DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-05-2017 09:00
SXEU31 DWAV 140800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 14.05.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: anfangs indefinit, später Übergang zu Sa (Süd antizyklonal)

Heute besonders im O und S sowie in Teilen der Mitte Gewitter, teils markant
(vor allem durch Starkregen), lokale Unwetter möglich. Morgen im O und SO noch
mal Gewitter mit ähnlichen Begleiterscheinungen, abnehmende
Unwetterwahrscheinlichkeit.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befindet sich Deutschland im Übergangsbereich eines nach Osten
abwandernden Höhenrückens und einem nachfolgenden Trog, der unseren Raum aber
erst in der kommenden Nacht zum Montag erreicht. Entsprechend liegen wir heute
vergleichsweise schwachen, leicht diffluent angeordneten südwestlichen
Höhenströmung, in der kurzwellige, mit dem bloßen Auge in den numerischen
Potenzialkarten kaum erkennbare kurzwellige Sekundär- bis Quartiertröge
ablaufen. Bodennah befinden wir uns in einem gradientschwachen Umfeld, in dem
ein von SW-Europa zu den Alpen gerichteter Hochkeil zu erkennen ist, während die
gestern noch über dem NO des Landes leidlich abgebildete Tiefdruckrinne nach
Osten abgedrängt wurde. Die eingeflossene Luftmasse subtropischen Ursprungs ist
potenziell instabil geschichtet (KO verbreitet unter 2), weist aber
unterschiedliche vertikale Feuchteprofile auf. Das Maximum mit PPW-Werten von
etwa 24 bis 30 mm befindet sich im O zwischen Erzgebirge/Thüringer Wald und
Ostsee sowie im südöstlichen Bayern, während in weiten Teilen W-und
NW-Deutschlands zumindest vorübergehend ein Rückgang auf Werte unter 20 mm zu
verzeichnen ist. Entsprechend werden die höchsten MU-CAPE-Werte von ICON6_Nest
für die östlichen und südöstlichen Landesteile angeboten, wo gebietsweise 500
bis 750 J/kg, lokal auch noch etwas mehr (aber unter 1000 J/kg) angeboten.
Wie auch immer, ähnlich wie gestern wird es auch heute wieder zu zahlreich
aufpoppenden konvektiven Zellen kommen, schwerpunktmäßig im O und S sowie in
Teilen der Mitte. Als Trigger kommen - in Symbiose mit der o.e. Konfiguration
der Höhenströmung - insbesondere diabatische (Auslösetemperatur 18 bis 20°C) und
orografische Impulse in Frage, während konfluente Bodenwinde oder gar
Konvergenzen nicht oder nur bedingt erkennbar sind (aktuell über Ostfrankreich
und Südbelgien einige konfluente Windpärchen mit schwachen Radarechos, deren
Entwicklung es zu beobachten gilt). Da Scherung gar nicht oder nur marginal
vorhanden ist, sind organisierte Strukturen oder langlebige Superzellen
unwahrscheinlich. Es läuft also wieder auf pulsierende Einzel- oder kleinere
Multizellen, vielleicht auch mal kleine Linien heraus, die zwar nicht komplett
stehen, aufgrund limitierter Höhenwinde (gerade mal bis 10 Kt in 850 hPa und bis
20 Kt in 500 hPa) aber auch nicht gerade ins Rasen kommen. Vor diesem
Hintergrund steht als primäre Begleiterscheinung einmal mehr Starkregen von 15
bis 25 mm innert 1 h auf der Karte, während Hagel (kleinkörnig, aber im worst
case durchaus den Boden bedeckend) und Wind (7-8 Bft) eher den Hintergrund
abdecken. Unwetter mit mehr als 25 mm/h sind bei ungünstiger Anordnung der
Zellen oder Mehrfachtreffern binnen kurzer Zeit auch wieder drin, sollten aber
räumlich eng begrenzt auftreten, so dass eine mögliche Vorabinformation nicht
als opportun angesehen wird.
Am Nachmittag und Abend nähert sich von Westen her die Kaltfront eines
hochreichenden Tiefs mit Zentraltiefcharakter, das knapp südwestlich von Island
positioniert ist. Vorderseitig nehmen Feuchte und Labilität noch mal etwas zu,
so dass es auch in den westlich gelegenen Landesteilen zu Schauern und einzelnen
Gewittern kommt, die aufgrund des leicht zunehmenden und mehr auf westliche
Richtungen drehenden Höhenwindes aber ziehen, womit die
Starkregenwahrscheinlichkeit ab-, die Böenwahrscheinlichkeit (7-8 Bft) dafür
etwas zunimmt. Den meisten Sonnenschein dürfte es heute im äußersten N geben,
während sonst wechselnde Bewölkungsverhältnisse vorherrschen. Bei
850-hPa-Temperaturen zwischen 5 und 9°C sind auf irdischem Niveau Maxima
zwischen 18 und 24°C zu erwarten.

In der Nacht zum Montag erreicht besagter Höhentrog unter Abschwächung den
Vorhersageraum. Gleichzeitig schwenkt die vorgelagerte Kaltfront ostwärts (zum
Morgen hin erreicht sie bei leichten Modellschwankungen etwa eine auch unter
touristischen Gesichtspunkten interessante Linie Mecklenburg-Harz-Hunsrück),
wobei es präfrontal und an der Front selbst im N und der Mitte noch zu
schauerartigem Regen und einzelnen Gewittern kommt, Tendenz im Laufe der Nacht
abnehmend. Das gilt tagesgangbedingt auch für die von der Front abgesetzten
Gewitter im S und O, die sich mehr und mehr an die Ränder zurückziehen und sich
dabei ebenfalls abschwächen.
Hinter der Front gelangt ein Schwall erwärmter und - gegenüber der
Subtropikluft - deutlich trockenere und stabilere Meeresluft subpolaren
Ursprungs in den W und NW, in der die 850-hPa-Temperatur auf 3/4°C zurückgeht.
Dabei steigt der Luftdruck merklich an, so dass sich der Hochkeil nordwärts
ausweiten kann. Dort, wo es längere Zeit aufklart und die Grundschicht
ausreichend angefeuchtet ist, bildet sich Nebel.

Montag... schwenkt der Höhentrog langsam über den Vorhersageraum ostwärts
hinweg, wobei er weiter an Kontur einbüßt. Trotzdem ist er in den Prognosekarten
noch gut detektierbar und unsere polnischen und tschechischen Nachbarn erreicht
er wohl auch erst in den Abendstunden. Dahinter stößt ein sich intensivierender
Höhenrücken nach, der sich im Zuge kräftiger WLA aufwölbt und das Ergebnis einer
markanten Austrogung über dem Ostatlantik ist. Am Abend erreicht die Achse des
Rückens Ostfrankreich bzw. die Grenze zu Benelux, wodurch die Höhenströmung bei
uns mehr und mehr auf W bis NW dreht.
Im Bodenniveau gelangt Deutschland vorübergehend in den Bereich einer Brücke,
die den hohen Luftdruck über SW-Europa mit einem Hoch über Nordskandinavien und
dem Weißen Meer verbindet. Die Kaltfront überquert unter Abschwächung den
gesamten Norden, hängt aber zur Mitte hin nach SW zurück, so dass es zwischen
Thüringer Wald/Erzgebirge und BB (anfangs auch noch Vorpommern) sowie in großen
Teilen Bayerns (evtl. auch im östlichen BW) keinen wirklichen
Luftmassenaustausch gibt. Zwar nehmen die PPW-Werte gegenüber heute allmählich
ab (bis zum Abend auf unter 25 mm), trotzdem sind die Lapse-Rates nach wie vor
negativ genug und es wird auch wieder ausreichen MU-CAPE generiert, wenn auch
beides mit etwas geringeren Werten als heute.
Lange Rede, kurzer Sinn, da neben den üblichen Hebungsimpulsen
Temperatur/Orografie mit dem Trogrest und der wenn auch schwache Kaltfront
weitere Mitstreiter am Start sind, darf im in den genannten Gebieten auch morgen
wieder guten Gewissens von konvektiven Umlagerungen in Form von Gewittern
ausgegangen werden, die sich am Nachmittag und Abend durch Entrainment
trockenerer und stabilerer Luft von W her immer mehr gen P, CZ und A verlagern.
Organisierte Strukturen sind aufgrund weiterhin fehlender Scherung
unwahrscheinlich, meist dürfte es sich um Einzelzellen-Popcorn-Gewitter handeln,
die etwas ziehen, trotzdem aber Starkregen auf der Agenda haben. Zudem sind aber
auch kleinkörniger Hagel und Böen 7-8 Bft möglich. Ob es im Einzelfall auch noch
mal für Unwetter reicht (Starkregen), ist aus numerischer Sicht und aufgrund der
abnehmenden Labilitätswerte wenig wahrscheinlich. Da erfahrungsgemäß die
modellierte und die echte Atmosphäre aber nicht immer einer Meinung sind, sollte
man sich von dieser Option nicht gänzlich verabschieden, auch wenn sie im Falle
möglichen Auftretens nur von stark lokaler Bedeutung sein würde.
In der Westhälfte sowie im größten Teil Norddeutschlands steht in der
eingeflossenen und sich rasch wieder erwärmenden Subtropikluft ein freundlicher,
trockener und sonnenscheinreicher Wochenstart ins Haus, auch wenn sich ein paar
flache Quellwolken bilden und später der o.e. WLA folgend erste hohe
Wolkenfelder in den äußersten W driften. Am deutschlandweiten Temperaturniveau
von 18 bis 24°C (Küste teils etwas weniger) ändert sich nicht viel.

In der Nacht zum Dienstag greift der Höhenrücken auf Deutschland über, wodurch
mit Unterstützung des Tagesgangs letzte Konvektionsreste im O und SO rasch
zusammenfallen. Auf der anderen Seite nimmt die WLA zu, die den Rücken überläuft
und dabei leichte Hebung induziert. Ergebnis sind hohe und mittelhohe Wolken,
die sich auf weite Teile Nord- und Mitteldeutschlands ausbreiten, während es
nach Süden hin teilweise aufklart und sich stellenweise Nebel bildet. Im NW
kommt mit Annäherung einer Warmfront (gehört zu einem neuen Tief, das südlich
und östlich des sich west-südwestwärts zurückziehenden Zentraltiefs gen Island
gesteuert wird) zunehmend auch tiefe Bewölkung ins Spiel. Außerdem kann es
nordwestlich einer Linie Niederrhein-Westmecklenburg etwas regnen oder nieseln.


Dienstag... verbleibt Deutschland unter dem Höhenrücken, der sich mittlerweile
von SW-Europa bis nach Nordskandinavien reicht. Die zugehörige
Bodenhochdruckzone verläuft zur Mittagszeit vom westlichen Mittelmeer über weite
Teile Mitteleuropas und somit auch über Deutschland bis hoch nach NW-Russland.
Klingt nach Hochdruckeinfluss allerorten, doch nicht überall, wo antizyklonal
draufsteht ist auch antizyklonal drin. Die lauteste Ode diesbezüglich dürfen am
Dienstag die Norddeutschen besingen, wo die nur äußerst schleppend verlaufende
Warmfrontpassage (sie wird vom Hoch geblockt bzw. weist wenig frontsenkrechte
Windkomponente auf) nicht nur für kompakte Bewölkung, sondern auch für
zeitweiligen Regen oder Nieselregen sorgt. ICON bietet für Teile SHs sogar etwas
mehr als 10 mm /12 h an, was es aber noch zu bestätigen gilt.
Nach Süden hin, gebietsweise aber auch im O, wird die Bewölkung allmählich
dünner und die Chance auf Sonnenschein dicker, auch wenn der Himmel bei weitem
nicht überall nur in smartem Blau erscheint. Dazu sind zu viele hohe und (wenn
auch weniger) mittelhohe Wolkenfelder unterwegs. Ob es im äußersten SO Bayerns
sogar für einen schlappen Schauer reicht, wie z.B. von ECMF und GFS angeboten,
bleibt abzuwarten. Meist bleibt es freilich trocken.
Teils absinkbedingt, teils advektiv steigt die niedertroposphärische Temperatur
sukzessive an und erreicht am Tagesende in 850 hPa Werte zwischen 6/7°C an Oder
und Neiße und rund 11°C im SW. Unter dem Strich bedeutet das Tageshöchstwerte
von verbreitet 19 bis 25°C, den Rhein und seinen Nebenflüssen entlang auch mal
26°C. Selbst 27°C werden von einigen Vorhersagetools, darunter MOS-Mix,
punktuell sogar angeboten, was angesichts möglicher Bewölkung aber mit
Fragezeichen versehen ist. Fakt ist, dass der Norden von solchen werten nur
träumen kann und sich unter den Regenwolken mit weniger als 20°C begnügen muss.




Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung ist unstrittig, so dass sich durchaus vorhandene
Unsicherheiten im Wesentlichen und auch warntechnisch relevant auf die
detaillierte Entwicklung von Gewittern heute und morgen kaprizieren. Die Antwort
respektive die Klarstellung darauf erhalten wir freilich erst in situ, wenn die
ganze Chose in Gang kommt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann