DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-06-2017 21:00
SXEU31 DWAV 141800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 14.06.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ab Donnerstagnachmittag bis in die Nacht zum Freitag von Westen her kräftige
Gewitter mit Unwetterpotenzial. Freitag an den Küsten und auf Berggipfeln
stürmische Böen oder Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines Höhenrückens,
dessen Achse sich bis Donnerstagfrüh in die Mitte des Landes verlagert. Damit
gelangen der Westen und Nordwesten allmählich auf die Vorderseite eines
Höhentroges über dem nahen Ostatlantik, dessen Achse in der Früh in etwa Irland
erreicht.
Somit dominiert nachts über dem Vorhersagegebiet Absinken, das korrespondierende
Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt allmählich Richtung Südpolen und
Tschechien. Der äußerste Südwesten und Süden befindet sich bereits im
Einflussbereich einer etwas feuchteren und instabilen Luftmasse. Ob es die
aktuellen Gewitter über Ostfrankreich und der Schweiz aber bis in den äußersten
Süden des Vorhersagegebietes (Südschwarzwald, Hochrhein, Alpenrand) schaffen,
ist noch fraglich, da der flache Kurzwellentrog, auf dessen Vorderseite sie
entstanden sind, südostwärts abzieht. Wenn ja, dürften wohl markante Warnungen
ausreichend sein.
Ansonsten verläuft die Nacht, wenn sich die flachen Quellwolken über
Norddeutschland aufgelöst haben, überwiegend gering bewölkt oder klar. Mit der
beginnenden trogvorderseitigen WLA ziehen über den Westen und Nordwesten lockere
hohe und mittelhohe Wolkenfelder hinweg.

Donnerstag ... verlagert sich der Höhenrücken über die Osthälfte Deutschlands
hinweg ins östliche Mitteleuropa. Die Achse des Höhentroges überquert die
Britischen Inseln und die Nordsee und greift in der Nacht zum Freitag auf den
Vorhersagebereich über. Auf dessen zunehmend diffluent konturierten Vorderseite
verstärkt sich die Advektion positiver Vorticity vor allem nachmittags und
abends über dem Westen und Nordwesten des Landes deutlich und unterstützt durch
WLA kommt es zunächst vor allem dort zu recht markanten Hebungsprozessen.
Mit der auf Südwest drehenden Höhenströmung kann sich eine sehr warme und
potentiell instabile Luftmasse vor allem auf den Westen und Süden des Landes
ausweiten. Die Temperatur in 850 hPa steigt bis zum Nachmittag auf Werte
zwischen 9 Grad in Vorpommern und 18 Grad an den Alpen. Wie weit sich die
instabile Luftmasse vor allem über die Westhälfte hinweg nach Norden ausweiten
kann, ist nach aktueller Modelllage indes noch unklar, das gleiche gibt somit
auch für die Regionen mit günstiger Überlappung von Cape und Scherung. Nach
aktueller Modelllage (ICON-EU, WRF 4 km ähnlich, aber mit insgesamt etwas
weniger hochreichender Scherung) befindet sich diese Region spätnachmittags und
abends in etwa im Westen des Landes, in Nordbaden, Saarland, Rheinland-Pfalz,
südliches NRW, Südhessen. Dort simuliert ICON-EU eine ML-Cape von teilweise über
1500 J/kg bei 20 bis 25 m/s 0 bis 6 km Scherung.
Mit der Hebung setzt auch im Bodenfeld Druckfall ein, eine Tiefdruckrinne greift
ab den Mittagsstunden auf den Westen des Landes über. Dort dürfte es als erstes
zur Auslöse kommen. Einige Konvektion erlaubenden Modelle (COSMO-DE von 03 UTC,
WRF 4 km) haben im Bereich Eifel und Hunsrück ab 14 UTC erste Signale auf der
Karte. Zudem darf auch die orographische Triggerung nicht unterschätzt werden.
Trotz "Deckels" ist bereits im Laufe des Nachmittags Auslöse im Bereich
Schwarzwald/Schwäbische Alb denkbar (Mitteleuropa Rapid HD von 12 UTC).
Zunächst, also vor allem im Westen und Südwesten Deutschlands, dürfte allgemein
eher von Einzelentwicklungen ausgegangen werden. Bei PPW-Werten von 30 bis 35 mm
kann auch von unwetterartigen Begleiterscheinungen der Gewitter ausgegangen
werden. Dabei spielen vor allem der Starkregen (über 25 mm in kurzer Zeit), aber
wegen der mäßig hohen Cape auch Hagel (über 2 cm) eine Rolle.
Mit Trogannäherung und im Vorfeld einer Kaltfront, die in den Abendstunden auf
den Nordwesten des Landes übergreift, ist bei zunehmend hochreichender Scherung
mit organisierteren Strukturen zu rechnen, ein linienförmiger MCS, respektive
eine Squallline nicht ausgeschlossen. Dann muss lokal eng begrenzt vor allem mit
Böen bis in den Unwetterbereich (100 bis 120 km/h, Bft 10 bis 12) gerechnet
werden.
Regionstechnisch lässt sich das Ganze aktuell noch relativ schwer eingrenzen,
weshalb am heutigen Abend noch auf die Ausgabe einer Vorabinformation verzichtet
wird. Außer dem Westen und Südwesten dürften dann aber auch zunehmend die
mittleren Landesteile und - vielleicht auch mit vorlaufenden Einzelentwicklungen
- der Süden betroffen sein.
Im Nordosten und Osten des Landes verläuft der Tag noch ruhig und verbreitet
scheint die Sonne, lediglich über den Norden ziehen bereits etwas dichtere
Wolkenfelder hinweg. Die Temperaturen steigen allgemein auf hochsommerliche
Werte zwischen 25 und 31 Grad mit den höchsten Werten im Südwesten. Im äußersten
Norden wird es nicht ganz so warm, vor allem bei auflandigem Wind entlang der
Küsten von Nord- und Ostsee.

In der Nacht zum Freitag kommen der Höhentrog und auch die korrespondierende
Bodenkaltfront rasch ostwärts voran, die Kaltfront erreicht in der Früh bereits
Westpolen, Tschechien und die Alpen. Postfrontal folgt subpolare Meeresluft.
Dabei kommt es im Lee des Norwegischen Gebirges zu einer Zyklogenese über
Südnorwegen, während sich ein Hochkeil nach Südwestdeutschland vorschiebt, was
postfrontal zu einer Gradientverschärfung führt.
Präfrontal wird die potentiell instabile Luftmasse rasch nach Osten abgedrängt,
was bis weit in die zweite Nachthälfte hinein mit reger konvektiver Aktivität
vonstattengeht. Nach wie vor wird präfrontal bzw. trogvorderseitig markante
Hebung simuliert, vor allem über dem Osten und Süden des Landes.
Dorthin verlagert sich im Laufe der ersten Nachthälfte auch die
Gewittertätigkeit. Insgesamt ist weiterhin mit organisierten Strukturen und
deren Begleiterscheinungen zu rechnen, d.h. vor allem Sturmböen bis in den
Unwetterbereich, aber auch mit Starkregen und mit (eher wieder kleinkörnigem)
Hagel. Das höchste Unwetterpotential verlagert sich mit abnehmender Tendenz wohl
von den mittleren in die südöstlichen Landesteile. Vor allem im südöstlichen
Bayern geben einige Modelle auch Signale für Starkregen, was auf einen MCS
hindeuten könnte. Ausgangs der Nacht klingt die Gewittertätigkeit dann auch dort
aber rasch ab.
Postfrontal kommt es zu einer raschen Wetterberuhigung und die Wolken lockern
auf. Schauer werden so gut wie keine simuliert.
Mit dem sich verschärfenden Druckgradienten frischt der Wind aus Nordwest wieder
auf. An den Küsten kann es steife, auf einigen exponierten Mittelgebirgsgipfeln
auch stürmische Böen geben.

Freitag ... verlagert sich das Drehzentrum des Troges bis zum Abend nach
Nordpolen, an dessen Südwestflanke befindet sich das Vorhersagegebiet unterhalb
einer kräftigen nordwestlichen Höhenströmung.
Das Bodentief zieht zur südlichen Ostsee. Rückseitig gelangt erwärmte Polarluft
ins Vorhersagegebiet, die Temperatur in 850 hPa sinkt auf etwa 4 Grad im Norden
und 12 Grad an den Alpen. Dabei weitet sich der Hochkeil noch etwas nach West-
und Süddeutschland aus, so dass vor allem im Norden und Osten insgesamt ein
recht scharfer Druckgradient erhalten bleibt. Somit frischt der Wind im
Tagesgang deutlich aus Nordwest auf. Im Norden und Osten und auch bis in die
mittleren Landesteilen gibt es recht verbreitet steife, in Schauernähe auch
stürmische Böen (Bft 7 bis 8). Insbesondere entlang der nordfriesischen Nordsee-
und vorpommerschen Ostseeküste treten auch außerhalb der Schauer stürmische Böen
auf. In den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen kann es
Sturmböen geben.
Vor allem in den Nordosten gelangt auch eine etwas höhenkältere und somit labil
geschichtete Luftmasse, in der sich neben Schauern eventuell auch kurze
Graupelgewitter entwickeln können. Wie weit diese nach Südwesten ausgreifen, ist
noch unklar, GFS und ECMWF (von 00 UTC) lassen sie weiter vorankommen als
ICON-EU. Die simulierten Niederschlagsmengen betragen allerdings allgemein
weniger als 5 mm in 12 Stunden. Im Südwesten, im Süden und im äußersten Westen
wird es aber wohl weitgehend trocken bleiben. Dort scheint auch häufig die
Sonne, vor allem im Südwesten sowie zwischen Main und Alpenvorland. Sonst bleibt
es eher bewölkt. Die Höchstwerte bewegen sich im Norden und Osten nur noch
zwischen 16 und 22 Grad, im Süden und Westen werden noch angenehme 20 bis 25
Grad erreicht.

In der Nacht zum Samstag zieht der Trog weiter nach Südostpolen bzw. Richtung
Ukraine. Gleichzeitig wölbt sich ein Höhenrücken, gestützt durch WLA, die
selbigen auch überläuft, über die Nordsee hinweg nordwärts auf. Somit dreht die
Höhenströmung mehr auf Nordnordwest und beginnt ein wenig aufzufächern.
Das Bodentief zieht weiter zur Ukraine und eine Hochdruckparzelle bis
Samstagfrüh zum Westausgang des Ärmelkanals bzw. nach Nordwestfrankreich. Somit
kommt es über dem Vorhersagegebiet zu Druckanstieg, der im Nordosten stärker
ausfällt als im Südwesten, so dass der Gradient von Südwesten her auffächert.
Der Nordwestwind schwächt sich vor allem im Binnenland wieder deutlich ab, an
den Küsten allerdings nur zögernd. Dort kann es noch steife, entlang der
vorpommerschen Küste anfangs auch stürmische Böen geben. Selbiges gilt für
einige Gipfel der östlichen Mittelgebirge.
Ansonsten verläuft die Nacht warntechnisch ruhig. Mit der niedertroposphärisch
nordwestlichen Strömung gelangt aber unterhalb der Absinkinversion, die sich in
etwa 850 bis 800 hPa befindet, recht feuchte Nordseeluft ins Vorhersagegebiet,
so dass die Wolken nur gebietsweise stärker auflockern. ICON-EU simuliert
allerdings deutlich mehr tiefe Wolken als GFS, wonach es vor allem im Westen und
Südwesten teilweise locker bis gering bewölkt bleibt. Im Nordosten und Osten
kann es anfangs auch noch einzelne Schauer geben.

Samstag ... kommt der Höhenrücken noch ein wenig nach Osten voran und erreicht
mit seiner Achse abends auch den Nordwesten Deutschlands. Das Bodenhoch
verlagert seinen Schwerpunkt bis zum Abend nach Südwestdeutschland.
Somit bleiben in weiten Teilen des Landes die nordwestliche Grundströmung und
die Advektion recht kühler Nordseeluft noch aufrecht. Im Osten und Nordosten
lebt der Wind im Tagesverlauf wieder etwas aus Nordwest auf, für steife Böen
reicht es aber wohl nur noch entlang der Ostseeküste, auf einigen
Mittelgebirgsgipfeln eventuell auch für stürmische Böen.
Die Sonne zeigt sich vor allem im Südwesten, im Bereich des Hochs wohl fast
ganztägig. Ansonsten driften von der Nordsee her zeitweise dichtere Wolkenfelder
landeinwärts, zwischendurch gibt es aber durchaus auch mal größere Lücken.
Niederschläge sind so gut wie keine zu erwarten, hier und da kann es mal etwas
nieseln, am ehesten wohl im Luv der Mittelgebirge.
Die Temperatur macht gegenüber dem Vortag noch keine großen Sprünge. Die
Höchstwerte dürften sich zwischen 18 und 23 Grad bewegen, im Südwesten und
Westen zwischen 21 und 26 Grad.



Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die Unsicherheiten bzgl. der Gewitterlage am morgigen Donnerstagnachmittag und
-abend wurden im Text recht ausführlich erörtert. Ansonsten fahren die Modelle
im Kurzfristbereich eine weitgehend einheitliche Linie, auch, was die
Kaltfrontpassage in der Nacht zum Freitag angeht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff