DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-06-2017 21:00
SXEU31 DWAV 151800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 15.06.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts nach Osten abziehende Gewitter, dabei nachlassende Unwettergefahr.
Freitag an den Küsten und auf den Bergen stürmische Böen, im Nordosten einzelne
Gewitter mit Böen Bft 8.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... greift von Westen her ein markanter Höhentrog auf Kontinentaleuropa
über, verlagert sich zügig ostwärts und befindet sich morgens ziemlich genau
über dem Vorhersagegebiet. Vorderseitig wird im diffluent konturierten
Geopotentialfeld zunächst noch vor allem über dem Süden und Osten Deutschlands
markante, synoptisch-skalige Hebung generiert, die im Wesentlichen aus PVA
resultiert.
Im Bodenfeld überquert die korrespondierende Kaltfront das Vorhersagegebiet
rasch ostwärts, lediglich im Südosten hängt sie etwas zurück und erreicht erst
gegen Morgen die Alpen. Dabei wird sie zunehmend von KLA überlaufen, so dass
sich die präfrontale Gewittertätigkeit spätestens im Laufe der zweiten
Nachthälfte rasch abschwächt.
Vorher muss auf jeden Fall aber innerhalb der instabil geschichteten Luftmasse
aufgrund der markanten Hebung mit verbreiteten Gewittern gerechnet werden. Diese
verlagern sich allmählich in den Osten und Südosten des Landes, wobei in der
ersten Nachthälfte vor allem in der Mitte und im Südosten noch Unwetterpotenzial
besteht. Für Südostbayern deuten einige Modelle auch einen MCS an, wobei dann
vor allem das Starkregenkriterium in den Vordergrund tritt.
Weiter nördlich ist die Konvektion aufgrund der mäßig starken Scherung (15 bis
über 20 m/s) und der recht gradlinig verlaufenden Hodographen eher linienförmig
organisiert, so dass vor allem das Sturmkriterium in den Vordergrund rückt.
Aufgrund der recht trockenen Grundschicht (aktuell Taupunkte zwischen 10 und 15
Grad in den mittleren Landesteilen und auch gut erkennbar in den
"inverted-V"-Profilen der Radiosondenaufstiege) dürfte es innerhalb der
stärksten Entwicklungen bis in den späteren Abend hinein vereinzelt auch Down-
oder Microburst geben, innerhalb derer durchaus mit schweren Sturmböen (100
km/h), ganz vereinzelt auch mit Böen bis Orkanstärke (120 km/h) zu rechnen ist.
Postfrontal folgt subpolare Meeresluft (Temperaturen in 850 hPa zwischen 4 Grad
über der Deutschen Bucht und 12 Grad am ostbayerischen Alpenrand), die bis
Freitagfrüh fast das gesamte Vorhersagegebiet - mit Ausnahme des Südosten
Bayerns, wo es bis dahin noch gewittrige Regenfälle gibt - flutet. Dabei kommt
es zu einer raschen Wetterberuhigung, allerdings lebt innerhalb der
nachfolgenden höhenkälteren Luftmasse im Trogbereich (-22 Grad in 500 hPa) im
Nordwesten ausgangs der Nacht die Schauertätigkeit auf, das ein oder andere
Modell hat auch kurze Gewitter auf der Karte.
Das mit der Kaltfront korrespondierende Bodentief verstärkt sich im Lee des
Norwegischen Gebirges und zieht bis Freitagmorgen zum Kattegat. Gleichzeitig
stößt ein Hochkeil von Frankreich her nach Südwestdeutschland vor. Dadurch
verschärft sich der Druckgradient postfrontal deutlich und der Wind frischt auf.
An den Küsten gibt es ausgangs der Nacht steife Böen (Bft 7), in den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen auch stürmische Böen (Bft 8), auf
exponierten Gipfeln Sturmböen (Bft 9) aus Nordwest. In Schauer- und Gewitternähe
sind im Nordwesten ebenfalls steife bis stürmische Böen möglich.

Freitag ... verlagert sich der Höhentrog weiter nach Nordwestpolen und tropft
dort ab. Dahinter stellt sich über dem Vorhersagegebiet eine kräftige
nordwestliche Höhenströmung ein, mit der zunächst in den Norden, später in den
Osten des Landes moderate Höhenkaltluft (Temperatur in 500 hPa knapp unter -20
Grad) geführt wird.
Auch niedertroposphärisch kühlt es noch etwas ab, bis zum Abend sinken die
Temperaturen in 850 hPa auf Werte zwischen 4 Grad an der Ostsee und 10 Grad am
Alpenrand.
Das Bodentief zieht allmählich südostwärts zur südlichen Ostsee, während sich
ein Hochkeil weiterhin nach Südwestdeutschland erstreckt, so dass der Gradient
scharf ausgeprägt bleibt. Mit dem Tagesgang frischt der Wind im Norden und
Osten, teilweise bis in die mittleren Landesteile somit auch im Binnenland auf
mit steifen, in freien Lagen und in Küstennähe auch stürmischen Böen aus
Nordwest. Auf exponierten Gipfeln gibt es Sturmböen.
In der labil geschichteten Meeresluft (ML-Cape bis 400 J/kg bei PPW-Werten von
20 mm oder knapp darüber) entwickeln sich im Norden und Osten, teilweise auch in
den mittleren Landesteilen Schauer und auch einzelne Gewitter. Diese fallen aber
deutlich weniger intensiv als am Vortag aus und werden hauptsächlich von
kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen, ganz vereinzelt von Sturmböen
begleitet. Starkregen sollte eher untergeordnet sein, stellenweise mehr als 15
mm in kurzer Zeit sind aber dennoch nicht ausgeschlossen. Der Schwerpunkt der
Schauertätigkeit verlagert sich von Nord- bis zum Nachmittag allmählich nach
Ostdeutschland. Im Südwesten und Süden entwickeln sich zwar ebenfalls häufig
Quellwolken, allerdings ist die Luftmasse in der Nähe zum Hochdruckgebiet stark
gedeckelt (Absinkinversion in etwa 800 bis 700 hPa), so dass es wohl kaum für
Schauer reichen sollte. Lediglich an den Alpen regnet es anfangs noch und dort
könnte es mit orographischer Unterstützung eventuell noch für einen Schauer oder
ein kurzes Gewitter reichen.
Nachmittags und abends klingen die Schauer dann auch im Nordwesten und Norden ab
und die Sonne kann sich dort häufiger zeigen.
Apropos Sonne: Ob die optimistische MOSMIX-Prognose (bis 80% Sonnenscheindauer
im äußersten Südwesten) so eintrifft, ist mit einigen Fragezeichen behaftet, da
sich die Quellwolken an der Inversion durchaus horizontal "breitmachen" können.
Die meisten sonnigen Abschnitte im Vergleich zu den anderen Landesteilen wird es
dort aber sicherlich geben.
Die Temperaturen gehen gegenüber dem Vortag deutlich zurück, im Norden und Osten
werden 17 bis 22 Grad erreicht, im Westen und Süden 20 bis 25 Grad mit den
höchsten Werten am Hochrhein und im südlichen Oberrheingraben, wo es vielleicht
noch etwas wärmer werden kann.

In der Nacht zum Samstag zieht das Höhentief zur Slowakei, das Bodentief
Richtung Ukraine. Weiter westlich wölbt sich ein Höhenrücken über England und
die Nordsee hinweg bis zur Norwegischen See auf, die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet dreht auf Nordnordwest. Dabei wird der Rücken bereits von WLA
überlaufen, die auch auf den Norden und Osten des Landes übergreift.
Im Bodenfeld steigt der Druck im Vorhersagegebiet allgemein mit Annäherung eines
Hochdruckgebietes, dessen Schwerpunkt sich Samstagfrüh über dem Westausgang des
Ärmelkanals befindet, an, wobei der Anstieg im Nordosten stärker ausfällt als im
Südwesten. Vor allem in der Osthälfte bleibt der Druckgradient noch recht scharf
ausgeprägt. Somit nimmt der Wind im Binnenland allgemein rasch ab, an der
Ostseeküste gibt es aber weiterhin steife, vereinzelt stürmische Böen aus
Nordwest, auf einigen Berggipfeln der ostdeutschen Mittelgebirge kann es
ebenfalls stürmische Böen geben.
Mit Abzug des Troges und der Höhenkaltluft bzw. aufgrund der Stabilisierung
durch die WLA klingen die Schauer rasch ab, zuletzt wohl an den ostdeutschen
Mittelgebirgen und an den Alpen. Die Wolken lockern aber allgemein nur zögernd
auf, größere Lücken gibt es am ehesten wohl im Südwesten. Vielerorts kann sich
unterhalb der Absinkinversion von Nordwesten her einströmender "fieser"
Nordseestratus breit machen.

Samstag ... kippt der Höhenrücken in seinem Nordteil ein wenig nach Südosten und
erstreckt sich mit seiner Achse abends bis nach Südskandinavien. Die
Höhenströmung dreht damit komplett auf Nord. Vor allem über der Nordost- und
Osthälfte ist mitteltroposphärisch noch WLA aktiv, die aber zögerlich nach Osten
abgedrängt wird.
Im Bodenfeld schwächt sich das Hochdruckgebiet über Westeuropa zwar etwas ab,
weitet sich aber mehr und mehr bis in das Vorhersagegebiet aus. Dadurch fächert
der Gradient auch in der Osthälfte allmählich auf. An der Ostseeküste
Vorpommerns kann es anfangs aber noch steife Böen aus Nordwest geben, auf den
Gipfeln der ost- und südostdeutschen Mittelgebirge und der Alpen auch stürmische
Böen.
Insgesamt ist die vertikale Schichtung der unteren Troposphäre geprägt durch
eine recht markante Absinkinversion, die sich zwischen 750 und 850 hPa befindet.
Die Grundschicht ist vor allem nach Osten zu noch leicht labil geschichtet, so
dass sich vor allem dort erneut Quellwolken bilden, die sich dann an der
Inversion "breitmachen". Für Schauer sollte es dort aber nicht mehr reichen,
höchstens für etwas Nieselregen im Luv des Erz- und Zittauer Gebirges. Ganz im
Westen und Nordwesten kann sich von der Nordsee her Nordseestratus breitmachen,
der im Tagesverlauf aber wohl Lücken bekommt. Dazwischen, also im Südwesten und
in einem breiten Streifen von Mecklenburg bis nach Bayern scheint dagegen
häufiger die Sonne. Die Temperaturen in 850 hPa ändern sich noch wenig,
entsprechend werden ähnliche Höchstwerte wie am Vortag erreicht, im Norden
vielleicht 1 bis 2 Grad mehr.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt die Achse des Höhenrückens allmählich nach
Nordwestdeutschland. Entsprechend verlagert das Hoch seinen Schwerpunkt
ebenfalls ein wenig nach Osten, in etwa nach Westdeutschland, dessen Achse
erstreckt sich quer über die Mitte des Landes hinweg ostwärts. Nördlich davon
bleibt es aufgrund der Zufuhr feuchterer Nordseeluft gebietsweise noch immer
gebietsweise stärker bewölkt, im Süden und Südwesten verläuft die Nacht dagegen
gering bewölkt oder klar. Warnwürdige Wetterereignisse sind keine zu erwarten.

Sonntag ... erstreckt sich der zunehmend breit angelegte Höhenrücken weiterhin
über Frankreich hinweg nach West- und Norddeutschland, weitet sich sogar noch
ein wenig nordostwärts aus.
Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt geringfügig nach Norden, so dass wohl
auch im Norden und Osten die Zufuhr feuchterer Nordseeluft endgültig gekappt
wird. Insgesamt macht die Erwärmung bei nahezu ungehinderter Einstrahlung vor
allem in der unteren Troposphäre weitere Fortschritte, bis zum Abend steigt die
Temperatur in 850 hPa auf etwa 10 bis 14 Grad. Dabei hält sich eine
Absinkinversion in etwa 800 hPa, die aber nicht mehr so stark ausgeprägt ist wie
an den Vortagen. Darunter bilden sich im Tagesverlauf erneut flache Quellwolken,
vor allem über dem Bergland, die die Sonneneinstrahlung aber wesentlich weniger
dämpfen als am Vortag. Somit steht vielerorts ein sonniger oder locker bewölkter
Tag ins Haus bei Höchstwerten zwischen 23 und 28 Grad mit den höchsten Werten im
Westen und Südwesten, wo stellenweise auch schon etwas höhere Werte erreicht
werden können. An den Küsten bleibt es bei auflandigem Wind kühler.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die aktuell noch laufende Gewitterlage wurde im obigen Text ausführlich
diskutiert.
Im weiteren Verlauf zeigen alle vorliegenden Modelle im synoptisch- skaligen
Scale eine ähnliche Wetterentwicklung. Im Detail ergeben sich dann aber schon
kleinere Unterschiede, insbesondere, was räumliche Verteilung der tiefen
Bewölkung "Nordseestratus" am Freitag und Samstag im Westen und Norden
Deutschlands angeht. Diese hängt wiederum mit der genauen Position des
Bodenhochs zusammen, wobei es diesbezüglich noch kleinere Diskrepanzen zwischen
den Modellen gibt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff