DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

15-03-2017 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 15.03.2017 um 10.30 UTC



Am Wochenende zyklonale W-NW-Lage mit teils kräftigen Regenfällen und Wind bzw.
Sturm. Danach Wetterberuhigung, aber weiterhin leicht wechselhaft.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 22.03.2017


Sollte ein aufmerksamer Interessent der mittelfristigen Wetterentwicklung aus
Sicht der vergangenen Tage noch einen Funken Hoffnung im Leibe getragen haben,
das Wochenende möge nicht so werden wie prognostiziert, dann ist nach Sichtung
der neuesten Modellläufe daraus ein Fünkchen homöopathischer Natur geworden. So
schön und vorfrühlingshaft der morgige Donnerstag in weiten Teilen des Landes
dank einer Dame namens KATHRIN auch wird (so heißt das verantwortliche Hoch),
das Wochenende steht im Zeichen von Tiefdruckeinfluss.
Auf Basis des IFS von ECMF gestaltet sich die Angelegenheit so, dass nach einer
kurz zuvor erfolgten Trogpassage die Höhenströmung auf West-Nordwest dreht.
Bodennah zieht eine Welle über Norddeutschland ostwärts hinweg, die nicht nur
flächendeckend teils ergiebigen Regen bringt (besonders im West-Nordweststau der
Mittelgebirge und der Alpen), sondern auch den Wind in der Mitte und im Süden
merklich auffrischen lässt.
Am Sonntag schwenkt dann von NW her zwar ein flacher Rücken über den
Vorhersageraum hinweg, großartiger Hochdruckeinfluss ist damit aber nicht
verbunden. Vielmehr wird der Rücken wie so oft von WLA überlaufen, die die
Annäherung einer Warmfront ankündigt. Sie gehört zu einem Tief, das um 12 UTC
weit nördlich von Schottland Richtung südliche Norwegische See unterwegs ist und
über der nördlichen Nordsee ein Teiltief ausbildet. Die Warmfront überquert bis
zum Abend den gesamten Vorhersageraum ostwärts, wobei die 850-hPa-Temperatur in
der einfließenden milden Meeresluft auf etwas über 0°C steigt und der SW-Wind im
Warmsektor von Westen her erneut auffrischt. Gegen Abend greift dann die
Kaltfront von der Nordsee her auf den Norden und Nordwesten über, wobei sie
aufgrund ihrer strömungsparallelen Exposition alsbald ins Schleifen kommt.
Wie weit sie bis zum Montag dann nach Süden vorankommt, ist schwer
vorherzusagen, weil die Position von Lauf zu Lauf anders gesehen wird. Tatsache
aber ist, dass zu Wochenbeginn Druck und Potenzial von Süden bzw. Südwesten her
etwas ansteigen. Der resultierende flache Höhenrücken "drückt" die Front nach
Norden, wobei beginnendes Absinken für eine Abschwächung der frontalen Hebungs-
respektive Niederschlagsprozesse sorgt, ohne dass diese aber sofort aufhören. So
muss aus heutiger Sicht auch am Montag bevorzugt in der Mitte und im Norden mit
weiterem Regen gerechnet werden, während Süddeutschland mit einiger Berechtigung
auf einen weitgehend trockenen Tag spekulieren kann.
Im weiteren Verlauf der Woche wölbt sich der Rücken weiter auf, wandert dabei
aber nach Osten. Zur gleichen Zeit formiert sich über dem nahen Ostatlantik ein
langwelliger Trog, dessen Progression sich in Grenzen hält. Stattdessen wird die
Energie in die Vergrößerung seiner Amplitude gesteckt, bis es zur Wochenmitte
(Mittwoch auf Donnerstag) schlussendlich zu einer Abtropfung über der Iberischen
Halbinsel kommt.
Deutschland gelangt zwischen tiefen Luftdruck über West- und Südwesteuropa und
einer vom Schwarzen Meer bis hoch zur Barentssee reichenden Hochdruckzone.
Dazwischen gelangt mit südlichen bis südöstlichen Winden relativ milde Luft nach
Deutschland (T850 um +5°C), in der sich der Wetterablauf leicht wechselhaft
gestaltet. Erst ab Freitag deutet sich mit Winddrehung auf Nord bis Nordost eine
Abkühlung an.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des IFS vom ECMF kann summa summarum als solide tituliert werden.
Zwar wird für den kommenden Sonntag nicht mehr - wie gestern 00 UTC noch - die
Passage einer zweiten Welle simuliert (die erste Welle geht ja bereits am
Samstag durch), besser wird das Sonntagswetter trotzdem nicht. Insgesamt wird
dadurch zwar weniger Regen gerechnet, es ist aber nach wie vor von einem
unbeständigen und windigen Tag auszugehen.
Der für den Wochenanfang bereits von einigen Vorläufen gerechnete Druck- und
Potenzialanstieg von Süden bzw. Südwesten her wird bestätigt. Dafür wird heute
das nachfolgende Übergreifen eines Höhentroges vom Ostatlantik her in Frage
gestellt. Zwar geht die aktuelle Modellversion im Laufe der nächsten Woche auch
von leicht wechselhaftem Wetter aus (siehe oben), allerdings auf z.T. deutlich
höherem Temperaturniveau. Hier gilt es also noch ein paar Fragezeichen zu
tilgen.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Beim Vergleich der Big Five unter den Globalmodellen (IFS, ICON, GFS, GEM, UKMO)
fallen im Wesentlichen zwei Dinge ins Auge.

Punkt 1:
Die Welle am Samstag wird von GFS deutlich schneller simuliert als von IFS, ICON
und GEM, die ein weitgehend kongruentes Bild abgeben. Zum Mittagstermin befindet
sie sich 400 bis 500 km weiter ost-nordöstlich (übrigens als Wellentief und
nicht als offene Welle) fast schon über Litauen, während sie nach Lesart der
anderen Modelle gerade die deutsch-polnische Grenze überqueren soll. UKMO
beschreibt eine Zwischenlösung, ist also etwas langsamer als GFS, aber schneller
als die anderen.

Punkt 2:
ICON, GFS und GEM simulieren den Trog im Laufe der nächsten Woche progressiver
als IFS. Bis Mittwoch kommt er Deutschland "bedrohlich" nahe, auch wenn er nicht
vollständig auf den Vorhersageraum übergreift (weil er in seinem Südteil
wahrscheinlich vorher abtropft). Dafür passiert uns die vorgeschaltete Kaltfront
von West nach Ost und lenkt rückseitig einen Schwall erwärmter Meereskaltluft
heran.

FAZIT: Insbesondere der Ablauf in der kommenden Woche erscheint aus heutiger
Sicht noch unsicher. Aus deterministischer Perspektive nimmt IFS mit seiner
vorderseitigen "Mildlösung" sogar eine Außenseiterrolle ein.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bis etwa zum kommenden Montag zeigen die ECMF-EPS-Rauchfahnen einiger
ausgewählter deutscher Städte einen vergleichsweise homogenen Verlauf (T850 und
Pot500) ohne größeren Spread. Danach nimmt die Streuung allgemein zu. Der Haupt-
und Kontrolllauf zeigen sich dabei durchweg im oberen Bereich der
850-hPa-Temperatur und tendieren erst am Freitag wieder nach unten. Von daher
nimmt das Modell eine extreme (milde) Position ein, die von den meisten
Ensemblemitgliedern unterboten wird. Beim Potenzial in 500 hPa liegen die
beiden deterministischen Anteile hingegen im mittleren Bereich.
Zum Vergleich: Bei GFS-EPS befinden sich Haupt- und Kontrolllauf in der
Wochenmitte sowohl bei T850 als auch bei Pot500 im unteren Bereich der
Kurvenschar. Die Wahrheit könnte irgendwo in der Mitte liegen, wobei bei beiden
Ensembles ausreichend Signale für Niederschläge gegeben sind, was für
wechselhaftes Wetter spricht.
Die ECMF-EPS-Clusterung bietet für den Zeitraum T+120...168h (Montag bis Mittwoch)
drei Cluster an (20, 17 + KL, 14 + HL Fälle). CL 3 setzt ähnlich wie der
Hauptlauf auf eine Abtropfung über SW-Europa, während die anderen beiden Cluster
den Trog an den Vorhersageraum herankommen, letztlich aber nicht übergreifen
lassen (GWL-Typus TRW (Trog Westeuropa)). Drei Cluster sind es auch in der
erweiterten Mittelfrist T+192...240h (Donnerstag bis Samstag), die fast
gleichverteilt sind (20, 16, 15 Fälle; HL und KL in CL 3). Während CL 3 in
Richtung zyklonaler Nordostlage tendiert, präferiert CL 1 eine bei uns stark
antizyklonal geprägte High-over-Low-Lage. CL 2 wiederum neigt zu einer
troglastigen zyklonalen Großwetterlage, so dass unter dem Strich eine
einigermaßen belastbare Trendaussage kaum möglich ist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Die Auswertung der deterministischen und probabilistischen Vorhersagetools für
den mittelfristigen Prognosezeitraum zeigt eine eindeutige Fokussierung
signifikanter Wettererscheinungen am kommenden Wochenende. Dabei treten zwei
Parameter zutage:

NIEDERSCHLAG
Mit der Welle am Samstag und dem Frontensystem am Sonntag kommt es großflächig
zu länger andauernden und teils ergiebigen Niederschlägen. Dabei zeichnen sich
insbesondere am Samstag in den West-Nordweststaulagen der Mittelgebirge und der
Alpen markante Regenereignisse ab, die ein Überschreiten der markanten
Dauerregenschwelle von 30 mm innert 24 h als möglich, im Schwarzwald und im
Allgäu wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Schneefallgrenze soll dabei im
Süden und Südwesten auf über 1000 m steigen, sonst um oder sogar etwas unter
1000 m liegen.
Am Sonntag werden nun nicht mehr so große Regenmengen simuliert wie noch in
einigen Vorläufen zuvor. Trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass unter
Berücksichtigung bereits am Samstag gefallender Regenmengen in einigen Staulagen
mehr als 40 mm binnen 48 h überschritten werden. Im Schwarzwald und an den Alpen
(vor allem Allgäu) sind sogar mehr als
60 mm/48 h nicht ausgeschlossen (was per definitionem Unwetter wäre).

WIND/STURM
Auch in dieser Kategorie wird am Wochenende einiges geboten, auch wenn sich der
ganz große Sturm nicht abzeichnet. Immerhin, mit Passage der Welle am Samstag
frischt der westliche Wind auf der Südflanke (Mitte, Süden) sowie später auch
rückseitig im NW soweit auf, dass in tiefen Lagen Sturmböen 8-9 Bft möglich und
im Bergland wahrscheinlich sind. Exponiert geht es noch etwas weiter rauf bis
Windstärke 10-11 Bft.
Nach einer nächtlichen Pause frischt der SW-Wind am Sonntag im Warmsektor sowie
an bzw. hinter der schleifenden Kaltfront von Westen her soweit auf, dass
ebenfalls Sturmböen bis in tiefe Lagen möglich und im Bergland wahrscheinlich
sind. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit für Sturm in tiefen Lagen
insbesondere im Warmsektor aufgrund der stabilen Schichtung gegenüber Samstag
etwas geringer.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit ECMF-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann