DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-12-2016 09:00
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 01.12.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWa (Nordwest antizyklonal)

Heute besonders im N und O sowie im Bergland windig, teils stürmisch, in einigen
Hochlagen Orkanböen. Im Mittelgebirgsraum in höheren Lagen Glätte durch etwas
gefrierenden Regen/Nieselregen.
Ab Freitag allmählicher Übergang zu ruhigem Hochdruckwetter mit
Grenzschichtmeteorologie.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Donnerstag... Zu Beginn des meteorologischen Winters zeigt sich die Wetterlage
nur bedingt winterlich, wobei man natürlich trefflich darüber diskutieren kann,
was genau "winterlich" denn meint - sicherlich ein Stück weit auch eine
philosophische Frage, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden
soll. Die Fakten jedenfalls sehen so aus, dass wir auf der einen (der
westlichen) Seite einen veritablen Höhenrücken haben, dessen Achse heute Mittag
von Tunesien über UK bis hoch nach Grönland reicht. Dem gegenüber steht auf der
anderen Seite (der östlichen) ein üppiger LW-Trog, dessen Achse heute Mittag von
Ägypten bis hoch zum Nordpolarmeer verläuft. Dazwischen hat sich ein ewig
langer, relativ glatter Nordwestfetch ausgebildet, unter dem sich auch
Deutschland befindet.
Der Blick auf die korrespondierenden Bodendruckgebilde zeigt hohen Luftdruck mit
Schwerpunkt über UK/Irland und Frankreich (etwas über 1030 hPa) und ein
umfangreiches Tiefdrucksystem über Nord- und dem nahen Osteuropa respektive dem
östlichen Mitteleuropa. Das Hauptdrehzentrum dieses System befindet sich derzeit
über Lappland, von wo aus es langsam ostwärts zieht bei gleichzeitiger
Ausbildung eines sekundären Kerns südlich des Hauptkerns.
Weit relevanter für die Entwicklung vor der Haustüre ist aber eine
Warmfrontwelle, die heute früh 03 UTC über Südnorwegen analysiert werden konnte
und die sich im Verlaufe des Tages via Südschweden gen mittlere Ostsee
verlagert, von wo aus sie in den Abendstunden NO-Polen erreicht. Zwar
intensiviert sich Welle auf ihrem Weg dorthin etwas, die wirkliche "Explosion"
(wenn man das an dieser Stelle mal so sagen darf) findet aber erst ab dem Abend
über dem Festland statt, wenn nämlich ein in der nordwestlichen Höhenströmung
mitschwimmender KW-Trog günstig mit der Welle interagiert und für sattes
atmosphärisches Auspumpen bzw. starken Druckfall sorgt.
Trotzdem, auch die Verlagerung der einfachen Welle sorgt bei uns schon für eine
Gradientverschärfung, die sich freilich auch in der Windentwicklung
niederschlägt. So frischt der ageostrophisch aus westlichen Richtungen kommende
Wind grob gesprochen in der Nordosthälfte sowie im Bergland (Ausnahme
SW-Deutschland ) soweit auf, dass im Binnenland im Laufe der nächsten Stunden
steife bis stürmische Böen 7-8 Bft (8er vor allem nach Osten hin sowie im
küstennahen Binnenland), an der Küste Sturmböen 8-9 Bft, Richtung Vorpommern
vereinzelt 10 Bft und auf den Bergen ebenfalls Sturmböen 8-10 Bft, auf dem
Brocken und dem Fichtelberg sogar Orkanböen 11-12 Bft auftreten.
Wettertechnisch gelangen wir heute vorübergehend in den breit aufgespannten
Warmsektor der Welle, in dem andauernde und erst im Laufe des Nachmittags
nachlassende WLA insbesondere im N und O sowie bedingt im Mittelgebirgsraum für
überwiegend leichte Niederschläge sorgt, die meist als Regen/Nieselregen fallen.
Vor allem am Vormittag ist im Bergland hier und da auch gefrierender
Regen/Nieselregen mit Glatteis wahrscheinlich, wie die aktuellen Beobachtungen
zeigen. Etwas Schnee fällt wohl nur vereinzelt, am ehesten in den ost- und
nordostbayerischen Mittelgebirgen.
Nach S und SW hin bleibt es hingegen trocken und etwa südlich einer Linie
Hunsrück-Mainfranken-Niederbayern schafft "uns Uwe" (so heißt das o.e. Hoch) in
einigen Regionen das, was er dem HSV (also dem "großen" aus Hamburg) symbolisch
derzeit offensichtlich nicht imstande ist zu vermitteln - Sonnenschein. Die
Temperatur steigt auf 2 bis 8°C (mit den niedrigsten Werten zwischen Main und
Donau sowie in einigen Mittelgebirgstälern), im Norden und Osten mit besserer
Durchmischung auf 6 bis 10°C.

In der Nacht zum Freitag entwickelt sich die Welle wie gesagt zu einem
eigenständigen Tief, das von NO-Polen her über Weißrussland in Richtung Ukraine
steuert. Damit wird am Abend bzw. in der ersten Nachthälfte auch der Höhepunkt
der Windentwicklung erwartet, wenn nämlich gleichzeitig die Kaltfront des Tiefs
von NO her auf den Vorhersageraum übergreift. Sie wird bis zum Morgen etwa eine
Linie Emsland-Westerzgebirge erreichen und auf ihrer Rückseite nicht nur den
Gradienten gehörig auseinanderziehen, sondern zudem auch eine Portion trockener
Polarluft arktischen Ursprungs in den NO führen.
Vor bzw. der an der Kaltfront legt der Wind noch mal etwas zu, was sich
wahrscheinlich am ehesten durch eine Häufung von 8er-Böen im nord- und
ostdeutschen Binnenland bemerkbar macht. Danach ebbt das Ganze merklich ab, so
dass am frühen Morgen nur noch an der Ostseeküste MVs Böen 7 Bft und im Bergland
Böen 7-9 Bft auftreten dürften.
Die Niederschläge verlagern sich von NO her mehr und mehr in die mittleren
Landesteile und auch im Süden könnte es hier und da etwas regnen oder nieseln.
Da es dort noch frostig ist, könnte es erneut kleinräumig für Glätte bzw.
Glatteis reichen, was dann in situ abgewarnt werden müsste (maximal markant).
Ansonsten sinkt die Schneefallgrenze mit Advektion der frischen Kaltluft im N
und O auf unter 500 m, wobei der Niederschlag postfrontal aber rasch zum
Erliegen kommt. Schwierig ist die Prognose für das Erzgebirge, wo der meiste
Niederschlag fällt, allerdings präfrontal. Allerdings könnten schon wenige
Zehntel Abkühlung (z.B. durch Hebungsverstärkung) reichen, um den anfänglichen
Regen/Nieselregen in Schnee übergehen zu lassen. Sollte das der Fall sein,
können im höheren Erzgebirge 5 bis 10 cm, lokal vielleicht sogar noch etwas mehr
Neuschnee zusammenkommen, wobei dann auch wieder Verwehungen möglich sind. In
den übrigen Mittelgebirgen wird der Schneeertrag zum Leidwesen einiger
Wintersportfreaks geringer ausfallen.
Leichten, ganz vereinzelt mäßigen Frost wird es noch mal (gebietsweise) in
Süddeutschland geben, wo die frontale Bewölkung noch nicht richtig greift. In
der frischen Kaltluft im NO wird es sehr wahrscheinlich nicht für Luftfrost
reichen, da der Wind noch zu lange "unterwegs" und die autochthone Auskühlphase
zu kurz ist.

Freitag... tut sich an der großräumigen Potenzialverteilung herzlich wenig, so
dass wir weiterhin unter der Nordwestrutsche verharren. Das Bodentief erreicht
die Ukraine und das westeuropäische Hoch (der UWE) dehnt sich wieder etwas nach
Osten aus. Dabei fächert der Gradient noch weiter auf, so dass zum 12-UTC-Termin
möglicherweise nur eine einzige Isobare (die 1020iger; wir reden jetzt
allerdings von 5-hPa-Abständen) über Deutschland verläuft.
Wie auch immer, die Kaltfront kommt bis zum Abend noch etwas südwestwärts voran
(18 UTC etwa auf einer Linie Eifel-Chiemgau), wobei sie sich an dem
blockierenden Hoch aber immer mehr die Zähne ausbeißt. Oder etwas fachlicher
ausgedrückt, die frontalen Hebungsprozesse werden nicht zuletzt auch wegen des
fehlenden mittel- und obertroposphärischen Supports schwächer ergo die
Niederschläge weniger, ohne aber ganz zu versiegen. Besonders in einem von NRW
und dem nördlichen RP bis nach Oberbayern reichenden Streifen kommt es noch zu
leichten Regenfällen, oberhalb etwa 500 bis 900 m leichten Schneefällen. Anfangs
kann recht kleinräumig auch noch gefrierender Regen/Nieselregen besonders an der
SW-Kante des Niederschlags dabei sein.
Im N und O des Landes bleibt es in der frisch eingeflossenen Polarluft nicht nur
trocken, vielerorts lässt sich auch die Sonne blicken. Auch präfrontal - in der
gealterten Kaltluft - gibt es noch einen kleinen Sonnenstreifen, der etwa vom
südlichsten Baden via Schwaben bis zum westlichen Alpenrand reicht. Die
Temperatur erreicht Maxima zwischen 2 und 9°C.
Warnwürdiger Wind aus W bis NW tritt nur noch in den Hochlagen des Harzes, der
ost- und südostdeutschen Mittelgebirge sowie der Alpen und vielleicht anfangs
noch an der vorpommerschen Ostseeküste auf (7 Bft, exponierte Gipfellagen 8-9
Bft), Tendenz im Tagesverlauf weiter nachlassend.

In der Nacht zum Samstag braucht man schon ein gewisses Quantum Fantasie und
Willensstärke, um die Front zumindest in unserem Raum noch auf der Wetterkarte
zu finden. Dem Kollegen, der die Vorhersagekarte T+48h bearbeitet hat, verfügt
genau über diese Attribute, weswegen sie auf dieser Karte über SW-Deutschland
liegend auch noch skizziert wurde. Und tatsächlich, trotz weiterer Schwächung im
antizyklonalen Umfeld findet man noch etwas Baroklinität im thermischen Feld und
auch noch ein paar Feuchtereste, die auf die Anwesenheit einer Front schließen
lassen. Hinzu kommen hier und da noch ein paar schwache Niederschläge in Form
von Nieselregen oder im Bergland etwas Schnee.
Ansonsten stehen aber einmal mehr leichter Frost und Nebel auf der Agenda. Vor
allem im Nord- und ostdeutschen Binnenland geht die Temperatur in den negativen
Bereich zurück, gebietsweise aber auch im Süden. Nebel bildet sich vornehmlich
im Westen und Süden (Mischluft bzw. gealterte Kaltluft), während die Neigung in
der trockneren Polarluft (N und O) geringer ist.

Samstag... verschiebt sich der Höhenrücken etwas nach Osten, während
gleichzeitig das korrespondierende Bodenhoch Fühlung zu einem Hoch über
Anatolien aufnimmt. Folglich baut sich eine schwache Brücke über weiten Teilen
Mitteleuropas auf, von der auch Deutschland profitiert. So wird es auf den
zahlreich stattfindenden Weihnachtsmärkten sowie in den Bundesligastadien
trocken bleiben bei einer landesweiten Mischung aus Wolken, einigen zähen
Hochnebelfeldern aber auch unterschiedlich langen sonnigen Abschnitten. Dabei
werden Tagesmaxima von 1 bis 7°C, an der Nordsee teils bei 8°C, in den
Mittelgebirgen teils nur um 0°C erreicht.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die externen Modelle zeigen keine grundlegend von der geschilderten Entwicklung
abweichende Meinung. Die Unwägbarkeiten, insbesondere hinsichtlich der
Niederschlagsphase, wurden im Text erörtert, wenn auch nicht abschließend
beantwortet. Auch wenn es einige nicht glauben wollen: die Natur lässt uns die
Antworten auf manche atmosphärische Phänomene nur sehr, sehr kurzfristig geben,
auch zukünftig!


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann