DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-11-2016 21:00
SXEU31 DWAV 131800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 13.11.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Warmfrontpassage mit Gefahr von gefrierendem Regen und Glatteis.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Höhenrückens in 500 hPa,
der sich vom Atlantik über die Britischen Inseln bis vor die Küste Norwegens
erstreckt. Auf dieser Vorderseite, die gleichzeitig die Westflanke eines
Langwellentroges darstellt, der sich mäandrierend vom Norden Russlands über das
Baltikum bis zum Balkan erstreckt, ist eine recht glatte nördliche Höhenströmung
zu erkennen. Da sich der Rücken im Laufe der Nacht weiter in Richtung
Mitteleuropa ausdehnt, nimmt über dem Westen und Nordwesten Deutschlands die
Höhenströmung einen zunehmend antizyklonalen Charakter an. Dies sorgt für
Absinken und einen Anstieg des Bodendrucks. In der Folge laufen das aktuell über
dem östlichen Mitteleuropa und das über dem nahen Ostatlantik liegende Hoch
zusammen, mit anderen Worten: Die Tiefdruckrinne, die sich aktuell noch von der
Nordsee zu den Seealpen erstreckt, wird zugeschüttet. Damit wird auch deren
Wetterwirksamkeit reduziert, so dass schon in der ersten Nachthälfte im Westen
kaum noch Niederschläge zu erwarten sind. Die entsprechenden Prozesse zeigen
sich auch im ThetaAe-Feld, wo die warme Schliere zunehmend zugeschüttet wird und
vor allem über der Nordsee die sich von Westen nähernde Warmfront mehr und mehr
einen dominierenden Charakter annimmt. Das gilt einerseits für die
Windentwicklung an der Nordsee, wo der Südwestwind böig auffrischt, auch wenn
voraussichtlich in der Nacht noch keine Warnungen nötig sein werden.
Andererseits gilt das auch für das Temperaturfeld in 850 hPa. Hier steigen
Ausgangs der Nacht die Temperaturen im äußersten Westen leicht über null Grad,
während sie im übrigen Land in einer Spanne von 0 bis -6 Grad verharren.

Montag ... kommt der Höhenrücken noch etwas weiter nach Osten voran, zum Abend
überdeckt er weite Teile Deutschlands und greift im Norden bis in den Süden
Skandinaviens aus. Nördlich des Höhenrückens liegt über Grönland ein Höhen- mit
zugehörigem Bodentief, wobei sich von letzterem eine okkludierte Front über
Norwegen und Schweden bis zur Nordsee erstreckt. Dort sind dann die
entsprechende Warm- und Kaltfront zu erkennen, wobei sich die Warmfront im
Tagesverlauf dem Nordwesten Deutschlands nähert. Die Kaltfront wird dagegen
rasch rückläufig und verläuft als Warmfront zu einem weiteren Tief, welches im
Tagesverlauf vom freien Atlantik ins Seegebiet südwestlich von Island zieht.
Bezüglich der Warmfront ist zu sagen, dass die im Vorfeld aufkommende WLA
bereits am Vormittag für den Aufzug hoher und mittelhoher Bewölkung im Westen
und Nordwesten Deutschlands sorgt. Ab den Mittagsstunden kommen im äußersten
Nordwesten dann Niederschläge auf, die zum Abend die Ostsee und den Niederrhein
erreichen. Hier sind Aussagen über die Niederschlagsphase leider nicht trivial.
Die bodennahe Temperatur liegt bei Einsetzen des Niederschlages meist im
deutlich positiven Bereich. Die Temps deuten dabei bei allen deutschen Modellen
bis in 850 hPa positive Temperaturen an, was für ein vollständiges Schmelzen des
Schnees und damit für Regen sprechen würde (außer vielleicht in den Abendstunden
in der Eifel und im Rothaargebirge, wo es bei Nassschnee bleiben könnte).
Allerdings ist die Grundschicht sehr trocken, was für Abkühlung durch
Verdunstung spricht und damit letztendlich für eine höhere Wahrscheinlichkeit
für gefrierenden Regen. Der allerdings erscheint auch nur dann plausibel, wenn
sich am Boden schon eine kalte Schicht gebildet hat (wegen der präfrontal
dichten Bewölkung und der ob des Windes guten Durchmischung unwahrscheinlich)
oder der Boden insgesamt durchgefroren ist (wegen der positiven
Tagestemperaturen unwahrscheinlich). Insgesamt erscheint gefrierender Regen
lokal möglich, aber zumindest am Tage nicht verbreitet wahrscheinlich. Legt man
diese Einschätzung zugrunde, so liegt ICON näher an der erwarteten Realität als
COSMO-EU oder COSMO-DE, die verbreitet auf gefrierenden Regen setzen, deren
Modellergebnisse bei einem Vergleich mit den Vorläufen aber auch nicht übermäßig
konsistent sind. Was im Zuge der Warmfrontannäherung zu beachten bleibt ist der
schon angedeutete auflebende Wind. Vor allem an der Nordseeküste sind Böen Bft
7, exponiert auch Bft 8 wahrscheinlich. Im Westen und Süden bleiben am Tage der
Höhenrücken und vor allem die Hochdruckbrücke wetterbestimmend. Entsprechend ist
es dort mit tiefen Wolken nicht weit her, wenngleich sich aus der Nacht teils
zäher Nebel hält und sich im Tagesverlauf immer deutlicher das Aufziehen der
hohen und mittelhohen Bewölkung der Warmfront bemerkbar macht.

In der Nacht zum Dienstag zieht sich die Hochdruckbrücke nach Süden zurück und
die WLA erreicht auch den Südosten, so dass auch hier die Bewölkung zunimmt. Die
Warmfront greift auf den Nordwesten über, wobei sie von der Warmfront des o. e.
Tiefs bei Island fast eingeholt wird, das bis zum Ende der Nacht zwischen Island
und der zentralnorwegischen Küste liegt. Letztendlich ergibt sich auf Basis des
ThetaAe-Feldes eine Art Doppelstruktur der Front, wobei die erste schon über
Ostniedersachsen, die zweite, die im Druckfeld schon als die stärker ausgeprägte
auszumachen ist, über dem Emsland liegt. Die zugehörige Kaltfront nähert sich zu
diesem Zeitpunkt schon über der Nordsee. Erneut stellt sich die Frage nach
gefrierendem Regen. Zentral wird dabei sein, wie stark die Atmosphäre vor der
Front, wo aber schon hohe und mittelhohe Bewölkung aufgezogen sind, auskühlt
(Letztendlich geht es um die Frage: Frost - Ja oder Nein?). Im Übrigen ist die
Frage, wie weit die Niederschläge überhaupt nach Südosten in die potentiellen
Frostgebiete ausgreifen. Während COSMO-EU zum Morgen einen Streifen vom
Schwarzwald und der Saar bis zur Altmark mit gefrierendem Regen belegt, greift
bei ICON6-Nest der Niederschlag weniger weit nach Südosten aus, es soll aber
auch bei diesem Modell verbreitet gefrierender Regen fallen. Defensiver, bei der
Ausbreitung nach Südosten wie auch bei den Niederschlagsmengen, ist ICON, und
zumindest bei der Verlagerung der Font und des Niederschlages werden die
ICON-Derivate vom alten EZMW-Lauf gestützt. Bezüglich des Windes bleibt zu
erwähnen, dass dieser in der Mitte mit Frontverlagerung auffrischt, wenngleich
er wohl nicht warnwürdig wird, dagegen fächert an der Küste der Gradient auf mit
entsprechendem Windrückgang, so dass allenfalls an der Ostsee noch Böen Bft 7
möglich sind.

Dienstag ... greift der Höhenrücken weiter nach Südosten aus, wobei seine
Amplitude abgebaut wird. Die Rückenachse verläuft am Abend über der Mitte und
dem Süden Deutschlands, bis zum Mittwochmorgen hat sie die Alpen erreicht. Weil
mit der südostwärtigen Verlagerung des Rückens auch die Hochdrückbrücke nach
Süden abgedrängt wird, liegt Deutschland am Dienstagmorgen komplett im
Einflussbereich tiefen Luftdrucks, wobei zumindest über dem Süden und in der
Nacht zu Montag eine antizyklonale Isobarenkrümmung und damit so etwas wie
schwacher Zwischenhocheinfluss zu erkennen ist. Während die Warmfronten bzw. die
zusammengelaufene Warmfront auf den Süden übergreift, zieht die nachfolgende
Kaltfront erst in den Norden, in der Nacht zu Mittwoch bis etwa zum Main. Da
dort aus der Höhe nur noch geringe, am Boden praktisch keine frontsenkrechten
Impulse mehr kommen, gerät die Front zunehmend ins schleifen, aus der feuchte in
750 hPa lässt sich sogar so etwas wie ein Wellen erkennen. Vor allem die
deutschen Modelle setzen mit kräftigen Niederschlägen in der Mitte und später
auch im Süden auf diese Karte, die externen Modelle sind diesbezüglich
defensiver. Im Zuge der Frontpassage steigen die 850er-Temperaturen am Abend
vorübergehend auf bis zu 7 Grad an, um danach wieder deutlich abzufallen.
Ausgangs der Nacht liegen diese im Norden gebietsweise schon wieder unter null
Grad. Der Wind bleibt auch mit der Kaltfrontpassage an der Ostsee frisch und
böig, das gilt auch für die Hochlagen der Mittelgebirge, wo die eine oder andere
Bft 7 möglich erscheint. An der Nordsee dreht der Wind zwar auf Nordwest, was
den Fetch über dort erhöht, allerdings fächert der Gradient rasch auf, so dass
voraussichtlich keine warnwürdigen Böen zu erwarten sind.

Mittwoch ... zieht der Höhenrücken endgültig nach Osten ab. Auf dem Atlantik
bildet sich ein großräumiger Langwellentrog aus, der im Tagesverlauf und in der
Nacht zu Donnerstag auf Teile Nord- und Westeuropas übergreift und der
Insbesondere den Norden Deutschlands beeinflusst. Zu dem Langwellentrog gehört
ein Tief bei Island, von dem aus sich eine Tiefdruckrinne nach Skandinavien
erstreckt, in der die Okklusion eingebettet ist, die in ihrem weiteren Verlauf
über den Süden Deutschlands zum Atlantik verläuft. Weiterhin ist dabei über dem
Süden Deutschlands keine frontsenkrechte Komponente und damit auch keine große
Verlagerung auszumachen. Die Strömung über Deutschland ist insgesamt eine
westliche,
wobei milde Meeresluft herangeführt wird. Vor allem über der Mitte und nach
Norden hin ist der Gradient zumindest zeitweise gut ausgeprägt, was für einen
lebhaften Wind in diesem Regionen spricht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt simulieren die Modelle die Abläufe der kommenden Tage recht ähnlich.
Die Unterschiede im Detail können bei der aktuellen Situation allerdings größere
Auswirkungen auf das Warnmanagement haben. Dies gilt für die
Verlagerungsgeschwindigkeit der Frontenzüge ebenso wie - und insbesondere - für
die vertikale Schichtung. Die wesentlichen Modellunterschiede wurden im Text
angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas