DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-06-2017 21:00
SXEU31 DWAV 111800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 11.06.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis morgen Abend von NW her Passage einer Kaltfront, dabei insgesamt nur recht
wenig Konvektion (am Montag am ehesten im äußersten Süden). Im N und NO
auffrischender westlicher Wind.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... stehen wir nicht nur dicht vorm Ende des Wochenendes, auch die
Großwetterlage ändert sich. Dabei wird die gerne in der Öffentlichkeit bemühte
(in Wahrheit aber völlig subjektive und statistisch nicht belegte) Behauptung,
wonach das Wetter am Wochenende fast immer schlecht sei und pünktlich zu
Wochenbeginn, wenn die meisten wieder zur Arbeit/Schule oder sonst wo hinmüssen,
die Wetterbesserung kommt, ins Umgekehrte geführt. Das Hoch, das uns gestern
teilweise, vor allem aber heute sonnenscheinreiche und vielfach hochsommerlich
temperierte Verhältnisse geschaffen hat, wird durch stetigen Druckfall abgebaut
bzw. nach Südosten abgedrängt. Gleiches gilt für den das Hoch stützenden
Höhenrücken, der nach Osten bzw. Südosten "wegkippt" und sukzessive durch eine
leicht zyklonal konturierte Zonalströmung ersetzt wird.
Kurzum, der antizyklonale Einfluss nimmt ab, ohne dass nun aber gleich
mordsmäßig schlechtes Wetter vor der Tür stehen würde. Fakt ist, dass ein
hochreichendes Tief, dessen quasi zur Erdoberfläche senkrechte Achse auf das
Überschreiten des Höhepunktes hindeutet, heute Abend und in der Nacht vom
Seegebiet zwischen Irland und Island (heute 12 UTC) in Richtung Norwegische See
zieht. Dabei greift die zugehörige wellende Kaltfront in den Abendstunden auf
den Nordwesten über, um in der Nacht Boden nach Südosten hin gut zu machen. In
den Frühstunden erreicht sie etwa eine Linie Mosel-Nordthüringen-Oderbruch. Wenn
man sich nur das hochaufgelöste Windfeld anschaut, könnte man meinen, die
Kaltfront sei um diese Zeit schon um einiges weiter südlich, weil dort ein
Windsprung von SW auf W bis NW abgebildet wird. Dieser Windsprung zeichnet sich
bereits in den jetzigen Analysen ab und markiert einen durch den Druckfall
entstehenden Bodentrog, der der eigentlichen Front aber vorherläuft. Die Front
selbst wurde an den hinteren Rand des Troges in den Bereich der größten
(pseudopotenziellen) Temperaturgegensätze, also in den Bereich der stärksten
Baroklinität gesetzt (siehe z.B. den markanten Rückgang der Taupunkte
nordwestlich der Front).
Wie auch immer, bereits heute Abend erkennt man noch klar im präfrontalen
schwache bis mäßige Hebungsprozesse im W und N des Landes, die teils durch WLA,
teils durch ein kleines IPV-Maximum (=> minimaler KW-Trog) hervorgerufen werden
und sich in Form mittelhoher und hoher Wolkenfelder sowie leichter und nicht
immer den Boden erreichender Niederschläge widerspiegeln. Bis 700 hPa ist die
untere Troposphäre ziemlich trocken und abgesehen vom strahlungsbedingten
Überadiabaten in Bodennähe auch recht stabil geschichtet. Diese Stabilität setzt
sich bis etwa 600 hPa fort, bevor eine bis ca. 400 hPa reichende labilere
Zwischenschicht folgt. Der gesamte Vertikalaufbau der unteren und mittleren
Troposphäre reicht jedenfalls nicht aus, um nennenswerte Konvektion in Gang zu
bringen. Zwar zeichnet sich vor der Kaltfront eine weitere Feuchteanreicherung
ab (neben bereits heute Mittag schon gemessenen PPW-Werten von über 30 mm kommt
eine Erhöhung der spezifischen Feuchte auf etwas über 10 g/kg in den untersten
Schichten dazu), die Schichtung bleibt aber ausreichend stabil, so dass kaum
CAPE generiert wird. Die Modelle reagieren darauf mit einer erhöhten
Niederschlagswahrscheinlichkeit und -intensität insbesondere im Norden, bedingt
aber auch in der Mitte, halten aber die Gewitterbereitschaft ziemlich weit
unten, was aus den genannten Gründen auch nachvollziehbar ist. Ohnehin werden
etwaige Hebungsprozesse durch weit nach Osten und Süden ausgreifende
gesamttroposphärische KLA gedämpft (=> später im NW wieder auflockernde
Bewölkung).
Was nicht gedämpft sondern eher gefördert wird, ist der Wind. Zwischen dem
scheidenden Tief über der Norwegischen See, das aber durch ein neues, über
Mittelskandinavien entstehendes Tief einigermaßen würdig ersetzt wird, und dem
bis nach Frankreich vorstoßenden Azorenhochkeil baut sich über dem Norden ein
mäßiger Gradient auf, der dort den SW-W-Wind aufleben lässt. Warnwürdige Böen
der Stärke 7 Bft beschränken sich zunächst aber auf die Nordsee-, am frühen
Morgen z.T. auch auf die Ostseeküste sowie vereinzelt an der Kaltfront. Auf dem
Blocksberg und dem Fichtelberg stehen Böen 8 Bft auf der Karte.

Montag ... verlagert sich das hochreichende Tief von Mittelskandinavien in
Richtung Südfinnland. Südlich davon verläuft die Frontalzone mitten über den
Vorhersageraum hinweg, wobei die anfangs noch leicht zyklonal gekrümmte
Höhenströmung im Tagesverlauf immer glatter wird. Die nach Süden deutlich
zurückhängende Kaltfront arbeitet sich nur schleppend nach S-SO voran und wird
die Alpen wohl erst in der Nacht zum Dienstag erreichen. Dahinter gelangt ein
Schwall Meereskaltluft subpolaren Ursprungs insbesondere in den N und NW des
Landes, in der die 850-hPa-Temperatur auf 5°C oder etwas darunter sinkt.
Wettertechnisch bedeutet das im N und W wechselnde, mitunter auch mal starke
Bewölkung, aus der hier und da ein paar Tropfen Regen oder schwache Schauer
fallen (viel Labilität ist mangels höhenkalter Luft nicht gegeben).
Zwischen dem Tief im Norden und dem sich etwas nach Osten ausbreitenden
Azorenhochkeil bleibt der Gradient besonders im Norden solide aufgestellt. Dabei
treten von der Küste bis in das nord- und nordostdeutsche Binnenland hinein Böen
7 Bft, an der Küste selbst sowie bevorzugt im schleswig-holsteinischen
Binnenland 8 Bft auf. Gleiches gilt für den Fichtelberg und den Brocken (dort
sogar 9 Bft möglich), während zur Mitte und nach Süden hin die
Wahrscheinlichkeit warnwürdiger Windböen abnimmt. Einzelne gradientbedingte
7er-Böen beschränken sich dort auf freie und höhere Lagen sowie in Verbindung
mit der KF-Passage.
Ansonsten lässt sich konstatieren, dass von der vor einigen Tagen in der
Mittelfristprognose durchaus noch für möglich gehaltenen Schwergewitterlage
(zumindest im S und SO) nicht mehr viel übrig geblieben ist. Zwar wird
präfrontal, vornehmlich südlich der Donau, etwas ML-CAPE generiert, was
insbesondere der weiterhin hohen gesamttroposphärischen Feuchte, weniger der
Labilität zuzuschreiben ist. Durch die andauernde KLA kommt von Norden her
zunehmend eine positive Omegakomponente (Absinken) ins Spiel, die zu einer
schwachen Inversion um 600 hPa herum führt. Das macht es potenziellen
konvektiven Umlagerungen in Form von Gewittern nicht gerade leicht. Diese
dürften sich im Wesentlichen auf den Alpenrand und das Vorland sowie den
äußersten Süden Schwabens und Badens beschränken. Bei relativ lebhaften
westlichen Winden in allen Höhenniveaus sind als Begleiterscheinungen vor allem
Wind- oder Sturmböen (im worst case bis Stärke 9 Bft) zu erwarten. Starkregen
ist aufgrund der hohen PPW-Werte nicht ausgeschlossen, die Mobilität der Zellen
spricht aber eher dagegen. Hagel dürfte bei CAPE-Werten unter 500 J/kg nur
kleinkörnig auftreten. Zum Abend hin nimmt die Gewitterneigung im Zuge
zunehmender Stabilisierung ab.
Rückseitig der Front sorgt besagtes Absinken zwar nicht für wolkenloses, wohl
aber für wolkenarmes Wetter, so dass besonders zwischen Donau und der
Main-Mosel-Linie häufig die Sonne scheint. Während im N und NW die Temperatur
vielerorts unter der 20°C-Marke bleibt bzw. diese mit Mühe nur erreicht wird,
reicht es im Süden noch mal für 24 bis 29°C. Dazwischen liegt ein breiter, vom
Westen bis zur Oder und Neiße verlaufender Streifen mit Tageshöchstwerten von 21
bis 25°C.

In der Nacht zum Dienstag zieht das Tief über Südfinnland noch etwas weiter nach
Osten, während der Azorenhochkeil - gestützt durch einen sich über Westeuropa
sich leicht aufwölbenden Höhenrücken - ebenfalls noch etwas ostwärts vorstößt.
Die Kaltfront erreicht nun die Alpen, wodurch dort der Stabilisierungsprozess
weitere Fortschritte macht. Was bleibt sind unmittelbar am Alpenrand ein paar
letzte Regentropfen. Ansonsten klart der Himmel vielerorts auf, lediglich in den
NO ziehen nach wie vor dichtere Wolken rein, die sich - wenn auch nur marginal -
hin und wieder etwas erleichtern können. Besonders in der Mitte, teils aber auch
im Süden, wo der Wind ausreichend in die Knie geht, kühlt sich die Luft
gebietsweise in den oberen einstelligen Bereich ab.
Nach NO hin nimmt der westliche Wind im Binnenland zwar tagesgangbedingt ab. An
der Küste (Ostsee mehr als Nordsee) bleibt er aber flott unterwegs mit Böen 7
Bft, an der Ostsee sowie anfangs an der nordfriesischen Küste 8 Bft. Stürmisch
weiterhin auch das Brockenplateau, während auf dem Fichtelberg eine gewisse
Abschwächungstendenz erkennbar ist.

Dienstag ... tut sich nicht allzu viel an der Großwetterlage. Deutschland
verbleibt unter der westlichen und geringfügig nach rechts drehenden
Höhenströmung, in der keine wesentlichen Kon- oder Divergenzen ausgelöst werden.
So richtet sich das Auge des Meteorologen auf die bodennahen Verhältnisse, wo
nach wie vor der Azorenhochkeil unserem Wetter seinen Stempel aufdrückt, wobei
sich über dem Ärmelkanal sogar eine eigene Hochzelle etabliert. Profiteure sind
vor allem in der Südhälfte des Landes beheimatete ZeitgenossInnen, die sich über
einen warmen und sonnenscheinreichen (etwas Quellbewölkung unterhalb der auf 800
bis 850 hPa abgesunkenen Inversion) Dienstag mit einer Tageshöchsttemperatur von
23 bis 27°C, Richtung Hochrhein und Bodensee vielleicht sogar 28°C freuen
können. Hinzu kommt, dass die nach wie vor über dem Alpenraum positionierte
Luftmassengrenze ein Stillhalteabkommen geschlossen hat, so dass wohl selbst am
unmittelbaren Alpenrand nicht mit der Auslöse von Schauern oder gar Gewittern
gerechnet werden muss (kleines Restrisiko Prob10).
Nicht ganz so prickelnd sieht es weiter nördlich aus, wo nicht nur weniger warme
(17-22°C, an der See teils kühler), sondern auch ungleich wolkenreichere Luft
vom Atlantik respektive der Nordsee einströmt. Zwar wird es nicht überall einen
durchweg stark bewölkten oder bedeckten Himmel geben, vor allem von SH und dem
nordwestlichen Niedersachsen bis hinüber nach MV und BB wird es die Sonne schwer
haben, sich gegen die SC/CU-Bewölkung, aus der es gebietsweise sogar geringfügig
regnen oder nieseln kann, durchzusetzen.
Im Blickfeld des Warnmanagements steht zunächst noch der westliche Wind, da
zwischen dem Azorenhochkeil und dem mittlerweile in Westrussland angelandeten
Tief ein leidlicher Gradient im NO verbleibt, der erst im Laufe des Nachmittags
und Abends beginnt aufzuweichen. Entsprechend kommt es etwa von der
nordfriesischen Küste nach Südosten bis etwa in die Niederlausitz zu Böen 7 Bft,
an der Ostsee und im nördlichen SH sowie auf dem Brocken und dem Fichtelberg 8
Bft.

In der Nacht zum Mittwoch herrscht Hochdruckeinfluss, bei dem der Gradient im NO
immer weiter auffächert. Letzte Böen 7 Bft können sich aber bis zum frühen
Morgen an der vorpommerschen Ostseeküste halten. Ansonsten stehen keine
signifikanten Wettererscheinungen auf der Karte.

Mittwoch ... wölbt sich der westlich von uns positionierte flache Höhenrücken
etwas auf. Wir verbleiben tagsüber auf seiner Vorderseite, auf der das nach
Deutschland wandernde Bodenhoch gestützt wird. Im NO ziehen noch einige dichte
Wolkenfelder durch, aus denen etwaiger Regen aber allenfalls in homöopathischen
Dosen fällt. Ansonsten weitet sich das Areal mit geringer Bewölkung und
entsprechend viel Sonnenschein vom Süden über die Mitte bis in den NW aus. Dabei
bleibt es allgemein trocken, lediglich am Alpenrand gibt es eine geringe
Wahrscheinlichkeit für vereinzelte Schauer und eine noch geringere für Gewitter.

Während es in Küstennähe sowie in Teilen von SH und MV mit 17 bis 20°C
temperaturmäßig weiterhin gedämpft zur Sache geht, reicht es sonst für 21 bis
27°C, im S und SW sogar für 26 bis 30°C.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung ziemlich ähnlich.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann