DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-01-2024 09:31
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 15.01.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang NWz in Ws
Zunächst nur leichte, im Bergland und örtlich im Osten in der Nacht auf Dienstag
auch mäßige Schneefälle. Hochlagen Verwehungen. Am Mittwoch ausgeprägte
Unwetterlage: Glatteisunwetter vereinzelt bis in den extremen Bereich sowie vor
allem über der westlichen Mitte unwetterartige Schneefälle und im Schwarzwald
Unwetter Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... beeinflusst ein umfangreiches Trogsystem weite Teile von Europa. Seine
Achse erstreckt sich vom Baltikum über Polen bis ins Ionische Meer. Damit
befindet sich Deutschland an seine Westflanke in einer kräftigen nordwestlich
Höhenströmung. Ein Kurzwellentrog läuft dabei von Nordwest nach Südost im
Tagesverlauf über Deutschland hinweg. Damit wird auch ein kräftiger Schwall
Höhenkaltluft landeinwärts geführt. Die -38 Grad Isotherme kommt bis zum
Nachmittag südwärts bis zum Ruhrgebiet, Mittelhessen und nach Nordbayern voran.

Als Folge muss heute verbreitet und wiederholt mit teils auch kräftigen Schauern
gerechnet werden. Immerhin beträgt der Temperaturunterschied zwischen 850 hPa
und 500 hPa teils über 30 K. Mit kräftigeren Schauern ist neben Schnee auch
Graupel möglich, sodass es auch bei vorübergehend leicht positiven Werten im
Flachland rasch und vorübergehend weiß werden kann. Etwas davon ausgenommen ist
das direkt Nordseeumfeld, wo es in Verbindung mit dem "warmen" Meerwasser noch
etwas milder ist (3 bis 5 Grad). Das Wasser kann aber helfen den vertikalen
Temperaturunterschied noch etwas zu verstärken, sodass insbesondere im
erweiterten Nordseeumfeld auch das ein oder andere kurze Gewitter auftreten
kann. Die Oberwinde liegen bei 30 bis 40 kn, sodass in stärkeren Entwicklungen
auch mit einzelnen Sturmböen zu rechnen ist (Bft 8/9, 60 bis 80 km/h).
Weiter landeinwärts könne vereinzelte Gewitter nicht ausgeschlossen werden, sind
aber nur gering wahrscheinlich.

In tiefen Lagen dürfte es zunächst nicht zu größeren Schneeakkumulationen
kommen. Da sieht im Bergland ab etwa 300/400 m schon etwas besser aus. Dort kann
es im West-/Nordweststau zu 5 bis 10 cm Neuschnee bis zum Abend kommen (12 h).

In einem breiteren Streifen von Schleswig bis zur Uckermark kann man vom
Skandilee profitieren. Dort gibt es entsprechend kaum Schauer und sonnige
Abschnitte.

Der Wind spielt auch eine Rolle. Vor allem in Verbindung mit Schauern kommt es
auch in tiefen Lagen zu Windböen. Im Nordosten und Osten sind die Höhenwinde
etwas stärker (bis 45 kn in 925 hPa), sodass dort auch außerhalb von Schauern
häufiger einmal Bft 7 Böen zu erwarten sind. Von Vorpommern bis zu Uckermark
sowie in Ostsachsen deuten die Modelle auch verstärkt stürmische Böen an. Diese
gibt es auch verbreitet entlang der Küsten, exponiert dort Sturmböen. In höheren
Lagen der östlichen Mittelgebirge ebenso Sturmböen, Brocken und Fichtelberg Bft
10.
Ganz allgemein muss in höheren Lagen als Kombination aus lockerem Schnee (mit
den oben angesprochenen Mengen) und stark böigem Wind mit markanten
Schneeverwehungen gerechnet werden.

In der Nacht auf Dienstag gibt es vor allem eingangs der Nacht noch häufiger
Schnee- und Graupelschauer. Im weiteren Verlauf der Nacht zieht sich die
höhenkälteste Luft nach Nordosten zurück (wo man allerding vom Skandilee
profitiert). Damit lässt dich Schauertätigkeit nach und beschränkt sich dann vor
allem noch auf das Bergland. Dort sind im Anstau nochmal 1 bis 5 cm Neuschnee
möglich.

Interessant ist ein Streifen von der Deutschen Bucht, über Hamburg und
Ostniedersachsen bis ins südliche Brandenburg und nach Ostsachsen. Dort zeigt
sich in der unteren Troposphäre und auch am Boden eine markante Windkonvergenz,
primäre in Form einer Geschwindigkeitskonvergenz. In der Folge simulieren die
verschiedenen Modelle einen engen Streifen mit wiederholten und andauernden
schauerartig verstärkten Schneefällen. Die genaue Lage schwankt noch ein wenig.
Dort wo der Streifen am Ende liegt, sind aber durchaus 2 bis 7 cm, im Zentrum um
10 cm möglich. Es bietet sich an diesen Bereich zunächst mit gelben
Schneefallwarnungen zu versehen und später (wenn die genaue Lage zu sehen ist)
im Nowcasting eine markante Warnung nachzuschieben.

Davon abgesehen muss in Folge der Niederschläge vom Tag und verbreitet frostigen
Nachttemperaturen mit Glätte durch Überfrieren gerechnet werden. Ausgenommen
sind nur die Skandileegebiete. Im Süden sind teils mäßige Fröste zu erwarten. In
Alpentälern vereinzelt auch strenger Frost. Mäßige Nachtfröste gibt es zudem im
Nordosten, wo es im Skandilee häufiger Auflockerungen gibt.

Der Wind geht immer mehr raus. In dem Streifen östlich der Windkonvergenz kann
es aber noch Windböen geben, Erzgebirge und Harz Bft 8, Brocken und Fichtelberg
Bft 10).

Dienstag... befindet sich der Vorhersageraum immer noch in einer nordwestlichen
Höhenströmung. Dies bekommt aber im Tagesverlauf eine stärkere Westkomponente.
Der Grund liegt in einer stärkeren zonal nach Westen gerichteten Austrogung über
dem Nordmeer.
Die Entwicklung bedingt auch, dass sich die Höhenkaltluft in den Norden
zurückzieht und die Schauertätigkeit allgemein abnimmt. Vor allem im erweiterten
Nordseeumfeld kommt es mit Unterstützung des Meerwassers noch häufiger zu
Schneeregen- und Graupelschauer. Im Binnenland von Schleswig-Holstein gibt es
Andeutungen verschiedener Modelle, dass es durch einen verstärkten Lake-Effekt
zu Schauerstraßen und damit auch mal etwas mehr Neuschnee kommen könnte. 1 bis 5
cm sind da durchaus denkbar. Auch von Südbrandenburg bis nach Ostsachsen schneit
es zunächst aus der Nacht heraus noch. Im Laufe des Vormittags ziehen die
Niederschläge aber ab.

Neben vielen Wolken kommt es im Tagesverlauf auch gebietsweise zu
Wolkenauflockerungen. Am freundlichsten wird es mit der Nähe zu höherem Druck
und Geopotential im Südwesten des Landes und direkt an den Alpen. Der Wind ist
vor allem noch im Nordseeumfeld und in exponierten Berglagen stark bis stürmisch
unterwegs, spielt sonst aber keine Rolle.

Die Maxima liegen im Nordosten, im höheren Bergland und teils auch im
süddeutschen Tiefland im Dauerfrostbereich. Sonst werden zarte Plusgrade
erreicht, an der Nordsee bis 5 Grad.

In der Nacht auf Mittwoch zonalisiert die Höhenströmung vollends. Verantwortlich
dafür ist die Austrogung über dem Nordmeer die sich zonal amplifiziert. Südlich
der Achse kann sich ein Bodentief verstärken, das sich ausgangs der Nacht bis
zur Bretagne verlagert. Dieses Tief ist ebenfalls sehr stark von West nach Ost
ausgerichtet (plattgedrückt), sodass die eingelagerte Warmfront sich ganz
allmählich zonal als Luftmassengrenze ausrichtet. Auf seiner Vorderseite gibt es
kräftige Warmluftadvektion.
Im Laufe der zweiten Nachthälfte drücken die Feuchtefelder bereits in den
Südwesten rein und kommen bis zum Morgen bis nach Südhessen und München voran.

Zuvor kann es bodennah kräftig auskühlen. Es gibt verbreitet leichte, in der
Südhälfte auch mäßige Nachtfröste (-5 bis -9 Grad). Gleichzeitig steigen die
850er rasch bis auf etwa 2 Grad an. In der Folge gibt es die klassischen
Prognosesoundings mit warmer Nase und frostig kalter Grundschicht. Die
ankommenden Niederschläge dürften daher rasch als gefrierender Regen fallen,
wenn es überhaupt eine kurze Schneephase gibt. Wenn die Niederschläge weiter in
Richtung Mitte vorankommen, dann ist häufiger auch die Schneephase dabei.

Mittwoch... schiebt sich das Bodentief im Tagesverlauf von Nordfrankreich bis in
die Mitte Deutschlands. Darin eingelagert ist eine scharfe Luftmassengrenze. Die
0 Grad Isotherme in 850 hPa kommt dem ICON00 UTC Lauf folgend bis etwas zur
Mainlinie (knapp nördlich davon) voran. Die 0 Grad Isotherme am Boden liegt aber
deutlich weiter südlich (Südhessen, Grenze BaWü), Ost- und Südostbayern komplett
frostig). Gleichzeitig steigen die Werte am Oberrhein bis auf 10 Grad (in 950
hPa noch etwas höher).

Es ist also angerichtet für eine ausgeprägte und teils extreme Unwetterlage!

Das am wenigsten kritische ist noch der Dauerregen, der vor allem den Südwesten
betrifft und markant von Rheinland-Pfalz und Saarland bis in Teile von BaWü
ausfallen kann, in einzelnen Staulagen im Schwarzwald ist auch die
Überschreitung der Unwetterwarnschwelle denkbar. Nennenswert Schnee liegt
eigentlich nur in höheren Schwarzwaldlagen, sodass ein Abtauen nicht nennenswert
zu Buche schlägt.

Über der südlichen Mitte fällte zunächst Schnee, eher mit allmählicher
Nordwärtsverlagerung der LMG, die Niederschläge in kräftigen Regen übergehen,
der dann als gefrierender Regen fällt. Die Mengen sind derart hoch, dass das wir
locker im Unwetterbereich liegen und auch die Überschreitung der extremen
Unwetterwarnstufe (>3 mm in h) nicht auszuschließen ist. Durch die lange Andauer
sind sicherlich auch schon etwas geringere Stundensummen ausreichend um dies zu
rechtfertigen.
Aus heutiger Sicht sind große Teile von RLP und Saarland bis nach Südhessen
betroffen. Ein zweites Maximum zeichnet sich von der Bodenseeregion bis in das
Gebiet zwischen Nürnberg und München ab.

Unschärfen gibt es noch, wie weit nördlich die warme Nase vorankommt. Glaubt man
dem ICON und UK dann dürfte das Rhein-Main-Gebiet knapp auf der kalten Seite mit
anhaltendem Schneefall verbleiben. Dem ECMWF und GFS folgend, könnte die
Regenphase bis nach Mittelhessen vorankommen. Dort wo schlussendlich der Schnee
fällt, können die Mengen auch bis in den Unwetterbereich reichen. Das gilt vor
allem für einen 6 bis 12 h Zeitraum. Den verschiedenen Modellen und EPSsen
folgend ist die Wahrscheinlichkeit für unwetterartigen Schneefall vor allem im
Westen deutlich erhöht. Nördlich von Hunsrück, aber südlich des Ruhrgebiets
ostwärts fortsetzend bis nach Mittelhessen und vielleicht noch Thüringer Wald.
Sollte sich das ICON bewahrheiten, könnten die Zone auch noch etwas nach Süden
verschoben sein.

Aufgrund der Brisanz der Lage ist es sinnvoll bereits frühzeitig, und damit im
Laufe des heutigen Tages, mit zwei sich (aufgrund der Unschärfe) überlappenden
Vorabinformationen herauszugehen. Die Auswirkungen dürften weitereichend sein
und Straßen- und Schienenverkehr (Oberleitungen) beeinträchtigen. Auch Schnee-
Eisbruch und Probleme an Oberleitung sind wahrscheinlich.

Weiter im Norden merkt man von der Entwicklung nur wenig. Vor allem im
Küstenumfeld gibt es Schauer. Ausgehend von der Nordsee können sich ins
schleswig-holsteinische Binnenland ausgreifend auch wieder Schauerstraßen
ausbilden (Lake Effekt), wo etwas mehr Schnee akkumulieren kann.

Der Wind weht an der See noch stark bis stürmisch. Sonst frischt er vor allem an
der Südflanke des Tiefs vor allem im Bergland in Böen stark bis stürmisch auf.
Aufgrund der stabilen Schichtung dürfte es in tiefen Lagen nur vereinzelt für
Windböen reichen.

In der Nacht auf Donnerstag zieht das Bodentief weiter in Richtung Tschechien
und Polen, sodass rückseitig die Kaltluft wieder rasch nach Süden gedrückt wird
und der Regen verbreitet in Schnee übergeht. Am längsten fällt der gefrierende
Regen noch in Bayern und im südlichen Baden-Württemberg. In den Gebieten mit
Schneefall gibt es zum Teil auch noch markante Mengen mit 5 bis 10 cm in 6-12 h.


Abgesehen vom Südwesten gibt es verbreitet leichte, bei Auflockerungen im Norden
auch mäßige Nachtfröste und streckenweise Glätte. Im Südwesten bleibt es bei 6
bis 2 Grad ohne Glätteproblematik.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung der Großwetterlage wird einheitlich vorhergesagt. Die Unschärfen
bezüglich der genauen Lage des LMG wurden im Text diskutiert.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer