DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-03-2017 09:00
SXEU31 DWAV 170800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.03.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Übergang zu W bis NWz
Samstagfrüh bis Sonntagmittag vor allem in den süddeutschen Mittelgebirgen und
an den Alpen Dauerregen, im Allgäu und Berchtesgadener Land Unwetter möglich.
Stark windig, vorübergehend auch in den Niederungen Böen 8 bis 9 Bft, auf den
Bergen 9 bis 12 Bft.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... ist die Umstellung zu einer zyklonalen West- bis Nordwestlage in
vollem Gange. Die Achse eines Langwellentroges mit Drehzentrum südlich von
Spitzbergen verlagert sich allmählich nach Skandinavien, wobei sich der Trog bis
ins östliche Mitteleuropa ausweitet, so dass der Vorhersagebereich unterhalb
einer nordwestlichen Höhenströmung gerät. Mit der Trogachse gelangt ein Schwall
höhenkalter und entsprechend labil geschichteter Meeresluft polaren Ursprungs
(unter -30 Grad in 500 hPa, -4 Grad in 850 hPa) in den äußersten Nordosten des
Landes. Rückseitig wird im Laufe des Abends und der kommenden Nacht von
Nordwesten her aber rasch markante WLA in weiten Teilen des Landes aktiv,
wodurch teilweise recht kräftige Hebungsprozesse in Gang gesetzt werden.
Im Bodenfeld wird Deutschland heute im Tagesverlauf von der Kaltfront eines nach
Nordnorwegen ziehenden Tiefs überquert, die in der ersten Nachthälfte auch die
Alpen erfasst, aber aufgrund rückseitig sich rasch wieder durchsetzender WLA
mehr und mehr Auflösungstendenzen aufweist. Die Hebungsprozesse im frontalen
Bereich halten sich in Grenzen, entsprechend werden bis zum Abend -
hauptsächlich in den mittleren Landesteilen - auch nur 0 bis 3 mm Niederschlag
simuliert. Präfrontal gelangt innerhalb einer Art "Gewittersack" (zyklonale
Ausbuchtung im Vorfeld der Kaltfront) potentiell instabile Luft in den Süden und
Südosten Bayerns (ML-Cape bis 100 J/kg), innerhalb derer sich vereinzelt
Gewitter entwickeln können. Entsprechende Hinweise darauf geben vor allem die
höher aufgelösten Modelle, aber auch das GFS, was mit einer Art
"Gewitterteppich" aber wohl leicht übertreibt. Als Begleiterscheinungen dürften
in erster Linie steife bis stürmische Böen (Bft 7 bis 8) auftreten, Starkregen
und Hagel sollten kaum eine Rolle spielen (ppw-Werte um 15 mm).
Auch im äußersten Norden und Nordosten sind in der labil geschichteten
Höhenkaltluft kurze Schauer und Gewitter möglich, am ehesten wohl im
Ostseeumfeld. Dabei kann es ebenfalls steife bis stürmische Böen und eventuell
auch Graupel geben. Allerdings sorgt die beginnende WLA rasch wieder für eine
gewisse Stabilisierung, so dass die schauerartigen Niederschläge dort bereits
spätnachmittags oder abends wieder nachlassen bzw. in skalige übergehen und sich
die Frage stellt, ob es überhaupt irgendwo für Gewitter reicht. Allgemein werden
dort 1 bis 5 mm simuliert.
Vor allem postfrontal kommt es über dem Norden und Nordosten zu einer
Gradientverschärfung und der Wind frischt noch etwas auf. An den Küsten kann es
stürmische, im Binnenland Norddeutschlands steife Böen aus West geben. Auch in
den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und später der Alpen gibt es
stürmische Böen, auf exponierten Gipfeln Sturmböen. Im Alpenvorland frischt der
Wind im Vorfeld der Kaltfront - wohl unterstützt durch den Leitplankeneffekt -
ebenfalls mit einzelnen Böen Bft 7, in freien und höheren Lagen auch Bft 8 auf.
Die Sonne zeigt sich heute am ehesten noch präfrontal im Süden des Landes, wo es
mit Höchstwerten zwischen 14 und 20 Grad noch einmal sehr mild wird. In der
Mitte und im Norden steigen die Temperaturen auf 8 bis 13 Grad.

In der Nacht zum Samstag greift ein flacher Kurzwellentrog auf die Nordsee über,
im Vorfeld verstärkt sich die WLA über dem gesamten Vorhersagegebiet weiter,
wodurch es zu recht markanten Hebungsprozessen kommt.
Im Bodenfeld entwickelt sich an der Langgestreckten Warmfront eines Tiefs
südlich von Grönland ein Wellentief, das sich bis Samstagfrüh unter Vertiefung
über die nördliche Nordsee nach Dänemark verlagert. Diesen Prozess simuliert das
ICON-EU am markantesten mit einem Kerndruck von etwa 987 hPa am Samstag, 06 UTC.
GFS lässt das Tief mit ähnlichem Kerndruck schon bis zur südöstlichen Ostsee
ziehen, ECMWF simuliert das Tief zu dem Zeitpunkt mit etwa 993 hPa Kerndruck und
noch als offene Welle vor der Küste Vorpommerns.
Weit im Vorfeld der Warmfront weiten sich die Niederschläge von Nordwesten her
auf den Norden und die Mitte des Landes aus und erreichen in der Früh auch den
Süden, nach GFS bereits schon ein paar Stunden eher als nach ICON und ECMWF. Im
Bergland fällt anfangs auch Schnee - vor allem nach Osten zu bis in Lagen von
etwa 600 m herab. Im Warmsektor steigt die Schneefallgrenze aber von Westen her
rasch an.
Bis Samstagfrüh werden im Norden, Nordwesten und in den Staulagen der westlichen
Mittelgebirge bereits 10 bis 15 mm simuliert.
Von Warnrelevanz ist in erster Linie der Wind. Zwar schwächt er sich eingangs
der Nacht vorübergehend ab, mit Annäherung des Wellentiefs legt er aber vor
allem ab der zweiten Nachthälfte - nach GFS auch schon eher - wieder deutlich
zu. Dann gibt es in den Niederungen verbreitet Böen Bft 7 aus West, vor allem im
Westen in freien Lagen auch Bft 8. Zumindest nach Lesart des ICON-EU reicht es
im Nordseeumfeld auch bereits für erste Sturmböen (Bft 9). Diese gibt es auf den
Bergen häufiger, auf exponierten Gipfeln sind auch Bft 10 oder 11 denkbar.


Samstag... verlagert sich der Kurzwellentrog von der Nordsee unter
Amplifizierung rasch weiter nach Polen. Auch das Bodentief ebenfalls kommt
schnell ost- (GFS, ECMWF) bzw. ostsüdostwärts (ICON) voran und erreicht
Samstagabend Ostpolen bzw. nach Lesart des GFS bereits das Baltikum. Nach wie
vor zeigt ICON-EU die intensivste Entwicklung, vor allem an dessen Südwestflanke
baut sich über der Nord- und Osthälfte Deutschlands ein markantes Sturmfeld auf.
Dort (und teilweise auch im Alpenvorland) werden entsprechend auch Böen 8 bis 9,
vereinzelt sogar schwere Sturmböen (Bft 10) simuliert, im Südwesten und Westen
dagegen meist Bft 7 bis 8. Auf den Bergen dürfte es recht verbreitet für Böen
Bft 9 bis 10, auf exponierten Gipfeln auch für Bft 11 bis 12 reichen. ECMWF hat
eine insgesamt etwas schwächere Windentwicklung auf der Karte, wobei der
Nordosten wohl aufgrund der etwas südlicheren Zugbahn des Tiefs komplett außen
vor bleiben würde, nach GFS würde der Wind vor allem im Norden bereits rasch
wieder nachlassen. Insgesamt ist die Uneinigkeit der Modelle bzgl. der
Entwicklung des Wellentiefs für diesen kurzen Zeitraum eklatant. Genaue
Windprognosen z.B. für den Berliner Raum bzw. knapp nördlich davon sind aus
aktueller Sicht nicht möglich, von Bft 5 bis Bft 10 ist alles drin. Insgesamt
besteht nach allen Modellen allerdings mit Abzug des Tiefs von Westen her am
Nachmittag und Abend die Tendenz zur Windabschwächung.
Des Weiteren steht natürlich auch die Niederschlagsentwicklung im Fokus des
Warngeschehens. Die Kaltfront des Tiefs überquert den Norden und Osten des
Landes, gerät dann aber weiter westlich ins Schleifen und geht über in die
Warmfront eines nachfolgenden Tiefs bei Island. Während es postfrontal im Norden
und Osten noch einzelne Schauer gibt (selbst ein kurzes Gewitter ist nicht
komplett ausgeschlossen, entlang der Front wird auch Cape simuliert), wobei es
vor allem im Erzgebirge und im Harz in den Hochlagen auch etwas schneien kann,
regnet es im Westen und Süden teilweise länger anhaltend. Vor allem in den
Staulagen der süddeutschen Mittelgebirge und der Alpen werden die Kriterien für
Dauerregen überschritten, wobei es erneut eklatante Modellunterschiede gibt. Für
den Schwarzwald simuliert ICON-EU in den Staulagen verbreitet mehr als 50 mm, in
der Spitze gar bis 100 mm in 24 Stunden bis Sonntagfrüh. GFS hat dort nur
maximal knapp 30 mm auf der Karte, ECMWF nicht einmal 25 mm. Mehr Einigkeit
besteht, was die Alpen betrifft. Vor allem für das Oberallgäu und das
Berchtesgadener Land gibt es Hinweise auf mehr als 50 mm in 24 Stunden
(Unwetter), wobei ICON-EU (abgesehen vom Berchtesgadener Land, dort ist es das
GFS) auch dort die höchsten Mengen auf der Karte hat. Neben dem Schwarzwald
dürfte auch der Bayerische Wald vom (markanten) Dauerregen betroffen sein,
eventuell auch der Odenwald, nach GFS zusätzlich noch das Bergische Land.
Die restliche (Wetter)geschichte ist schnell erzählt. Für kurze sonnige
Abschnitte reicht es am ehesten im Nordosten und Norden. Die Temperaturen
steigen meist auf 7 bis 12 Grad, im Westen eventuell auch bis 14 Grad.

In der Nacht zum Sonntag kommt die Warmfront über dem Westen und Süden
Deutschlands nur langsam wieder ostwärts voran, so dass die Dauerregenlage dort
weiter anhält. Erst Sonntagfrüh klingen die Regenfälle im Südwesten ab. Am
Okklusionspunkt kommt es im Laufe der Nacht zu einer erneuten
Teiltiefentwicklung über der nördlichen Nordsee, so dass sich der Druckgradient
im Warmsektor erneut verschärft. Im Vorfeld schwenkt aber rasch ein
Bodenhochkeil über Deutschland hinweg ostwärts, so dass der Wind in der ersten
Nachthälfte vorübergehend deutlich nachlässt und wohl lediglich im äußersten
Süden und Südwesten (Alpen, Hochschwarzwald) noch warnrelevant ist. Sonntagfrüh
frischt er dann allerdings im Westen erneut mit Böen Bft 7 aus West bis Südwest
auf, an der Nordsee auch Bft 8.
Nach Abzug des Tiefs lockern die Wolken vor allem im Nordosten vorübergehend
stärker auf, innerhalb der dorthin eingeströmten polaren Meeresluft kann es
stellenweise bis auf nahe 0 Grad abkühlen. Sonst verläuft die Nacht frostfrei.

Sonntag... schwenkt bereits in der Früh ein flacher Höhenrücken über Deutschland
hinweg ostwärts, dahinter stellt sich eine recht glatt konturierte westliche
Höhenströmung ein. Mit dem Höhenrücken verlagert sich auch die Region mit der
stärksten WLA allmählich ins östliche Mitteleuropa.
Im Bodenfeld verlagert sich das Teiltief über die mittlere Nordsee bis zum Abend
zum Kattegat. Die Warmfront zieht über die Osthälfte Deutschlands hinweg nach
Polen, die Kaltfront erreicht die mittlere Nordsee. Im Warmsektor lassen die
Regenfälle auch im Süden des Landes nach und die Dauerregensituation entspannt
sich ab mittags auch an den Alpen. Der Schwerpunkt der Niederschlagstätigkeit
verlagert sich eher in den Nordosten des Landes, wo verbreitet 10 bis 15 mm in
12 Stunden simuliert werden, punktuell im südlichen Schleswig-Holstein von ICON
auch bis über 20 mm. Aufsummiert von Samstag bis zur Nacht zum Montag dürfte es
höchstens in einigen Harzstaulagen und vielleicht noch im Erzgebirgsstau für
Dauerregen reichen.
Die Windzunahme im Warmsektor setzt sich weiter nach Osten fort, so dass es
verbreitet Böen Bft 7 aus West bis Südwest gibt, in freien Lagen und an den
Küsten auch einzelne stürmische Böen (Bft 8). Auf den Bergen gibt es
entsprechend wieder Sturmböen (Bft 9), auf exponierten Gipfeln eventuell auch
schwere Sturmböen (Bft 10). Abends und in der Nacht zum Montag lässt der Wind
mit Abzug des Teiltiefs und mit dem Vorstoß eines Bodenhochkeils nach
Süddeutschland von Südwesten her wieder nach.
Die Sonne setzt sich lediglich im Süden und Südwesten zeitweise durch, sonst
bleibt es überwiegend stark bewölkt bis bedeckt. Im Warmsektor steigen die
Temperaturen in 850 hPa auf +1 bis +3 Grad. Entsprechend bewegen sich die
Höchstwerte meist zwischen 9 und 14 Grad, im Nordosten etwas darunter, am
Oberrhein und am Alpenrand können bis zu 16 oder 17 Grad erreicht werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die teils eklatanten Unterschiede, die Entwicklung des Wellentiefs am morgigen
Samstag betreffend, wurden bereits im Text angesprochen und sind für einige
Regionen, was Wind und Regen betrifft, durchaus von Warnrelevanz. Mit der
Ausgabe der Dauerregenwarnungen wird deshalb noch bis zum späten Nachmittag bzw.
Abend gewartet, in der Hoffnung, dass sich die Modelle ein wenig angleichen.
Unstrittig ist wohl, dass in einigen Regionen am Alpenrand (Oberallgäu,
Berchtesgadener Land) die Warnschwellen für Unwetter-Dauerregen erreicht werden.
Ob das innerhalb einer markanten Warnung (mit dem Hinweis auf höhere Mengen in
exponierten Staulagen) und in Form von regional eng begrenzten Unwetterwarnungen
abgehandelt wird, bleibt noch abzuwarten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff