DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-03-2017 09:00
SXEU31 DWAV 020800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.03.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz, Übergang zu Sz
Heute verbreitet stürmische Böen oder Sturmböen, vereinzelt auch schwere
Sturmböen, abends und nachts rasch abnehmend. Freitag und vor allem Samstag an
den Alpen markante Föhnlage mit Sturmböen in Föhntälern und Orkanböen auf
exponierten Gipfeln, auch in den übrigen Mittelgebirgen ab Samstag stürmische
Böen.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... verläuft die recht kräftig ausgeprägte und nur wenig mäandrierende
Frontalzone vom mittleren Nordatlantik kommend über West- und Mitteleuropa
hinweg ostwärts bis nach Osteuropa, wo sie nach Nordosten abknickt. Darin
eingebettet hat ein Kurzwellentrog den Nordwesten Deutschlands erreicht und
verlagert sich bis Freitag, 00 UTC rasch über Norddeutschland und Polen hinweg
ostwärts zum Baltikum. Rückseitig wölbt sich dann bereits ein Höhenrücken über
Frankreich und die Britischen Inseln hinweg nordwärts auf, kommt ein wenig
ostwärts voran und erreicht in der kommenden Nacht die Nordsee.
Ein mit der Kurzwelle korrespondierender Bodentrog hat inzwischen den Nordwesten
Deutschlands erreicht, zieht als abgeschlossenes Tiefdruckgebiet unter leichter
Vertiefung rasch ostwärts und erreicht bereits um die Mittagszeit Nordpolen, bis
zum Abend dann in etwa Litauen. Die Warmfront überquert aktuell mit Regenfällen
teils mäßiger Intensität rasch die Osthälfte Deutschlands. Die Kaltfront hat
inzwischen den Westen und Südwesten des Landes erreicht und kommt zunächst
ebenfalls rasch nach Osten voran, ehe sie an den Alpen vorübergehend ins
Schleifen gerät und dort vor allem am Vormittag noch für teils anhaltende
Niederschläge sorgt, die aber bis mittags weitgehend nachlassen. Vor allem im
Schwarzwald und im Oberallgäu fielen die Niederschläge letzte Nacht und in der
Früh recht ergiebig aus, so dass dort an einigen Stationen die Warnschwellen für
Dauerregen "gerissen" wurden. Bis zum späten Vormittag sollte sich das Thema
aber auch im Allgäu erledigt haben.
Aufgrund des Vertiefungsprozesses verschärft sich der sowieso schon kräftig
ausgeprägte Druckgradient an der Süd- und Südwestflanke des Tiefs vormittags
vorübergehend noch ein wenig. Betroffen davon ist vor allem ein recht breiter
Streifen vom südlichen Emsland bzw. Nordrhein-Westfalen ostwärts bis nach
Sachsen und Brandenburg. Dort gibt es in den kommenden Stunden verbreitet Böen
Bft 9 aus West bis Südwest, in freien Lagen vereinzelt auch Bft 10. COSMO-DE-EPS
zeigt die höchsten Wahrscheinlichkeiten für Bft 10 (meist um 20%) bis 12 UTC in
Ostwestfalen, im südlichen Niedersachsen, im südlichen und mittleren
Sachsen-Anhalt sowie im nordwestlichen Sachsen, die deterministischen Läufe
haben ähnliche Schwerpunkte auf der Karte.
Mit dem Trog gelangt ein Schwall Höhenkaltluft vor allem in die nördlichen und
mittleren Landesteile, die Temperatur in 500 hPa sinkt dort auf -30 bis -34
Grad, in 850 hPa auf -4 Grad. Die Folge sind konvektiv durchsetzte, also
schauerartige Niederschläge, aktuell vor allem unmittelbar vorderseitig des
Troges , wo es PVA- induziert zu recht markanter Hebung kommt, aber auch im
Trogbereich bzw. kurz dahinter. Insgesamt werden bis zum Abend in etwa von
Nordrhein-Westfalen bis nach Sachsen und nördlich davon 1 bis 10 mm simuliert,
die höchsten Mengen im nördlichen und mittleren Niedersachsen. Im höheren
Bergland, oberhalb von etwa 600 bis 800 m gehen die Niederschläge wieder
zunehmend in Schnee über, angesichts der gut durchmischten Luftmasse dürfte es
aber nur in den höchsten Lagen für etwas Neuschnee reichen. Vereinzelt können
auch kurze Gewitter mit Graupel auftreten. Bei simulierten 850 hPa-Winden von 55
bis 60 kn sind dann lokal eng begrenzt und kurzzeitig auch orkanartige Böen (Bft
11) nicht ausgeschlossen, wenngleich die deterministischen und probabilistischen
Läufe kaum bis keine Hinweise darauf geben (am ehesten noch PEPS).
Südlich des "Hauptsturmfeldes" bleibt es ebenfalls windig mit steifen bis
stürmischen Böen (Bft 7 bis 8). Auf den Bergen gibt es verbreitet Sturm-, auf
exponierten Gipfeln auch schwere Sturmböen, vor allem auf dem Brocken und dem
Fichtelberg ist mit orkanartigen Böen oder gar mit Orkanböen (Bft 12) zu
rechnen.
Deutlich entspannter gestaltet sich die Windentwicklung in der Nordhälfte,
entlang bzw. knapp nördlich der Zugbahn des Bodentroges. Auch dort verschärft
sich der Druckgradient rückseitig etwas, allerdings reicht es meist nur für
steife Böen.
Bereits mittags lässt der Wind im Westen, spätnachmittags und abends dann auch
im Osten wieder deutlich nach.
Nach Abzug der Kaltfront zeigt sich vor allem im Südwesten und Süden, wohin die
Höhenkaltluft nicht mehr gelangt, häufig die Sonne, nachmittags dann auch im
Nordwesten. Die Temperaturen steigen im Norden auf 5 bis 10 Grad, in der
Südhälfte auf 8 bis 13 Grad, am Oberrhein auch knapp darüber.

In der Nacht zum Freitag zieht das Tief rasch weiter ostwärts und der Gradient
fächert deutlich auf, so dass auch in der Osthälfte der Wind bereits abends
rasch nachlässt. Warnrelevante Böen treten dann allerhöchstens noch entlang der
vorpommerschen Ostseeküste auf.
Auch die Schauertätigkeit kommt in der ersten Nachthälfte rasch zum Erliegen,
zuletzt wohl im Erzgebirge und im Thüringer Wald, wo es noch etwas Schnee geben
kann. Ansonsten lockern die Wolken rasch auf, teilweise klart der Himmel auch
auf. Vor allem in der Mitte und im Süden gibt es dann leichten Frost, vereinzelt
kann sich auch Nebel bilden.
Der Höhenrücken über dem westlichen Mitteleuropa wird bereits von WLA
überlaufen, die sich vor allem in der Westhälfte in Form hoher und mittelhoher
Wolkenfelder bemerkbar macht. Über Süddeutschland schwenkt im Laufe der Nacht
ein Bodenhoch hinweg südostwärts Richtung Balkan, rückseitig dreht die Strömung
in der unteren Troposphäre bereits auf Südwest bis Süd.

Freitag... kommt es über der Iberischen Halbinsel von Nordwesten her zu einer
kräftigen Austrogung, wodurch der Höhenrücken nur wenig nach Osten vorankommt
und sich am Samstag, 00 UTC direkt über dem Vorhersagegebiet befindet. Dahinter
dreht die Höhenströmung auf Südwest bis Süd. Niedertroposphärisch stellt sich
bereits über dem gesamten Vorhersagegebiet eine südliche Höhenströmung ein, die
Temperatur in 850 hPa steigt bis zum Abend auf -1 Grad im Nordosten und +9 Grad
im Alpenvorland. Im Bodenfeld kommt es dabei zu recht kräftigem Druckfall, an
den Alpen stellt sich Föhn ein. Bis zum Abend verstärkt sich der
Druckunterschied zwischen Oberitalien und Alpenvorland auf etwa 8 bis 10 hPa,
wobei sich der Föhn dann bereits in einigen Tälern mit Böen Bft 7 bis 8 aus Süd
bis Südost durchsetzen kann. Auf den Alpengipfeln ist dann mit Sturm- bzw.
schweren Sturmböen aus Süd zu rechnen.
Auch sonst führt die Gradientverschärfung zu einem Auffrischen des Süd- bis
Südostwindes, angesichts der stabilen Schichtung reicht es aber wohl nur in den
Kamm- und Gipfellagen für warnrelevante Böen (Bft 7 bis 8), eventuell auch im
Nordseeumfeld und im ost- bzw. südostdeutschem Bergland ("Böhmischer Wind").
Allgemein macht sich die kräftige WLA in Form hoher und mittelhoher Wolkenfelder
bemerkbar, die vor allem im Westen und Norden auch recht dicht sein können.
Nachmittags und abends wird der Nordwesten von der Warmfront eines Tiefs über
der Biskaya bzw. Südwestengland überquert, wobei es dort etwas regnet.
Vor allem im Süden und Osten steht aber dennoch ein halbwegs sonniger Tag ins
Haus, wobei in der Südhälfte der Nebel gebietsweise etwas länger braucht, bis er
sich aufgelöst hat. Allgemein wird es deutlich milder. Im Norden und in der
Mitte steigen die Temperaturen auf Werte zwischen 7 und 13 Grad, in der
Südhälfte auf 11 bis 16 Grad, mit Föhn sind auch Werte bis nahe 18 Grad in
exponierten Lagen nicht ganz ausgeschlossen.

In der Nacht zum Samstag dreht die Strömung auch mitteltroposphärisch auf Süd
bis Südwest. Niedertroposphärisch verstärkt sich der Druckfall noch, wobei es im
Bereich der Pyrenäen unmittelbar vorderseitig der Trogspitze aufgrund kräftiger
PVA auch im Bodenfeld zu einer Zyklogenese kommt, wobei das Tief bis Samstagfrüh
ins Rhonetal zieht. Dadurch steilt die Strömung über dem Vorhersagegebiet noch
etwas auf und der Föhn kann sich weiter verstärken. Der Druckunterschied
zwischen Bozen und München steigt nach den meisten vorliegenden Modellläufen auf
über 10 hPa an, so dass der Föhn auch mit stürmischen Böen oder gar Sturmböen
bis in viele Täler durchbrechen kann. Auf den Alpengipfeln gibt es dann schwere
Sturm- auf exponierten Gipfeln eventuell Orkanböen.
Auch in den übrigen Mittelgebirgen kann es in den Kamm- und Gipfellagen
stürmische Böen geben, vor allem im Erzgebirge und Zittauer Gebirge weht
Böhmischer Wind mit Bft 7 bis 8 in entsprechend anfälligen Tälern.
Die niedertroposphärische Erwärmung setzt sich fort, die Temperatur in 850 hPa
steigt auch über Norddeutschland auf etwa 5 Grad. Dabei zieht die Warmfront mit
leichten Regenfällen über den äußersten Norden hinweg nordwärts ab, wobei die
Wolken auch im Norden und Westen stärker auflockern können. In der Südhälfte
verläuft die Nacht vielerorts locker bewölkt oder gar wolkenlos. Dabei kann sich
erneut gebietsweise Nebel bilden. Während es bei Föhndurchbruch sehr mild
bleibt, kann es sonst in ungünstigen Lagen Süddeutschlands und auch in einigen
Mittelgebirgstälern erneut leichten Frost geben.

Samstag... kommt der Langwellentrog über West- und Südwesteuropa unter
Amplitudenverlust ein wenig nach Osten voran, dessen Hauptachse verläuft abends
über die Irische See hinweg südsüdostwärts bis nach Zentralfrankreich. An dessen
Ostflanke verlagert sich ein kurzwelliger Randtrog von Südfrankreich bis zum
Abend nach Belgien, wobei sich die anfangs kräftigen Hebungsprozesse auf dessen
Vorderseite allmählich abschwächen.
Im Bodenfeld verlagert sich das Tief im Rhonetal rasch nach Norden und schwächt
sich ab, es wird bis zum Abend in ein von England nach Belgien bzw. zum
Ostausgang des Ärmelkanals ziehendes Bodentief inkludiert. Damit dreht die
Bodenströmung über Süddeutschland im Laufe des Nachmittags auf West und mit dem
Durchzug einer recht markanten Druckwelle bricht der Föhn an den Alpen im Laufe
des späten Nachmittags und Abends zusammen. Die Kaltfront des Tiefs erreicht
gegen Abend den Südwesten Deutschlands, wobei es im Vorfeld bzw. im
unmittelbaren Frontbereich auch ein wenig regnen kann.
Vorher kann sich der Föhn mit Annäherung des Tiefs noch einmal verschärfen,
wobei auch in einigen Tälern Sturm- und schwere Sturmböen aus Süd bis Südost
nicht ausgeschlossen sind. Auf den Gipfeln gibt es verbreitet Böen Bft 11 bis 12
aus Süd. Ansonsten beschränken sich die Böen zunächst wohl weitgehend auf die
Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge (Bft 8 bis 9), eventuell sind auch noch
für Südostwind anfällige Täler mit steifen Böen betroffen. Mit Durchzug der
Druckwelle frischt der Wind dann allerdings deutlich auf und dreht auf West. Vor
allem nach Lesart des ICON-EU reicht es im Südwesten nachmittags auch in den
Niederungen für stürmische Böen, vereinzelt Sturmböen, im Alpenvorland dann am
Abend ebenfalls. ECMWF und GFS simulieren die Entwicklung vom zeitlichen Ablauf
ähnlich, allerdings etwas schwächer (meist Bft 7, vereinzelt 8).
Vor Eintreffen der Kaltfront gelangt niedertroposphärisch noch einmal sehr milde
Luft ins Vorhersagegebiet, bis 12 UTC steigen die Temperaturen in 850 hPa auf 6
bis 10 Grad, im Alpenvorland stellenweise auch darüber. Vor allem im Süden und
Osten scheint dazu auch häufig die Sonne, während über den Westen und Norden
zeitweise mittelhohe Wolkenfelder hinwegziehen. Die Temperatur steigt noch
einmal an und erreicht im Norden Höchstwerte zwischen 10 und 15 Grad, an der See
vielleicht etwas darunter. Im Süden und in der Mitte werden 14 bis 18 Grad
erreicht, im Alpenvorland und in einigen Alpentälern bis zu 20 Grad oder gar
knapp darüber.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen allesamt eine ähnliche Wetterentwicklung im
Kurzfristbereich. Die Windentwicklung heute wurde gegenüber den gestrigen Läufen
ein wenig "entschärft", so dass die Bft 11, wenn überhaupt, nur ganz vereinzelt
und kurzzeitig auftreten sollte, am ehesten noch im Bereich stärkerer
Konvektion, was sich warntechnisch schwer abhandeln lässt.
Die markante Föhnlage vor allem in der Nacht zum und am Samstag simulieren alle
Modelle ähnlich, die folgende Druckwelle am Samstagabend hat ICON-EU am
kräftigsten ausgeprägt auf der Karte.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff