DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-04-2017 09:00
SXEU31 DWAV 100800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 10.04.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu NWz (Nordwest zyklonal)

Heute von NW her Kaltfrontpassage mit Wind/Sturm insbesondere im Norden und der
Möglichkeit einzelner (markanter) Gewitter im Süden und Südosten.
In den kommenden Tagen wechselhaft mit zeitweiligem, allerdings nicht allzu
ergiebigem Regen im Norden. Nach Süden hin unter Zwischenhocheinfluss meist
trocken.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... Nachdem sich der gestrige Sonntag - nomen est omen - deutschlandweit
von der sonnigen Seite gezeigt hat, ist es heute zumindest in weiten
Landesteilen bereits wieder vorbei mit dem Frühlingsspaß und dem
Hochdruckwetter. Obwohl, eigentlich könnte man das ja für eine gute Nachricht
halten angesichts der Trockenheit, die in vielen Landstrichen mehr und mehr zum
Problem wird. Doch bevor diesbezüglich jetzt bei einigen Hoffnungen geschürt, ja
möglicherweise sogar eine gewisse Euphorie ausbricht, kommt gleich mal der dicke
Dämpfer. Der Verfasser ist zwar weit davon entfernt, in dieser Angelegenheit
Cassandra spielen zu wollen, aber als Sprachrohr numerischer Vorhersageprodukte
bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf die Euphoriebremse zu treten. Zwar
stellt sich heute beginnend ein längerer, wahrscheinlich sogar über die
Ostertage andauernder wechselhafter und vergleichsweise kühler
Witterungsabschnitt ein, der große Regen bleibt über das ganze Land gemittelt
aber aus. Betrachtet man die akkumulierten Regenmengen bis Ostersonntag, dann
bekommt bei aller gegebenen Modellvarianz der Norden noch einigermaßen was von
oben ab, während große Teile Süddeutschlands ganz schön (oder besser ganz
bitter) in die Röhre gucken. Im Südwesten reicht es laut Modell in einigen
Gebieten noch nicht mal für 5 mickrige Liter auf den Quadratmeter, was mehr als
eindeutig zu wenig ist für Wald, Garten, Landwirtschaft usw.

Doch zurück zur aktuellen Lage der Nation. Der Wochenanfang steht im Zeichen
einer Kaltfrontpassage von NW her, die einen landesweiten Luftmassenwechsel
einleitet. Das zugehörige Bodentief lag heute früh dicht vor der norwegischen
Westküste, von wo aus es im Laufe des Tages ost-nordostwärts in Richtung
Nordfinnland zieht. Das Tief weist einen deutlichen, nach Süden gerichteten
Bodentrog aus, in den in den nächtlichen Analysen aber "nur" eine Höhenkaltfront
gelegt wurde, während die Bodenfront mit der eigentlichen Abkühlung (erkennbar
u.a. am Rückgang von T und Td) etwas dahinter erfolgt. Wie auch immer,
angeschoben von einem Höhentrog, der von der Nordsee her auf Deutschland
übergreift, kommen beide Fronten (später wird wahrscheinlich nur noch eine
übrigbleiben) südostwärts voran. Dabei entpuppt sich ihre Wetterwirksamkeit
zunächst als totale Enttäuschung, sprich, ihre Passage erfolgt trocken oder
zumindest weitgehend trocken, woran die trogvorderseitige KLA sicherlich einen
Löwenanteil trägt. Interessanter wird es eigentlich erst, wenn die Kaltfront die
mittleren Landesteile erreicht (also etwa ab Mittag), und das auch nicht
unbedingt an der Front selbst, sondern eher in der präfrontal gelagerten
Warmluft. Darin besteht nämlich die Möglichkeit konvektiver Umlagerungen bis hin
zu Gewittern, allerdings ist man als Gewitterfreund gut beraten, die Hoffnungen
auf Blitz und Donner nicht zu hoch zu schrauben.
Der Grund dafür liegt darin, dass die präfrontale Warmluft zwar über ein
gewisses Maß an Labilität (siehe Lapse-Rates) verfügt, dafür aber auch extrem
trocken ist (z.B. PPW unter 15 mm). Die ML-CAPE-Werte erreichen gebietsweise 200
bis 300 J/kg, was auch nicht gerade viel ist. Hinzu kommt relativ wenig Dynamik,
weil der Trog wie gesagt von KLA überlaufen ist, und auch die
Scherungsbedingungen sind alles andere als günstig für organisierte Konvektion.
Lange Rede, kurzer Sinn, grob südlich einer Linie Südpfalz-Lausitz sind nach
vorheriger Einstrahlung am Nachmittag einzelne Gewitter möglich, die mit
kleinkörnigem Hagel und - wenn auch nicht überbordend wahrscheinlich -
Starkregen um 15 mm innert kurzer Zeit einhergehen können. Als primäres
Begleitelement steht allerdings der Wind respektive Sturm auf der Karte, was zum
einen der Annäherung der Kaltfront und einer allgemeinen Gradientverschärfung
geschuldet ist, zum anderen mit der inversen V-Struktur der Schichtung in der
unteren Troposphäre zusammenhängt, die trockene Downsbursts begünstigt. Von
daher sollte in den Zellen - so sie sich denn bilden - durchaus von Spitzenböen
bis Stärke 8 Bft, vielleicht sogar 9 Bft ausgegangen werden.
Aber auch abgesetzt von möglichen konvektiven Böen spielt der Wind zumindest in
einigen Regionen eine prominente Rolle. Von SO bis SW auf W bis NW drehend
frischt er mit Passage der (Boden)Kaltfront sowie auf der Vorderseite
vorübergehend auf mit Spitzen 6-7 Bft. Darüber hinaus frischt der Wind
gradientbedingt besonders an der See und im angrenzenden Binnenland sowie im
nördlichen Teil der Norddeutschen Tiefebene und im NO soweit auf, dass es für
steife Böen 7 Bft, an der Küste und an der Grenze zu Dänemark sowie in einigen
Hochlagen 8 Bft, auf dem Brocken 9 Bft reicht. Während es in der NW-Hälfte in
der einströmenden polaren Meeresluft (Rückgang in 850 hPa auf 0 bis -3°C) und
wenig Einstrahlung nur noch für 10 bis 15°C reicht, erwärmt sich die Luft im S
und SO noch mal auf 20 bis 25°C (dazwischen liegt ein schmaler Streifen mit 15
bis 20°C).

In der Nacht zum Dienstag erreicht die Kaltfront die Alpen, wo sie sich schwer
tut, weiter südostwärts voranzukommen. Bis zum Morgen schafft sie es aber doch,
das Hochgebirge weitgehend zu überqueren, allerdings bleibt die
850-hPa-Temperatur an und vor den Alpen leicht im positiven Bereich, so dass die
Schneefallgrenze an den sich an den Alpen einstellenden Niederschlägen
(gebietsweise immerhin 5 bis 10 mm/12 h) lediglich auf 1500 bis 1300 m sinkt.
Der große Rest des Landes wird vom Höhentrog überquert, der nicht zuletzt auch
mangels höhenkalter Luft weiterhin ziemlich handzahm daherkommt. Oder anders
ausgedrückt, etwaige postfrontale Schaueraktivität ist so gut wie nicht zu
erwarten. Stattdessen schiebt sich von Westen her der Keil eines mit seinem
Schwerpunkt unweit von Irland positionierten Hochs bis in den Vorhersageraum
vor, der den postfrontalen Auflockerungen eine gewisse Stabilität verleiht.
Frost dürfte aber nur in den Hochlagen einiger Mittelgebirge ein Thema sein,
sonst ist nur bei längerem Aufklaren vereinzelt leichter Bodenfrost drin.
Thema Wind, der bleibt aus W bis NW kommend an der See und in einigen Hochlagen
der Mittelgebirge (vor allem Brocken und Fichtelberg) flott unterwegs mit Böen
7-8 Bft.

Dienstag... gelangen wir vollständig auf die Rückseite des nach Osten
abziehenden Höhentroges. Dabei greift im Tagesverlauf WLA in der nordwestlichen
Höhenströmung auf den Norden des Vorhersageraums über. Sie kündigt die
Annäherung einer Warmfront an, die Bestandteil eines atlantischen Frontensystems
ist. Das zugehörige Tief liegt am Mittag über Island, die Warmfront hat zu
diesem Zeitpunkt die westliche und nördliche Nordsee erreicht (siehe
Bodenvorhersagekarte T+36 h). Im Vorfeld zieht relativ rasch mehrschichtige
Bewölkung von Westen her in den N und NW, allerdings bildet sich vorher schon
vorher in weiten Teilen der Nordhälfte CU-Bewölkung, die sich an einer zwischen
800 und 700 hPa befindlichen Inversion ausbreitet. Kurzum, allzu viel Sonne wird
man in der Nordhälfte nicht zu Gesicht bekommen, am ehesten dürfte sich "Madame"
Richtung MV und dem nördlichen BB die Ehre geben. Ansonsten fällt hier und da
ein Schauer bzw. später etwas Regen oder Nieselregen.
Etwas aufgelockerter präsentiert sich die Wolkendecke südlich von Main und
Mosel, wo besagter Keil des Hochs über dem nahen Ostatlantik ein zeichen setzt.
Dort bleibt es denn auch trocken, wenn man mal von den am Vormittag noch
auftretenden Restniederschlägen am Alpenrand absieht. Temperaturmäßig landen wir
am Nachmittag meist bei 8 bis 14°C, am Oberrhein mit Sonnenunterstützung lokal
um 16°C.
Der W-NW-Wind frischt im N und O auf mit Böen 7 Bft, an der Ostsee, in
Vorpommern sowie in einigen Hochlagen (Brocken, Fichtelberg) 8 Bft.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das Tief weiter in Richtung Südnorwegen. Die
Warmfront greift auf NW-Deutschland über und schwenkt bis zum Morgen über den
Norden ostwärts. Dabei breiten sich die stratiformen Regenfälle unter leichter
Intensivierung (maximal um 5 mm/12 h) auf weite Teile des Nordens und Ostens
aus. Zudem bleibt der auf SW rückdrehende Wind insbesondere an der See sowie in
einigen Hochlagen lebhaft mit Böen 7-8 Bft, auf dem Brocken durchaus auch noch
etwas mehr (MOS-Mix zeigt sogar eine "10" an).
Ruhiger gestaltet sich der Wetterablauf nach Süden hin, wo nach wie vor leichter
Hochdruckeinfluss greift. Z.T. klart es auf und bei windschwachen Verhältnissen
kann die Temperatur in der gealterten polaren Kaltluft den Weg nach unten
antreten - nicht beliebig weit, so dass Luftfrost eher ein vereinzeltes,
Bodenfrost hingegen ein häufiger anzutreffendes Phänomen darstellen sollte.


Mittwoch... dreht die Höhenströmung etwas zurück, bevor im Tagesverlauf ein
relativ breit gelatschter, ergo mit geringer Amplitude ausgestatteter und wenig
Höhenkaltluft ausgestatteter Trog auf Deutschland übergreift. Das
korrespondierende Bodentief erreicht Südskandinavien, wo es eine Dipolstruktur
ausbildet (12 UTC, ICON). Die Warmfront zieht rasch Richtung Polen ab, gefolgt
von der Kaltfront, die schon am Vormittag Teile N- und NW-Deutschlands hinter
sich gelassen haben wird und in den Abendstunden die Mitte erreicht.
Wettertechnisch bedeutet das für weite Teile der Nordhälfte erneut einen
wolkenreichen Tag, an dem der eine Regen (der von der Warmfront) im Laufe des
Vormittags nach Osten verschwindet, während der andere Regen (der von der
Kaltfront) von Norden her übergreift. Es bleibt dabei, dass die Mengen im
überschaubaren Rahmen liegen, wobei die externen Modelle wie GFS und ECMF
gebietsweise wenigstens mal auf 5 bis 10 mm innert 12 h kommen, während ICON
meist darunter bleibt. Die Mitte jedenfalls bekommt nur wenig Regen ab, der
Süden bis zum Abend überhaupt nix. Zwar schwächt sich der Hochkeil zusehends ab,
gleichwohl reicht es tagsüber noch für sonnige Abschnitte (am meisten und
längsten im Süden Bayerns und BWs), bevor von Norden her die Bewölkung zunimmt.

Apropros Zunahme, das trifft in besonderem Maße auf den Wind zu, der zwischen
dem bipolaren Tief über Südskandinavien und dem Hoch knapp westlich von Irland
sukzessive auffrischt und von SW auf westliche Richtungen dreht. Dabei erreicht
er im Norden und der Mitte, später auch zunehmend im Süden verbreitet Stärke 7
Bft, an der See und in höheren Lagen 8 Bft, exponiert 9 Bft, auf dem Brocken 10
Bft. Einzelne 8er-Böen sind mit Frontpassage auch in tieferen Lagen denkbar. Die
Temperatur erreicht in der N-Hälfte lediglich 10 bis 15°C, weiter im Süden geht
es auf 14 bis 19°C hoch.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die großräumige Entwicklung sehr ähnlich. Unschärfen
ergeben sich z.B. hinsichtlich der heute möglichen Konvektion im S und SO (siehe
auch Text), die - wie so oft bei Gewittern - erst im Nowcasting geklärt und
entsprechend bewarnt werden kann. Wegen der Böen, die im Zusammenhang mit der
Kaltfrontpassage erwartet werden, empfiehlt es sich, in situ zu warnen, um nicht
bereits im Vorfeld zu große Flächen mit einer Grundwarnung 7 Bft zu versehen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann