DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-02-2017 21:00
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 20.02.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Teils sehr windig und regnerisch.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unmittelbar an der Südflanke der Frontalzone, die
sich weitgehend zonal vom Atlantik über die Britischen Inseln und die Nordsee
bis nach Südschweden und zur westlichen Ostsee erstreckt. Während mit dieser
Frontalzone im Isotachenfeld ein Jet in 300 hPa/500 hPa korrespondiert, zeigt
sich das Geopotentialfeld ebenfalls weitgehend zonal ausgerichtet, so dass bei
insgesamt niedrigem Geopotential über Nordeuropa und dem nördlichen Mitteleuropa
keine markanten Trogstrukturen erkennbar sind. Über Osteuropa gestaltet sich die
Situation etwas anders, denn einerseits liegen über der Adria und dem Schwarzen
Meer schwach ausgeprägte Langwellentröge, andererseits bedingen diese einen von
Frankreich über den Süden Deutschlands nach Südpolen reichenden, schwachen
Höhenrücken. Im Bodendruckfeld befindet sich das für uns bedeutsamste Tief
aktuell über der nördlichen Ostsee, das zugehörige Frontensystem liegt mit einer
Nordost-Südwest-Ausrichtung über Deutschland, wobei es sich von der Ostsee bis
in den Westen und Südwesten unseres Landes erstreckt.

Während das Tief in der Nacht über den Finnischen Meerbusen nach Osten zieht und
zum Morgen den Nordwesten Russlands erreicht, greift die Front, auch durch einen
sich verstärkenden Kurzwellentrog über dem östlichen Mitteleuropa, auf den Süden
Deutschlands über. Dort gerät sie zunehmend ins Schleifen und ist dabei auch im
thermischen Feld gut zu erkennen, liegen doch die 850er Temperaturen südlich der
Front zum Morgen über, nördlich dagegen unter null Grad. Mit der südwärtigen
Verlagerung der Front dreht der Wind zunehmend auf Nordwest, und auch die
Höhenströmung kippt auf mehr nordwestliche Richtungen. Mit der Änderung der
Windrichtung (oder, wie man möchte, mit der Passage der Front) fächert der
Gradient auf, so dass der Wind etwas nachlässt. Während aktuell in
Mittelgebirgslagen und im Küstenumfeld noch verbreitet Böen Bft 7 auftreten, an
der Küste und in höheren Lagen auch Böen bis Bft 9, auf dem Brocken sogar Böen
bis Bft 11, lässt in der Nacht von allem im Norden, Westen und der Mitte der
Wind merklich nach, 7er und 8er Böen sind im Süden und an der Ostsee aber weiter
möglich, auf dem Brocken und dem Fichtelberg auch Böen bis Stärke 10 oder 11.
Verbunden ist das Frontensystem auch mit teils kräftigen Regenfällen. Diese
erreichen vor allem in den östlichen und südlichen Mittelgebirgen teils
warnwürdige Mengen. Da die Abflussmengen durch die in Hochlagen abtauende
Schneedecke zusätzlich erhöht werden, laufen neben lokalen Dauerregenwarnungen
auch verbreitet Tauwetterwarnungen.

Dienstag ... liegt die Kaltfront zu Tagesbeginn schleifend über dem Süden
Deutschlands. Während sich an der Richtung und Stärke der Boden- und
Höhenströmung anfangs nichts Wesentliches ändert, verschieben sich aber in der
Höhe die Trog-Rücken-Strukturen von West nach Ost. Dies geschieht einerseits
dadurch, dass der Osteuropatrog nach Südosten auswandert, andererseits dadurch,
dass Deutschland zunehmend auf die Vorderseite eines Höhenrückens gelangt, der
unter Aufwölbung über die Britischen Inseln hinweg bis zur Nordsee zieht. Auf
dessen Rückseite zeigt sich bei Island ein kleinräumiger, aber hoch reichender
Tiefdruckkomplex, der sich im Tagesverlauf verstärkt und zum Abend in Bodennähe
laut ICON einen Kerndruck von unter 965 hPa aufweisen soll. Vorderseitig dieses
Tiefs wird die Front über dem Süden Deutschlands als Warmfront zunehmend
rückläufig. Dies führt im Tagesverlauf vor allem im Südwesten zu einer
Intensivierung der Regenfälle, während es südlich des Mains ganztägig zum Teil
kräftig regnet. Die 12-stündigen Regensummen liegen laut ICON6 NEST im
Schwarzwald und im Berchtesgadener Land bei 25 bis 30 mm in 12 Stunden, im
Allgäu simuliert das Modell über 50 mm. ICON13 ist etwas, GFS und EZMW sind in
ihren älteren Läufen sogar deutlich defensiver, wobei letztere den Schwerpunkt
des Niederschlages auch im Berchtesgadener Land und nicht im Allgäu sehen.
Bedenkt man, dass immer noch Tauwetter herrscht, sind weiter Warnungen vor
Dauerregen und/oder Tauwetter zu erwarten. Nördlich des Mains bleibt es
mitnichten niederschlagsfrei, es treten auch dort schauerartige Regenfälle auf,
allerdings nicht so verbreitet wie im Süden und Südwesten und es lockert vor
allem nach Norden hin zeitweise auch auf. Da sich der Gradient im Tagesverlauf
kaum ändert, ist auch die Windsituation keiner durchgreifenden Veränderung
unterworfen. In der Nordosthälfte lässt sich aber insbesondere zur Tagesmitte
eine Windzunahme erkennen, die sowohl die ICON-Derivate als auch EZMW aufweisen.
Geschuldet ist diese einem Kurzwellentrog, etwas kälterer Luft in 500 hPa und,
teils auch durch das Gesagte bedingt, einer leichten Zunahme der Konvektion.
Dabei kommt es erneut zu starken und teils auch stürmischen Böen oder einzelnen
Sturmböen, die beiden letztgenannten vor allem im erweiterten Ostseeumfeld und
in den Hochlagen des Südens. Auf hohen Gipfeln (Alpen, Brocken, Fichtelberg)
geht es mit dem Wind hoch bis Bft 10 oder eventuell Bft 11, wobei ICON im
Südosten, EZMW im Nordosten die höchsten Werte liefert, und beide Modelle mit
ihren Spitzenböen COSMO-DE teils deutlich in den Schatten stellen.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich das steuernde Tief weiter nach Westen
und erreicht Südnorwegen und Südschweden, die zugehörige Warmfront, gefolgt von
einem neuen Schwall sehr milder Meeresluft, zieht über den Norden nach Osten,
was ausgangs der Nacht für durchweg positive Temperaturen in 850-hPa sorgt.
Entsprechend der Frontverlagerung breitet sich starke Bewölkung über den Norden
aus und es kommt dort Regen auf, während die Niederschläge im Süden und
Südwesten langsam nachlassen. Nach dem in der ersten Nachthälfte der Wind
deutlich nachlässt, greifen in der zweiten Nachthälfte von Westen wieder starke,
vereinzelt auch stürmische Böen auf den Nordwesten und später auch auf die Mitte
über. Richtung Küste ist dann wieder verstärkt das Nordseeumfeld von stürmischen
Böen und vielleicht auch Sturmböen betroffen, im höheren Bergland gibt es
weitere teils schwere Sturmböen oder orkanartige Böen. Die Nacht ist dabei
weitestgehend frostfrei und nach Westen zu sogar sehr mild.

Mittwoch ... liegen wir genau unter der Frontalzone, die leicht mäandrierend aus
westnordwestlicher Richtung über uns zum Schwarzen Meer verläuft. Das steuernde
Tief zieht weiter nach Südnorwegen und während sich die zugehörige Warmfront
rasch nach Osten verabschiedet, greift von der Nordsee her die zugehörige
Kaltfront auf den Norden und die Mitte über, bevor auch diese mehr und mehr
schleifend wird. In der Folge dürfte es dort auch länger anhaltend regnen.
Insbesondere die Deutschen Modelle zeigen vom Niederrhein bis zum Harz mit mehr
als 25 mm in 12 Stunden Signale für Dauerregen, die bei GFS nicht so stark
vorhanden sind. Allerdings muss man die Niederschläge am Tage durchaus zusammen
mit den in der vorherigen Nacht an der Warmfront fallenden und denen in der
darauf folgenden Nacht sehen, wo die Deutschen Modelle punktuell nochmals über
30 mm simulieren. Insgesamt liefern die Modelle starke Signale für weitere
Dauerregenwarnungen. Darüber hinaus verschärft sich an der Südflanke des
Sturmtiefs allgemein und bis in den Süden Deutschlands der Gradient deutlich und
es treten verbreitet stürmische Böen, zum Teil Sturmböen auf. Insbesondere ICON6
Nest liefert Signale für verbreitete Böen Bft 7 und in Hoch und Gipfellagen Böen
Bft 11. ICON ist diesbezüglich etwas zurückhaltender. Mit einem deutlichen
Aufleben der Böen muss insbesondere im Bereich der Kaltfront selbst gerechnet
werden, ferner können sich an und hinter der Front auch einzelne
Kaltluftgewitter bilden, entsprechende Anzeichen liefern z. B. die leicht
erhöhten MOS-Wahrscheinlichkeiten.

In der Nacht zum Donnerstag regnet es im frontalen Bereich über der Mitte
weiter, mit Schwerpunkt vom südlichen NRW bis hinüber zum Erzgebirge und in die
Lausitz. In diesem Bereich fallen häufig 5 bis 15 mm/12h, in Staulagen durchaus
mehr (s. o.). Letztlich kristallisiert sich durch die geschilderten Prozesse ein
weiterer Niederschlagsschwerpunkt über dem Norden und der Mitte heraus, wo
beginnend am Dienstagabend bis in den Donnerstag hinein über 48h Warnschwellen
vor Dauerregen überschritten werden. Ob Unwetter oder nicht ist noch fraglich.
Die Signale für Unwetter sind lt. Cosmo Leps gering und laut ECM EPS praktisch
nicht vorhanden, die Numerik, allen voran ICON liefert diese schon. An den
Küsten und südlich der schleifenden Front bleibt es windig/teils stürmisch,
nördlich der Front flaut der Wind ab, was einem Rücken im Bodendruckfeld
geschuldet ist, der sich vor der erneut als Warnfront rückläufig werdenden Front
aufwölbt.

Donnerstag ... überquert das Frontensystem eines kräftigen Sturmtiefs, das von
Nordengland bis Tagesende zur westlichen Ostsee zieht, weite Teile Deutschlands.
Das Hauptsturmfeld greift wahrscheinlich am Nachmittag auf den Westen über. In
der Nacht zum Freitag wird auch das übrige Deutschland von ihm betroffen sein,
womit vereinzelt auch im Binnenland, verbreitet aber an der Küste auch schwere
Sturmböen oder sogar orkanartige Böen verbunden sein können. Das schnell ziehen
de Tief soll zum Freitagmorgen laut ICON schon über das Baltikum hinweg nach
Russland gezogen sein. Mit dem rückseitig des Tiefs auf Deutschland
übergreifenden Langwellentrog wird auch kalte Luft in der Höhe in den Norden
geführt, was eine weitere Labilisierung der Schichtung zur Folge hat. Weitere
Regenfälle, teils schauerartig und möglicherweise auch mit Gewittern, sind die
Folge.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundsätzliche Entwicklung ist unstrittig. Bei der Windentwicklung sind
Unterschiede im Detail erkennbar, die aber auf das Warnmanagement keine
Auswirkung haben. Bezüglich der Niederschläge sind die Modellunterschiede
naturgemäß am deutlichsten ausgeprägt, wobei die Situation durch die abtauende
Schneedecke mit der Abschätzung des Gesamtabflusses zusätzlich erschwert wird.
Auf die meisten Unterschiede der Modelle wurde im Text hingewiesen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas