DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-03-2017 09:00
SXEU31 DWAV 160800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 16.03.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von HM (Hoch Mitteleuropa) zu W-NWz (West bis Nordwest zyklonal)
am Wochenende

Heute Hochdruckeinfluss, ab Freitag mit KF-Passage zyklonaler, vor allem am WE
Dauerregen und windig bis stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland am Rande eines abgeschlossenen
Höhenhochs mit Schwerpunkt über Frankreich bzw. der Biscaya. Der zugehörige
Rücken - heute früh bis hoch zum Europäischen Nordmeer gerichtet - wandert im
Laufe des Tages über Skandinavien hinweg nach Osten, wobei er freilich auch den
Vorhersageraum beehrt. Folglich bestimmt heute Absinken das Geschehen vor Ort,
auch wenn derzeit der Luftdruck landesweit fällt. Das zeigt, dass der
Schwerpunkt des korrespondierenden Bodenhochs - heute früh um 03 UTC mit etwas
über 1030 hPa über Bayern gelegen - rasch abgebaut wird respektive nach Osten
wandert, so dass wir zunehmend auf die warme Westflanke gelangen. Dabei wird mit
schwacher südlicher bis südwestlicher Strömung niedertroposphärisch Warmluft
nordostwärts advehiert, in der die 850-hPa-Temperatur bis zum Abend vielerorts
auf 5 bis 8°C steigt. Nicht ganz so hoch geht es im äußersten N und NO sowie im
gesamten Osten, wo man sich mit 1 bis 4°C begnügen muss. Ohnehin sind diese
Gebiete gegenüber dem Rest in der Hinterhand, da der Höhenrücken von positiver
Schichtdickenadvektion (WLA) überlaufen wird, was sich in mal mehr, mal weniger
dichten Wolkenfeldern äußert. Kühlere Luft plus reduzierte Einstrahlung lassen
die Temperatur dort nur auf 11 bis 14°C, an der vorpommerschen Ostseeküste z.T.
nicht mal auf 10°C steigen, während sonst in Deutschland am Nachmittag
vorfrühlingshafte 14 bis 20°C angepeilt werden, mit den höchsten Werten den
Rhein entlang. Dazu scheint nach Auflösung letzter Nebelfelder die Sonne von
einem wolkenlosen oder nur gering bewölkten Himmel.

In der Nacht zum Freitag greift von der Nordsee her die Kaltfront eines Tiefs
über der Norwegischen See auf den Nordwesten über, die in einem Bodentrog
eingelagert ist. Damit ziehen nicht nur dichte Wolken landeinwärts über die
Norddeutsche Tiefebene hinweg südostwärts Richtung Mitte, es wird zudem auch
etwas Regen generiert. Die Mengen bis Freitagfrüh sind aber marginal, nur
punktuell reicht es mal für 1, vielleicht 2 mm. Mit Passage der Front nimmt der
westliche Wind im äußersten Norden sowie an der See vorübergehend soweit zu,
dass einzelne 7er-Böen möglich sind, bevor er in der zweiten Nachthälfte erst
mal wieder schwächer wird. Auf dem Brocken wird es stürmisch.
Nach Süden reicht der scheidende Hochdruckeinfluss noch mal für eine gering
bewölkte oder klare Nacht aus, in der sich in den Flussniederungen örtliche
Nebelfelder bilden können. Leichter Frost tritt am ehesten noch mal im östlichen
und südöstlichen Bayern, etwa von der Oberpfalz über Niederbayern bis ins
östliche Oberbayern auf.

Freitag... macht die Umstellung der Wetterlage hin zu einer zyklonalen
West-Nordwestlage weitere Fortschritte. Die Kaltfront des in Richtung Lappland
ziehenden Tiefs zieht mit dem zugehörigen Regenband über die mittleren
Landesteile hinweg südwärts, wird aber die Alpen bis zum Abend (18 UTC)
wahrscheinlich knapp nicht erreichen. Die Regenmengen gehen gegenüber der Nacht
zwar etwas nach oben, meist bleiben die Mengen aber unterhalb der 5mm-Schwelle
innert 12 h. Rückseitig der Front gelangt ein Schwall subpolarer Meeresluft in
den Vorhersageraum, die zu einem Rückgang der 850-hPa-Temperatur auf unter 0°C,
im äußersten Norden sogar auf -5°C führt. Die Luftmasse ist relativ trocken mit
negativen Taupunkten, so dass sich postfrontal vorübergehend trockenes Wetter
mit Auflockerungen einstellt. Allerdings folgt zum Nachmittag hin von der
Nordsee ein mit höhenkalter Luft (T500 zwischen -30 und -34°C) gefüllter
Potenzialtrog, der mit Unterstützung des Tagesgangs konvektive Umlagerungen im N
und NW induziert, vereinzelte Graupelschauer und kurze Kaltluftgewitter
inclusive.
In Süddeutschland scheint nach Auflösung von Frühnebel präfrontal noch für
einige Zeit die Sonne, wobei sich die Luftmasse nicht nur erwärmen kann (auf
stattliche 16 bis 20°C), sondern auch etwas labilisiert. Die Lapse-Raten gehen
nach unten und es wird auch etwas CAPE generiert, allerdings kaum mehr als 100
J/kg. Auch fällt die Luftmasse nicht gerade durch üppige Feuchtigkeit auf (PPW
um 15 mm, spez. Feuchte in 200 m nur 5-6 g/kg), so dass im Laufe des Tages
Konvektion bis hin zu einzelnen Gewittern nicht ausgeschlossen, andererseits
aber auch nicht überbordend wahrscheinlich ist.
Während im Süden der Vorfrühling also noch mal eine spürbare thermische
Duftmarke setzt, ist nach Norden hin eher Darben angesagt. Einstellig mit Werten
um 8°C bleibt es an der See und etwas landeinwärts, sonst reicht es für 9 bis
14°C. Der westliche Wind frischt besonders im N und W sowie allgemein in höheren
Lagen auf mit Böen 7 Bft, an der Nordsee und in SH teils 8 Bft, in exponierten
Kammlagen bis 9 Bft. Bei kräftiger Konvektion und 925-hPa-Winden von rund 40 Kt
sind im Norden auch außerhalb der genannten Gebiete 8er-Böen möglich. Windig
wird es im Tagesverlauf mit Annäherung der Kaltfront auch in Süddeutschland
(Leitplankeneffekt). Insbesondere vom Schwarzwald bis hinüber zum Bayerischen
Wald sind am Nachmittag und Abend Böen 7 Bft, in freien Lagen sowie im Bergland
8 Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen 9 Bft aus westlichen Richtungen
möglich.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der Höhentrog rasch nach Osten durch und es
stellt sich nachfolgend eine relativ glatte nordwestliche Höhenströmung ein, mit
der ein großes WLA-Gebiet von UK und der Nordsee auf Deutschland übergreift. Es
kündigt die Annäherung einer Warmfrontwelle an, deren Scheitel um 00 UTC etwa
über der Doggerbank liegt (siehe TKB + 48h). Im Vorfeld greifen stratiforme
Niederschläge auf den W und NW über, die sich bis zum Morgen auf weite Teile des
Landes ausbreiten. Timing und Form der Welle werden von der Numerik noch recht
unterschiedlich behandelt, was die Aussagen zur Niederschlags- und
Windentwicklung aus heutiger Sicht noch gerade erleichtert. So ist z.B. GFS
deutlich schneller mit der Welle bzw. dem Wellentief, das um 00 UTC mit Kern
bereits bei den dänischen Inseln liegt. EURO4 und ECMF lassen die Welle zwar
flach und offen, schlagen allerdings ebenfalls ein höheres Tempo an als ICON
(Scheitel um 00 UTC bei EURO4 etwa über SH, bei ECMF etwa über der Deutschen
Bucht).
Wie auch immer, auf Basis von ICON fällt der meiste Niederschlag im W und NW
(gebietsweise 10-15 mm/12 h, lokal etwas mehr). In den Hochlagen der
Mittelgebirge schneit es, wobei die Schneefallgrenze und deren Verlauf (WLA von
Westen) derzeit noch schwer prognostizierbar sind. Im Süden fällt an den Alpen
anfangs noch längere Zeit Regen an der allmählich südwärts abziehenden Kaltfront
(Schneefallgrenze über 1000 m).
Nach kurzer Beruhigung frischt der westliche Wind von Westen her erneut auf
(Ausnahme NO) mit Böen 7-8 Bft, Bergland bis 9 Bft, exponiert 10 oder gar 11
Bft.

Samstag... zieht die Welle unter leichter Entwicklung über den N und O des
Landes in Richtung Polen (ICON-Version). Die Kaltfront schwenkt von Norden her
in Richtung Mitte, wo sie irgendwann ins Stocken gerät, weil sie nach Westen hin
in die Warmfront eines weiteren, wellenden Frontensystems über UK und dem nahen
Ostatlantik übergeht. Rückseitig gelangt eine Portion erwärmter Meereskaltluft
polaren Ursprungs in den N und O. Dabei fällt Richtung Küste kein oder nur wenig
Regen, zeitweise zeigt sich sogar die Sonne.
Wettertechnisch am interessantesten wird es in der Mitte und im Süden des
Landes, wo es zu länger andauernden und teils kräftigen Niederschlägen kommt.
Bedingt durch Staueffekte in der lebhaften W-NW-Strömung sowie im Bereich der
schleifenden Front - wo immer sie auch genau liegen wird - nimmt die
Wahrscheinlichkeit für markanten Dauerregen deutlich zu, wobei die
Schneefallgrenze nach Süden und Südwesten hin deutlich über 1000 m liegen
dürfte. Betrachtet man die 24-h-Niederschläge auf Basis der deterministischen
und probabilistischen Vorhersageverfahren, dann ist eine markante
Dauerregenwarnung (30-50 mm/24 h) in den zentralen und westlichen Mittelgebirgen
(incl. Harz) möglich, im Süden (Schwarzwald, Alpenrand, Bayerischer Wald) sogar
wahrscheinlich. Insbesondere im Allgäu, bedingt aber auch im Schwarzwald und in
den Berchtesgadener Alpen sind laut COSMO-LEPS sogar mehr als 60 mm/24 h
möglich, was eine Unwetterwarnung zur Folge hätte.
Neben der allgemeinen Unschärfe der Prognose liegt die Schwierigkeit einer
belastbaren Niederschlagsprognose darin, den richtigen Gültigkeitszeitraum zu
finden. Dieser ist nämlich nicht zwingend auf 24 h festgelegt (z.B. von
Samstagfrüh bis Sonntagfrüh), sondern kann auch länger gefasst sein. Zwar deutet
sich am Sonntag eine Abschwächung der Regenfälle im S und besonders im SW an
(dafür wird es im Norden mehr), vor allem am Alpenrand "hängt" es aber noch
längere Zeit, so dass dort eine 36h-, vielleicht sogar 48h-Warnung fällig werden
könnte. Gleiches könnte für den Harz nötig werden, weil der möglicherweise am
Samstag und am Sonntag ´ne ordentliche Ladung Regen abbekommt (z.B. nach ECMF in
der Spitze rund 35 mm/24 h an beiden Tagen).
Die zweite Baustelle neben dem Regen ist der Wind respektive Sturm, der am
Samstag weite Teile des Landes erfasst. Besonders auf der S- bzw. SW-Flanke der
Welle liegt ein veritabler Gradient vor, der den westlichen Wind in der Mitte
und im Süden merklich auffrischen lässt, während es im NO überwiegend
windschwach bleibt. Dabei muss mit Böen 7-8 Bft (im Süden mit Leitplanke
häufiger die "8" als in der Mitte), im Bergland 9 Bft, in exponierten Kamm- und
Gipfellagen 10 bis 11 Bft gerechnet werden.
Temperaturmäßig landen wir zur üblichen Bundesligaanstoßzeit (15:30 MEZ für
nicht Fußballinteressierte) bei 6 bis 12°C mit den höchsten Werten am und um den
Rhein herum.

Abschließend noch ein paar kurze Stichworte zur Nacht auf Sonntag:
Gradientauffächerung ergo nachlassender Wind, im S und W noch Regen, im N und NO
häufig trocken und Frost, evtl. Glätte (gefrierende Nässe).

Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist eigentlich alles gesagt. Ab der Nacht zum Samstag wird die Vorhersage
unsicher, was aber am groben Trend für das Wochenende - unbeständig mit teils
länger andauernden und kräftigen Regenfällen, dazu viel Wind, teils Sturm - aber
nicht ändert. Schwierig sind die Details, was im Text bereits angesprochen
wurde. Hier bleibt die Hoffnung auf eine zunehmende Homogenisierung innerhalb
des Modellpools.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann