DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

09-06-2017 11:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 09.06.2017 um 10.30 UTC



Am Montag Durchgang einer Kaltfront, danach leicht wechselhaft im Sinne einer
antizyklonalen Westlage (Wa). Zum Ende hin noch große Unsicherheit (Austrogung
und merkliche Abkühlung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 16.06.2017


Zu Beginn der nächsten Woche, die mit dem Beginn des mittelfristigen
Prognosezeitraums zusammenfällt, befindet sich Deutschland auf der Rückseite
eines ostwärts abwandernden und sich dabei abschwächenden Höhenrückens.
Folgerichtig verabschiedet sich auch das korrespondierende Bodenhoch, womit der
Weg für die Passage einer Kaltfront von Nordwesten her frei gemacht wird. Sie
gehört zu einem Tief, das vom Seegebiet nördlich Schottlands zur Norwegischen
See zieht und sich dabei auffüllt. Rückseitig gelangt ein Schwall subpolarer
Meeresluft in den Vorhersageraum, die die sehr warme bis heiße Subtropikluft vom
Sonntag verdrängt. Dabei geht die 850-hPa-Temperatur im Norden auf unter 5°C
zurück.
Der Potenzialabbau in der Höhe erfolgt nicht etwa durch eine (markante)
Trogpassage sondern eher graduell, wodurch sich über Deutschland eine zonale,
nur leicht zyklonal konturierte Höhenströmung einstellt. Das erklärt vielleicht
ein großes Stück weit, warum das IFS vom ECMF (aber auch andere Modelle) diese
Entwicklung, die ja auf den ersten Blick durchaus das Potenzial für
Schwergewitter hat, vergleichsweise geschmeidig und entspannt simuliert. Hinzu
kommt ein relativ früher Kaltfrontdurchgang, so dass keine oder - sagen wir -
eine nur bedingte konvektionsfördernde Interaktion mit dem Tagesgang zustande
kommt und die präfrontale Warmluft nicht ausreichend labilisiert bzw.
angefeuchtet wird. Für ein paar kräftige Überentwicklungen im Süden und Osten
könnte es aber trotz aller Dämpfer und Bremsen doch noch reichen.

Von Dienstag bis Donnerstag bleiben uns die zonalen Höhenwinde mit leichten
Modifikationen erhalten. So zeigt sich die Strömung am Dienstag und noch etwas
offensichtlicher am Donnerstag leicht antizyklonal gekrümmt, während sie am
Mittwoch eher glatt angeordnet ist und sich mit der großen Lupe sogar ein sehr
kurzwelliger Trog detektieren lässt.
Im Bodendruckfeld baut sich durch die postfrontale KLA ein Hochkeil auf, der die
Fortsetzung des Azorenhochs darstellt und bis nach Mitteleuropa gerichtet ist.
Im Süden, Richtung Alpen, halten sich zunächst aber noch die Front bzw. die
Reste davon. Dort ist die Luft wärmer und feuchter als weiter nördlich, wo sich
die eingeflossene Meeresluft bis Donnerstag aber auch wieder erwärmt. Liegt die
850-hPa-Temperatur im Norden am Dienstag noch bei rund 5°C, so sind es am
Donnerstag bereits wieder um 10°C. Da der äußerste Norden knapp nördlich der
Achse des Bodenhochkeils liegt, ziehen dort mitunter dichtere Wolken durch, aus
denen es geringfügig regnet oder nieselt (vor allem Dienstag/Mittwoch). Im Süden
kommt es besonders am Mittwoch aus den Alpen heraus zu einer erhöhten
konvektiven Aktivität, die etwas nördlich der Donau ausgreifen soll und die
möglicherweise mit dem o.e. KW-Trog im Zusammenhang steht.

Am Freitag greift von Westen bzw. Nordwesten ein Höhentrog auf Deutschland über,
der uns bis Samstag südostwärts überquert. Er wird am Sonntag aber durch einen
von Skandinavien südwärts ablaufenden KW-Trog regeneriert und somit retrograd.
Dem Trog (also dem vom Freitag) vorgeschaltet ist die Kaltfront eines Tiefs, das
sich unter Intensivierung von der Norwegischen See via Norwegen und Schweden zum
Bottnischen Meerbusen verlagert. Die Kaltfront erreicht im Laufe des
Freitagabends die Alpen und leitet mit auffrischendem West- bis Nordwestwind die
Zufuhr - Achtung, nicht erschrecken! - polarer Meeresluft arktischen Ursprungs
ein. Dabei taucht am Samstag (wir befinden uns mittlerweile in der erweiterten
Mittelfrist) nicht nur die 0°C-Isotherme im Norden auf (natürlich in 850 hPa und
nicht in 2 m, so krass wird es nun auch wieder nicht), sondern es stellt sich im
Norden und Osten auch noch ein veritables Starkwindfeld mit Sturmböen ein - so
es denn so kommt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der neueste Lauf des IFS_ECMF von heute 00 UTC liegt bis Mitte kommender Woche
gut in der Spur seiner Vorgänger. Dabei wird die am Montag anstehende
Kaltfrontpassage nun noch etwas schwächer simuliert als das ohnehin schon der
Fall war. Dafür wird ihre Aktivität (bzw. die ihrer Reste) am Mittwoch im Süden
etwas stärker betont - alles ganz normale Unschärfen, die aber keine gänzlich
abweichende Prognose im Vergleich zur gestrigen Vorhersage erfordern.
Anders sieht es zum Ende des Mittelfristzeitraums aus, wenn nämlich - nicht wie
gestern auf Basis des 00-UTC-Laufs noch angenommen - etwa ein Höhenrücken von
Westen auf den Vorhersageraum zusteuert, sondern ein veritabler Trog. Diese
Entwicklung wurde von der 12-UTC-Version eingeführt und wird nun bestätigt. Der
Trog würde uns in Verbindung mit einer Kaltfrontpassage am Freitag überqueren
und auch noch am Wochenende nachhallen. Im Vergleich zum offiziellen
Prognosetrend von Donnerstag bekämen wir es ab Freitag nicht nur mit einem
merklich tieferen Temperaturniveau, sondern auch mit deutlich wechselhafterem
Wetter einschließlich schauerartiger Regenfälle (keine Unmengen) und vielleicht
ein paar kurzen Kaltluftgewittern zu tun.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die etablierten Globalmodelle liegen etwa bis Mittwoch auf einem sehr ähnlichen
Kurs ohne die ganz große Streuung. Dabei wurde die Kaltfrontpassage am Montag
allseits etwas beschleunigt und die Wetterwirksamkeit noch etwas zurückgenommen.
Das von IFS für Mittwoch im Süden simulierte Aufflackern konvektiver Prozesse
wird von ICON schon am Dienstag gesehen, während GFS dem IFS folgt, das
kanadische GEM wiederum erst am Donnerstag zuschlägt.
Den nachfolgenden Trog haben ebenfalls als Modelle auf der Karte, allerdings mit
unterschiedlichem Timing und Wirkung. Vor allem GFS weicht insofern von den
"Europäern" ab, als dass der Trog schon am Donnerstag übergreift und im Laufe
des Freitags bereits wieder Druck- und Potenzialanstieg gerechnet wird. Für das
Wochenende und den Beginn der neuen Woche wäre dann Hochdruckeinfluss des
GWL-Typus BM (Brücke Mitteleuropa) respektive Wa (West antizyklonal oder auch
nördliche Westlage) angesagt. Dagegen setzt GEM ähnlich wie IFS auf
wechselhaftes und kühles Wetter.

FAZIT: Bis etwa nächster Woche kommt man prognosetechnisch trotz der erwähnten
Unschärfen einigermaßen hin. Danach wird es zunehmend unsicher. Der gestern vom
Verfasser auf Basis der meisten numerischen Prognosen verkaufte, stark
antizyklonale Trend bis in die erweiterte Mittelfrist hat trotz der GFS-Variante
einen erheblichen Dämpfer erhalten.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die ECMF-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte laufen bis Mittwoch
einigermaßen passabel durch. Erst danach kommt eine gewisse Wuhling in die
Kurvenscharen, will heißen, der Spread nimmt zu. Interessant dabei: bei T850
erfolgt die Abkühlung ab Freitag im Haupt- und Kontrolllauf (HL/KL) mit am
stärksten und auch am nachhaltigsten. Die meisten Ensemblemitglieder bleiben
wärmer oder zeigen am Wochenende wieder eine rasche Erwärmung. Beim Potenzial
Pot500 erfolgt der Rückgang nicht ganz so krass, die größte Zahl der Lösungen
hält aber das Niveau der Vortage. Schlussfolgerung: die Abkühlung erfolgt
wahrscheinlich nicht so krass wie vom HL und KL angezeigt sondern eher
antizyklonal mit nachfolgend rascher Konsolidierung (eher die Richtung von GFS).

Bei den GFS-EPS-Rauchfahnen fällt auf, dass das vom HL schon für Donnerstag
apostrophierte Übergreifen des Troges wahrscheinlich zu früh erfolgt. Die
Ensembles, die das Spielchen überhaupt mitspielen, setzen wie der KL auf
Freitag. Es gibt aber auch nicht wenige Lösungen, bei denen sich das Niveau gar
nicht oder kaum ändert (wie bei ECMF-EPS). Grundsätzlich nimmt die Streuung zum
Donnerstag hin deutlich zu.
Zurück noch mal zum ECMF-EPS, genauer gesagt zur Clusterung. Dort werden für den
Zeitraum T+120...168h (Mittwoch bis Freitag) drei Cluster angeboten (21 Fälle, 16
+ HL/KL, 14), die alle dem klimatologischem Strömungsregime "Positive NAO"
zugeordnet werden. Der wesentliche Unterschied für unseren Raum liegt darin,
dass in CL1 der Trog kaum sichtbar ist und der Hochdruckeinfluss weitgehend
erhalten bleibt.
Für T+192...240h (Samstag bis Montag) erhöht sich die Clusterzahl auf vier (20,
12, 11, 8 + HL/KL). Lediglich "Außenseitercluster" 4 setzt am Wochenende auf die
starke Austrogung mit einhergehender Abkühlung. Die anderen Cluster sind mit
jeweils etwas anderem Anstrich klar antizyklonal ausgerichtet.
FAZIT: Bis Mittwoch, eigentlich sogar bis Donnerstag wird das in Kapitel 1
beschriebene Szenario trotz der üblichen Unschärfen belastbar gestützt. Die
folgende Austrogung und Abkühlung dürfte gedämpfter und nicht so nachhaltig
ausfallen wie vom HL gezeigt. Allerdings darf man gespannt sein, was die
Ensembles der nächsten Läufe in petto haben.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Wie bereits mehrfach erwähnt, wurde die Wahrscheinlichkeit für SCHWERGEWITTER am
Montag weiter zurückgenommen. Das wird u.a. auch daran deutlich, wenn man sich
bei ECMF-EPS das 90%-Perzentil für CAPE anschaut, das nicht nur betragsmäßig
kleiner, sondern auch flächenmäßig geringer ausfällt als gestern noch
angenommen. Gleichwohl, ganz ohne GEWITTER dürfte es am Montag im Süden und der
östlichen Mitte nicht ablaufen. Ob es am Ende für lokale UNWETTER reicht, muss
abgewartet werden.
Danach bleibt im Süden, vor allem südlich der Donau, ein gewisses
GEWITTERPOTENZIAL bestehen, während im größten Teil des Landes keine
signifikanten Wettererscheinungen zu erwarten sind. Ob sich dann am Ende im
Norden und Osten tatsächlich eine STURMLAGE einstellt, ist heute noch mehr als
fraglich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMF-EPS und zunächst auch MOS-Mix, dessen Gewichtung zum Ende aber abnimmt.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann