DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-06-2017 21:00
SXEU31 DWAV 261800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 26.06.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Von Südwest nach Nordost steigende Gewittergefahr. Am Dienstag und Mittwoch in
Teilen Deutschlands erhöhte Gewitter- und Unwettergefahr durch Starkregen und
Hagel. Zum Donnerstag im Osten und Nordosten zunehmende Starkregengefahr.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... ist eine wetterinaktive Kaltfront über der Mitte Deutschlands zu
finden, die sich zumeist nur in Form dichter Bewölkung von Nordhessen, Thüringen
bis nach Sachsen bemerkbar macht. Sie ist eingebettet in eine recht zonal
ausgeprägte Höhenströmung, wobei der 0-6 km Scherungsvektor recht parallel zur
Front gelegen auf eine nur geringe Südverlagerung hindeutet. Trotz ihrer
Wetterinaktivität macht sie sich besonders in Form eines markanten
Temperaturgradienten bemerkbar. Während der Abendstunden liegen die
Temperaturwerte im Norden zwischen 16 und 21 Grad und im Süden bei schwül-warmen
23 bis 27 Grad. Einzelne Schauer im Umfeld der Kaltfront fallen abends zügig in
sich zusammen, sonst bleibt es trocken. Davon ausgenommen ist allerdings der
äußerste Südwesten, wo im Verlauf des Nachmittag und Abend eine potentiell
gewitteranfällige Luftmasse einsickern konnte. Diese ist gekennzeichnet durch
mäßige Labilität von 400-800 J/kg MLCAPE und geringer Scherung.
Vorhersagesoundings zeigen ein recht hohes Kondensationsniveau mit geringem CIN,
sodass besonders entlang des Schwarzwaldes, der Alb und der Alpen abends
einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen werden können. Mit PPWs von 25-30 mm
sticht das Starkregenpotential dieser Gewitter etwas in den Vordergrund, denn
mit einer nur geringen Verlagerung dank sehr schwacher Höhenwinde und der
üppigen Feuchte sollte Starkregen im markanten und ganz vereinzelt vielleicht
auch im Unwetterbereich wenig wahrscheinlich sein. Recht niedrige Taupunkte
(teils einstellig) deuten zudem auf ein lokales Sturmböenpotential im Zuge der
Gewitterpassage hin. Der tagsüber böig wehende Westwind über dem äußersten
Norden schwächt sich rasch und durchgreifend ab.

Im Verlauf der kommenden Nacht (Nacht zum Dienstag) zieht ein breiter
Kurzwellentrog von Ostfrankreich in die Schweiz und sorgt stromabwärts für ein
Auffächern und Rückdrehen der Höhenströmung. Die Kaltfront beginnt mit
beginnender Südwestströmung als eine Warmfront nordwärts zu ziehen, kommt jedoch
nur geringfügig nach Norden voran. Diese Entwicklung ermöglicht einer mäßig
labilen und gedeckelten Luftmasse sich weiter nach Norden auszubreiten und
erreicht ausgangs der Nacht eine Linie Südpfalz-Chiemgau. Vorhersagesoundings
zeigen in diesen Regionen besonders zwischen 800 und 950 hPa eine recht üppige
Inversion, darüber jedoch hochreichende und dünne CAPE-Profile (rund 200-500
J/kg MLCAPE) mit einer sehr geringen hochreichenden Scherung. Großräumiges
Aufgleiten vorderseitig der Kurzwelle deutet auf die Entwicklung kleinere
Gewittercluster hin, die im Verlauf der Nacht aus der Schweiz und den Alpen
nordostwärts nach Baden-Württemberg und Bayern ziehen. Bei PPWs von rund 30 mm
steht der Starkregen im Vordergrund, allerdings dürfte die gedämpfte Labilität
die Auswirkungen eher im markanten "Ockerbereich" belassen. Ausgangs der Nacht
könnten diese in abgeschwächter Form auch die Eifel und den Bayerischen Wald
erreichen. Entsprechend der schwül-warmen Luftmasse und der dichten Bewölkung
verbleiben die Tiefstwerte zumeist zwischen 18 und 14 Grad. Nördlich der
Warmfront über Norddeutschland lockert de Bewölkung hingegen noch teils längere
Zeit auf und in der eingeflossenen trocken-kühlen Luftmasse gehen die
Temperaturen auf Werte zwischen 12 und 7 Grad, lokal bis 6 Grad zurück. Einzig
im Umfeld der Küsten bleibt es mit rund 13 Grad deutlich milder. Niederschlag
wird hier keiner erwartet.

Dienstag ... zieht der Kurzwellentrog aus der Nacht unter Abschwächung weiter
nach Nordosten und gerät unter einen durch Warmluftadvektion gestützten
Höhenkeil über Deutschland. Dieser Keil wird stromabwärts eines umfangreichen
Höhentroges induziert, der zum Abend über der Biskaya erwartet wird. Großen
Einfluss auf das Wetter in Deutschland wird der Keil allerdings nicht haben, da
besonders die niedertroposphärische Strömung weiterhin zyklonal geprägt bleibt
und eine aktive Warmfront über der Mitte Deutschlands sukzessive nach
Norden/Nordosten zieht. Rückseitig der Warmfront beeinflusst eine im
Tagesverlauf zunehmend labil geschichtete Luftmasse mit 500 bis 1000 J/kg MLCAPE
und PPWs von 30 bis 40 mm das Wettergeschehen, wobei die hochreichende Scherung
zumeist sehr gering ausfällt (einzig im Umfeld der über der Mitte Deutschland
liegenden Warmfront mit 0-6 km Scherung von rund 15 m/s erhöhte Werte).
Der Tag gestaltet sich von der Früh weg mit vielen dichten Wolkenfeldern, die
wiederholt aus der Schweiz und Frankreich über Deutschland nordostwärts
hinwegziehen. Aus der Nacht heraus treten besonders zwischen Eifel und
Bayerischem Wald noch die nächtlichen Gewittercluster auf, die nach einer
vormittäglichen Abschwächung auf ihrem Weg nach Nordosten bereits ab der
Mittagszeit wieder an Intensität gewinnen dürften. Hauptschwerpunkt der
intensivsten Gewitter scheint aus heutiger Sicht die Mitte Deutschlands zu sein
(NRW-Pfalz bis Nordbayern-Sachsen). Dort wird die Warmfront noch von der sich
abschwächenden Kurzwelle überlaufen und einhergehend mit der etwas stärkeren
Scherung sind in diesem Bereich organisierte Multizellen oder vereinzelt auch
Superzellen nicht unwahrscheinlich. Starkregen und Hagelschlag sollten die
Parameter sein, die am wahrscheinlichsten die Ausgabe von Unwetterwarnungen
rechtfertigen, aber lokale Sturmböen sind ebenfalls nicht auszuschließen,
besonders dann, wenn sich kleinere Gewittercluster ausbilden sollten. Zwar
deutet aktuell nicht viel auf ein erhöhtes Tornadopotential hin, doch zeigen
Vorhersagesoundings im direkten Umfeld der Warmfront eine sehr feuchte
Grundschicht mit regional erhöhter Windscherung in den untersten 1-2 km über
Grund, sodass ein örtliches Ereignis nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.
Weiter im Süden, in Richtung Alb und Alpen, dürften der fehlende
Hebungsmechanismus und eine etwas trockenere Schichtung das Gewitterrisiko etwas
dämpfen und sich eher auf das Bergland beschränken. Eine sehr geringe
Zellverlagerung und schwache Windscherung deuten hier auf ein erhöhtes
Starkregenpotential, örtlich auch im Unwetterbereich, hin.
Im Norden und Nordosten ist von der Gewitterluft nichts zu spüren. Dort dürften
die nordostwärts ziehenden und sich nordseitig der Warmfront dank fehlender
Energie (CAPE) allmählich abschwächenden Gewittercluster zeitweise Regen
bringen. Dazwischen bleibt es allerdings auch für längere Zeit trocken. Die
Vorhersage der Höchsttemperaturen erweist sich besonders in der Mitte sehr
schwierig, da abhängig von der Lage der Warmfront. Je nach Sonnenscheindauer
können hier schwül-warme 21 bis 28 Grad erreicht werden mit den höchsten Werten
in Richtung Lausitz und den niedrigsten Werten im Westen. Nördlich davon liegen
die Höchstwerte allgemein zwischen 19 und 23 Grad und klettern im Süden auf
schwül-heiße 27 bis 32 Grad. Die höchsten Werte werden entlang des Oberrheins
erwartet.

Im Verlauf der Nacht zum Mittwoch nähert sich der Langwellentrog über der
Biskaya weiter Deutschland an, wobei ein um diesen Trog herumgeführter
Kurzwellentrog besonders den Südwesten und Westen Deutschlands beeinflusst. Im
Nordosten sorgt der breite Höhenkeil zwar weiterhin für schwaches Absinken,
allerdings wird die aktive Warmfront allmählich in den Norden Deutschlands
geführt und überkompensiert das synoptisch-skalige Absinken.
Von daher werden deutschlandweit bei dichten Wolkenfeldern zahlreiche Schauer
und Gewitter erwartet, die zum Beginn der Nacht besonders über der Mitte teils
noch recht kräftig ausfallen sollten mit lokalem Unwetterpotential. In der Folge
verschwimmen dann die Schwerpunkte für die Entwicklung von Schauern und
Gewitter, sodass aus heutiger Sicht nur gesagt werden kann, dass deutschlandweit
die gesamte Nacht über einzelne Schauer und Gewitter zu erwarten sind. Die
höchsten Wahrscheinlichkeiten sind im Verlauf der Nacht über Norddeutschland im
Umfeld der Warmfront und dann auch im Südwesten mit der Annäherung der Kurzwelle
zu erwarten. Letztere könnten auch recht üppig/verbreitet und in Form eines
Gewitterclusters auf den Südwesten und äußersten Westen übergreifen. Während die
Gewitter im Norden von der Intensität dank nur geringen MUCAPEs eher schwach
ausfallen, besteht mit der Aktivität im Südwesten bei PPWs zwischen 35 und 40 mm
und 300 bis 700 J/kg MLCAPE die Gefahr von heftigem Starkregen. Dieser kann
innerhalb von 1 Stunde oder in einem 6-std. Zeitraum markant oder regional auch
unwetterartig ausfallen. Abseits des Regens könnte hochreichende Scherung von
rund 15 m/s lokal auch das Hagelpotential erhöhen. Die Tiefstwerte liegen
zwischen 19 und 13 Grad, wobei die niedrigsten Werte über dem Norden und
Nordosten zu erwarten sind.

Mittwoch ... weitet der Höhentrog über Westeuropa seinen Einfluss weiter nach
Südosten aus und erreicht das westliche Mittelmeer. Niedertroposphärisch
etabliert sich dabei eine markante Zyklogenese über dem östlichen Ärmelkanal.
Die Höhenströmung kippt weiter auf Süd und Deutschland gelangt in einen breiten
Warmsektor, der zwischen einer über dem äußersten Westen liegenden Kaltfront und
einer über Norddeutschland nordwärts abziehenden Warmfront aufgespannt wird.
Präfrontal dürfte sich eine Konvergenz von Nord nach Süd gerichtet über
Deutschland befinden, deren genaue Lage jedoch noch unsicher ist. Vorderseitig
dieser Konvergenz ist die labilste Luftmasse mit Werten von 800 bis 1500 J/kg
MLCAPE zu finden, die besonders Bayern und allgemein den Osten und Nordosten
Deutschlands betrifft. Dort steht einem Unwettertag nicht viel im Weg, da
gleichzeitig mit 15 m/s hochreichender Scherung die Zutaten für organisierte
Konvektion in Form von Multizellen und einzelnen Superzellen gegeben sein
sollte. Es besteht dabei eine erhöhte Unwettergefahr durch heftigen Starkregen
und Hagel, aber auch das Potential für Sturmböen dürfte im Vergleich zu den
Vortagen zunehmen.
Rückseitig der Konvergenz und vorderseitig der Kaltfront (also den Südwesten und
Westen betreffend) bestehen noch einige Fragezeichen bezüglich des finalen Grads
der Labilisierung. Konvektionscluster aus der Nacht zum Mittwoch dürften diese
Bereiche bis weit in den Tag mit konvektiv verstärktem Regen beeinflussen.
Eingebettete Gewitter dürften besonders wegen ihres Starkregenpotentials markant
ausfallen und der Fokus könnte bereits regional auf 6-std. Starkregenereignissen
liegen. Im Nachmittagsverlauf allerdings sollte sich die Bewölkung zeitweise
auflockern und mithilfe der diabatischen Komponente sind ungedeckelte 400-800
J/kg SBCAPE wahrscheinlich. Dies würde dann auch in diesen Regionen einige,
teils kräftige Schauer und Gewitter hervorrufen, die lokal mit Starkregen und
Hagel einhergehen. Dabei liegen die Höchstwerte im Norden und Westen zwischen 21
und 26 Grad und im gesamten Osten bei schwül-warmen 25 bis 30 Grad, in Richtung
Lausitz und Chiemgau auch geringfügig darüber.

Im Verlauf der Nacht zum Donnerstag richtet sich dann der Fokus auf die
Entwicklung östlich von Deutschland. Ein markanter Kurzwellentrog schwenkt
nordwärts über die Alpen nach Tschechien. Diese Entwicklung und ein südliches
Überströmen der Alpen sorgen für Druckfall über Tschechien, wobei die Modelle
recht einheitlich eine Teiltiefentwicklung zeigen, die in Richtung und später
entlang der Order nordwärts ziehen soll. Dieses Szenario ist prädestiniert für
eine umfangreiche Gegenstromlage bzw. großflächiges Aufgleiten, das besonders
den Südosten und Osten Deutschlands betreffen würde. Die Modelldiskrepanzen sind
zum jetzigen Zeitpunkt noch zu groß, als dass man exakte regionale
Unterteilungen durchführen könnte, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für
Starkregen (6-std.) besonders von Bayern bis nach Sachsen-Anhalt erhöht. Zudem
wird in diesen Bereichen die Labilität auch weiterhin nicht ausgeräumt, sodass
mit eingelagerten Gewittern gerechnet werden muss, die ebenfalls die
Niederschlagsmengen in die Höhe treiben. Im Westen und Nordwesten Deutschland
beruhigt sich das Wetter jedoch deutlich und abgesehen von einzelnen Schauern
bleibt es meist trocken. Die Tiefstwerte liegen zwischen 16 und 12 Grad. Der
Wind weht meist schwach aus Südwest, wobei das Potential einer Böenfront über
Südbayern mit stark böigem Westwind im Zuge einer raschen Kaltfrontpassage wenig
wahrscheinlich ist.
Donnerstag ... zieht der Kurzwellentrog weiter nach Norden und erreicht zum
Abend den Nordosten Deutschlands. Das bereits erwähnte Bodentief zieht unter
weitere Intensivierung die Oder entlang nach Norden und erreicht zum Abend die
südliche Ostsee mit einem Kerndruck von etwas unter 990 hPa. Diese
Tiefdruckverlagerung wird von ICON6-NEST, EZMW und GFS sehr einheitlich gesehen.
Die über dem Nordosten Deutschlands liegende Luftmasse ist weiterhin labil
geschichtet mit MLCAPE von 200-700 J/kg und wird in die markante
Bodentiefentwicklung über der Oder einbezogen. Vorhersagesoundings zeigen über
dem Nordosten klassische Bedingungen einer intensiven Gegenstrom-/Aufgleitlage.
Natürlich sind die exakten regionalen Schwerpunkte noch nicht herauszuarbeiten,
allerdings überzeugt doch die Persistenz und Übereinstimmung der Modelle für
diesen Zeitraum. Im Falle der Ausbildung eines markanten konvektiv verstärkten
Niederschlagbandes im Deformationsbereich dieses Tiefdruckgebietes über
Nordostdeutschland kann regional das Überschreiten der Unwetterschwelle für
6-std. und/oder 12.std Starkregen nicht ausgeschlossen werden. ICON6-NEST und
EZMWF liefern zwar unterschiedliche Schwerpunkte über dem Nordosten, allerdings
ähnliche 12-std. Spitzenwerte von 50-80 l/qm, lokal bis 100 l/qm unter einem
solchen Niederschlagsband. Im Süden und Westen ziehen bei wechselnder Bewölkung
zahlreiche Schauer und einzelne Gewitter vorüber und das bei gemäßigten
Höchsttemperaturen von 19 bis 23 Grad, im äußersten Osten bis 25 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis einschließlich Dienstag sind die Modelldiskrepanzen gering und auch die
regionale und zeitliche Lage der Kurzwellen sind sehr gut. Erst zum Mittwoch
nimmt die Unsicherheit bezüglich der Lage von Kurzwellen etwas zu. Mit Blick auf
die großräumigen synoptischen Strukturen kann auch am Donnerstag eine hohe
Übereinstimmung festgestellt werden (Bodentief zwischen ICON6_NEST und EZMW/GFS
weniger als 100 km verschoben).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy