DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-05-2017 21:00
SXEU31 DWAV 121800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 12.05.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Verbreitet Gewitter, zum Teil mit Starkregen, vereinzelt auch mit kleinerem
Hagel. Erst am Montag weitgehende Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Vorderseite eines westeuropäischen Troges.
Ein anfangs noch über Deutschland erkennbare Höhenkeil wird nach Nordosten
abgedrängt, weitet sich dabei aber noch etwas nach Norden aus. Folglich ergibt
sich über Mitteleuropa eine schwache, leicht mäandrierende südwestliche
Strömung. Mit dieser wird feuchtwarme und labil geschichtete Luft advehiert. Die
Auslösetemperatur ist größtenteils bereits überschritten, so dass eine rege
Schauer- und Gewittertätigkeit eingesetzt hat. Dabei ist hoch reichende
Konvektion häufig, aber nicht nur im Zusammenspiel mit der Orografie zu
erwarten. Ein Gehalt an niederschlagbarem Wasser von 20 bis über 25 mm ist Indiz
für Starkregen. Ein CAPE bis maximal 500 J/kg und eine nahezu nicht vorhandene
Scherung sind als Signale zu werten, dass langlebige Superzellen und somit auch
größerer Hagel nicht zu erwarten sind. Und in der Tat sind bisher im
wesentlichen kurzlebige Einzel- und Multizellen aufgetreten. Sollten mehrere
Zellen auf nahezu gleicher Zugbahn eine kleinräumige Region überqueren, sind
auch unwetterartige Niederschlagssummen vorstellbar. Bisher sind die
aufgetretenen Niederschlagssummen von diesem Schwellenwert noch größtenteils
weit entfernt.
Der Alpenrand wurde von der hochreichenden Konvektion zunächst noch nicht
erfasst, dort machte sich noch eine leicht föhnige Austrocknung bemerkbar, was
sich in einem deutlich höheren Kondensationsniveau äußerte. Zum Abend hin hat
auch dort Konvektion eingesetzt. Auch der Nordosten, d.h. etwa die Gebiete von
der Vorpommerschen Ostseeküste bis zur Niederlausitz, sollte von Gewittern noch
verschont bleiben. Dort dauert das antizyklonale Ausfließen aus dem über der
Ostsee und den Baltischen Staaten liegenden Hoch an.
In der Nacht zum Samstag kommt die hochreichende Konvektion tagesgangsbedingt
weitgehend zum Erliegen. Hiervon ausgenommen sind Teile Ostdeutschlands, wo sich
der Einfluss einer flachen Tiefdruckrinne bemerkbar macht. Aber auch im Südosten
sind noch weitere Gewitter vorstellbar. Der ohnehin schwache Föhn an den Alpen
bricht zusammen, so dass sich auch dort in Zusammenwirken mit der Orografie
konvektive Entwicklungen längere Zeit halten können.
In den anderen Gebieten klart es zum Teil auf. Dort, wo es zuvor kräftig
geregnet hat, kann sich Nebel bilden.

Samstag ... läuft in den über Westeuropa liegenden Trog vom nahen Ostatlantik
ein weiterer Trog herein. Der bisherige westeuropäische Trog wird dann als
kurzwelliger Anteil nach Nordosten gesteuert und streift dabei den Nordwesten
und Westen des Vorhersagegebietes und lässt sich noch bis in die mittleren
Regionen weiterverfolgen. Vorderseitig verstärkt sich die Zufuhr feuchtwarmer
und labil geschichteter Luft, was den Höhepunkt dieser Gewitterlage darstellt.
In der einfließenden Luftmasse ändert sich der Gehalt an niederschlagbarem
Wasser nur unwesentlich; allerdings nimmt CAPE noch etwas zu und erreicht etwa
1000 J/kg. Mit anderen Worten: Die Gefahr von Hagel wächst, wenn auch aufgrund
der weiterhin schwachen Scherung die Voraussetzungen für langlebige Superzellen
eher nicht gegeben sind. Da die Luftmasse aber großräumig labil ist und auch
durch die Dynamik (Trogvorderseite mit ablaufenden Kurzwellentrögen) immer
wieder Antriebe für Hebung generiert werden, kommt die Konvektion früher, d.h.
bereits ab den Mittagsstunden, in Gang. Einen Beitrag wird hier auch die mit
Feuchte aus den bisherigen Niederschlägen angereicherte untere Troposphäre
leisten.
Da sich die feuchtlabile Luftmasse überall durchsetzt, lässt sich keine Region
herausarbeiten, in welcher hoch reichende Konvektion unwahrscheinlich ist.
Erneut kann es unwetterartige Entwicklungen durch heftigen Starkregen geben, was
dann der Fall ist, wenn mehrere Konvektionszellen ein und denselben Ort treffen.
Dies wäre im Auge zu behalten, auch wenn aufgrund der im Westen und Süden
Deutschlands sich etwas stärker werdenden mitteltroposphärischen Strömung die
Zellen ein wenig rascher verlagern als an den Vortagen. Da hierbei nicht von
einer großräumigen Schwergewitterlage auszugehen ist, kann auf eine
Unwetter-Vorabinfo verzichtet werden. Sturmböen und / oder größerer Hagel sind
nach wie vor eher unwahrscheinlich.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 19 bis 23, in Küstennähe, ganz im
Nordosten und im Bergland 12 bis 16 Grad.
In der Nacht zum Sonntag wird die südwestliche Strömung durch einen sich über
Mitteleuropa aufwölbenden Keil antizyklonal deformiert. Durch diesen Keil wird
ein schwaches Bodenhoch gestützt, das sich von Frankreich in den Südwesten
Deutschlands vorschiebt. Die zunehmende Antizyklonalität sollte der
hochreichenden Konvektion den Garaus machen. Hiervon ausgenommen sind Teile
Nordostdeutschlands und auch der Süden, wo durch eine flache Tiefdruckrinne
(oder was davon übrig ist) sowie durch orografische Gegebenheiten nach wie vor
Hebung generiert wird, so dass dort Gewitter bis in die Frühstunden hinein
andauern können.

Sonntag ... wird der Keil nach Osten abgedrängt. Von Westen nähert sich ein
Kurzwellentrog, der bis zum Abend die Nordsee und die Benelux-Staaten erreicht.
Mit einer schwachen Kaltfront dringt dann eine etwas gemäßigtere Luftmasse ein,
die nicht mehr ganz so labil ist und einen Gehalt an niederschlagbarem Wasser
zwischen 15 und etwas über 20 mm aufweist. Die bisherige Luftmasse wird in den
Osten und Süden Deutschlands abgedrängt. Dort zeichnen sich die heftigsten
Entwicklungen ab, wobei erneut der Fokus auf Starkregen zu legen ist.
Unwetterartige Ereignisse sind nicht ganz auszuschließen, wenn auch deren
Wahrscheinlichkeit aufgrund des Entrainments von etwas trockenerer und weniger
labiler Luft von Westen her geringer wird.
Mit Annäherung des Troges von Westen her erfolgt jedoch im Nordwesten erneut ein
Einschub feuchterer Luft, was den Gehalt an niederschlagbarem Wasser auf 20 bis
über 25 mm steigen lässt. Hebung, die im wesentlichen aus positiver
Vorticityadvektion resultiert, lässt im Nordwesten und im Westen erneut
Niederschläge aufkommen, die zwar konvektiv durchsetzt sind, aber wo Gewitter
weniger wahrscheinlich sind als im Osten und Südosten Deutschlands. Bei der im
Nordwesten einfließende Luftmasse handelt es sich um eine atlantische Luft mit
einem eher gemäßigten Charakter, so dass selbst markant zu bewarnende Gewitter
dort wohl eher die große Ausnahme darstellen sollten.
In den Gebieten dazwischen, d.h. in einem breiten Streifen, der von der
Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns bis in die Gebiete westlich des Rheins
reicht, hält kompensierendes Absinken die Konvektion im Zaume. Wenn sich
örtliche Nebelfelder in den Frühstunden aufgelöst haben, gibt es größere
Auflockerungen und es bleibt weitgehend niederschlagsfrei. Die Temperaturen
ändern sich gegenüber Samstag nur unwesentlich.
In der Nacht zum Montag schwenkt der Trog nach Deutschland und erreicht die
mittleren Gebiete. Vorderseitig, d.h. von der Vorpommerschen Ostseeküste bis zu
den Alpen, hält Hebung die Konvektion aufrecht, auch wenn es nicht mehr
unbedingt für Gewitter reicht. Zumindest Starkniederschläge sollten dann die
große Ausnahme darstellen.
Rückseitig lässt das aus Kaltluftadvektion resultierende Absinken einen
Bodenhoch entstehen. Aufgrund der geringen Luftdruckgegensätze kann sich nach
vorherigem Aufklaren besonders dort, wo es zuvor viel geregnet hat, Nebel
bilden.
Montag ... setzt sich vollends antizyklonaler Einfluss durch, der durch einen
Höhenkeil, der sich über Frankreich aufwölbt, gestützt wird. Warmluftadvektion
führt an dessen Nordflanke zu weiteren Geopotentialgewinn, was diesen Keil
kräftigt. Über Mitteleuropa stellt sich somit eine nordwestliche Strömung ein.
In dieser ist zwar noch ein Kurzwellentrog eingelagert, der über Deutschland
hinweg nach Südosten gesteuert wird. Allenfalls ganz im Osten oder Südosten, wo
noch Reste der bisherigen Luftmasse zu finden wird, können durch diesen Trog
noch Schauer oder Gewitter ausgelöst werden. Aufgrund der auf der Rückseite
eingeflossenen trockeneren und stabileren Luft kann der Trog ansonsten nicht
viel anrichten, so dass es weitgehend niederschlagsfrei bleibt.
Warmluftadvektion, die in Verbindung mit der Warmfront eines Tiefs südlich von
Island steht, lässt von Nordwesten und Westen her zunächst hohe und mittelhohe
und später am Tag mehrschichtige Bewölkung aufziehen. Niederschläge sind noch
nicht zu erwarten.
Auflockerungen und auch Aufheiterungen sind wahrscheinlicher als an den Tagen
zuvor. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 19 bis 23, in den tieferen Lagen
Südwest- und Süddeutschlands bis 25 Grad, in Küstennähe sowie im Bergland 14 bis
18 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten.
Probabilistische Verfahren stützen die oben getroffenen Aussagen. Andere hoch
auflösende Modelle folgen der oben beschriebenen Entwicklung nicht ganz. WRF
dämpft morgen die hoch reichende Konvektion etwas und nimmt am Sonntag dann
Gewitter wieder mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit an. In Verbindung mit
dem sich dem Westen nähernden trog werden sogar staffelartige Strukturen
gebracht.
EU4 lässt eine ähnliche Entwicklung erwarten, wie oben beschrieben wurde.
Allerdings sind die von diesem Modell angebotenen Niederschlagssummen in
Vergleich zu den synoptischen Randbedingungen mit Niederschlagssummen am Samstag
von teils mehr als 100 mm innerhalb von 6 Stunden unrealistisch hoch.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann