DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-04-2017 21:00
SXEU31 DWAV 221800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 22.04.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nach an den Alpen Schneefall, gebietsweise Frost und an der Küste
weiterhin windig. Am Sonntag im Nordosten windig.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Rückseite eines von Nordeuropa
weit nach Süden reichenden Langwellentroges unter einer zyklonal konturierten
nordwestlichen Höhenströmung. Eingelagert in den Kernbereich des Troges ist ein
umfangreiches Bodentief, dessen Drehzentrum (wahrscheinlich sind es sogar
mehrere) um Mitternacht im Bereich Karelien liegt. Die zugehörige Kaltfront, die
uns heut von Norden überquert hat erreicht die Alpen, wo sie sich schwer tut,
den Gebirgszug zu überqueren. Fakt ist, dass rückseitig ein Schwall maritimer
Polarluft in den Vorhersageraum strömt, in der die 850-hPa-Temperatur mit
Ausnahme des äußersten Südens auf rund -5°C sinkt. Mitteltroposphärische
Kaltluft mit T500-Werten unter -30°C findet man in der Nacht hingegen nur noch
im Osten und Nordosten, wo - ebenso wie unmittelbar an der Nordsee - weiterhin
einzelne Regen- oder Graupelschauer, anfangs vereinzelt auch kurze Gewitter
auftreten können. Die Schneefallgrenze liegt dabei etwa bei 400 m, wobei am
ehesten im Erzgebirge mit Staueffekten ein paar Zentimeter Schnee zusammenkommen
können.
Ansonsten schiebt sich der KLA folgend ein Keil des über dem nahen Ostatlantik
positionierten Bodenhochs bis nach Süddeutschland vor, der für eine gewisse
Wetterberuhigung sorgt. Diese betrifft nicht nur die insgesamt nachlassende
(aber eben nicht ganz zur Ruhe kommende) Schaueraktivität, sondern auch den
westlichen bis nordwestlichen Wind, der ebenfalls schwächer wird. Warnwürdige
Böen beschränken sich in der Nacht dann im Wesentlichen auf den unmittelbaren
Küstenstreifen sowie einige Hochlagen (v.a. Brocken, Fichtelberg), wo weiterhin
Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft auftreten. Darüber hinaus lockert die Bewölkung
teilweise auf, gebietsweise klart es sogar auf. Dabei kann es insbesondere in
der Mitte sowie allgemein im Bergland leichten Luftfrost geben. Dabei ist an der
einen oder anderen Stelle die Gefahr von gefrierender Nässe oder - im Falle
eines vielleicht noch auftretenden Schauers - auch von Schnee/Schneematsch
gegeben.
Abschließend noch einen kleinen Abstecher in den Süden der Republik, namentlich
in Alpennähe, wo es frontal bedingt mit orografischer Unterstützung zu länger
andauernden Niederschlägen kommt. Die Schneefallgrenze sinkt dabei auf rund 1000
m, nach Osten hin auf 800 m. Oberhalb davon fallen bis Sonntagfrüh 1 bis 5 cm,
in exponierten Staulagen 10 bis 15 cm Neuschnee.

Sonntag ... verbleibt Deutschland unter der nordwestlichen Höhenströmung, die
zunehmend "glattgebügelt" wird bzw. im Tagesverlauf sogar eine leicht
antizyklonale Krümmung annimmt. Das und die Tatsache, dass die höhenkalte Luft
sich weiter in den Osten verlagert, können aber nicht verhindern, dass sich im
Norden und im Osten, bedingt auch noch in der Mitte (eher nach Osten als nach
Westen hin) mit dem Tagesgang nochmals einzelne Regen- oder Graupelschauer
entwickeln. Etwa nordöstlich der Elbe reicht die vertikale Mächtigkeit der
Konvektion teilweise bis 650 hPa, was nicht übermäßig mächtig ist. Trotzdem, die
Nullgradgrenze liegt niedrig (unter 900 hPa), die Obergrenze ist mit -15 bis
-20°C temperiert, so dass selbst einzelne Blitze nicht ausgeschlossen werden
können.
Im Bodendruckfeld zieht sich das Haupttief in Richtung Nordwestrussland zurück,
während sich der Keil des atlantischen Hochs bis zum nördlichen Balkan
ausweitet. Dazwischen bleibt grob gesprochen nordöstlich der Gradient so stark
aufgestellt, das mit Tagesunterstützung der W-NW-Wind erneut soweit auffrischt,
dass er in Böen Stärke 7 Bft, an der See bis zu 8 Bft erreicht. An den Alpen
fällt am Morgen der letzte Schnee, bevor es im Laufe des Vormittags abtrocknet
und später sogar die Wolkendecke auflockert, vor allem nach Westen hin. Auf
Sonnenschein dürfen sich auch die Südwestdeutschen, vor allem vom Saarland und
der Südpfalz bis zum Allgäu, sowie die Küstenanrainer freuen, während man sonst
bei wechselnder Bewölkung etwas mehr Geduld aufbringen muss. Temperaturmäßig
landen wir am Nachmittag bei 7 bis 13°C mit den höchsten Werten an Hoch- und
Oberrhein, im höheren Bergland nur bei rund 3°C.

In der Nacht zum Montag beginnt die Höhenströmung allmählich etwas
zurückzudrehen, was mit einer zunehmenden Austrogung über dem Europäischen
Nordmeer zusammenhängt. Vorderseitig befindet sich über der nördlichen Nordsee
eine Welle, die auf den Skagerrak zusteuert. Dabei greift WLA auf
Norddeutschland über, die im äußersten Norden etwas Regen oder Nieselregen
generiert. Dort bleibt auch der auf SW rückdrehende Wind noch einigermaßen flott
unterwegs, was an der Küste Spitzen 7 Bft zur Folge hat.
Zur Mitte und nach Süden hin schläft der Wind in der schmalen Hochdruckzone (die
sich aus dem ursprünglichen Keil gebildet hat) hingegen nahezu ein, zudem klart
es vielerorts auf. Entsprechend geht die Temperatur in der gealterten Polarluft
verbreitet in den leichten Frostbereich zurück.

Montag ... wandert ein flacher Höhenrücken über Deutschland ost-südostwärts
hinweg, bevor wir auf die Vorderseite des o.e., sich weiter intensivierenden
Troges gelangen. Dieser schwenkt mit deutlich nach SW zurückhängender Achse
langsam südwärts und erstreckt sich zum Tagesende von Südschweden bis hinüber
nach Irland. Auf seiner Vorderseite dreht die Höhenströmung über dem
Vorhersageraum mehr und mehr auf SW zurück, was auch auf die untere Troposphäre
abfärbt. So steigt die Temperatur in der gesamten Vertikalen, im äußersten Süden
in 850 hPa sogar auf rund 8°C. Gepaart mit leichtem Hochdruckeinfluss springt
für den gesamten Süden, aber auch für Teile der Mitte ein mehr als brauchbarer,
in Zügen sogar frühlingshafter Wochenstart heraus mit viel Sonnenschein und
Erwärmung auf nachmittägliche 14 bis 19°C.
Im Norden sieht das Ganze etwas anders aus, was an der besagten Welle liegt. Sie
entwickelt sich zu einem kleinen Sturmtief mit etwas unter 995 hPa (ICON um 12
UTC), das über den Skagerrak hinweg nach Südschweden zieht. Die zugehörige
Kaltfront greift im Tagesverlauf von der Nordsee her auf den äußersten NW über,
wobei ihr Drang, weiter landeinwärts vorzustoßen, durch ihre
höhenströmungsparallele Exposition sowie durch eine mögliche Teiltiefbildung
über UK substanziell gebremst wird. Wie auch immer, fest steht, dass die
frontalen Regenfälle bis zum Abend auf das nördliche Niedersachsen, SH und in
abgeschwächter Form auch auf MV übergreifen. Bereits zuvor frischt der auf SW
rückdrehende Wind genau in diesen Regionen, wahrscheinlich aber noch etwas
weiter nach Süden ausgreifend, so weit auf, dass abermals Windwarnungen 7 Bft,
an der Küste, im Norden SHs sowie auf dem Brocken auch Böen 8 Bft, vereinzelt 9
Bft fällig werden. Fast müßig zu erwähnen, dass es im Norden mit 11 bis 14°C,
bei Wind direkt von See auch weniger, nicht so mild wird wie weiter südlich.

In der Nacht zum Dienstag kommen Kaltfront und zugehöriges Regengebiet durch
Wellenbildung nur zögernd südwärts voran. Die 12-stündigen Regenmengen liegen
meist unter 10 mm, können aber - wie von einigen Modellen angedeutet - je nach
Ausprägung und Zuggeschwindigkeit der Welle gebietsweise auch etwas darüber
liegen. Rückseitig gelangt abermals eine Portion maritimer Polarluft zunächst
mal in den N und NW, in der sich die Luft in 850 hPa auf bis zu -5°C abkühlt. Ob
es dann mit Unterstützung stärkerer Hebung an der Welle bzw. im Scheitelbereich
sowie starker Niederschlagsabkühlung soweit kommt, dass der Regen in der 2.
Nachthälfte im Norden gebietsweise in Schneeregen oder gar nassen Schneefall
übergeht (ICON und GFS zeigen das recht deutlich in ihrer Wetterinterpretation),
lässt sich heute noch nicht abschließend beantworten. Sicherer scheint die
Aussage, dass mit Abzug des Sturmtiefs in Richtung Bottenbusen der Wind im
Norden im Laufe der Nachtstunden von Westen her zusammenbricht.
Im Süden bleibt der Wetterablauf zunächst noch weitgehend ruhig, wenn auch nicht
überall trocken. Der Luftdruck fällt etwas, zudem wird die dort lagernde mildere
Luftmasse angefeuchtet und etwas labilisiert. Möglicherweise ausgelöst durch die
leicht diffluente, zyklonal konturierte Höhenströmung kommt es rund um die Donau
(je nach Modell mal etwas weiter nach Norden, mal etwas weiter nach Süden
ausgreifend) zu abgehobener Konvektion in Form einzelner Schauer.

Dienstag ... intensiviert sich der Höhentrog noch etwas, verlagert sich aber nur
wenig südwärts. Wir verbleiben weitgehend auf seiner Vorderseite, auf der die
Strömung noch etwas aufsteilt. Erst spät am Tage gelangt der NW zunehmend in den
Trograndbereich und damit unter höhenkalter Luft mit T500 etwas unter -30°C.
Bodennah verbleiben wir indirekt noch immer im Wirkungsbereich des langsam in
Richtung Südfinnland ziehenden Tiefs. Von dort erstreckt sich weit nach SW eine
relativ breite, in ihrer Struktur aber durchaus mit einer Rinne vergleichbare
Tiefdruckzone, die bis zur Iberischen Halbinsel reicht. Deutschland liegt mitten
drin, wobei die eingelagerte Kaltfront schleifend und evtl. unter nochmaliger
Wellenbildung nur langsam, aber letztlich sicher südostwärts vorankommt. Dabei
baut sich vorübergehend ein knackiger Temperaturgradient zwischen dem NW und dem
SO auf; am Mittag reicht die Spanne in 850 hPa von -6°C in der postfrontalen
Polarluft rund um die Nordsee und bis zu 8/9°C in der präfrontal angezapften
potenziell instabil geschichteten Subtropikluft im Berchtesgadener Land.
Während sich die frontalen Niederschläge überwiegend in Form von Regen langsam
über die mittleren Landesteile südostwärts vorarbeiten, wachsen die präfrontalen
Schauer im S und SO teilweise zu mesoskaligen Regengebieten zusammen, die sich
am Nachmittag und Abend mehr und mehr mit den frontalen Regenfällen vereinigen.
Zwar sind die 12-stündigen Tagessummen für sich betrachtet noch fernab jedweder
Warnschwellen, gleichwohl stellt das Ganze im äußersten S und SO den Anfang
einer über mehrere Tage andauernden Niederschlagslage an, die zudem in den Alpen
(vor allem in höheren Lagen) nochmalig eine satte Hucke Schnee bringen kann.
Bevor es soweit ist, kann es aber in der präfrontalen Warmluft nicht nur für
Schauer, sondern örtlich auch für Gewitter reichen, auch wenn die Modelle
diesbezüglich (noch) recht defensiv agieren.
Schließlich sei noch erwähnt, dass sich im W und NW frontrückseitig einzelne
Schauer entwickeln können, die im höheren Bergland als Schnee fallen. Darüber
hinaus frischt der südwestliche Wind vor der Front in der Mitte und im Süden
mitunter auf mit Böen bis 7 Bft, in höheren Lagen je nach Exposition 8-9 Bft.
Die Tageshöchstwerte: 7-10°C im NW sowie an der See und bis zu 20°C im
südöstlichsten Bayern - ungerecht!


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft ist der Generalkurs weitgehend gesetzt, während es in den Details
noch Fragezeichen und Unschärfen gibt. Besonders die ab Montag beginnende
präfrontale Konvektion im Süden erscheint derzeit noch etwas rätselhaft, wenn
auch nicht fraglich, zeigen doch verschiedene Modelle dieses Szenario. Eine
überzeugende Erklärung kann der Verfasser an dieser Stelle allerdings noch nicht
liefern. Wir werden sehen.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann