DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-06-2017 09:00
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 01.06.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Heute HM (Hoch Mitteleuropa), danach Übergang zu TrW (Trog Westeuropa)

Heute im äußersten Süden einzelne Gewitter (Starkregen). Morgen im S und SW
Gewitter, lokale Unwetter möglich. Am Samstag wahrscheinlich eine
Schwergewitterlage.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines flachen
Höhenrückens, der sich ganz gemächlich von Westeuropa nähert. Das
korrespondierende Bodenhoch - mit etwas über 1020 hPa zwar nicht megapotent,
aber doch wirksam - legt sich über weite Teile Mitteleuropas und überdeckt damit
auch große Teile des Vorhersageraums. Entsprechend starten der Juni und der
meteorologische Sommer fast standesgemäß mit reichlich Sonnenschein und einigen
lockeren Wolkenfeldern. Von der Nord- und Ostsee driftet heute Morgen
gebietsweise zwar dichterer SC ins Landesinnere, jedoch dürfte dieser im
Tagesverlauf mit steigendem Sonnenstand allmählich auflockern. Außerdem nimmt
der anfänglich an der Ostsee noch mäßige bis frische und in Böen steife
W-NW-Wind immer weiter ab, so dass spätestens am Mittag keine Warnschwellen mehr
überschritten werden.
Bliebe noch die kleine Baustelle im äußersten Süden, wo sich nach wie vor eine
stationäre Luftmassengrenze, die die erwärmte Meeresluft weiter nördlich von der
gealterten Subtropikluft ganz im Süden trennt. Bereits heute früh sind aus der
Schweiz schon schauerartiger Regen und einzelne Gewitter in den Süden BWs
gezogen, die sich im Laufe des Vormittags aber wieder abschwächen. Später
entwickeln sich etwa vom südlichen Schwarzwald bis hinüber zum bayerischen
Alpenrand neue Gewitter, die bei PPWs von 25 bis 30 mm und luschigen
Strömungsverhältnissen mit Starkregen einhergehen. Aufgrund reduzierter
ML-CAPE-Werte (meist unter 500 J/kg) und quasi nicht vorhandener vertikaler
Windscherung dürfte Hagel keine prominente Rolle einnehmen.
Temperaturmäßig hinkt der äußerste Norden sommerlichen Erwartungen noch etwas
hinterher, mehr als 16 bis 20°C in der Spitze stehen heute nicht auf dem Zettel.
In den übrigen Regionen hingegen geht es hoch auf 20 bis 25°C im W und S auf 24
bis 29°C mit den höchsten Werten im Bereich von Oberrhein und Mosel.

In der Nacht zum Freitag erreicht der flache Rücken den Vorhersageraum und das
Bodenhoch beginnt, sich allmählich nach Osten zu verlagern. Schlussendlich
verläuft die Nacht ruhig, nachdem anfänglich noch auftretende Gewitter am
Alpenrand zusammengefallen sind. In der Nordosthälfte geht die Temperatur in der
trockenen Luft verbreitet in den einstelligen Bereich, gebietsweise sogar auf
unter 5°C zurück. Dabei ist - wenn auch nur für kurze Zeit - lokal sogar
leichter Frost in Erdbodennähe möglich (wie letzte Nacht zwischen HH und HB).
Deutlich milder bleibt es im Süden und Westen mit 10 bis 16°C.

Freitag... verlagert sich der Höhenrücken langsam von den westlichen zu den
östlichen Landesteilen. Am Boden setzt leichter Druckfall ein, so dass
allmählich abgebaut respektive nach Osten abgedrängt wird, wodurch wir in eine
amorphe du somit strukturlose Drucklandschaft gelangen. Bei unseren westlichen
Nachbarn beginnt sich eine Tiefdruckrinne zu etablieren, die zunächst aber noch
keine Wirkung für unseren Raum hat.
Fakt ist, dass sich die bis dato im Süden aufhaltende Luftmassengrenze auflöst,
weil die thermischen Gegensätze nicht mehr gegeben sind (bereits heute ist sie
eher eine Feuchte- als eine Temperaturfront). Die 850-hPa-Temperatur steigt mit
der auf SW drehenden Höhenströmung an, die 10°C-Isotherme erreicht zum Tagesende
die Deutsche Bucht bzw. eine Linie HH-B. Damit erwärmt sich bei viel
Sonnenschein auch die bodennahe Luftmasse auf nachmittägliche 25 bis 30°C, im N
und NO auf 20 bis 25°C.
Doch nicht nur die Temperatur steigt mit der auf SW drehenden Höhenströmung,
auch die Feuchte nimmt langsam aber sicher wieder zu - besonders im SW, wo von
Frankreich her die Taupunkte nach oben gehen. Verbunden ist das bei vorhandener
Labilität (siehe LapseRates) mit einem Anstieg der ML-CAPE auf 500-1000 J/kg.
Die höchsten Werte treten zwischen Alpenrand und Schwarzwald auf, während
zwischen Pfalz und Eifel/Westerwald ein sekundäres Maximum anzutreffen ist. So
nimmt morgen die Gewitterneigung im S und SW (wobei sich der SW durchaus bis
nach Nordhessen und das nordrhein-westfälische Bergland ausbreiten kann)
gegenüber heute deutlich zu, wobei mangels Dynamik und zunächst weiterhin extrem
niedriger Scherung von pulsierender, vornehmlich orografisch getriggerter
Konvektion auszugehen ist. Bei PPWs von bis zu 30 mm und geringer Höhenströmung
steht Starkregen als begleitendes Element ganz oben auf der Agenda, aber auch
größerer Hagel bzw. größere Hagelansammlungen (wo der Durchmesser gar nicht die
große Rolle spielt) können dabei sein. Dass es bei diesen Rahmenbedingungen
lokal auch zu Unwettern reichen kann, bedarf eigentlich keiner besonderen
Erwähnung.

In der Nacht zum Samstag gelangen die westlichen Landesteile zunehmend auf die
Vorderseite eines breiten LW-Troges über dem nahen Ostatlantik. Während die
südwestliche Höhenströmung im mittleren Troposphärenniveau noch vergleichsweise
antizyklonal konturiert bleibt, zeigt sie sich weiter unten leicht zyklonal
gekrümmt. Darüber hinaus intensiviert sich weiter westlich besagte
Tiefdruckrinne mit eingelagerter Konvergenz, die in den frühen Morgenstunden auf
den äußersten Westen (nach ICON) übergreift.
Bei aller Spekulation, die Gewitterlagen im Allgemeinen und die geschilderte
Entwicklung im Speziellen mit sich bringen, ist für die Nacht folgendes Szenario
vorstellbar: Anfangs noch pulsierende Konvektion vom Tage, Tendenz aber
abnehmend, besonders im Süden, wo kein Support vorhanden ist. In der zweiten
Nachthälfte im W und NW von Nordfrankreich und Benelux her wieder zunehmende
Gewitterneigung, evtl. auch Advektion vorhandener Zellen und organisierte
Konvektion (leichte Zunahme der DLS auf 10 bis 15, lokal 20 m/s). Über die
Qualität und Intensität der Gewitter möchte sich der Verfasser derzeit noch
nicht äußern, nur so viel, dass schon in den frühen Morgenstunden erste Unwetter
nicht ausgeschlossen sind.

Samstag... wandert der Höhenrücken ostwärts aus. Dahinter steilt die
südwestliche Höhenströmung auf und nimmt nun auch in mittleren
Troposphärenschichten ganz allmählich eine zyklonalere Krümmung an - vor allem
im W und NW. Mit Rückdrehung des Windes steigt auch die niedertroposphärische
Temperatur weiter an, im S und O auf 15°C oder etwas darüber in 850 hPa.
Entsprechend erwärmt sich die Luft dort sowie in den mittleren Landesteilen auf
25 bis 31°C.
Im Bodenniveau breitet sich die Tiefdruckrinne auf ganz Deutschland aus. Schaut
man sich die feinaufgelöste Wind- und Druckverteilung bei ICON an, so erkennt
man, dass die Konvergenz bis zum Nachmittag bis in die östlichen Bundesländer
vorankommt, wobei sich ein kleines Mesotief an der Konvergenz bilden soll. Die
Kaltfront bzw. Okklusion, die den hinteren Randbereich der Rinne markiert, soll
erst am späten Nachmittag bzw. den Abendstunden auf den W und NW übergreifen.
Der Abstand zwischen Front und vorlaufender Konvergenz ist somit ziemlich groß,
was den Verdacht aufwirft, dass dazwischen vielleicht noch eine weitere
Konvergenz das Licht des Lebens erblickt. Andeutungen dafür gibt es, wenn auch
keine eindeutigen Windstrukturen.
Tatsache jedenfalls ist - wir sind weiterhin bei ICON -, dass die erste
Konvergenz aus der simulierten Konvektion nach Osten herausläuft und am
Nachmittag/Abend im Osten selbst so gut wie keine Schauer und Gewitter
induzieren soll. Zugegeben, sehr fraglich, dass da nix passieren soll.
Allerdings wird vor der Konvergenz von SO her extrem trockene Luft angesaugt (Td
anfangs z.T. einstellig), was trotz ausreichend Labilität natürlich ein stark
konvektionsdämpfender Faktor ist.
Die Hauptaktivität jedenfalls wird zwischen dieser vorlaufenden Konvergenz und
der spät folgenden Kaltfront/Okkl. simuliert, also mal ganz grob gesprochen in
der Westhälfte. Dort sind dann die Zutaten für eine Schwergewitterlage mit
organsierten Strukturen gegeben (Labilität, PPW über 30 mm, CAPE bis oder etwas
über 1500 J/kg, leichter Anstieg der Scherung), die üblich verdächtigen
Begleiterscheinungen Starkregen, Hagel und Sturmböen inclusive. Nach Süden und
Osten zu fokussiert sich die Entstehung einzelner Zellen tagsüber vielleicht auf
das Bergland (Alpenrand, Mittelgebirge).

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich die Front allmählich ostwärts, hinkt
nach Süden aber etwas zurück. Die Hauptaktivität verlagert sich dann mehr und
mehr in den O und S, wobei hinsichtlich des Timings und der Intensität noch
größere Modellunterschiede gegeben sind. Es ist aber stark davon auszugehen,
dass auch in der Nacht weitere Unwetter auftreten. An der schleifenden Front
bzw. auf der kalten Seite (Anacharakter) könnte sich im Süden (Teile von BY und
BW) eine bis in den Montag anhaltende Dauerregenlage entwickeln, was von den
nächsten Läufen aber erst noch bestätigt werden muss.

Modellvergleich und -einschätzung
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An der grundlegenden Ausrichtung, so wie sie oben beschrieben ist, bestehen
eigentlich keine Zweifel. Unscharf im Detail wird es etwa ab Freitagabend, vor
allem dann aber ab Samstag. Für reichlich Arbeit jedenfalls ist gesorgt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann