DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-06-2017 21:00
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 20.06.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute und am Mittwoch bevorzugt über dem Bergland Süddeutschlands einzelne und
zum Teil heftige Gewitter, dabei Gefahr von Starkregen und Unwetter nur mit
geringer Wahrscheinlichkeit. Am Donnerstag dann sehr wahrscheinlich eine
Schwergewitterlage.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland am Rande eines breiten Höhenrückens, der sich,
ausgehend von der Iberischen Halbinsel, über die Britischen Inseln hinweg nach
Norden aufwölbt und der sich nur wenig nach Osten verlagert. Das
korrespondierende Bodenhoch weitet sich von den Britischen Inseln allmählich
nach Mitteleuropa aus. Dieser Rücken wird durch einen schwachen Trog überlaufen,
der einen Teiltrog des über Skandinavien liegenden Langwellentroges darstellt.
Diesem Trog ist eine stabile aktive Kaltfront vorgelagert, die von
Kaltluftadvektion überlaufen ist und daher kaum wetterwirksam ist. Zudem macht
sich das von den Britischen Inseln übergreifende Bodenhoch durch Absinken
verstärkt bemerkbar. Somit beschränkt sich die Wetterwirksamkeit dieser Front,
die inzwischen die Linie südliches Emsland - Uckermark erreicht hat, auf einen
Temperatur- und Taupunktrückgang (bei letzteren bis in den einstelligen Bereich
hinein), auf eine Winddrehung und eine leichte Windzunahme, wodurch an der
Nordsee einzelne warnrelevante Windböen auftreten können.
Mit der weiteren Ostverlagerung des Troges dreht die Strömung auf Nordwest, was
die Kaltfront eine annähernd strömungsparallele Lage annehmen und somit kaum
noch weiter nach Süden vorankommen lässt.
In der vorgelagerten Luftmasse sind einige Zutaten für hochreichende Konvektion
gegeben. Der Gehalt an niederschlagbarem Wasser liegt zwischen reichlich 20 und
über 30 mm, die Schichtung ist hinreichend labil; CAPE liegt (gemessen) z.T.
bereits deutlich über 1000 J/kg und prognostiziert heute Abend bei rund 2000
J/kg in Teilen von Süddeutschland. Was fehlt, ist ein dynamischer Hebungsantrieb
(bedingt durch die Nähe des Höhenrückens dominiert ja Absinken); auch die
Scherung ist sehr schwach ausgeprägt. So muss die Orografie unterstützend
wirken. Dabei entwickeln sich meist nur Einzelzellen (wie es bereits beobachtet
wurde), die zudem keine große Lebensdauer aufweisen. Unwetter (in erster Linie
infolge der langsamen Verlagerung der Konvektionszellen durch heftigen
Starkregen) sind heute zwar wenig wahrscheinlich und dann auch nur örtlich
begrenzt, aber nicht ganz auszuschließen. In den Abendstunden ist ohnehin von
einem Zusammenfallen der Konvektion auszugehen.
Bis Mittwochfrüh verlagert sich die Achse des Bodenhochs in den Nordwesten
Deutschlands. Die Kaltfront kommt im Osten noch etwas nach Süden voran und
dringt etwa bis in die Niederlausitz vor, beginnt aber in ihrem Westteil, d.h.
über dem Emsland, rückläufig zu werden. Die Lage lässt sich durchaus als
schwachgradientig bezeichnen. Bedingt durch den Sonnenhöchsttand und die
vorherige Austrocknung ist die Nebelneigung gering.

Mittwoch ... greift ein aus einem vorherigen Austropfprozess resultierender
schwacher Trog vom Nordatlantik kommend auf Irland über und läuft in die Flanke
des wetterbestimmenden Höhenrückens hinein. Hierdurch verschiebt sich die Achse
des Nordteils des Höhenrückens bis in die Nordsee, so dass über dem
Vorhersagegebiet die nordwestliche Strömung bestehen bleibt. An der Vorderseite
des Troges entwickelt sich in der über Westeuropa liegenden Warmluft eine flache
Tiefdruckrinne. Die schwachgradientige Situation über Mitteleuropa bleibt jedoch
bestehen. Großräumiges Absinken lässt zunächst keine nennenswerte Quellbewölkung
entstehen, so dass die Voraussetzungen für eine weitere Aufheizung gegeben sind.

Die Kaltfront, die sich in der Nacht zuvor bis zu einer Linie Emsmündung -
Niederlausitz vorgearbeitet hatte, wird als Warmfront rückläufig, so dass sich
die etwas gemäßigtere Meeresluft nur noch im Nordosten Deutschlands hält.
An der Vorderseite der Tiefdruckrinne wird Luft subtropischen Ursprungs
angesaugt, die zusehends auch in den Westen und Südwesten Deutschlands gelangt.
Dies äußert sich in einem Anstieg des niederschlagbarem Wassergehalts auf 25 bis
35 mm; später am Tag setzt sich diese Luftmasse auch in den mittleren Gebieten
durch. Dies geht mit zunehmender Schwüle einher. Die Schichtung wird nun auch im
Westen deutlich labiler, CAPE steigt großflächig auf mehr als 1000 J/kg.
Allerdings liegt das Kondensationsniveau noch oberhalb von 750 hPa, eine
Auslösetemperatur von 33 bis 36 Grad wird nur "mit Mühe" erreicht, so dass
erneut hochreichende Konvektion im wesentlichen nur durch orografische
Unterstützung zustande kommt. Dynamisch lässt sich kein Hebungsantrieb
ausmachen, zudem ist nach wie vor keine nennenswerte Scherung vorhanden. Genauso
wie heute dürfte es sich dann nur um Einzelzellen handeln, die durchaus zu
Starkregen und / oder Hagel führen können, wobei unwetterartige Entwicklungen
zwar wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen sind.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen im Norden und Nordosten in Abhängigkeit
von der Entfernung zur Küste 17 bis 23, in den mittleren Gebieten 23 bis 28 und
im Westen und Süden 29 bis 35 Grad, wobei die Maxima am Oberrhein sowie an
dessen Nebenflüssen zu erwarten sind.
In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich die oben beschriebene Rücken - Trog -
Formation weiter ostwärts. Der Rücken greift auf Deutschland über, der
nachfolgende Kurzwellentrog erreicht die westliche Nordsee. Die diesem Trog
vorgelagerte flache Tiefdruckrinne erfasst bis Donnerstagfrüh den äußersten
Nordwesten Deutschlands. Mit dieser Tiefdruckrinne stößt feuchtwarme Luft nach
Deutschland vor, was die Voraussetzungen für eine Schwergewitterlage ergibt.

Donnerstag ... verlagert sich der Kurzwellentrog von der Nordsee kommend über
Deutschland hinweg rasch ostwärts und erreicht am Abend den Nordosten
Deutschlands. Durch diesen Trog wird die letzte der für eine Schwergewitterlage
erforderlichen Zutaten geliefert: Der dynamische Antrieb. Bis dahin steigt der
Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis etwa 40 mm und CAPE erreicht in den
mittleren Regionen Deutschlands mehr als 2500 J/kg. Nicht zuletzt steigt die
Scherung (sowohl niedertroposphärisch als auch bis in mittlere
Troposphärenschichten hinauf reichend auf Werte, die für organisiertere und
möglicherweise sogar rotierende Strukturen hoch reichender Konvektion typisch
sind. Nicht vergessen werden soll der Oberwind, der im 850 hPa-Niveau 45 kt und
in 700 hPa bis 60 kt erreicht. Unwetter sind dann sowohl durch größeren Hagel,
heftigen Starkregen als auch durch schwere Sturm- und sogar orkanartige Böen
vorstellbar. Die Voraussetzungen für eine Schwergewitterlage sind somit am
Donnerstag, was die gesamte diesjährige konvektive Saison betrifft, am
günstigsten. Die heftigsten Entwicklungen sind im Norden und in der Mitte bis
etwa hin zu den nördlichen Mittelgebirgen am wahrscheinlichsten. Einzig das hohe
Kondensationsniveau, das nur an der Küste um oder etwas unterhalb von 1000
Metern und sonst nach Süden hin bis zu den Mittelgebirgen auf etwa 2500 Meter
ansteigend beträgt, spricht gegen eine ausgewachsene Schwergewitterlage. Weiter
im Süden setzt erst oberhalb von 3000 Metern Konvektion ein, d.h. Gewitter
sollten dort zuallererst auf das Bergland beschränkt bleiben, wobei Unwetter
wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen sind. Dabei besteht Gefahr
von größerem Hagel und schweren Sturmböen, aufgrund der raschen Verlagerung der
Konvektionszellen weniger durch heftigen Starkregen.
Was möglicherweise ebenfalls nicht eine ausgedehnte Schwergewitterlage fördert,
ist die rasche Verlagerung des Troges. Dieser ist am Abend bereits über dem
Nordosten Deutschlands zu finden. Die vorgelagerte Tiefdruckrinne hat zur
tagesgangsbedingt aktiven Zeit den weitaus größten Teil Deutschlands bis dahin
längst überquert. Allerdings ist die zuletzt getroffene Aussage als unsicher
einzuschätzen. Die deutsche Modellkette ist hier relativ konsistent; auch GFS
stützt die rasche Verlagerung der oben beschriebenen Strukturen. EZMW verzögert
allerdings das Übergreifen des Kurzwellentroges wie auch der vorgelagerten
Tiefdruckrinne, so dass hier der Tagesgang entsprechend wirksam werden kann.
Hier gilt es noch, weitere Modellläufe abzuwarten.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 29 bis 35, am Oberrhein und in dessen Nähe
bis 37 Grad. In Küstennähe und im Nordosten werden 23 bis 28, unmittelbar an der
Ostsee bei auflandigem Wind kaum 20 Grad erreicht.
In der Nacht zum Freitag setzt sich in Verbindung mit einer Zonalisierung von
Westen her eine mäßig warme Luftmasse durch, die auf der Rückseite der Kaltfront
der o.g. Tiefdruckrinne einfließt. Bis Freitagfrüh kommt diese Kaltfront bis zu
einer Linie südliche Pfalz - Bayerischer Wald voran. Postfrontal klingt die
Gewittertätigkeit alsbald ab, in der vorgelagerten Warmluft kommt als
zusätzlicher Hebungsantrieb die Orografie hinzu, so dass dort die
Gewittertätigkeit andauert. Zudem hält sich dort die feuchtwarme Luftmasse, die
nach wie vor einen Flüssigwassergehalt von 30 bis 35 mm aufweist. Mit anderen
Worten: Unwetter durch heftigen Starkregen sind im Süden auch in der zweiten
Nachthälfte nicht auszuschließen.

Freitag ... bleibt die west- leicht nordwestliche und relativ zonale Strömung
über weiten Teilen Europas bestehen bzw. setzt sich auch weiter nach Osten hin
durch. Hierdurch nimmt die Kaltfront eine annähernd strömungsparallele Lage ein
und kommt somit nur noch wenig nach Süden voran. Bedingt durch die Nähe der
Frontalzone frischt generell der Wind etwas auf. Für warnrelevante Böen sollte
es jedoch allenfalls im Küstenumfeld reichen.
Die mäßig-warme Meeresluft kann sich daher nur noch wenig weiter nach Süden
durchsetzen, so dass die feuchtwarme Subtropikluft mit den weiter oben
beschriebenen Eigenschaften zwischen Schwarzwald, Alpen und Inn erhalten bleibt.
Daher können sich im Tagesverlauf in diesen Gebieten erneut heftige Gewitter bis
hin zum Unwetter entwickeln, wobei Unwettergefahr dann in erster Linie durch
heftigen Starkregen besteht; größerer Hagel und auch schwere Sturmböen sind dann
weniger wahrscheinlich als am Donnerstag, aber nicht ganz auszuschließen.
Generell sollte aber die Unwettergefahr zum Abend hin auch in den südlichen
Teilen Deutschlands geringer werden bzw. allenfalls auf den Alpenrand beschränkt
bleiben.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen im Norden je nach Entfernung zur Küste 17
bis 23, in den mittleren Gebieten 24 bis 28 und weiter nach Süden hin 28 bis 32,
am südlichen Ober- und Hochrhein noch einmal bis 34 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten.
Die Unsicherheiten, die hinsichtlich der am Donnerstag zu erwartenden
Schwergewitterlage bestehen, sind bereits weiter oben hinreichend diskutiert
worden. Auch die bis dahin verfügbaren hoch auflösenden Modelle zeigen kein
einheitliches Verhalten. Hier gibt es Anzeichen auf mehrere Gewitterstaffeln.
Auch wird die Tiefdruckrinne eher diffus gerechnet. Einigkeit besteht insofern,
als dass auch externe Modelle den Norden und vor allem den Nordosten
Deutschlands als die am meisten gefährdete Region sehen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann