DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-11-2016 21:00
SXEU31 DWAV 191800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 19.11.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nach kurzem Zwischenhocheinfluss am Sonntag Passage eines Sturm-/Orkantiefs vom
Ärmelkanal in Richtung Südnorwegen. Dabei besonders im W und NE sowie im
Bergland stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im vorderen Bereich eines extrem
"breitgelatschten" LW-Troges, der quasi ganz Westeuropa sowie große Teile des
Europäischen Nordmeers überdeckt. Ein im Potenzialfeld deutlich erkennbarer KW-
Trog ist gerade dabei, den Vorhersageraum in nordöstlicher Richtung zu
verlassen, so dass auch die anfänglich im O und SO des Landes noch auftretenden
Niederschlagsprozesse mehr und mehr in die Knie gehen. Von Westen her setzt sich
kurzzeitig schwacher Zwischenhocheinfluss durch, der aber auf sehr tönernden
Füßen steht und lediglich in einer leicht antizyklonal aufgewölbten Kontur in
den Isobaren erkennbar ist.
Immerhin reicht das Ganze aus, die Wolkendecke von W her vorübergehend aufreißen
zu lassen und der eingeflossenen erwärmten Meereskaltluft etwas Ruhe zu gönnen.
Dabei bildet sich nicht nur an der einen oder anderen Stelle Nebel, bevorzugt im
Süden, teils auch im Osten sowie im höheren Bergland kühlt sich die Luft auf
Werte um oder auch etwas unter den Gefrierpunkt ab mit der Gefahr gefrierender
Nässe oder Reif.
Ansonsten richte sich der Blick aber schon wieder scharf in Richtung Westen, wo
sich ein veritables Sturm- respektive Orkantief (NANETTE) in Stellung bringt,
das uns am Sonntag - manche mehr, manche weniger - auf Trab halten wird. Es hat
sich heute als Teiltief an der Okklusion eines weiteren, mittlerweile aber kaum
noch erkennbaren Tiefs weit westlich von Irland entwickelt und inzwischen unter
merklicher Intensivierung den erweiterten Westeingang des Ärmelkanals erreicht.
Um 16 UTC betrug sein Kerndruck etwas unter 980 hPa. Hauptimpulsgeber für die
kräftige Tiefentwicklung war ein günstig mit dem Bodendruckfeld interagierender
KW-Trog, der am Südrand der Frontalzone vorderseitig (diffluenter Ausgang)
ordentliche Auspumparbeit geleistet hat und wohl auch noch leisten wird. Bos
Sonntagfrüh jedenfalls schwenkt er weiter durch bis vor die Küste
Nord-Pas-de-Calais, während das korrespondierende Bodentief mit etwas unter 970
hPa SO-England erreicht.
Vorderseitige, weit nach O ausholende WLA sorgt zum einen für die Zufuhr hoher
und mittelhoher Bewölkung, aus der in den Frühstunden im Grenzbereich zu Benelux
die ersten Tropfen fallen können. Zudem sorgt sie dafür, dass die Temperatur in
einigen Regionen bereits in der Nacht schon wieder beginnt zu steigen, so dass
das Minimum nicht in den frühen Morgenstunden, sondern bereits vorher auftritt.
Unterstützt wird dieser Prozess durch den mit Tiefannäherung in den westlichen
Landesteilen auffrischenden, auf S bis SO rückdrehenden Wind mit ersten Böen 7
Bft, in höheren Lagen sowie auf der Nordsee 8 Bft, exponiert (Schwarzwald,
Brocken) 9 Bft.

Sonntag ... regeneriert sich der LW-Trog, indem in seinen westlichen Teil
kurzwellige Troganteile hineinlaufen, die für einen neuerlichen Potenzialverlust
sorgen. Bei uns bleibt die trogvorderseitige südwestliche Höhenströmung
erhalten, mit der nicht nur der o.e. KW-Trog gen Skagerrak gesteuert wird,
sondern auch das zugehörige Sturm-/Orkantief, das zum Tagesende über die
Nordseeetappen Humber, nördliche Deutsche Bucht und Fischer zum Tagesende die
Südspitze Norwegens erreicht. Bis dahin wird sich das Tief nach neuester
Simulation von etwas unter 970 hPa am frühen Morgen auf rund 980 hPa um 24 UTC
aufgefüllt haben.
Bevor wir zum Kerngeschäft des morgigen Sonntags kommen, der Wind- und
Sturmentwicklung, zunächst noch ein paar Gedanken zum Wetter. Bereits am
Vormittag breiten sich von Benelux und NO-Frankreich her überwiegend
WLA-gestützte Regenfälle über den W und NW sowie die westliche Mitte
nordostwärts aus, ohne dabei größere, geschweige denn warnwürdige Mengen auf den
Weg zu bringen. Für einen landläufig als schmuddelig zu bezeichnenden
Novembersonntag reicht es aber allemal. Besser sieht es allgemein in der
SO-Hälfte aus, wo es nicht nur weitgehend trocken bleibt, sondern - auch mit
Hilfe des Föhns in den Alpen sowie anderer orografischer Hilfsmittel - sogar die
Sonne eine oder sogar mehrere Stunden zum Vorschein kommt. In der einfließenden,
subtropisch angehauchten maritimen Luftmasse steigt die Temperatur in der
SO-Hälfte auf 5°C oder etwas darüber, was mit Hilfe von Durchmischung im SW für
Maxima bis 16°C und in den Föhntälern bis zu 14°C sorgt.
Im Blickpunkt des Warngeschehens steht aber eindeutig der südliche bis
südöstliche, später mehr und mehr auf Süd bis Südwest drehende Wind. Er frischt
im Laufe des Vormittags zunächst im W, kurze Zeit später auch im NW sowie
allgemein in den Bergen weiter auf mit Böen, die im Flachland Stärke 7 bis 8
Bft, in besonders windanfälligen Lagen auch 9 Bft erreichen. Im Bergland sowie
an und auf der Nordsee stehen Sturmböen 8-9 Bft, an exponierten Orten auch
schwere Sturmböen 10 Bft, auf dem Brocken Orkanböen bis 12 Bft auf der Karte. Ob
an der Nordsee auch für Böen 11 Bft (orkanartig) reicht, ist angesichts der
Windrichtung und des damit verbundenen geringen Fetches nicht sonderlich
wahrscheinlich. Allerdings kann schon eine kleine Abweichung bei der Intensität
und/oder der Zugbahn des Tiefs eine Erhöhung (natürlich auch für eine Minderung)
der Böen um eine Windstärke bewirken.
An der Ostsee bleibt der Wind allgemein schwächer, erreicht am Nachmittag und
Abend aber auch dort in Böen Stärke 7-8 Bft, nach Westen hin exponiert 9 Bft.
Gleichzeitig nimmt der Wind im W und NW bereits wieder ab, so dass am Abend nur
noch an der Küste, im angrenzenden Binnenland sowie in höheren Lagen warnwürdige
Böen 7-9, exponiert 10 Bft auftreten.
Der O und S der Republik werden von der guten NANETTE nur tangiert, was aber im
Bergland sowie im Erzgebirgsvorland trotzdem für Böen 7-8 Bft, vereinzelt
(exponierte Kammlagen) 9 Bft gut ist. In und an den Alpen präsentiert sich der
Südföhn mit Böen 7 Bft in einigen windanfälligen Tälern und Böen bis zu 10 Bft
auf einigen Gipfeln.

In der Nacht zum Montag erreicht das Tief den Oslofjord, wobei es sich weiter
auffüllt und an Kraft verliert. Die zugehörige Okklusionsfront überquert den
Norden Deutschlands zügig ostwärts, wird nach Süden (oder besser zur Mitte hin)
aber alsbald rückläufig bzw. geht in die Warmfront eines neuerlichen Sturmtiefs
über der Biscaya (PETRINE) über.
An der Süd- bzw. Ostflanke der beiden Tiefs bleibt ein moderater Gradient
erhalten, der bei stabiler Schichtung vor allem in höheren und in freien Lagen
einen südlichen Wind mit Spitzen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, auf dem Brocken sogar
10-12 Bft zulässt. Stürmisch zeigt sich zunächst auch noch der Küstenstreifen
und die Inseln sowie das unmittelbar angrenzende Binnenland, Tendenz zum Morgen
hin aber abnehmend. Und auch der Föhn bleibt den Alpenanrainern ein treuer
Begleiter.
Ansonsten fällt im W und NW vor der Warmfront stratiformer Regen ohne
Warnrelevanz. Während im W die Tiefstwerte teils im zweistelligen Bereich
verharren, kann es im S und SO leichten Frost und auch das eine oder andere
Nebelfeld geben.

Montag ... verbleibt Deutschland auf der Vorderseite des sich noch weiter
amplifizierenden LW-Troges westlich von uns. Seine Achse (500 hPa) reicht am
Tagesende vom Europäischen Nordmeer über UK bis hinunter vor die marokkanische
Atlantikküste. Die Höhenströmung dreht noch etwas zurück auf S-SW, wobei ein
WLA-Maximum über Norddeutschland hinweg nordwärts abzieht. Gleiches gilt für die
o.e. Warmfront, die ebenfalls in Richtung Nord- und Ostsee bzw. Südskandinavien
abzieht, weil das zugehörige Sturmtief knapp an der Bretagne vorbei in den
Westteil des Ärmelkanals zieht. Zum Mittagstermin simuliert ICON den Tiefkern
knapp westlich von Brest mit einem Druckminimum knapp unter 980 hPa.
Auf der Vorderseite des Tiefs wir mit einer mäßigen, im Bergland lebhaften
südlichen Strömung reichlich Warmluft nach Norden gepumpt, in der die
850-hPa-Temperatur bis 24 UTC mit Ausnahme des Ws und NWs auf 10°C oder etwas
darüber steigt. Im W und NW fällt an der Warmfront sowie später mit Annäherung
der schleifenden Kaltfront gebietsweise Regen ohne Warnrelevanz. Ansonsten
bleibt es weitgehend trocken und nicht selten gibt sich die Sonne die Ehre, wenn
auch manchmal flankiert von hohen und mittelhohen Wolken. Einzig im Donautal
sowie zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee halten sich einige zähe
Hochnebelfelder. Aufgrund passabler Durchmischung steigt die Temperatur
verbreitet auf 12 bis 17°C, im Süden mit Föhnunterstützung lokal noch etwas
darüber. Nur im äußersten N und NW sowie bei Hochnebel wird es nicht so mild.
Thema WIND/STURM: Der frischt aus südlichen Richtungen kommend besonders in der
Mitte und im Süden, und dort vornehmlich in höheren Lagen auf mit Böen 7 bis 8
Bft, exponiert 9 Bft. In den Alpen verstärkt sich der Föhn, so dass auf den
Gipfeln Orkanböen bis 12 Bft und in den Tälern Sturmböen bis 9 Bft (klassische
Föhntäler) möglich sind.

In der Nacht zum Dienstag erreicht das Sturmtief Südengland, während die
zugehörige schleifende Kaltfront an die westlichen Landesteile heranrückt, wo es
zeitweise regnet. An der Windsituation ändert sich nicht allzu viel, Frost ist
so gut wie kein Thema. Dafür bildet sich nach SO hin örtlich Nebel.

Dienstag ... füllt sich das Tief über England auf etwas unter 1000 hPa auf.
Dadurch fächert der Gradient bei uns leicht auf und der südliche Wind schwächt
sich ab. Gleichwohl bleibt der Föhn in den Alpen erhalten, und auch einige
Mittelgebirgshochlagen zeigen sich noch leicht windanfällig. Etwas Regen fällt
im äußersten W und SW, sonst bleibt es trocken bei unterschiedlicher Bewölkung,
teils auch zähem Hochnebel. Mit 11 bis 16°C, mit Leeunterstützung an einigen
Nordhängen der Mittelgebirge und der Alpen lokal noch darüber, hat es schon
kältere Novembertage gegeben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung wird von den Modellen sehr ähnlich gesehen, auch im Hinblick auf
Intensität und Zugbahn der beiden erwähnten Sturmtiefs.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann