DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-02-2017 21:00
SXEU31 DWAV 071800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 07.02.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Besonders im Westen und Süden Niederschlag, teils Schnee bis ganz runter, am
Mittwoch nachlassend. Morgen in der NO-Hälfte Dauerfrost.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... weist die großräumige Potenzialkonfiguration ein stark gestörtes
Strömungsmuster auf. Zwar findet man über dem mittleren Nordatlantik noch eine
einigermaßen gut ausgeprägte Frontalzone, die aber infolge andauernder KLA
zusehends austrogt. Östlich davon, quasi vom Ostatlantik bis weit hinüber auf
den europäischen Kontinent, wird es strömungstechnisch vergleichsweise
vogelwild. Stand heute Abend 18 UTC lassen sich dabei u.a. folgende
Potenzialstrukturen finden: Ein sich aufwölbender Rücken über dem Ostatlantik
(WLA vorderseitig der o.e. beginnenden Austrogung), dem ein schmaler, über
UK/Irland bis zur Biscaya reichender KW-Trog vorgeschaltet ist. Davor wiederum
findet man einen weiteren Rücken, dessen Achse etwa die Grenze von Deutschland
zu Frankreich und den Benelux-Staaten widerspiegelt. Es folgt nordöstlich davon
ein Kaltlufttropfen (KLT) über Nordpolen, von dem aus sich ein Trog bis zum
Balkan respektive zur Großen Syrte erstreckt. Der KLT wird im Norden durch ein
abgeschlossenes Höhenhoch mit Zentrum über Lappland und nach Osten hin durch
einen von Kleinasien bis nach Weißrussland reichenden Rücken begrenzt. Tja, und
wem das noch nicht reicht, der richte seinen Blick in Richtung Ural, wo sich
noch ein weiteres Höhentief befindet, dessen Bedeutung für unser Wetter aber
eher eine untergeordnete Rolle zuzuordnen ist.
Nun, so kompliziert, wie sich die Potenzialverteilung - freilich auf einem viel
größeren Raum - darstellt, ist es mit dem Wetter bei uns eigentlich gar nicht.
Nimmt man die Bodendruckverteilung als Referenz, dann reduziert sich das
Hauptgeschehen im Wesentlichen auf das umfangreiche und kräftige (über 1045 hPa,
kommende Nacht wahrscheinlich sogar > 1050 hPa) Hoch über Fennoskandien und eine
Tiefdruckrinne mit eingelagerter Okklusion, die sich von UK bis nach Frankreich
erstreckt. Sowohl der Rinne als auch der Front ist das Bemühen nicht
abzusprechen, Boden nach O bzw. NO zu gewinnen, allein die Erfolge bleiben
gering - was substanzielle Gründe hat. Zum einen wird das Ganze durch das
kräftige fennoskandische Hoch nebst der ausfließenden, vor allem die nördlichen
und östlichen Landesteile erreichenden Kaltluft blockiert. Dann kommt hinzu,
dass auch der o.e. Rücken bremsende Wirkung hat und last but not least weitet
sich der nachfolgende KW-Trog nach Süden aus anstatt seine ohnehin limitierte
Energie in eine Vorwärtsbewegung zu stecken (und damit die Front etwas
anzutreiben).
So wird die Okklusion sehr wahrscheinlich gar nicht deutschen Boden erreichen
sondern knapp westlich von uns verbleiben, trotzdem werden uns am Abend und in
der Nacht zum Mittwoch im W und SW weiterhin leichte Niederschläge beschäftigen.
Die erforderlichen Hebungsprozesse werden nicht etwa von der frontalen
Querzirkulation ausgelöst, sondern gehen im Wesentlichen auf WLA zurück, die
über den Rücken hinwegläuft. Das Niederschlagsgebiet entpuppt sich als
vergleichsweise unstrukturiert und dürfte mit seiner Vorderkante (sofern man
davon überhaupt sprechen kann) bis morgen früh maximal eine Linie südwestliches
Niedersachsen-Nordhessen-westliches Franken-Werdenfelser Land erreicht. Aufgrund
der gegenanlaufenden Kaltluft (Taupunkte und Feuchttemperatur um oder unter dem
Gefrierpunkt) gehen die Niederschläge nach Norden hin bis in tiefe Lagen in
Schnee über (wo er aber nicht überall liegen bleibt oder nur etwas Schneematsch
produziert), während sich weiter südlich und westlich die Schneefallgrenze etwa
zwischen 300 und 600 m einpendelt. Große Neuschneemengen sind bis Mittwochfrüh
nicht zu erwarten, das Quantum dürfte bei 1-5 cm liegen.
Im großen Rest des Vorhersageraums überwiegt in der Nacht starke bis
geschlossene Bewölkung (auch die Lücke in SO-Bayern dürfte weitgehend
geschlossen werden), die eine Auskühlung in den strengen Frostbereich weitgehend
verhindert. Mit Ausnahme einiger tiefer gelegener Gebiete West- und
Südwestdeutschlands stellt sich aber leichter, nach Osten hin gebietsweise
mäßiger Frost ein. Hier und da kann es glatt werden durch gefrierende Nässe oder
etwas Schneegriesel. Über der Ostsee hat sich mit diabatischer Unterstützung
eine definierte Schneeschauerstraße gebildet, die das nördliche SH erfasst, und
auch die vorpommersche Küste kann immer mal wieder von etwas Schneefall erfasst
werden.
An und auf der See frischt der östliche Wind mitunter böig auf, wobei Böen 7 Bft
am ehesten auf die schleswig-holsteinische Ostseeküste und die Nordseeinseln
beschränkt bleiben.

Mittwoch ... verlagert sich das Zentrum des Bodenhochs mit etwas über 1050 hPa
in den mittelschwedischen bzw. mittelnorwegischen Bereich. Deutschland verbleibt
auf seiner Südflanke in einer östlichen Grundströmung, mit der die kontinentale
Polarluft weiterhin versucht, auch den Westen und Süden des Vorhersageraums zu
okkupieren. Das Problem dabei ist die relativ geringe vertikale Erstreckung der
Kaltluft, die zum Teil noch nicht mal einen Kilometer mächtig ist und somit
enorme Schwierigkeiten hat, die Mittelgebirgsschwelle zu überwinden, geschweige
denn die im W und S positionierte mildere Luftmasse so mir nichts, dir nichts zu
verdrängen. Mehr als ein Mischprodukt kommt dabei nicht heraus, so dass auch am
morgigen Mittwoch die Temperatur im W und S wieder locker in den positiven
Bereich rückt (wenn sie in der Nacht nicht schon dort geblieben ist). Zwar wird
es in der Spitze nicht mehr ganz so mild wie heute (bis zu 8°C), für 1 bis 5°C,
lokal vielleicht 6°C wird es aber immer noch reichen. Dem gegenüber steht in der
NO-Hälfte ein Eistag auf der Karte mit leichtem, im Osten an der einen oder
anderen Stelle auch mäßigem Dauerfrost.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass der gute KLT von Polen her mit der
östlichen Bodenströmung west-nordwestwärts gen Jütland gesteuert wird. Südlich
davon stellt sich über dem Vorhersageraum eine gradientschwache, amorph
anmutende Potenzialverteilung ohne jegliche Struktur ein. Wettertechnisch
bedeutet das landesweit Druckanstieg und ein allmähliches Versiegen der
Hebungsprozesse im W und S, so dass dort die Niederschläge immer mehr
nachlassen. Anfangs kann es aber noch etwas schneien, in tiefen Lagen zum Teil
auch regnen oder "schneeregnen". Schneien tut es weiterhin auch über der Ostsee,
wobei dort durch die Lage des KLTs die Labilität noch etwas erhöht wird. Zwar
hält sich die Numerik mit größeren Schneefällen zurück, trotzdem sollte der
Bereich Ostseeküste/nördliches SH sorgfältig beobachtet werden. Im großen Rest
des Landes überwiegen trotz einiger Lücken und Aufheiterungen zwar nach wie vor
dichte Wolken, nennenswerte Niederschläge sind aber nicht zu erwarten (was lokal
etwas Schneegriesel nicht ausschließt).
Thema Wind, der kommt weiterhin aus Osten und ist an und auf der See am
flottesten unterwegs mit einzelnen Böen 7 Bft, Tendenz am Nachmittag und Abend
etwas nachlassend.

In der Nacht zum Donnerstag tut sich synoptisch nicht allzu viel. Über der
Ostsee kommt es zu weiteren Schneeschauern, sonst herrscht
niederschlagstechnisch weitgehend Flaute. Der Frost ist weiter auf dem
Vormarsch, am ehesten findet man an Hoch- und Oberrhein noch ein paar Gallische
Dörfer, die sich gegen die Übermacht negativer Temperaturen erfolgreich wehren.
Dagegen nimmt im Osten die Wahrscheinlichkeit für strengen Frost unter -10°C
gegenüber der kommenden Nacht zu. Vor allem in den östlichen Mittelgebirgen vom
Erzgebirge bis hinunter zum Bayerischen Wald, aber auch zwischen Vorpommern und
Oberlausitz könnte - vor allem wenn es aufreißt, was nicht ganz sicher ist - die
eine oder andere zweistellige Zahl negativer Natur aufblinken.
Der östliche Wind an der Küste ist weiterhin auf dem absteigenden Ast.

Donnerstag ... verbleibt das Bodenhoch mit über 1050 hPa nahezu ortsfest über
Nordeuropa. Über dem westlichen Mittelmeer vertieft sich das dort bereits zuvor
schon positionierte Tief auf unter 1005 hPa, allerdings ist es zu weit weg, um
substanziellen Einfluss auf unser Wettergeschehen auszuüben. Der KLT wird von
Jütland auf die nördliche Nordsee herausgedrückt und geht mit einem weiteren
Höhentief über Frankreich (es resultiert aus dem ehemaligen, o.e. KW-Trog) eine
Art dipolartigen Trog ein, auf dessen Vorderseite nieder- und
mitteltroposphärische WLA wirksam ist. Sie sorgt dafür, dass weiterhin recht
viel mehrschichtige Bewölkung am Himmel zu sehen sein wird, so zumindest die
Lesart der meisten numerischen Modelle. MOS-Mix lässt in seiner Prognose zwar
einige Lücken oder Aufheiterungen zu, die ganz große Sonnennummer steht aber
auch dort nicht auf dem Zettel. Auf der anderen Seite werden aber auch keine
großartigen Niederschläge erwartet. Allerdings werden über der Ostsee immer noch
Schneeschauer produziert, die die 12-Meilen-Zone durchdrängen und vielleicht
sogar küstennahes Festland tangieren können.
Der östliche Wind lebt insbesondere über der Nordsee und in einigen Hochlagen
bzw. ost-west-geschnittenen Tälern mitunter böig auf, Warnungen werden nach
heutigem Stand aber nicht zwingend nötig. Die wird es aber einmal mehr vor
leichtem bis mäßigem Dauerfrost geben, vor allem im N und O sowie in höheren
Lagen. Sonst steigt die Temperatur im W und S auf +1 bis +5°C.

In der Nacht zum Freitag gibt es verbreitet Frost, in der Nordhälfte vielerorts
mäßig, lokal auch streng. Im Süden überwiegt abseits des Berglands leichter
Frost. Hier und da kann es geringfügig schneien (es liegen Signale für den
Schwarzwald und die Harzer Gegend vor), was aber noch nicht sicher ist. An der
See legt der Ostwind wieder etwas zu, und auch in den östlichen Mittelgebirgen
erreicht der SO-Wind in Böen vereinzelt Stärke 7 Bft, exponiert 8 Bft.

Freitag ... dauert die WLA vorderseitig des o.e. Potenzialdipols an. Trotzdem
soll die Sonne teilweise zum Vorschein kommen, vor allem nach Süden hin und dort
in höheren Lagen. Zwar schwächelt das fennoskandische Hoch etwas, an der
östlichen Grundströmung ändert das aber nicht viel. Hier und da soll es etwas
schneien, wobei ICON am offensivsten an die Sache herangeht (um 3 mm innert 12 h
in Unterfranken). Bis Freitag fließt allerdings auch noch viel, viel Wasser von
der Ems in den Dollart...
Wie auch immer, summa summarum deutet sich für den N und O eine leichte
Frostabschwächung an. In Sachsen kommt möglicherweise der Böhmische Wind in
Fahrt mit Böen 7-8 Bft aus SO.


Modellvergleich und -einschätzung
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An der grundlegenden Ausrichtung, wie sie oben beschrieben wurde, lassen auch
die externen Modelle keine Zweifel. Am diffizilsten scheint die kurzfristige
Niederschlagsentwicklung in der kommenden Nacht und teils auch noch am Mittwoch
zu sein. Hier sind viele Komponenten am Werk, deren Gesamtwerk nicht so einfach
zu lesen ist. Im aktuellen Warnmanagement wurde versucht, mit Hilfe
konzeptioneller Überlegungen eine der Realität nahestehendes Szenario abzubilden
- wohl wissend, dass man an der einen Stelle durchaus daneben liegen kann
(Stichwort Schneefall in tiefen Lagen) und an anderer Stelle ggf. etwas
nachjustieren muss.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann