DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-04-2017 09:00
SXEU31 DWAV 110800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.04.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWz (Nordwest zyklonal)

Heute im N und O, morgen vor allem im N und der Mitte, übermorgen wieder im N
und O windig, teils stürmisch. In den Nächten je nach Bewölkung gebietsweise
Bodenfrost, nur vereinzelt Luftfrost.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland im Bereich der leicht mäandrierenden
Frontalzone, die sich von Nordamerika knapp südlich an Grönland und Island
vorbei bis nach Kontinentaleuropa erstreckt. Dabei hat gerade ein Trog den
Vorhersageraum hinter sich gelassen, so dass die Höhenströmung auf NW gedreht
ist. Stromauf findet man heute früh einen flachen Rücken, der via Nordsee auf
uns zusteuert, dabei aber immer mehr an Kontur verliert und zunehmend - wie so
oft im Leben - von WLA überlaufen wird. Die WLA kündigt die Annäherung einer
Warmfront an, die am frühen Morgen gerade Schottland passiert hat und nun erst
mal die Nordsee überqueren muss, bevor sie im Laufe des Abends den NW erreicht.
Die Warmfront gehört zu einem Sturmtief (NORBERT), das heute Vormittag von der
Irminger See kommend Island langsam ostwärts überquert und dabei beginnt ein
Teiltief zu generieren. Zum Tagesende befindet sich das Doppeltief im Seegebiet
zwischen Island und Norwegen mit dem Teiltief knapp vor Kap Svinoy.
Bevor es soweit ist, haben wir (oder besser Teile Deutschlands) es indirekt aber
noch mit einem anderen Tief zu tun, das von Nordfinnland auf das Weiße Meer
zusteuert. Zwischen diesem Tief (MARCEL) und einem quasistationären Hoch mit
Zentrum knapp west-südwestlich von Irland gelangt weiterhin Meeresluft polaren
Ursprungs in den Vorhersageraum (T850 mit Ausnahme des äußersten Südens 0 bis
-5°C), die mangels höhenkalter Luft (T500 nur im NO um -25°C, sonst wärmer) zwar
nicht hochreichend labil geschichtet ist, zumindest aber in der unteren
Troposphäre eine leichte Labilität bzw. Indifferenz aufweist. Zwischen 800 und
700 hPa macht dann eine schwache Sperrschicht den Deckel drauf, so dass
nennenswerte Konvektion nicht in Gang kommt. Stattdessen breiten sich Quellungen
eher horizontal aus, trotzdem reicht es - wie aktuell zu beobachten - im N und
NO für ein schwache Schauer oder geringfügigen Regen, die sich nach Lesart der
meisten Modelle (nicht nach ICON) noch etwas nach Süden ausweiten sollen. Viel
Wasser wird allerdings nicht auf der Erdoberfläche ankommen, dazu ist die
Luftmasse zu trocken bzw. die vertikale Mächtigkeit der Schauer zu gering. Wie
auch immer, weite Teile der Nordhälfte werden es heute mit einem Überangebot an
Wolken zu tun bekommen, wobei die später einsetzende WLA und die daraus
resultierende mehrschichtige Bewölkung von NW her auch noch ihren Beitrag
leisten. Hier und da lockert es zwar mal auf, Richtung Vorpommern vielleicht
auch etwas öfter, für einen Sonnenbrand dürfte das allerdings nicht langen.
Warntechnisch gilt es den Wind weiterhin zu beobachten, der aus W-NW kommend
insbesondere im N und O mit der Tagesdurchmischung soweit auffrischt, dass er in
der Spitze Böen 7 Bft, Richtung Ostsee sowie in höheren Lagen auch 8 Bft
erreicht. Zum Abend hin nimmt der Wind dann vor allem im Binnenland ab, dafür
frischt er mit Rückdrehung auf SW und Annäherung der Warmfront an der Nordsee
erneut auf mit Böen 7 Bft.
Im Süden der Republik verläuft der heutige Dienstag vergleichsweise geschmeidig
ab. Die Kaltfront, die gestern von NW her durchgezogen ist, beißt sich an oder
besser in den Alpen die Zähne aus und wird sich zunehmend auflösen, was in der
09-UTC-Analyse bereits teilbewerkstelligt wurde. Damit gehen auch die anfänglich
am Alpenrand auftretenden Schauer noch im Laufe des Vormittags mehr und mehr in
die Knie. Dahinter macht sich ein in Richtung Alpen gerichteter Keil des
ostatlantischen Hochs stabilisierend bemerkbar, auch wenn er nicht allzeit und
allerorten Affenhochglanz zu produzieren vermag. So ziehen aktuell z.B. gerade
hohe Wolkenfelder südwärts durch, die möglicherweise einem dem Haupttrog
hinterherhinkenden Sekundärtrog angeheftet werden können. Besonders nach SW hin
wird sich heute aber auch immer mal wieder die Sonne zeigen.
Temperaturmäßig landen wird am Nachmittag bei 8-14°C, im W und SW bei 13 bis
17°C mit den höchsten Werten im südlichen Oberrheingraben.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt die Warmfront über Norddeutschland hinweg
ostwärts. Damit breiten sich WLA-getriggerte stratiforme Regenfälle
ost-südostwärts bis nach BB und Teilen Sachsens aus. In 12 Stunden sollen dabei
meist unter 5 mm, gebietsweise 5 bis 10 mm und ganz im Norden SHs vielleicht
auch mal etwas mehr als 10 mm zusammenkommen. Zwar nimmt der Gradient im
Warmsektor bzw. mit Annäherung des o.e. Teiltiefs im gesamten Norden zu,
gleichwohl dürfte der auf SW rückdrehende Wind wohl nur an der Küste und im
unmittelbar angrenzenden Binnenland sowie in einigen Hochlagen warnwürdig sein
(7-8 Bft, Brocken auch darüber), weil der Tagesgang und die stabilisierende
Wirkung der WLA dem Gradienten erfolgreich die Stirn bieten werden.
Im Süden und auch in der Mitte wird man davon so oder so nichts mitbekommen,
bestimmt doch weiterhin der Bodenhochkeil das Geschehen. Wind- und häufige
Wolkenarmut sorgen für einen spürbaren Temperaturrückgang in den unteren
einstelligen Bereich, vereinzelt sogar auf 0°C oder etwas darunter (vor allem
Mulden- und Senkenlagen). Leichter Bodenfrost tritt freilich verbreiteter auf.

Mittwoch... befindet sich Deutschland zunächst unter einer relativ glatten
west-nordwestlichen Höhenströmung, bevor sich im Tagesverlauf von der Nordsee
her ein breiter aber flacher Trog nähert. Auf seiner diffluenten Vorderseite
wird etwas PVA generiert, die aber durch KLA zumindest teilkompensiert wird, so
dass keine substanziellen dynamischen Hebungsantriebe zu erwarten sind. Dass es
trotzdem zu Hebung kommt, ist im Wesentlichen den Fronten geschuldet, mit denen
wir es morgen zu tun bekommen.
Zunächst mal gilt es zu konstatieren, dass unser Teiltief weiter über
Südskandinavien ostwärts zieht und zur Mittagszeit etwa Gotland erreicht. Das
sich auffüllende ursprüngliche Haupttief kann dem nicht folgen und verbleibt
westlich der norwegischen Küste, was unter dem Strich eine recht langgestreckte
Tiefdruckzone knapp nördlich unseres Hoheitsgebietes bedeutet. Fakt ist, dass
die Warmfront den N und O noch im Laufe des Vormittags in Richtung Polen
passiert, bevor dann die im thermischen leider etwas diffus ausgestattete
Kaltfront auf den NW übergreift. Ob das schon am Vormittag der Fall sein wird,
wie in der Vorhersagekarte T+36 h apostrophiert, oder etwas später (wie z.B. von
GFS gezeigt), ist derzeit noch offen. Auf alle Fälle zieht der Warmfrontregen
bis Mittag über dem Osten ab, bevor sich von Norden her der Kaltfrontregen
langsam südwärts vorarbeitet. Akkumuliert über 12 h dürfen sich der N und O
(etwa von Niedersachsen und dem südlichen NRW bis hinüber nach Sachsen, BB und
MV) über 1 bis 10 mm Regen, an der Nordsee sowie in Teilen SHs vielleicht auch
ein paar Millimeter mehr, freuen.
In der Südhälfte dagegen bleibt es trocken oder zumindest weitgehend trocken
(zur Mitte hin ist später etwas Regen möglich), auch wenn der Hochkeil - durch
leichten Druckfall ausgelöst - etwas zurückweichen muss. Besonders in den
südlichen Landesteilen von Bayern und BW scheint trotzdem für längere Zeit die
Sonne, und da mittlerweile auch wieder etwas mildere Luft angekommen ist (T850
von der Donau südwärts sogar +5°C oder etwas darüber), darf man sich in der
Südhälfte über Tageshöchstwerte von 15 bis 20°C freuen. Weiter nördlich dagegen
stehen nur 10 bis 15°C auf dem Zettel, an der See bei auflandigem Wind sogar
noch etwas weniger.
Eine prominente Rolle nimmt am morgigen Mittwoch der Wind ein, der aus
westlichen Richtungen kommend besonders im N und in der Mitte immer weiter
zunimmt und in Böen verbreitet Stärke 7 Bft, an der Küste und in freien Lagen 8
Bft, im höheren Bergland je nach Exposition 8-9 Bft, auf dem Fichtelberg 10 Bft
und auf dem Brocken - klimastatistisch der windigste Berg Deutschlands -
vielleicht sogar 11 Bft. In den beiden südlichsten Bundesländern beschränken
sich warnwürdige Böen auf die nördlichen Landesteile (7 Bft) sowie auf das
Bergland (7-9 Bft).

In der Nacht zum Donnerstag kommt die Kaltfront langsam weiter nach Süden voran,
wobei ihre genaue Position aber aufgrund schlecht ausgeprägter Baroklinität (es
fehlt zumindest bei ICON ein wohldefinierter thermischer Gradient) nach wie vor
schlecht zu detektieren ist - prognostisch jedenfalls. Auf alle Fälle sollen
sich der Regen noch etwas nach Süden ausweiten bei allerdings nachlassender
Intensität. Weite Teile Bayerns, BW, die Pfalz, das Saarland und Südhessen
bleiben wahrscheinlich ganz ausgespart. In den Norden gelangt ein Schwall
subpolarer Meeresluft, in der die 850-hPa-Temperatur etwas unter 0°C liegt.
Damit geht der Regen im Oberharz, vielleicht auch im hohen Erzgebirge in Schnee
über, ohne dass aber große Mengen zusammenkommen. Ansonsten entwickeln sich
postfrontal noch einzelne schwache Schauer, evtl. sogar ein kurzes Gewitter
(geringe Wahrscheinlichkeit).
Der Gradient fächert etwas auf, so dass der Wind mit Unterstützung des
Tagesgangs schwächer wird. Vor allem an der See sowie in höheren Lagen dürften
aber noch Warnungen fällig werden (7-8 Bft, exponierte Hochlagen 9 Bft).

Donnerstag... gelangen wir auf die Rückseite des rasch abziehenden flachen
Troges unter eine glatte west-nordwestliche Höhenströmung. Die Kaltfront
vegetiert über Süddeutschland eher lustlos vor sich und wird sich wahrscheinlich
im Laufe des Tages auflösen. An der einen oder anderen Stelle reicht es
vielleicht für ein paar Tropfen Regen, die Mengen dürften aber eher im
homöopathischen Bereich anzusiedeln sein.
Grundsätzlich verbleibt Deutschland in einer bodennah mäßigen W-NW-Strömung, mit
der subpolare Luftmassen advehiert werden. Erneut stellt sich dabei zwischen 800
und 700 hPa eine leichte Inversion bzw. Isothermie ein, die vertikale Auswüchse
konvektiver Art verhindern. Trotzdem reicht es -ähnlich wie heute - im O und N
für einige schwache Schauer. Hinzu kommt dort ein erneut auflebender westlicher
Wind mit Böen der Stärke 7 Bft, an der Ostsee exponiert 8 Bft, auf dem Brocken
und Fichtelberg 9 Bft. Eine kleine Unbekannte in der Windgleichung stellt
derzeit noch ein kleiner Bodentrog dar, der von Jütland her südostwärts
schwenken soll. Je nach Ausprägung und genauer Zugbahn könnte damit eine
vorübergehende Windzunahme auch abseits der Küste hin bis zu Stärke 8 Bft
gekoppelt sein, was wie gesagt aber noch nicht sicher ist. Ebenso unsicher ist
derzeit auch noch die genaue räumliche Ausdehnung warnwürdiger Böen nach W und
S. Die Tageshöchstwerte liegen zwischen 10 und 15°C, im SW je nach
Sonnenunterstützung auch mal bis zu 18°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden von den gesichteten Modellen sehr ähnlich simuliert, so
dass an der grundsätzlichen Ausrichtung für die kommenden Tage keine Zweifel
bestehen. Dass es in den Auswirkungen zu kleineren Diskrepanzen kommt, stellt in
der Vorhersagemeteorologie eigentlich nichts Besonderes dar und ist im
vorliegenden Fall auch kaum warnrelevant (allenfalls die räumliche Verteilung
warnwürdiger Windböen schwankt etwas). Beim Niederschlag fällt auf, dass vor
allem ECMF der diffusen Kaltfront am Donnerstag im Süden etwas mehr Regen
zutraut als ICON. Außerdem kommt in diesem Modell der Alpenstau stärker heraus.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann