DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

26-06-2017 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 26.06.2017 um 10.30 UTC



Gemäß Siebenschläfer Übergang zu einem wechselhaften Witterungsabschnitt mit vor
allem am Wochenende atlantisch geprägten Luftmassen. Anfangs im Osten kräftige
Regenfälle, teils auch Gewitter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 03.07.2017


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag
(vorletzter Junitag) befindet sich Deutschland am Ostrand eines langwelligen
Höhentroges mit Drehzentrum über Westeingang des Ärmelkanals. Korrespondierend
dazu findet man im Bodendruckfeld eins umfangreiches, mit mehreren Kernen
gespicktes Tiefdrucksystem, das etwa vom östlichen Mitteleuropa bzw. dem
nördlichen Balkan bis hinüber nach UK/Irland reicht. Von Norditalien bzw. dem
Alpenraum schwenkt im Tagesverlauf ein sich intensivierender Randtrog nach
Norden in Richtung Ostsee, der ein kleines aber sehr wirkungsvolles Bodentief
vor sich "herschiebt". Von Tschechien kommend zieht dieses Tief sehr gemächlich
entlang der deutsch-polnischen Küste gen Ostsee, um gegen Tagesende die
dänischen Inseln zu erreichen. Damit verfolgt das Tief - etwas vereinfacht
gesagt - eine Vb-artige Zugbahn, obwohl das grobe Strömungsmuster eher dem
Großwetterlagentypus TM (Tief Mitteleuropa) ähnelt.
Wie auch immer, Tatsache ist, dass mit Verlagerung des Tiefs die zuvor in weiten
Teilen Deutschlands wirksame feuchte und instabil geschichtete Warmluft von
Westen her durch (deutlich) erwärmte polar-maritime Luftmassen (die einen großen
Bogen um die umfangreiche Tiefdruckzone schlagen müssen) ersetzt werden. Dabei
kommt es besonders in der Osthälfte zu kräftigen, teils durch Gewitter
induzierten, auf der Tiefrückseite aber auch nicht-gewittrigen Regenfällen bis
in den (extremen?) Unwetterbereich. Wie das Ganze en detail abläuft und ob 1-,
6- oder sogar 12h-Stark- bzw. Dauerregenkriterien gerissen werden, muss noch
abgewartet werden.

Am Freitag kommt der LW-Trog unter Verkürzung seiner Wellenlänge etwas nach
Osten voran, so dass große Teile des Vorhersageraums davon okkupiert werden.
Bodennah befinden wir uns dann auf der Südflanke des sich über Südschweden
einnistenden Bodentiefs in einer mäßigen südwestlichen Grundströmung. Dass die
einfließende, leicht labil geschichtete Luftmasse nicht übermäßig frisch
respektive kühl ist, sieht man an den 850-hPa-Temperaturen, die etwa zwischen 7
und 10°C liegen (in 500 hPa sind es rund -20°C). Das Wetter ist wechselhaft mit
Schauern und einzelnen Gewittern, wobei je nach genauer Lage des Tiefs im
äußersten Norden und Nordosten zunächst auch noch stratiformer Regen fallen
kann.

Am Wochenende schwenkt der Höhentrog unter weiterer Einbuße seiner Kontur über
Deutschland hinweg ostwärts. Dahinter stellt sich nicht nur in der Höhe, sondern
auch im unteren Troposphärenbereich bis ganz unten eine recht flüssige
west-nordwestliche Grundströmung ein (tiefer Luftdruck über Nordeuropa,
Azorenhochkeil Richtung westliches Mittelmeer), mit der nun tatsächlich (da auf
direktem Wege) ein Schwall kühlerer Meeresluft aus subpolaren Breiten zu uns
advehiert wird. Bei 850-hPa-Temperaturen, die auf Werte um, zeit- und
gebietsweise sogar auf etwas unter 5°C sinken, gestaltet sich der Wetterablauf
weiterhin sehr wechselhaft mit meist schauerartigen Regenfällen und einzelnen
Kaltluftgewittern.

Am Montag deutet sich dann eine Wetterberuhigung an. Von Westen her nähert sich
ein anfangs noch ziemlich flacher, zum Dienstag hin sich aber aufwölbender
Höhenrücken, mit dem auch der Bodenluftdruck von Südwesten her beginnt zu
steigen. Damit beruhigt sich das Wetter, wobei der Norden eher am Rande des
Hochs verbleibt und damit anfällig für Störungen (z.B. den Rücken überlaufende
Warmfronten) mit etwas Regen ist.

Bereits am Mittwoch (wir befinden uns jetzt schon mitten in der erweiterten
Mittelfrist) scheint es mit der antizyklonalen Herrlichkeit schon wieder vorbei,
wenn von Westen her der nächste Trog mit vorgelagerter Tiefdruckrinne und
Kaltfront auf den Vorhersageraum übergreift - kräftige Gewitter inclusive.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Was den Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums ab kommenden Donnerstag
angeht, scheint sich das IFS vom ECMF soweit eingependelt zu haben, dass man von
einer guten Konsistenz sprechen kann. Das trifft vor allem auf Basisfelder wie
das Geopotenzial in 500 hPa und die Temperatur in 850 hPa zu, aber auch das
Druckfeld passt einigermaßen. Etwas größer sind die Diskrepanzen derzeit noch
bei den Parametern Niederschlag und Wetter (insbesondere Gewitter), was aber
durchaus von Bedeutung ist. Vornehmlich am Donnerstag werden für große Teile der
Osthälfte größere Niederschlagsmengen simuliert (stellenweise um oder sogar über
100 mm innerhalb von 24 Stunden, davon ein Großteil aber binnen 6 Stunden oder
in einem noch kürzeren Zeitraum), die offensichtlich nicht nur auf schwere
Gewitter, sondern auch auf nicht-gewittrigen Stark- respektive Dauerregen
zurückzuführen sind. Für einen genauen Ablaufplan, eine zeit-räumliche
Verteilung gewittriger und nicht-gewittriger Regenfälle sowie die Positionierung
und Quantifizierung von Niederschlagsmaxima ist es aber noch etwas zu früh.
Ab dem Wochenende nimmt die Kongruenz zwischen den jüngsten Läufen des IFS und
der aktuellen Version mehr und mehr ab. So ist der heutige Lauf etwas
zyklonaler aufgestellt als der gestrige von 00 UTC, was unter dem Strich mehr
Flächenniederschlag zur Folge hätte.
Noch größer werden die Unterschiede am Montag und Dienstag, wenn nämlich - nicht
wie gestern noch angenommen - ein neuer Trog mit wechselhaftem und relativ
kühlem Wetter über den Vorhersageraum hinwegschwenkt, sondern zumindest
vorübergehend ein Höhenrücken mit korrespondierendem Bodenhoch unser Land mit
wenig Regen (im Norden) und höheren Temperaturen erfasst. Unter dem Strich ein
Phasenunterschied der Wellen von nahezu 180°, den man auch nicht alle Tage zu
Gesicht bekommt!
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die an dieser Stelle üblicherweise begutachteten Globalmodelle (ICON, GFS, GME,
UKMO) zeigen einen der IFS-Version sehr ähnlichen Verlauf. Das trifft sogar -
zumindest durch die globale Brille betrachtet - auf die Schwerpunkte der
Niederschläge am Donnerstag zu, nachdem der 06-UTC-Lauf von ICON das um 00 UTC
über Westpolen gerechnete Maximum etwas nach Westen versetzt hat. Im Detail gibt
es freilich die gleichen Diskrepanzen, die im vorherigen Kapitel bereits
angesprochen wurden. Dazu gehört auch, dass ICON, GFS und auch GEM am Freitag im
Norden noch stärkere Regenfälle auf der Karte haben, während IFS diese über der
Ostsee und Südskandinavien sieht.
Was den Wochenbeginn angeht, setzen GFS und GEM ebenfalls auf die Annäherung
eines Höhenrückens, der bei GFS aber nachhaltiger ist als bei GEM.

FAZIT: Die grobe Richtung stimmt, auch wenn es anfangs noch mehrere Fragezeichen
hinsichtlich der Niederschläge und Gewitter gibt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die ECMF-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen einen
vergleichsweise homogenen Kurvenverlauf, in dem der Haupt- und Kontrolllauf gut
integriert sind. Zwar nimmt der Spread zum Ende hin zu, eine gänzlich andere
Richtung wird dabei aber nicht eingeschlagen. Allerdings liegen die beiden
deterministischen Läufe beim Temperatur- und Potenzialanstieg ab kommenden
Montag am oberen Rand der Kurvenscharen, so dass auch eine etwas gemäßigtere
Wetterbesserung denkbar wäre.
Die Clusterung für den Zeitraum T+120...168h (Samstag bis Montag) zeigt drei
Cluster (21, 17, 13 Fälle, HL/KL in CL 2), von denen CL 1 und 2 den Höhentrog
durchschwenken lassen, während CL 3 etwas träger in seiner Progression ist. Für
T+192...240h (Dienstag bis Donnerstag) wird nur ein einziges Cluster angeboten,
dass nach Rückenpassage (besser wäre -massage) das Übergreifen eines neuen
Troges zeigt.
Die GFS-EPS-Rauchfahnen weichen nicht wesentlich von denen des ECMF ab.
FAZIT: Auch auf Basis der EPS-Prognosen ist der allgemeine Trend bei allen noch
gegebenen Unschärfen relativ save.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Die üblichen EPS-Verfahren wie COSMO-Leps und (weniger) ECMF-EPS zeigen für
Donnerstag moderate Überschreitungswahrscheinlichkeiten bis zu 50% für
REGENMENGEN > 25mm/12h im Osten und Nordosten und geringe Wahrscheinlichkeiten >
40mm/12h (Unwetter). Das 90%-Perzentil von COSMO-Leps lässt sogar extremes
Unwetter > 70mm/12h zumindest örtlich zu. Dabei ist davon auszugehen, dass große
Regenmengen in einem noch kürzeren Zeitintervall fallen und diese nicht nur auf
Gewitter zurückgehen.
Schwere GEWITTER sind vor allem am Donnerstag noch ein Thema (Osthälfte). Danach
entwickeln sich auch noch einzelne Gewitter, die aber in weniger energiereicher
Luftmasse wahrscheinlich nicht unwetterartig ausfallen werden.
Für das Wochenende deuten sich für höhere Lagen und die Küste STURMBÖEN 8-9 Bft
aus westlichen Richtungen an.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit ECMF-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann