DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-01-2024 10:30
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.01.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: West zyklonal (Wz), Übergang zu einer südlichen Westlage (Ws).
Wetter: In den nächsten Tagen Dauerregen, teils Unwetter. Morgen früh vor allem
im östlichen Bergland vorübergehend kräftigerer Schneefall. Weiterhin windig bis
stürmisch, im Nordseeumfeld in der Nacht zum Mittwoch Gefahr schweren Sturms.
Auf den Bergen anhaltend stürmisch bis hin zu Orkanböen.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Das neue Jahr 2024... beginnt mit einer mäandrierenden Westwetterlage, wobei
sich zum Neujahrsmorgen ein Trog von der Nordsee aus südostwärts über
Deutschland hinweg erstreckt. Bodennah steht hohem Luftdruck über Südeuropa ein
Skandinavienhoch (Hannelore) gegenüber. Dazwischen hat sich Tief Costa II
(international: Geraldine) gequetscht, dessen Frontensystem Deutschland
überquert hat, so dass rückseitig desselben eine erwärmte Meeresluft polaren
Ursprungs (mPs) nach Deutschland eingeflossen ist. Weit draußen auf dem Atlantik
bringt sich derweil schon Tief Dietmar in Stellung.

Tief Costa II zeigt heute über der Nordsee leichte Auflösungstendenzen, zudem
wandert es langsam nach Norden. An seiner Südostflanke herrscht aber
insbesondere in der ersten Tageshälfte noch ein stärkerer Gradient, so dass der
Wind aus südwestlicher, im Nordosten südlicher Richtung, durchaus lebhaft weht
und es über größeren Teilen des Westens, des Südens und der Mitte Deutschlands
zu steifen, in etwas exponierteren Lagen stürmischen Böen kommt. Etwas mehr wird
natürlich wieder auf den hohen Bergen geboten, dort kommt es zu Sturmböen, auf
dem Feldberg (Schwarzwald) und dem Brocken auch zu schweren Sturmböen.

Am Nachmittag setzt aber im Westen auf der Vorderseite Dietmars schon WLA ein,
in deren Vorfeld wiederum sich vorübergehend leichter Druckanstieg durchsetzt.
Damit verringert sich der Gradient etwas und die Schichtung stabilisiert sich,
so dass die Windwarnungen in tieferen Lagen im Laufe des Nachmittages auflaufen
können.

Kommen wir zum Wetter im engeren Sinne: In der zunächst noch labil geschichteten
Luftmasse kommt es vor allem nach Nordwesten hin zu Schauern und schauerartigen
Regenfällen, in den übrigen Landesteilen sind es nur einzelne Schauer. Bei
Schneefallgrenzen um 800 m kann es in entsprechend höher gelegenen Gebieten mal
etwas Schnee oder Matsch auf den Straßen geben. Die Niederschlagssummen sind
heute nicht allzu hoch. Mehr als 5 l/qm kann es regional im Norden und
stellenweise in den Staulagen der westlichen Mittelgebirge oder bei
Schauerstaßen geben. Ansonsten ist es meist deutlich weniger. Etwas mehr Sonne
darf vor allem im Süden und Osten erwartet werden, ansonsten mogeln sich nur
selten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Die Temperaturen steigen bei guter
Durchmischung allgemein auf 6 bis 10°C, in höheren Lagen des Berglandes auf 2
bis 5°C.

In der Nacht zum Dienstag setzt sich dann über ganz Deutschland kräftige
Warmluftadvektion durch. Eine erste, dem Tief Dietmar weit vorauslaufende
Warmfront erreicht in den Frühstunden den Westen Deutschlands. Diese ist an
einen Ableger (Teiltief) Dietmars (wahrscheinlich Dietmar II) gebunden, der sich
in den Morgenstunden über den Norden Irlands hinweg verlagert. Somit zieht in
der Nacht mehrschichtige Bewölkung auf und nachfolgend breitet sich teils
mäßiger Regen auf weite Landesteile aus. Dieser erreicht bis zum Morgen in etwa
die Elbe, auch der Südosten bleibt noch ausgespart. Zu Beginn kann es in den
höheren Lagen der Mittelgebirge ab etwa 800 m noch schneien, so dass es in den
höchsten Lagen von Rothaargebirge über die Rhön und den Thüringer Wald hinweg
bis ins östliche Bergland wenige Zentimeter Neuschnee geben kann, bevor dieser
von Westen her in Regen übergeht. Mit der Warmfront dringt nämlich wieder eine
subtropische Meeresluft (mS) bei uns ein und in 850 hPa steigt die Temperatur
auf 2 bis 4°C.

Zudem setzt eine Dauerregenlage ein, deren Ausmaß bereits gestern in Warnungen
umgesetzt wurde. Allerdings erscheinen die in den Warnungen niedergeschriebenen
Regensummen aus aktueller Sicht etwas hoch angesetzt, da die Modelle die Mengen
etwas zurückgenommen haben. Zudem konzentriert sich vor allem im
nordwestdeutschen Flachland der Regen sehr stark auf die Zeit bis Mittwochfrüh,
so dass die Laufzeiten etwas lang erscheinen. Gegebenenfalls muss hier heute
noch etwas nachgesteuert werden. Nach aktuellem Stand dürfen in vielen Regionen
Nordwestdeutschlands meist 30 bis 40, vereinzelt bis 50 l/qm bis Donnerstagfrüh
erwartet werden. In den gewarnten Mittelgebirgsregionen sind es meist 40 bis 60,
vereinzelt bis 90 l/qm (teilweise Unwetter), so dass dort die gewarnten Summen
besser passen. Zudem sind dort auch die langen Laufzeiten angemessen, da in den
Staulagen auch am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag noch mehr Regen
fällt. Dabei sind sowohl deterministische Modelle als auch Ensembles und
einigermaßen guter Übereinstimmung, nur GFS zeigt noch den Schwerpunkt im
nordwestdeutschen Tiefland, also genau in den Hochwassergebieten.

Zurück zur Nacht zum Dienstag: Mit der Annäherung des Teiltiefs von Dietmar
kommt es von Westen her zu einer deutlichen Gradientverschärfung und in der
zweiten Nachthälfte frischt von Westen her der Südwind auf, so dass es vom
Südwesten bis zur Mitte zu steifen, im Bergland stürmischen Böen kommt. Auf
höheren Bergen gibt es Sturmböen, auf dem Feldberg dreht der Wind bis zu
orkanartigen Böen auf. Auch auf Helgoland kommt es zu stürmischen Böen, auf den
anderen Nordseeinseln zu steifen Böen. Dabei dreht der Wind im Norden sogar bis
Südost rück.

Zuletzt noch ein Wort zu den Temperaturen: Diese gehen unter Wolken meist auf 7
bis 4°C zurück, im Nordosten bei anfänglichen Auflockerungen bis 2°C, im höheren
östlichen Bergland und bei längeren Auflockerungen im Südosten (dort auch
schwachwindig) gibt es leichten Frost.

Am Dienstag... zieht an der Südflanke von Dietmar und entlang dessen Kaltfront
eine Welle (wahrscheinlich Annelie, könnte auch international benannt werden)
rasch heran. Diese zieht tagsüber unter Entwicklung eines Tiefdruckkerns über
England hinweg und erreicht am Abend das Seegebiet zwischen East Anglia und der
Doggerbank. Das alte Teiltief zieht derweil nach Norden Richtung Schottland.

Während sich tagsüber die Regenfälle der ersten Warmfront bis in den Nordosten
ausbreiten, wo sie sich aber abschwächen, setzt ab dem späten Vormittag mit
neuer Warmluftadvektion von Südwesten wieder teils mäßiger Regen ein. Dieser
breitet sich vor allem über dem Westen im Tagesverlauf nordwärts aus, aber
trocken bleibt am Dienstag kaum ein Landstrich. Am ehesten kann das auf Usedom
und Rügen sowie am unmittelbaren Alpenrand der Fall sein. Am Vormittag fällt in
den östlichen Mittelgebirgen teils noch Schnee, mitunter vor allem in Ostbayern
vorübergehend auch bis in tiefere Lagen, so dass es bei recht hohen
Niederschlagsraten insbesondere im Umfeld des Bayerischen Waldes auch mal 5 bis
10 cm Neuschnee in wenigen Stunden in Lagen zwischen 400 und 600 geben kann.

Mit dem neuen Schub Warmluft werden am Nachmittag im Westen Deutschlands in 850
hPa 5°C erreicht. Deutlich kälter (mit immer noch -2°C) bleibt es nur über dem
Nordosten, da das kräftige Skandinavienhoch die Zufuhr milder Meeresluft in
dieser Region nicht zulässt. So bleibt es über dem Norden und Nordosten auch bei
südöstlichem, teilweise sogar auf Ost rückdrehendem Wind, während dieser in den
übrigen Landesteilen auf Südwest dreht. Dort muss nach dem ersten Windmaximum
ausgangs der Nacht und am früher Vormittag mit einer leichten Abschwächung
gerechnet werden, bevor sich dann am Nachmittag mit dem Tief Annelie? der
Gradient wieder verschärft und im Südwesten der Wind erneut auffrischt. Wieder
werden dann im Flachland teilweise steife Böen erwartet, in exponierteren Lagen
stürmische Böen. Im höheren Bergland werden es dann im Südwesten vielfach
Sturmböen, in den exponierten Lagen schwere Sturmböen bis Orkanböen (letztere
auf dem Feldberg).

Die Temperaturen steigen am morgigen Dienstag noch etwas höher als heute, meist
werden 7 bis 13°C erreicht. Nur ganz im Nordosten bleiben die Temperaturen bei
etwa 5°C hängen.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das Tief Annelie? über die Nordsee ostwärts bis
ins Seegebiet nordwestlich von Sylt (nach ICON). An seiner Südflanke gibt es ein
kräftiges Sturmfeld, in welchem nach aktuellem Stand schwere Sturmböen, über der
offenen See auch orkanartige Böen aus Südwest zu erwarten sind. Nach ICON und
IFS würde dieser Sturm hauptsächlich über die Nordsee (mit Helgoland) ziehen und
am Morgen Nordfriesland treffen, Ostfriesland nachts nur touchieren. Nach UK10
soll aber die Zugbahn etwas südlicher verlaufen, nach GFS noch weiter nördlich.
Auf jeden Fall könnten aber Teile des Nordwestens des Landes von stürmischen
Böen bis Sturmböen aus Südwest betroffen sein, ebenso weite Teile des
Berglandes. Steife Böen gibt es noch weiter ausgreifend, nur der Südosten und
Nordosten werden hiervon verschont. Schwere Sturmböen bis Orkanböen gibt es auf
den exponierten Bergen vom Feldberg bis zum Brocken. Von der Ostsee bis in den
Norden Schleswig-Holsteins kann es stürmische Böen oder Sturmböen aus Ost geben.


Die Fronten mit den Regengebieten verlagern sich in den Norden und Nordosten,
wobei am meisten Regen im Nordwesten fällt. Deswegen muss auch im Bereich
Schleswig-Holsteins über eine Dauerregenwarnung nachgedacht werden, da auch dort
48-stündig (Dienstagvormittag bis Donnerstagfrüh) teils über 40 l/qm fallen
können. Auch über den Südosten zieht das Regengebiet nachts hinweg. Die
mittleren Landesteile geraten dagegen auf die Rückseite, wo eine sehr stark
erwärmte Meeresluft polaren Ursprungs (mPs) einfließt. Diese ist sehr feucht und
mit 2°C in 850 hPa auch sehr mild, so dass sie trotz kaum einfließender
Höhenkaltluft zunehmend labil geschichtet ist. Somit ziehen von Westen her noch
einzelne Schauer ins Land.

In weiten Landesteilen verläuft die Nacht wieder äußerst mild, wobei die Luft
nur auf 10 bis 5°C abkühlt. Nur ganz im Nordosten und Südosten geht es auf bis
zu 2°C runter.


Am Mittwoch... zieht Tief Annelie? nach Jütland und entwickelt sich zunehmend zu
einer zonalen Rinne, die sich südlich des Skandinavienhochs klemmt. Nach
aktuellem Stand bleibt die vorderseitige Kaltluft komplett außerhalb unseres
Landes, so dass es über Teilen Dänemarks bei kräftigem Ostwind ordentlich
schneit. Wir verbleiben dagegen an der Südflanke in einem weiterhin recht
kräftigen Gradienten. Das Sturmfeld unmittelbar südlich des Tiefkerns soll sich
am Vormittag rasch abschwächen, aber in der recht labil geschichteten Luftmasse
frischt der Wind landesweit (der Nordosten ist weiter ausgenommen) kräftig auf,
so dass wieder vielfach steife, im Bergland stürmische Böen erwartet werden. Auf
den hohen Bergen kommt es weiterhin zu Sturmböen bis Orkanböen, auch die Küste
Nordfrieslands ist bis zum Mittag von Sturmböen aus Südwest betroffen.

Der Regen zieht tagsüber aus dem Norden und Nordosten nordwärts ab. Dann kommt
es mit Ausnahme des Südens, wo es nur einzelne Schauer gibt, verbreitet zu
Schauern und schauerartigen Regenfällen. Auch einzelne Gewitter sind möglich.
Vor allem in den Staulagen der Bergländer sind vielfach weiterhin über 10 l/qm
zu erwarten, im Flachland Nordwestdeutschlands dagegen allgemein deutlich unter
5 l/qm, so dass dort die Dauerregenwarnungen schon auslaufen können.

In der super durchmischten Luftmasse steigt die Temperatur vielfach auf 10 bis
13°C an, etwas kälter bleibt es mit 7 bis 10°C ganz im Norden.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich der Kern des Tiefs Annelie? (nach
ICON-06-UTC-Lauf) in die Ostsee, so dass auf der Westflanke die kalte Luft von
Skandinavien wieder etwas nach Süden vorankommt. Dies könnte vor allem in
Schleswig-Holstein Schneefälle bringen. Ansonsten bleibt es bei den Schauern und
schauerartigen Regenfällen, die sich vor allem in den Mittelgebirgen und im
Süden mit einem von Westen hereinschwenkenden flachen Trog wieder etwas
verstärken.

Der Wind weht vor allem in Süddeutschland und im zentralen Bergland weiter
kräftig mit starken bis stürmischen Böen aus Westsüdwest. Auf den Bergen nimmt
er etwas ab, so sind in exponierten Lagen dann meist nur noch schwere Sturmböen
zu erwarten.

Die Temperatur sinkt meist auf 8 bis 4°C ab. Ganz im Norden kann es bis nahe 0°C
gehen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Zwar wird die synoptische Entwicklung grundsätzlich von allen Modellen ähnlich
gesehen, allerdings gibt es bezüglich der Zugbahn des Tiefs, das wir Annelie?
genannt haben, noch einige Unsicherheiten. Auch wie es am Mittwoch mit diesem
Tief weitergeht, wenn es von dem Skandinavienhoch blockiert wird, ist noch etwas
unsicher. So gibt es folglich auch noch Unsicherheiten bezüglich der Lage des
Sturmfeldes in der Nacht zum Mittwoch. Auch die Menge und Art der Niederschläge
am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag ist insbesondere ganz im Norden noch
unsicher. Wir sind dort hart an der Grenze zum skandinavischen Winterwetter, das
zumindest im Norden Schleswig-Holsteins auch durchsetzungsfähig sein könnte. Was
die Niederschlagssummen in der Dauerregengebieten angeht, ist auch noch etwas
Unsicherheit im Spiel. Allerdings erscheinen heute stärkere Regenfälle im
nordwestdeutschen Flachland am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag so
fraglich, dass eine Verkürzung der Warnandauer und eine Verringerung der Summen
angedacht ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann