DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-03-2017 11:00
SXEU31 DWAV 210800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 21.03.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW (Trog Westeuropa)

Heute Passage einer schleifenden Kaltfront; im N und NW sowie in höheren Lagen
windig, teils stürmisch. Kommende Nacht in der NW-Hälfte gebietsweise leichter
Frost, im Süden im höheren Bergland Schneefall.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung eine mäandrierende, vom
mittleren Nordatlantik bis weit in den europäischen Kontinent eindringende
Frontalzone, die aber zunehmend von ihrer zonalen Ausrichtung verliert, so dass
wir voll in eine Low-Index-Lage hineinlaufen. Prominent beteiligt an diesem
Prozess ist ein klassisches Downstream-Development mit einem kräftigen
Warmluftvorstoß und dem Aufbau eines LW-Rückens über dem Westatlantik vor
Nordamerika, der stromab über dem Ostatlantik wiederum kräftige KLA aus dem
grönländischen Raum nach Süden induziert und somit die Bildung eines LW-Troges
forciert. Tja, und bei uns passiert das, was in einem solchen Fall passieren
muss: Die anfangs noch aus W-SW kommenden Höhenwinde drehen kontinuierlich
zurück - oder anders ausgedrückt, die Höhenströmung steilt auf - und wir
gelangen auf die Vorderseite des Troges, auf der heute kurzwellige, mit dem
bloßen Auge im numerischen Potenzialfeld kaum sichtbare Anteile über den
Vorhersageraum nordostwärts schwenken.
Dabei aktivieren sie zeitweise die schleifende Kaltfront, die heute früh über
dem W und N des Landes lag und zu einem mehrkernigen Tiefkomplex über dem
Europäischen Nordmeer gehört. Trotz ihrer weitgehend strömungsparallelen
Exposition und dem Rückdrehen der Höhenströmung kommt die Front im Laufe des
Tages über die Mitte hinweg nach Süddeutschland voran, bevor sie in der
kommenden Nacht die Alpen erreicht. Eine wirkliche Wellenbildung zeichnet sich
an der Front zwar nicht ab, gleichwohl wird sie von Frankreich her von einem
kleinen Bodentrog überlaufen, der ebenfalls (zu den kurzwelligen Troganteilen in
der Höhe) einen Beitrag zur Intensivierung der frontalen Hebungsprozesse und
damit des Regens beiträgt. Aktuell zeigt sich das frontale Regenband ziemlich
fraktil mit mehreren regionalen Aktionszentren überwiegend geringer Intensität
(max. 2mm/h). Später soll es im SW und in der Mitte von Frankreich her zu einer
Intensivierung kommen, ohne dass dabei aber irgendwelche Warnschwellen für
Dauerregen ins Visier genommen werden. Südlich der Donau, vielleicht sogar auch
noch etwas nördlich davon, bleibt es trotz überwiegend starker Bewölkung bis zum
Abend noch weitgehend trocken.
Das "schönste" Wetter am zweiten Tag des kalendarischen Frühlings gibt es auf
der Rückseite der Front im N und NW, wo ein Schwall erwärmter Meeresluft polaren
Ursprungs (es handelt sich um einen Teil der o.e. Kaltluft aus dem
grönländischen Raum, die in unserem Fall aber einen weiten Bogen um das
Tiefdrucksystem machen muss und von Westen her ziemlich erwärmt daherkommt)
einströmt (T850 -2 bis -5°C). Dort ist die Bewölkung aufgelockert und es scheint
zeitweise, teils sogar für längere Zeit, die Sonne. Allerdings können sich trotz
fehlender Höhenkaltluft einzelne Schauer entwickeln und selbst ein kurzes,
vereinzeltes gewittermäßiges Aufmucken der Atmosphäre ist nicht gänzlich
ausgeschlossen. Schauer und Gewitter können ebenfalls mit Böen 7-8 Bft
einhergehen.
Warntechnisch steht aber eindeutig der Wind im Blickpunkt des Geschehens. Aus
Westen bis Südwesten kommend frischt er besonders in höheren Lagen, an der Küste
sowie im Nordwesten soweit auf, dass dort Böen 7 Bft, im nördlichen SH sowie an
der Nordsee 8 Bft, im höheren Bergland je nach Exposition 8-9 Bft und auf dem
Brocken 10 Bft auftreten werden. Die Höchsttemperatur liegt zwischen 9 und 14°C,
im Süden lokal noch mal etwas darüber, an der nordfriesischen Küste trotz Sonne
nur bei 8°C.

In der Nacht zum Mittwoch steigt der Luftdruck infolge der postfrontalen KLA an,
was sich in Form eines von Spanien und Südfrankreich bis zur Mitte Deutschlands
gerichteten Bodenhochkeil widerspiegelt (00 UTC). Gleichzeitig nähert sich von
Benelux und der Nordsee her ein sich intensivierender kurzwelliger Höhenrücken,
der vor allem in der Nordwesthälfte Wirkung zeigt. Dort reißt die Wolkendecke
vielerorts auf und bei deutlich nachlassendem Wind (nur im äußersten N treten
anfangs noch einige Böen 7 Bft, an der Küste vereinzelt 8 Bft auf) geht die
Temperatur bis in Gefrierpunktnähe zurück. Gebietsweise gibt es leichten
Luftfrost, in einigen Mittelgebirgstälern bis zu -4°C. Sollte irgendwo noch
Restfeuchte/-nässe vom Tage oder Abend übrig sein, besteht die Gefahr
gefrierender Nässe.
Ganz anders die Situation in der Südosthälfte, wo sich der Bodenhochkeil als
Potemkinsches Dorf entpuppt. Die schleifende Front sowie von SW aufkommende WLA
sorgen für z.T. länger andauernde Niederschläge. Zwar ist das Erreichen etwaiger
Warnschwellen nach wie vor nicht zu befürchten, dafür kommt zumindest in höheren
Lagen die feste Phase ins Spiel. So sinkt die Schneefallgrenze auf 800 bis 600
m, Im Bayerischen Wald und an den Alpen auf 1200 bis 1000 m. Oberhalb davon kann
es etwas Neuschnee geben oder auf den Straßen zumindest Schneematsch bzw.
gefrierende Nässe. Der Wind lässt auch in den Hochlagen zunehmend nach, so dass
Warnungen nicht mehr nötig sind.

Mittwoch... formiert sich der o.e. Höhentrog über UK/Irland und dem nahen
Ostatlantik, wobei sich bereits ein Abtropfprozess abzeichnet. Im Gegenzug
verlagert sich der besagte Höhenrücken gaaanz langsam nordostwärts, ohne dabei
den Vorhersageraum gänzlich zu überqueren - mit äußerst angenehmen Folgen für
ganz Norddeutschland, aber auch für den Westen und Teile der Mitte. Zwar wandert
die Bodenhochparzelle, die sich aus dem nächtlichen Keil abspaltet, relativ
flott in Richtung Polen ab. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass in den
besagten Gebieten morgen häufig die Sonne scheint, auch wenn sich ein paar
flache Quellungen bis etwa 900 hPa bilden. Dabei steigt die Temperatur auf 10
bis 14°C mit den höchsten Werten nach Westen hin.
Weniger erfreulich sieht es für die südlichen Landesteile aus, wo sich die
Kaltfront als äußerst zäh entpuppt. Aufgrund der "ungünstigen"
Strömungskonfiguration denkt sie nämlich gar nicht daran, die Alpen zu
überqueren. Im Gegenteil, sie wird sogar wieder leicht rückläufig - per
definitionem freilich als Warmfront -, wobei sie vor allem am Vormittag weitere
Niederschläge bei wieder steigender Schneefallgrenze initiiert. Zum Nachmittag
hin nimmt die Regenwahrscheinlichkeit mehr und mehr ab, weil die Front nicht
zuletzt durch eine zunehmend antizyklonale Krümmung der Höhenströmung keinen
vernünftigen dynamischen Support mehr bekommt. Warntechnisch spielt das alles
keine große Geige. Anfänglich in höheren Lagen noch etwas Schneefall/Glätte und
zum Abend hin auf einigen Alpengipfeln vielleicht mal eine stürmische Böe 8 Bft
- das war´s. Bliebe nur noch zu erwähnen, dass die südlichen Landesteile mit
Tageshöchsttemperaturen von 6 bis 11°C eher unterkühlt daherkommen.

In der Nacht zum Donnerstag setzen in BW von der Schweiz her neue Niederschläge
ein, die meist als Regen fallen und sich bis zum Morgen in einem relativ
schmalen Korridor nordostwärts bis zur Mitte ausbreiten. Auslöser ist
wahrscheinlich ein kurzwelliger und sehr flacher Trog (erkennbar an einem
schwachen IPV-Maximum), der auf der Vorderseite des abtropfenden LW-Troges
nordwärts abläuft. Frost ist im Flachland so gut wie kein Thema mehr, auch wenn
es im NW noch mal auflockert bzw. klar bleibt. Hier und da bildet sich Nebel und
auf den höchsten Alpengipfeln nimmt der südliche Wind etwas zu (einzelne
Sturmböen 8-9 Bft).

Donnerstag... tropft der LW-Trog endgültig in Richtung Iberische Halbinsel ab,
wodurch der Höhenrücken über ME retrograd wird. Über Südskandinavien etabliert
sich eine schwache Hochdruckbrücke, während sich die über SW-Europa liegende
Tiefdruckzone bis nach Deutschland ausbreitet. Insgesamt bleibt der Gradient bei
uns aufgefächert, wobei der überwiegend schwache Wind aus östlichen Richtungen
weht. Warnwürdige Böen (8-9 Bft) beschränken sich somit auf die höchsten
Alpengipfel, ansonsten herrscht Flaute in puncto Windwarnungen.
Wettermäßig finden sich im Osten die Reste der schwächelnden Warmfront (also der
Kaltfront, die heute nach Süden durchgeht, dann aber wieder rückläufig wird),
die dort für mehrschichtige Bewölkung und gebietsweise leichten Regen sorgt.
Ansonsten präsentiert sich das Wolkenbild unterschiedlich, teils aufgelockert
mit einigen sonnigen Abschnitten, dazu bleibt es weitgehend trocken. Ob der
äußerste Westen von einer über Frankreich und Belgien liegenden Luftmassengrenze
mit etwas Regen versorgt wird, wie z.B. von ICON angedeutet, steht derzeit noch
in den Sternen. Temperaturmäßig landen wir in der SW-Hälfte mit Ausnahme höherer
Lagen bei 13 bis 17°C, während sonst 8 bis 13°C auf dem Zettel stehen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Obwohl die großräumige Entwicklung von der vielfältigen Modellwelt ähnlich
simuliert wird, ergeben sich doch einige Unterschiede, die durchaus Relevanz
besitzen. So dringt z.B. bei ICON die Kaltluft in der kommenden Nacht weiter in
den zentralen Alpenbereich vor als bei den meisten anderen Modellen, was
natürlich Einfluss auf die Schneefallgrenze hat. Sollte sich wider Erwarten die
ICON-Lösung durchsetzen, wäre die o.e. Schneefallgrenze an den Alpen etwas nach
unten anzupassen. Auch die regionale Ausbreitung der Frostflächen in der
kommenden Nacht werden uneinheitlich simuliert.
Am Donnerstag zeigen GFS und auch ECMF einen stärkeren Gradienten zwischen dem
Tief südwestlich und der Hochdruckbrücke nördlich von uns, was einen stärkeren
Ostwind zur Folge hätte. Ob dabei auch Warnungen fällig werden, bleibt
abzuwarten.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann