DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-12-2016 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.12.2016 um 10.30 UTC



Zunächst sehr mild, zum Wochenbeginn etwas kälter, dann im östlichen und
südlichen Bergland Neuschnee möglich. Bis einschließlich Dienstag windig, Norden
und Osten stürmisch, Küsten und Bergland voller Sturm mit teils schweren
Sturmböen. Zur Wochenmitte zunehmende Nachtfrostgefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 29.12.2016


Zum Wochenbeginn erlebte der Norden der USA einen kurzen aber sehr heftigen
(eisig kalten) Wintereinbruch. Der dafür verantwortliche troposphärische
Polarwirbel liegt zum Beginn der Mittelfrist (am Sonntag, den 25.12.2016) über
Grönland. Der an diesen Wirbel gekoppelte hochreichende Kaltluftkörper schwächt
sich zwar sukzessive ab, die daraus resultierende hohe Baroklinität über weiten
Bereichen des Nordatlantiks dauert jedoch vorerst weiter an. Das Resultat ist
eine rege Tiefdruckaktivität mit teils intensiven Zyklonen, die weite Bereiche
Nord- und zu Beginn der Mittelfrist auch Mitteleuropas beeinflussen. Zum Ende
der Mittelfrist beginnt sich der zirkumpolare Polarwirbel mit Zentrum über der
Baffin-Bucht und Nordgrönland etwas abzuschwächen und es bildet sich ein
weiteres Wirbelzentrum im Bereich der Karasee aus, wobei über Europa ein
markanter Geopotentialanstieg in 100 hPa erwartet wird. Das wirft uns erneut in
das alt bekannte Muster zurück - eine stark mäandrierende Strömung mit hohem
Druck über weiten Bereichen Europas und einer relativ weit nach Norden
versetzten Frontalzone.

Zum Beginn der Mittelfrist liegt Deutschland allerdings noch in einer
progressiven und zonal ausgerichteten Strömung, in der die Ausläufer eines
Orkantiefs bei Island rasch von West nach Ost über Deutschland geführt werden.
Dabei sorgt eine ostwärts ziehende Warmfront verbreitet für Niederschläge, die
zum Nachmittag von Westen her im Warmsektor rasch abklingen, da dieser von einem
Höhenrücken überlagert wird. Die Schneefallgrenze liegt entlang der Alpen, im
Bayerischen Wald und im Erzgebirge während des Niederschlagbeginns am Morgen und
Vormittag noch bei etwas unter 1000 m. Da der Warmsektor jedoch modifizierte
Subtropikluft mit 850 hPa Temperaturen von über +5 °C aufweist, wird die
Schneefallgrenze von Westen her rasch auf 1500 bis 2000 m ansteigen.
Entsprechend eines Warmfrontdurchgangs und eines stabil geschichteten
Warmsektors beschränken sich die höchsten Windgeschwindigkeiten zunächst auf das
obere Bergland, wo schwere Sturmböen bis Bft 10, exponiert vereinzelt auch
orkanartige Böen Bft 11 auftreten können. Die Probabilistik deutet jedoch auch
für das Tiefland einen böigen Südwest- bis Westwind an (Bft 7), im Umfeld der
Nordsee sind auch stürmische Böen oder Sturmböen Bft 8 bis 9 möglich. Trotz der
Keilaufwölbung bleibt es in der sehr feuchten Luftmasse meist bedeckt, so dass
vor allem die advektive Komponente für die sehr milden Höchstwerte von 9 bis 13
Grad im Westen verantwortlich gemacht werden kann. Aber auch im Osten unter dem
Regen wird es mit Werten von etwas unter 10 Grad nur unwesentlich kälter.
In der Nacht zum Montag verschiebt sich die Keilachse in der Höhe rasch ostwärts
und verlässt Deutschland in Richtung Polen. Somit beginnt die bis dahin
antizyklonal geprägte Strömung mehr in eine zyklonal ausgerichtete zu kippen.
Die weiterhin sehr feuchte Luftmasse sorgt für dichte Bewölkung, aus der es hier
und da etwas nieseln oder leicht regnen kann. Ausgangs der Nacht nähert sich von
der Nordsee rasch die Kaltfront des Orkantiefs, sie sollte aus heutiger Sicht
jedoch erst nach 06 UTC das Festland erreichen. An der Windsituation ändert sich
im Vergleich zum Tage wenig, wobei sich jedoch Windböen Bft 7 im Tiefland eher
auf den äußersten Norden beschränken sollten. Mit Tiefstwerten von 8 bis 4 Grad
bleibt es meist mild. Im Süden, wo sich die Grenzschicht entkoppeln kann und ein
nur schwacher Wind zu erwarten ist, gehen die Tiefsttemperaturen auf 4 bis 1
Grad zurück, im Bergland ist auch leichter Frost um -1 Grad möglich.

Am Montag ist die Höhe (500 hPa) geprägt von der Annäherung eines markanten
Troges, der zum Abend Dänemark und Südschweden erreicht. Vorderseitig wird eine
Kaltfront von Nordwest nach Südost nach Deutschland geführt, die in ihrem
Westteil zunehmend unter Hochdruckeinfluss gerät. In Verbindung mit der
Kaltfrontpassage muss mit Regen gerechnet werden, der aus heutiger Sicht bis zum
Abend die Mitte Deutschlands erreicht. Postfrontal lockert über dem Nordwesten
die Bewölkung rasch auf, es entwickeln sich jedoch weitere Schauer. Südlich der
Donau zieht erst im Tagesverlauf dichte Bewölkung auf, sodass sich dort auch
noch für einige Stunde die Sonne zeigen kann und es trocken bleibt. Der Wind
kann postfrontal bei einer labileren Schichtung deutlich besser bis ins Tiefland
durchgreifen, wobei der stärkste Luftdruckgradient über dem äußersten Norden und
Nordosten erwartet wird. Von Schleswig-Holstein bis Mecklenburg-Vorpommern sind
dabei Sturmböen bis Bft 9, besonders im Küstenumfeld auch schwere Sturmböen Bft
10 zu erwarten. Weiter im Landesinneren treten meist Windböen Bft 7, zeitweise
auch stürmische Böen Bft 8 aus Südwest, später West auf. Exponierte Berge wie
der Brocken können besonders bei Frontdurchgang Orkanböen Bft 12 erwarten, sonst
treten im Bergland meist schwere Sturmböen oder orkanartige Böen Bft 10 bis 11
auf. Mit 8 bis 12 Grad bleibt es vor der Kaltfront sehr mild, bevor die
Temperatur von Nordwesten postfrontal zurückgeht. Somit verwundert es nicht,
wenn die Regenfälle entlang der Front bei Durchzug rasch auf 700 bis 400 m
absinken.
Der Schneefall wird in der Nacht zum Dienstag besonders im Süden und entlang der
östlichen Mittelgebirge ein Thema, wo tageszeitlicher Temperaturrückgang und
Kaltluftadvektion den Niederschlag zunehmend bis in tiefe Lagen in Schnee
übergehen lassen. Viel Neuschnee wird aus heutiger Sicht jedoch nicht erwartet,
nur entlang der Nordalpen können durch Staueffekte bis 10 cm Neuschnee erwartet
werden. In Verbindung mit dem Wind sind Schneeverwehungen möglich. Zunehmend
muss in diesen Bereichen mit Glätte gerechnet werden. Aber auch in der Mitte und
im Norden sorgt der durchschwenkende Höhentrog mit kalter Höhenluft für eine
rege Schauertätigkeit. Dabei pendelt die Schneefallgrenze hier je nach
Intensität der Schauer zwischen 400 und 100 m. Wenigstens Graupelschauer sind
also bis in tiefe Lagen zu erwarten. Dabei weht der West- bis Nordwestwind in
tiefen Lagen von Ost- und Norddeutschland stark böig (Bft 7), über dem Nordosten
weiterhin auch stürmisch (Bft 8) und mit voller Sturmstärke entlang der Küsten
von Nord- und Ostsee sowie auf Kammlagen der östlichen Mittelgebirge (Bft 9 bis
10).

Der Dienstag kann als ein Übergangstag angesehen werden, da sich über der
Biskaya zunehmend ein mächtiger Keil mehr und mehr nach Nordosten und somit in
Richtung Deutschland aufwölbt. Von daher kippt die bis dahin dominierende
zyklonale Strömung immer weiter ein eine antizyklonaler geprägte. Besonders über
dem Norden und Osten ziehen wiederholt kräftige Schauer von Nordwest nach Südost
durch, die zu Beginn noch bis in tiefe Lagen mit Schnee oder Graupel vermischt
sind. Mit beginnender Erwärmung von Westen steigt die Schneefallgrenze jedoch
allmählich auf 600 bis 800 m an. Besonders im Nordstau des Erzgebirges und der
Alpen regnet und schneit es für längere Zeit, wobei im Erzgebirge 5-10 cm
Neuschnee möglich ist. Hier verbleibt die Schneefallgrenze entsprechend tiefer.
Die Niederschläge entlang des Rheins klingen rasch ab. Mit Höchstwerten von 1
bis 4 Grad bei Dauerniederschlag und sonst von 6 bis 9 Grad bleibt es weiterhin
alles andere als tief winterlich. Der West- bis Nordwestwind weht über dem
Norden und Osten im Tiefland böig und oft auch stürmisch (Bft 7 bis 8).
Sturmböen, zeitweise auch schweren Sturmböen (Bft 9 bis 10) treten weiterhin
entlang der Küsten und im Bergland auf. Allerdings schwächt sich der Wind zum
Abend allmählich ab.
Im Verlauf der Nacht zum Mittwoch weitet sich der Keil immer wieder
nord/nordostwärts aus und erfasst weite Bereiche Deutschlands. Die Niederschläge
im Osten und Südosten klingen meist ab, einzig in den bereits genannten
Staugebieten fällt noch etwas Regen oder Schnee. Die Bewölkung lockert von
Westen auf und es bleibt dort trocken. Der Nordwestwind weht nur noch im Umfeld
der Küsten und im östlichen Bergland stürmisch, sonst leicht bis mäßig und das
bei Tiefstwerten von +4 bis -3 Grad. Bei Frost und Nebel muss mit Glätte
gerechnet werden.

Am Mittwoch hat sich das Höhen- und dazu korrespondierende kräftige
Bodenhochdruckgebiet über Ostfrankreich und Südwestdeutschland etabliert. An
seiner stark meridional ausgerichteten Ostflanke wird in einer nur zögernd
abklingenden Nord- bis Nordwestströmung noch feuchte Luft gegen das Erzgebirge
geführt, wo es etwas regnen oder schneien kann. Auch im Umfeld der Ostsee treten
einzelne Schauer auf. Sonst aber bleibt es trocken und die Wolken lockern teils
stärker auf - abgesehen von den Regionen, wo sich Hochnebelfelder zäh den
ganzen Tag halten werden. Da wir die "kalte Schulter" (Ostflanke des Bodenhochs)
gezeigt bekommen, verbleiben die Höchstwerte bei 2 bis 5 Grad im Bergland und
bei 6 bis 9 Grad im übrigen Deutschland.
An dieser Wetterverteilung ändert sich auch die Nacht zum Donnerstag wenig,
wobei die Tiefstwerte bei +4 bis -4 Grad liegen. Bei Frost und Nebel muss mit
Glätte gerechnet werden.

Der Donnerstag verläuft unter kräftigem Hochdruckeinfluss überall trocken und
teils hochneblig trüb, teils aufgelockert bewölkt, wobei die Höchstwerte
unverändert bei 4 bis 9 Grad liegen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die gesamte Mittelfrist wird vom EZMW innerhalb der letzten Läufe mit einem
konstanten großräumigen Strömungsmuster gezeigt. Dies verwundert nicht, da wir
es mit einer progressiven Strömung zu tun haben, in der großräumige Keile und
Tröge eingebettet von West nach Ost geführt werden (gut von der Numerik
gehandhabt). Zwar sind marginale Ost-Westverschiebungen der Rossby-Wellen
innerhalb der letzten 3 Läufe zu erkennen, allerdings ist hierbei keine Tendenz
auszumachen (gestriger 12 UTC Lauf deutete eine langsamere, die beiden 00 UTC
Läufe jedoch wieder eine zügigere Verlagerungen an).
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Dasselbe Bild ist innerhalb der unterschiedlichen Modellvorhersagen zu erkennen,
die eine sehr einheitliche Verteilung der Keile und Tröge hinsichtlich
Verlagerung und Platzierung aufweisen. Erst zum Mittwoch deutet GFS eine etwas
raschere Ostverlagerung des mächtigen Höhenkeils nach Deutschland an, während
ICON und EZMW dies etwas langsamer vorhersagen (Phasenverschiebung der
Keilachsen am Mittwoch 06 UTC rund 350 km). Auch nachfolgend wird die Struktur
des Keils besonders von GFS und EZMW unterschiedlich berechnet. Das hat jedoch
keine größeren Auswirkungen für Mitteleuropa, das so oder so von
Hochdruckeinfluss profitieren würden.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Zum Beginn der Mittelfrist - am Sonntag - sind 2 Cluster mit einer recht
einheitlichen Memberverteilung zu erkennen, wobei der Kontroll- und der
deterministische Lauf jeweils im 1. Cluster zu finden sind. Dieser zeigt auch
die stärkste Tiefdruckentwicklung über Schottland mit einer schwächeren Lösung
im 2. Cluster - jedoch sehr ähnlich platziert. Somit ist auch die Keilaufwölbung
im 1. Cluster markanter nach Nordosten (und somit nach Deutschland) ausgeprägt.
Dank der zu dieser Zeit über dem Nordostatlantik vorherrschenden günstigen
Bedingungen für kräftige Tiefentwicklungen wird dem 1. Cluster momentan mehr
Gewicht gegeben.
In der Folge nimmt die bisher zonal ausgerichtete Strömung ein deutlich
meridionaler ausgeprägtes Strömungsmuster an, womit auch die Unsicherheiten
zunehmen. Das macht sich durch 6 Cluster ab Montag bemerkbar, die allesamt eine
sehr ähnliche Memberverteilung aufweisen. Der Hauptunterschied ist hierbei
besonders die Geometrie der sich über Mittel- und Westeuropa aufwölbenden
Keilachse. Dies hat für Deutschland jedoch nur einen geringen Einfluss, da alle
member zunehmenden Hochdruckeinfluss andeuten. Besonders für den Osten
(Stichpunkt: Staulagen des Erzgebirges) haben diese Unsicherheiten jedoch
Auswirkungen, da die Anströmung zwischen Nordost bis Nord pendelt und somit der
Stau unterschiedlich lang/intensiv ausfallen kann. Alle Member zeigen eine
mächtige Blockadesituation, die bis zum Ende der Mittelfrist bestehen bleibt.

Die Meteogramme sind deutschlandweit bis weit in die Mittelfrist recht eng
gebündelt, zeigen bis Montag bei der Temperatur einen Anstieg auf rund 10 Grad
und nachfolgend einen allmählichen Rückgang an, während es bei den
Niederschlagsvorhersagen noch eine größere Streuung hinsichtlich der Spitzen
gibt. Besonders über dem Süden nehmen hierbei ab der Wochenmitte die
Schneeanteile deutlich zu. Für den Norden und den Osten wird der Schwerpunkt der
Windentwicklung erwartungsgemäß am Montag und Dienstag gezeigt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Eindeutig steht der Wind im Fokus, was auch der EFI andeutet. Am Montag und bis
weit in den Dienstag schlägt dieser besonders über dem äußersten Norden und dem
gesamten Nordosten und Osten deutlich aus mit Werten von 0.7 bis mehr als 0.8
(sowie einem SOT etwas über 0). Dies deutet doch auf ein recht markantes
Sturmereignis in diesen Regionen hin, zumal der Wind postfrontal bei labiler
Schichtung gut heruntergemischt werden kann. Diese Windverteilung spiegelt sich
auch in probabilistischen Vorhersagen wie dem LEPS oder EZMW-EPS wider, wobei
die höchsten Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen im Umfeld der Küsten und im
Bergland, am Montag und Dienstag auch über dem Nordosten zu finden sind.

Für Sonntag und Montag schlägt der EFI besonders bei den Temperaturen aus, wobei
für weite Bereiche Deutschlands sehr milde Höchst- und auch Tiefstwerte erwartet
werden. Rückseitig der Kaltfront kühlt es dann jedoch auf klimatologische
Durchschnittswerte ab mit einer nur geringen positiven Anomalie.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EMZW-EPS, MOS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy