe sind noch
einmal mit Hilfe der Sonne bis 25 Grad möglich.
In der Nacht zum Freitag schnürt sich der Trog ab und nimmt eine dipolartige
Struktur an. Aktionszentrum ist nach wie vor das Bodentief knapp nordöstlich der
Oderbucht. An dessen West- und Südflanke sind weitere schauerartig verstärkte
Niederschläge zu erwarten, die aus der "herumgeholten" Warmluft resultieren.
Aufgrund der weiter östlich prognostizierten Tiefposition ist die
Wahrscheinlichkeit für unwetterartigen Regen geringer als nach weiter zurück
liegenden Modellläufen.
An den Flanken des Tiefs bleibt es wie bereits am Tage zuvor windig;
gebietsweise treten weiterhin Windböen bis Bft 7 auf.
Im Westen und in weiten Teilen Süddeutschlands abseits der Alpen setzt
Wetterberuhigung ein, wodurch die Niederschläge nachlassen und die Wolken
auflockern können.

Freitag... bleibt die Tieflage über Mitteleuropa bestehen. Das Bodentief
verlagert sich zwar mit seinem Zentrum in die östliche Ostsee, aber von diesem
Tief ausgehend ist ein markanter Bodentrog nach Schleswig-Holstein gerichtet.
"Herumgeholte" Warmluft und deren Aufgleiten sorgt im Norden und Nordosten für
teils länger andauernde Niederschläge, wahrscheinlich werden jedoch
Warnschwellen nicht mehr überschritten.
An der Südflanke des Tiefdrucksystems gelangt in die anderen Gebiete gemäßigte
Meeresluft, wobei in die west- südwestliche Strömung kurzwellige Tröge
eingelagert sind. Diese Luftmasse ist noch recht labil geschichtet; CAPE
erreicht 500 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser von den Alpen bis zur
Mitte Deutschlands ansteigend knapp unter 20 bis etwa 30 mm. Daher können sich
bevorzugt im Bereich der Mittelgebirge erneut Gewitter entwickeln, wobei die
Wahrscheinlichkeit für Unwetter gering ist. An den Alpen kommt zunächst noch ein
leicht föhniger Effekt zum Tragen, was sich in einem relativ hohen
Kondensationsniveau äußert. Im Tagesverlauf können sich auch dort einzelne
Gewitter entwickeln.
In der Mitte und im Süden sind größere Auflockerungen zu erwarten, südlich der
Mittelgebirge sind auch längere sonnige Phasen möglich, d.h. durch die
Einstrahlung sind dann die Voraussetzungen für hochreichende Konvektion auch
wieder gegeben.
Im Norden, d.h. unter mehrschichtiger Bewölkung, bewegen sich die Temperaturen
zwischen 16 und 20 Grad. In der Mitte und im Süden werden 19 bis 24 Grad
erreicht.
In der Nacht zum Samstag setzt das dipolartige Tiefdrucksystem seine
Drehbewegung fort, wodurch sich der zuvor über Schleswig-Holstein liegende
Bodentrog in den Westen Deutschlands dreht. Dies lässt die Niederschläge, die
aus der herumgeholten Warmluft resultieren, vermehrt auf den Nordwesten und
ausgangs der Nacht zum Samstag auch auf den Westen Deutschlands übergreifen.
Warnschwellen werden jedoch wahrscheinlich nicht überschritten.
Im Bereich des Bodentroges frischt der Wind auf, so dass gebietsweise Windböen,
an der Küste und in exponierten Berglagen stürmische Böen auftreten können.
In den anderen Gebieten sollte die Konvektion bedingt durch den Tagesgang und
das allmähliche Entrainment trockenerer und stabilerer Luftmassen, zum Erliegen
kommen. Ein kräftiger Gradient bleibt jedoch auch in diesen Gebieten bestehen,
so dass von einer Wetterberuhigung noch nicht so recht die Rede sein kann.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die oben beschriebene Entwicklung wird hinsichtlich der synoptischen Basisfelder
von den verfügbaren Modellen ähnlich gezeigt. Prognoserelevante Unterschiede
lassen sich nicht ableiten. So zeigen auch alle Modelle eine Verschiebung der
Verlagerung des auf Vb-ähnlicher Zugbahn ziehenden Tiefs nach Osten, was die
Situation bzgl. der zu erwartenden Niederschlagssummen entschärfen würde. Nach
den aktuellsten Läufen wäre eine Überschreitung der Kriterien für Unwetter durch
heftigen Starkregen in Bayern bis zur Donauniederung sowie in Oder- und
Neißenähe am wahrscheinlichsten.
Probabilistische Verfahren ergeben ein unterschiedliches Bild. Während das EPS
des EZMW kaum noch Signale für unwetterträchtige Niederschlagssummen zeigt,
wären nach COSMO-LEPS in der Nacht zum Donnerstag von Südwesten her und am
Donnerstag vor allem in Teilen der Mitte Niederschlagssummen bis 100 mm
innerhalb von 12 Stunden vorstellbar. COSMO-DE EPS zeigt zwar weniger für den
Süden und Südosten, aber deutlicher am Donnerstag für den Osten Deutschlands
Signale für mehr als 70 mm Niederschlag innerhalb von 12 Stunden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann