DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

09-01-2017 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 09.01.2017 um 10.30 UTC



Unbeständig und nasskalt mit Niederschlägen bei schwankender Schneefallgrenze.
Im Bergland z.T. erheblicher Neuschneezuwachs. Zeitweise windig bis stürmisch.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 16.01.2017


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag befindet
sich Deutschland auf der Südflanke eines hochreichenden Sturmtiefs über der
Norwegischen See in einer lebhaften West-Nordwestströmung. Dabei gelangt
erwärmte Meereskaltluft polaren Ursprungs in den Vorhersageraum, in der die
850-hPa-Temperatur in weiten Teilen des Landes auf Werte um oder etwas unter
-5°C zurückgeht. Einzig im Süden erfolgt ein kurzzeitiger Einschub etwas
milderer Meeresluft, der im Zusammenhang mit einer sich von Westen nähernden
flachen Welle steht. Sie soll bis Freitagfrüh über die Mitte ostwärts ziehen,
was im Süden ein vorübergehendes Rückdrehen des Windes auf Südwest zur Folge
hat.
Rückseitig der Welle folgt in der Höhe ein kurzwelliger, mit reichlich Kaltluft
(T500 teils unter -40°C) ausgestatteter Potenzialtrog nach, der uns am Freitag
von Frankreich und Benelux her erreicht und sich nachfolgend merklich
intensiviert. Dabei weitet er sich über die Alpen hinweg südwärts aus, bis am
Wochenende schließlich ein veritabler, weite Teile Nord-, Mittel- und Südeuropa
überdeckender Langwellentrog zu Buche steht. Er wird durch in seine Rückseite
von Norden hineinlaufende Kurzwellentröge ständig regeneriert, was durch einen
sich über dem nahen Ostatlantik aufwölbenden Höhenrücken noch forciert wird.
Bodennah rückt ein kleines, von Südnorwegen (Freitag) Richtung Dänemark
(Samstag) ziehendes Randtief in den Blickpunkt, das über einen scharfen
Bodentrog verfügt. Dieser Trog erreicht uns im Laufe des Freitags von der
Nordsee her, um den Vorhersageraum bis Samstagmittag ostwärts zu überqueren.
Dahinter dreht der Wind wieder stärker auf Nordwest, wobei straight ahead
maritime Polarluft arktischen Ursprungs bis zu den Alpen gesteuert wird. Zwar
erwärmt sich die Luftmasse naturgemäß auf ihrem Weg über die vorgelagerten
Seegebiete (vor allem über der Nordsee), trotzdem geht die 850-hPa-Temperatur
bis Sonntagmittag auf -8 bis -11°C zurück. Bei gleichzeitig in 500 hPa
auftretenden Temperaturen zwischen -35 und -40°C reicht die Labilität für
schauerartige Niederschläge (plus kurze Graupelgewitter), die bis in tiefe Lagen
als Schnee fallen.
Am Montag ändert sich zunächst nicht viel an der beschriebenen Konstellation.
Erst im weiteren Verlauf (erweiterte Mittelfrist) signalisiert IFS (ECMF) ein
allmähliches Abtropfen des LW-Troges über dem zentralen Mittelmeer. Dadurch
bekommt der o.e. Höhenrücken etwas mehr Zugriff auf das westliche Mitteleuropa
und auch im Bodenniveau steigt der Luftdruck merklich an (von etwas unter 1015
hPa am Montag auf über 1030 hPa am Mittwoch). Dabei baut sich eine
langgestreckte, brückenartige Hochdruckzone auf, die sich zur Wochenmitte vom
Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel über Mitteleuropa hinweg bis nach
Russland erstreckt. Das niedertroposphärische Temperaturniveau bleibt im Osten
und Süden niedrig (T850 um -10°C), während es in den übrigen Regionen
absinkbedingt etwas milder wird (T850 um -5°C). Auf die Grundschicht dürfte das
aufgrund fehlender Durchmischung freilich keine Auswirkungen haben (so denn
alles so kommt wie beschrieben), dort stellt sich bei dieser Konstellation
verbreitet leichter bis mäßiger Dauerfrost ein.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Schaut man sich die großräumigen Basisfelder der jüngsten IFS-Modellläufe des
ECMF an, so lässt sich eine gute Konsistenz konstatieren. Ausgehend von einer
zyklonalen West-Nordwestlage steuern wir zum kommenden Wochenende in eine
Troglage hinein, bei der das Temperaturniveau gegenüber der Wochenmitte wieder
nach unten geht. Auch der darauf folgende Druckanstieg wurde bereits mehrfach
angedeutet. So weit, so gut.
Geht man von den großräumigen Mustern etwas in die Tiefe respektive ins Detail,
so offenbaren sich schon gewisse Unterschiede (z.B. zeit-räumliche Entwicklung
kurzwelliger Druck- oder Potenzialanteile, Niederschlagverteilung, -phase,
-intensität). Das liegt aber in der Natur der Sache und stellt als solches keine
Besonderheit dar. Von daher besteht kein Bedarf, vom gestrigen Vorhersagekonzept
abzurücken, auch wenn es im Wetterbericht an der einen oder anderen Stelle zu
kleineren Anpassungen kommen wird.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis zum kommenden Freitag stimmen die "Big Five" unter den Globalmodellen (IFS,
GFS, ICON, GEM, UKMO) noch einigermaßen überein, wobei die o.e. Welle aber
entweder weiter südlich nach Osten abläuft oder nur schwach angedeutet wird.
Danach schafft es keines der Modelle, die Version von IFS abzubilden, sprich,
der dort simulierte äußerst markante LW-Trog wird in dieser Form nicht kopiert.
Stattdessen schwenkt der impulsgebende KW-Trog trotz Intensivierung ostwärts
durch und wir behalten am Wochenende eine unterschiedlich konturierte
nordwestliche Höhenströmung. Bodennah ist die Westkomponente deutlich
ausgeprägter als bei IFS, was ein höheres Temperaturniveau zur Folge hat (die
-10°C-Isotherme in 850 hPa bleibt weitgehend außen vor). Der IFS-Lösung am
nächsten kommt noch das kanadische GEM, allerdings mit Verzögerung, weil sich
erst ein zweiter, im Laufe des Wochenendes von Nordwesten heranschwenkender
KW-Trog entsprechend entwickelt.
Was die Entwicklung ab Wochenanfang angeht, stehen die Zeichen auch bei den
anderen Modellen auf Druck- und Potenzialanstieg. GEM setzt dabei auf eine
High-over-Low-Situation mit kalter Nordostströmung mit zeitweiligen Schneefällen
im Süden und Südosten, während GFS einen kräftigen Höhenrücken über Mitteleuropa
mit gesamttroposphärischer Erwärmung (abzüglich einer kalten Grundschicht)
favorisiert.
FAZIT: Aus deterministischer Sicht wird es bereits ab Freitag (erst die Welle,
dann die mögliche Austrogung) unsicher. Auch die erweiterte Mittelfrist bietet
trotz des allseits avisierten Druck- und Potenzialanstiegs noch eine hohe
Schwankungsbreite möglicher Szenarien.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die ECMF-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis zum kommenden
Wochenende eine enge Bündelung, so dass EPS und die deterministischen Läufe
(Haupt- und Kontrolllauf) eine recht homogene Einheit bilden. Erst danach
fächern die Kurvenscharen auf bei gleichzeitig abnehmenden
Niederschlagssignalen. Sowohl T850 als auch Pot500 zeigen trendmäßig nach oben,
wobei HL und KL im unteren Bereich, wenn auch nicht ganz unten (es gibt also
noch etwas kältere Ensembles) verlaufen.
Die GFS-EPS-Rauchfahnen hingegen beginnen schon am Sonntag deutlich zu streuen,
was sich an den Folgetagen sogar noch verstärkt. Dabei ist ein eindeutiger Trend
wie bei ECMF-EPS nicht auszumachen. Selbst HL und KL sind sich nicht einig:
während der HL deutlich nach oben abschmiert, hält es den KL im Keller
(Differenz T850 am Mittwoch, 18.1. im Rhein-Main-Gebiet zwischen -9°C und +3°C).

Abschließend noch ein kurzer Blick auf die ECMF-EPS-Clusterung. Für die Tage von
Samstag bis Montag (T+120...168h) liegt nur ein einziger Cluster vor, der
selbstbewusst auf die markante Austrogung á la Hauptlauf setzt. Für den weiteren
Verlauf T+192...240h (Dienstag bis Donnerstag) erhöht sich die Zahl der Cluster
auf drei (19, 17+HL, 15+KL). Alle drei Lösungen lassen den Trog über dem
Mittelmeer abtropfen und Druck respektive Potenzial bei uns ansteigen. CL 1 und
CL 2 bevorzugen bei uns eine Brückenlage, während CL 3 der kalten kanadischen
High-over-Low-Version am nächsten kommt.

FAZIT: Aus ECMF-EPS-Sicht liegen die Dinge im Mittelfristzeitraum klar (Übergang
zu TrM Trog Mitteleuropa). Bei der darauffolgenden, relativ wahrscheinlichen
Wetterberuhigung ist vor allem das Temperaturniveau noch unsicher.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Vor allem für Donnerstag und Freitag zeigen deterministische und
probabilistische Prognoseverfahren erhöhte Wahrscheinlichkeiten für STARKWIND
mit STURMBÖEN (8-9 Bft) aus westlichen Richtungen an der Küste und im Bergland.
Exponiert könnte es auch für SCHWERE STURMBÖEN reichen. Inwieweit sich STURMBÖEN
auch im Binnenland bzw. in tieferen Lagen durchsetzt, hängt von heute noch nicht
detektierbaren Details wie Lage der Welle etc. ab.

Zweites Thema bei dieser Großwetterlage sind die NIEDERSCHLÄGE, die im Bergland
trotz schwankender Schneefallgrenze meist als SCHNEE fallen. Beginnend in der
Kurzfrist kommt es zu mehreren Niederschlagsereignissen, die im Bergland im
Einzelnen markanten SCHNEEFALL bringen können. Akkumuliert bis nächsten Montag
sind in den Mittelgebirgen sowie in und an den Alpen 15 bis 40 cm, teils um oder
sogar über 50 cm (Staulagen) Neuschnee möglich.
In Verbindung mit dem stürmischen Wind besteht in höheren Lagen die Gefahr von
SCHNEEVERWEHUNGEN.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Aufgrund der überzeugenden ECMF-EPS-Performance ECMF-EPS mit ECMF-MOS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann