DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-01-2024 09:01
SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 02.01.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz

Im Mittelgebirgsraum und im Nordwesten verbreitet Dauerregen, in der
Südwesthälfte und in den östlichen Mittelgebirgen Wind- und Sturmböen, auf
einigen exponierten Gipfeln orkanartige Böen, alles bis Donnerstag anhaltend.

Ab der Wochenmitte an den Alpen, in exponierten Lagen der höheren Mittelgebirge
und auch im Norden etwas Schnee.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... überquert ein flacher Höhenrücken Deutschland, seine Achse greift am
Vormittag auf den Westen über, bis zum Abend hat sie schon Oder und Neiße
erreicht. Die Vorderseite des Rückens wird von einem schwach ausgeprägten Trog
überlaufen, der im Bodendruckfeld mit einem Bodentrog mit einem eingelagerten,
teilokkludierten Frontensystem korrespondiert. Der Bodentrog, aktuell von der
Nordsee in Richtung Nordwestdeutschland orientiert, zieht im weiteren
Tagesverlauf nach Nordosten und verliert dabei an Schärfte, was auch zu einem
Nachlassen der mit ihm verbundenen Niederschläge führt. Während die Warmfront,
aktuell vom Nordwesten Deutschlands über das Erzgebirge zum Böhmischen Becken
und weiter nach Südosten verlaufend, dem Bodentrog folgt und ebenfalls und
Abschwächung, dem Bodentrog folgt und am Abend Südwestpolen und die Slowakei
erreicht, wird die Kaltfront rasch auf der Vorderseite eines neuen Teiltiefs des
mehrkernigen Tiefkomplexes DIETMAR (über den Britischen Inseln und dem
Nordostatlantik liegend) rückläufig. Insgesamt sorgen die Frontensysteme
verbreitet für teils kräftigen Regen, weitgehend trocken bleibt es nur in
Vorpommern, weil die Warmfront dort abgesehen von einem moderaten
Temperaturanstieg in 850 hPa kaum noch Wetterwirksamkeit entfaltet, und im
äußersten Südosten. Akkumuliert über 12 Stunden sieht die Deterministik (z.B.
ICON-D2, aber auch AROME oder UK10) in einigen Mittelgebirgen 25 bis 40 l/qm an
Regen, in Staulagen sogar noch mehr. In den Ensembles von COSMO-LEPS oder
ICON-EU bildet sich dies auch ab; defensiver, sowohl in der Deterministik wie in
der Probabilistik, ist IFS aufgestellt. Abseits der Mittelgebirge fallen aber
auch durchaus hohe Mengen, in Niedersachsen z.B. in der Fläche um 15 l/qm, was
die Hochwasserlage nochmals verschärfen sollte (Infos unter
www.hochwasserzentralen.de). Schneefall ist bei abendlichen 850er Temperaturen
von -1°C im Nordosten und +5°C im Süden kein Thema. Abgesehen vom Regen steht
noch der Wind auf der Agenda. Rückseitig der Warmfront bzw. der mit ihr
verbundenen Tiefdruckrinne ist der Druckgradient recht scharf aufgestellt. Damit
kommt es in weiten Teilen des Südwestens und des Mittelgebirgsraums zu steifen
und stürmischen Böen, in exponierten Lagen gibt's Sturmböen, teils auch
orkanartige Böen. In der milden Luft liegen die Höchstwerte im Nordosten um 5°C,
am Rhein bei bis zu 13°C.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich das zweite kleinräumige (Teil-)Tief von
Tiefkomplex DIETMAR von der südwestlichen Nordsee zur Nordfriesischen Küste. Ein
dem Tief in der Höhe anfangs noch folgender, das Tief später aber überlaufender
Kurzwellentrog (der den flachen Höhenrücken ablöst) sorgt im Nachtverlauf für
einen weitgehend konstanten Kerndruck von etwa 975 hPa. Da auf der Südflanke des
Tiefs der Gradient weiterhin eine stramme Drängung zeigt, ist in den Gebieten
südwestlich der Elbe verbreitet mit steifen Böen Bft 7, gebietsweise, vor allem
in höheren Lagen, mit Sturmböen Bft 8-9 zu rechnen. Exponierte Gipfel wie der
Feldberg im Schwarzwald oder auch der Brocken verbringen die Nacht mit
orkanartigen Böen recht ungemütlich. In den Bereich der schweren Sturmböen,
eventuell sogar der orkanartigen Böen, kommen auch Teile Ostfrieslands und
insbesondere die Ostfriesischen Inseln, da das Tief an diesen Gebieten nur knapp
nördlich vorbeizieht. In den letzten Details dieser Entwicklung sind sich die
Modelle aber noch uneins. Windschwächer präsentiert sich nur der Nordosten, wo
keine Windwarnungen fällig werden und der anfangs an der Ostsee noch recht böige
Wind abflaut. Die 850er Temperaturen weisen, da die 0°C-Isotherme aus dem
Nordosten herausgedrängt wird, durchweg positive Temperaturen auf, wobei das
Temperaturniveau etwas gestaucht wird (0°C bis +3°C). Da die Warmfront des Tiefs
(die rückläufige Warmfront von Tief 1) in der Nacht über die Nordosthälfte
hinwegzieht und zum Morgen Vorpommern und Zentralpolen erreicht und die
nachfolgende Kaltfront, ungleich zackiger unterwegs, die Warmfront einholt und
somit den Okklusionsprozess "abwickelt", bleiben an den Luftmassengrenzen die
kräftigen Hebungsimpulse erhalten. Als Schwerpunkte der Niederschlagstätigkeit
arbeiten die Modelle recht einheitlich weite Teile Niedersachsens sowie den
Nordosten (entlang sowie nordöstlich der Elbe) heraus. In diesen Gebieten sollen
12-stündig meist 10 bis 20 l/qm an Regen zusammenkommen, was auch einige
Mittelgebirgslagen schaffen. Ansonsten bleibt es zwar regnerisch, aber mit
gebremstem Schaum. Fasst man die 24 Stunden bis Mittwochfrüh zusammen, so
akkumulieren sich die Niederschläge im Norden auf Mengen um 20 l/qm, lokal auch
bis 25 l/qm, in den Mittelgebirgslagen werden oftmals um 35 l/qm avisiert, lokal
auch mehr. In der milden Luftmasse bleibt es bei guter Durchmischung frostfrei,
die Minima werden in einer Spanne von 10 bis 3°C prognostiziert.

Mittwoch... zieht das kleinräumige Tief zögerlich von Nordfriesland nach Rügen
(laut ICON). Die Höhenströmung, die sich über dem Süden anfangs recht glatt und
zonal orientiert präsentiert, weist über dem Norden zwei recht markante
kurzwellige Anteile auf. Der östlichere überläuft das Bodentief, was zu
Druckanstieg führt, so dass sich das Tief bis zum Abend bis auf einen Kerndruck
von 985 hPa aufschwingen kann. Der zweite Kurzwellentrog überquert England und
zieht in die südliche Nordsee, wobei er auch weiter nach Süden in Richtung
Frankreich ausgreift. Da seine Hebungsprozesse über der südlichen Nordsee für
Druckfall sorgen, etabliert sich dort zum Abend ein weiteres kleines Tief, so
dass insgesamt eine von der westlichen Ostsee/Nordostdeutschland über die
Nordsee und Schottland bis ins Seegebiet westlich von Island reichende
Tiefdruckrinne ausbildet. Auf der Südflanke der Rinne bleibt der Gradient
anfangs weiterhin so gedrängt, dass verbreitet steife und stürmische Böen
auftreten, exponiert sind auch wieder Sturmböen dabei (exponiert: orkanartigen
Böen). Mit Verlagerung des Nordfrieslandtiefs nach Rügen und dessen Abschwächung
fächert der Gradient im Tagesverlauf allerdings auf, so dass der Wind allgemein
nachlässt. Da das Frontensystem des Tiefs über dem östlichen Mitteleuropa weiter
nach Osten zieht, bleibt der Vorhersageraum frontensystemfrei, was allerdings
nicht bedeutet, dass es auch trocken bleibt. Der sich von der Nordsee nach
Frankreich ausweitende Trog, weitere sehr kurzwellige Troganteile in der
ansonsten glatten Höhenströmung sowie Staufaktoren, insbesondere an den
Westflanken der Mittelgebirge, sorge weiterhin für Regen. Im Bereich des
Nordfriesland-Rügen-Tiefs sind es meist um 10, lokal auch um 15 l/qm in 12
Stunden, in den Staulegen der Mittelgebirge meist um 10, lokal aber auch um 20
l/qm. Von der Börde bis zur Neiße und auch südlich der Donau fallen dagegen nur
vereinzelt ein paar Tropfen. Am Temperaturniveau sind wieder keine größeren
Änderungen zu erkennen. Rückseitig des Rügen-Tiefs wird die Null-Grad-Isotherme
wieder etwas in den äußersten Norden verfrachtet, sonst bleibt im 8500
hPa-Niveau alles beim Alten. Das reicht wieder für Maxima von 7 bis 13°C, wobei
nicht unterschlagen werden soll, dass die Luftmasse durch einfließende
Höhenkaltluft (am Abend -27°C in 500 hPa) labilisiert und im Westen und Süden
eventuell ein einzelnes Gewitter nicht ausgeschlossen werden kann.

In der Nacht zum Donnerstag zieht der von Frankreich kommende Trog über uns
hinweg. Das kleinräumige Tief verlagert sich weiter nach Nordpolen, wodurch auf
seiner Rückseite ein Kaltluftvorstoß nach Süden erfolgt. Dabei schiebt sich die
0°C-Isotherme von der Küste bis an die Alpen, was ein Absinken der
Schneefallgrenze im Norden bis in tiefste Lagen, an den Alpen bis auf etwa 1200
bis 1400 m zur Folge hat. Entsprechend können in den genannten Gebieten ein paar
Flocken (an den Alpen auch mehr als nur ein paar Flocken) fallen. Insbesondere
im Norden ergibt sich aber das Problem, dass die Modelle alles andere als
einheitlich rechnen. Bezüglich der Lage, der Verlagerung und auch des Kerndrucks
ergeben sich noch deutliche Unterschiede, was eine exakte Vorhersage schwer
macht. Klar schein aber zu sein: Im Trogbereich kommt es, insbesondere im Süden,
zu weiteren, teils auch kräftigen Regenfällen, eventuell ist auch wieder ein
kurzes Gewitter mit von der Partie. Über die Nacht hinweg sind nochmal
verbreitet 5 bis 10, lokal auch um 20 l/qm möglich. Mit den zurückgehenden 850er
Temperaturen sinken auch die nächtlichen Minima auf 8 bis 2 Grad, in den
Hochlagen kann es sogar wieder leichten Frost geben (es ist eben doch noch
Winter!).

Donnerstag... und in der Nacht zum Freitag schiebt sich ein Rücken an
Deutschland heran, dessen Achse uns in der Nacht zum Freitag erreicht. Auf
seiner Vorderseite zieht das kleinräumige Tief nach Osten in Richtung
Belarus/Ukraine ab. Auf seiner Rückseite bildet sich durch Absinken vorderseitig
des Rückens eine von Nord nach Süd orientierte Hochdruckbrücke aus. Damit lässt
auch der anfangs an der Ostsee und im Süden noch lebhafte Wind mit steifen bis
stürmischen Böen (Hochlagen (schwere) Sturmböen) nach, in der Nacht sollten
keine Windwarnungen mehr nötig sein. Durch das Absinken ebenfalls nachlassend,
insbesondere in der Nacht, ist der Niederschlag. Bei 850er Temperaturen von etwa
-10°C im Nordosten und +2°C im Südwesten reicht die Schneefallgrenze in der
Nordosthälfte bis in tiefte Lagen, in der Südwesthälfte liegt sie bei etwa
1000m. Da zusätzlich der Wind an der Ostsee auflandig ist und die recht warme
Ostsee einen relevanten niedertroposphärischen Feuchteeintrag liefert, sind um
die Ostsee vereinzelt auch kräftigere Schneefallereignisse (Lake Effekt) nicht
ausgeschlossen. Auch an den Alpen und in den östlichen Mittelgebirgen können
einige wenige cm Schnee fallen, bevor der Niederschlag in der Nacht zum Freitag
zum erliegen kommt. Die Temperaturen erreichen am Tage 4 bis 11°C, nachts kühlt
es auf 5 bis -2°C ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren den heutigen Dienstag recht ähnlich, schon in der
kommenden Nacht zeigen sich bei den Tiefdruckgebieten über dem Norden aber schon
größere Unterschiede. Diese setzen sich in der Folge fort, was die Windprognose
im Norden schwierig gestaltet. Im Süden wird der Wind, aber auch der
Niederschlag von den Modellen einheitlicher prognostiziert. Auf wesentliche
Modellunterschiede wurde im Text eingegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas