DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

28-12-2023 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 28.12.2023 um 10.30 UTC



Milder und windiger, teils stürmischer Jahreswechsel. Zum Ende der Mittelfrist
voraussichtlich etwas kälter, aber höchstens, wenn überhaupt, etwas
"Berglandwinter".
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 04.01.2024


Das neue Jahr beginnt in etwa so, wie das alte enden wird: Überwiegend mild,
relativ feucht und windig, zeitweise auch stürmisch. Während der grobe Fahrplan
für die kommende Tage einigermaßen steht (Westwetterlage jeglicher Couleur),
gibt es im Detail teilweise erhebliche Modellunterschiede.

Doch nun zur Entwicklung im Einzelnen:
Die Mittelfrist beginnt mit dem letzten Tag des Jahres 2023, dem kommenden
Sonntag. Dann befindet sich das Vorhersagegebiet auf der Vorderseite eines
umfangreichen Höhentroges, der sich, mit zunehmend negativer Achsneigung
ausgestattet, von den Britischen Inseln über die westliche und südliche Nordsee
Richtung Mitteleuropa ausweitet. Die Hauptachse des Troges überquert Deutschland
in der Neujahrsnacht dabei allmählich nordostwärts.
Im Bodenfeld korrespondiert der Trog mit einem mit mehreren Drehzentren
ausgestatteten Tiefdruckkomplex. Dessen Kaltfront überquert im Tagesverlauf mit
etwas schauerartigem Regen Deutschland südostwärts, ihr folgt ein Schwall
maritim erwärmter Subpolarluft (0 bis -3 Grad in 850 hPa). Mit Übergreifen des
Troges gibt es dann vor allem im Westen und Norden weitere Schauer, vereinzelt
auch kurze Gewitter.
Der Wind weht generell lebhaft, meist aus Südwest. Zumindest im Nordseeumfeld
wird es wohl für stürmische Böen, eventuell auch für Sturmböen, im Bergland
sowieso, auf exponierten Gipfeln gibt es schwere Sturmböen.
Ob es auch im Binnenland für markante Böen reicht, ist unsicher und hängt von
der Position des südöstlichsten Tiefkerns, der sich Montagfrüh nach Lesart des
IFS in etwa über der mittleren Nordsee befindet, ab. Wenn überhaupt, wird das
aber wohl lediglich im Westen und Norden der Fall sein; eine großräumige
Sturmlage steht also voraussichtlich nicht an.
Aufgrund der guten Durchmischung der Luftmasse bleibt es sehr mild und nachts
reicht es wohl lediglich in windgeschützten Alpentälern für leichten Frost.

Am Montag, dem Neujahrstag, wird der Höhentrog durch einen "Kälteblock" über
Nordosteuropa (inklusive sich verstärkendes Bodenhoch über Nordskandinavien bzw.
Nordwestrussland) in seinem Vorankommen nach Nordosten blockiert und verliert
über der mittleren Nordsee, Dänemark und der südlichen Ostsee an Kontur. Von
Westnordwest über den mittleren Nordatlantik einlaufende Randtröge regenerieren
den gesamten Höhentrogkomplex nordwestlich der Britischen Inseln aber immer
wieder und an dessen Südflanke kann sich die westliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet vor allem in der Nacht zum Dienstag wieder verschärfen.
Im Bodenfeld kommt das kleinräumig Tief über der mittleren Nordsee allmählich
Richtung Skagerrak voran, wurde aber von der Trogachse überlaufen und füllt sich
bis zum Abend komplett auf. Vor allem im Westen und Norden dominiert noch
windiges (über der Deutschen Bucht eventuell stürmisches) Schauerwetter, im
Süden und Osten bleibt es dagegen weitgehend trocken und zeitweise scheint auch
die Sonne.
Bereits eingangs der Nacht greift die Warmfront einer Fontalwelle, die sich zu
dem Zeitpunkt noch südwestlich von Irland befindet, auf den Westen Deutschlands
mit Regenfällen über. Die Welle intensiviert sich rasch zu einem kleinräumigen
Sturmtief, das morgens nach Lesart des IFS mit einem Kerndruck von nahe 975 hPa
bereits über Nordwestdeutschland aufschlägt. Dabei fällt nicht nur viel Regen
(im westlichen Bergland in weiterer Folge vielleicht auch warnrelevant), sondern
an dessen Südflanke gibt es vor allem im Westen, Südwesten und in der Mitte
verbreitet stürmische Böen, auf den Bergen Sturm- bis Orkanböen.

Am Dienstag und in der Nacht zum Mittwoch zieht das Sturmtief weiter zur Ostsee,
gefolgt vom korrespondierenden Höhentrog. Zunächst gibt es vielerorts noch
stürmische Böen, später fächert der Gradient auf und der Wind lässt rasch nach.
Die Kaltfront gerät über der Mitte und dem Süden Deutschlands ins Schleifen, so
dass es dort tagsüber längere Zeit regnen kann. In der Nacht zum Mittwoch
erreicht sie die Alpen und schwächt sich rasch ab. Ihr folgt ein Schwall
maritimer Polarluft (T850 hPa -2 bis -6 Grad) mit Regen- und Graupelschauern, im
Bergland auch mit Schneeschauern vor allem im Norden und Osten, vereinzelt auch
mit kurzen Gewittern. Innerhalb der gut durchmischten Luftmasse bleibt es
relativ mild, wenngleich die Höchstwerte des Vortages nicht mehr erreicht
werden. In der Nacht zum Mittwoch kann es bei aufgelockerter Bewölkung
gebietsweise Frost geben.

Nach Passage des Höhentrogs folgt am Mittwoch ein Höhenkeil, der in der Nacht
zum Donnerstag Deutschland ostwärts überquert. Derweil regeneriert sich der
Höhentrog über Westeuropa erneut. Somit schwenkt ein dem Höhenkeil vorgelagerter
flacher Bodenhochkeil tagsüber rasch über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts
und erreicht abends bereits die Osthälfte des Landes. Vor allem in den Nordosten
sickert vorher noch ein Schwall skandinavischer Kaltluft mit -7 bis -10 Grad in
850 hPa, so dass es dort auch einzelne, wenngleich unergiebige Schneeschauer
geben kann. Insgesamt liegen die Maxima nach Lesart des IFS noch einmal etwas
niedriger als der des Vortages.
Bereits zum Abend erreicht aber die Warmfront eines Tiefs über der Irischen See
den Südwesten Deutschlands mit leichten Regenfällen. Im Warmsektor steigt die
850 hPa-Temperatur dann rasch wieder auf 0 Grad bzw. knapp darüber. In der Nacht
zum Donnerstag bleibt das Tief über der Irischen See quasistationär, die
Warmfront kommt über dem Vorhersagegebiet nur noch langsam nordostwärts voran
und wird durch den sich verstärkenden Hochdruckeinfluss weiter nördlich über
Skandinavien blockiert. Somit bleibt es im Nordosten Deutschlands noch trocken,
während ansonsten zeit- und gebietsweise regnet. Wo er Regen auf die
niedertroposphärisch kalte Luft trifft, kann es vorübergehend auch schneien bzw.
gefrierenden Rege geben. Der Wind nimmt vor allem im Warmsektor wieder zu, für
markante Böen reicht es aber wohl nur auf den Bergen.

Am Donnerstag kommt das inzwischen zentralsteuernde und hochreichende Tief über
Westeuropa weiterhin kaum nach Osten voran. Das zunehmend okkludierende
Frontensystem wird weiterhin durch den "Kälteblock" über Nordosteuropa blockiert
und kommt kaum nach Nordosten voran, so dass die präfrontalen Niederschläge über
dem Nordosten Deutschlands weiterhin in die relativ kalte Grundschicht fallen.
Ob es dort gebietsweise für etwas Schnee bzw. gefrierenden Regen reicht, ist
noch unsicher.
Postfrontal gelangt maritim erwärmte Subpolarluft ins Vorhersaggebiet und es
entwickeln sich noch Schauer, eventuell auch kurze Gewitter, Schnee fällt dabei
aber wohl lediglich in einigen Kammlagen.
Warnrelevante Böen sind weiterhin lediglich im Bergland zu erwarten.

In der erweiterten Mittelfrist bis zum übernächsten Wochenende arbeiten sich
zunächst der Bodentiefkomplex, später dann auch der Höhentrog von den Britischen
Inseln Richtung Mitteleuropa vor, während sich über dem nahen Ostatlantik ein
Höhenrücken aufwölbt. Somit können allmählich kältere Luftmasse ins
Vorhersagegebiet gelangen und zumindest im Bergland gehen die zeitweiligen
Niederschläge, die aber wohl nicht allzu ergiebig ausfallen, in Schnee über.
Eventuell reicht es auch an der Nordflanke des Tiefdruckkomplexes, über
Norddeutschland, zum Ende hin für etwas Schnee bis in tiefe Lagen. So richtig
winterlich sieht das aber auch nach Lesart des IFS zum Ende hin noch nicht aus.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Lediglich zu Beginn des Mittelfristzeitraumes erweisen sich die letzten drei
IFS-Läufe als einigermaßen konsistent. Im Detail ergeben sich aber auch dann
bereits Differenzen, insbesondere, was die Windentwicklung am
Silvesternachmittag bzw. in der Neujahrsnacht angeht. Diese haben beide Vorläufe
aufgrund leicht unterschiedlicher Randtiefentwicklungen etwas schärfer auf der
Agenda, wenngleich eine flächendeckende Sturmlage kein Modelllauf (mehr) auf der
Agenda hat.
Danach werden die Differenzen immer größer, vor allem, was die Phase und
Amplitude der jeweiligen, oft kurzwelligen Randtrogentwicklungen und die daran
gekoppelten Bodentiefs angeht. So haben die Sturmtiefentwicklung, die der
aktuelle Lauf für die Nacht zum bzw. für den Dienstagvormittag zeigt, beide
Vorläufe komplett anders auf der Agenda. Der gestrige 12 UTC-Lauf simuliert die
Randtiefentwicklung deutlich schwächer, im gestrige 00 UTC-Lauf fehlt das Tief
sogar komplett.
Diese Differenzen setzen sich bis in die erweiterte Mittelfrist weiter fort und
verstärken sich sogar. Die kältere Luft, die am Mittwoch und Donnerstag
kurzzeitig mal in den Nordosten und sogar bis in die Mitte des Landes vorstößt,
wird im aktuellen Lauf rascher wieder nach Nordosten abgedrängt.
Der gestrige 12 UTC-Lauf deutet für die erweiterte Mittelfrist immerhin ein
Vordrängen des Höhentrog- und Bodentiefkomplexes nach Mitteleuropa an.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Alle vorliegenden Modelle haben zwar den Mitteleuropa überquerenden Höhentrog
zum Jahreswechsel auf der Agenda, unterscheiden sich aber im Detail, was die
genaue Zugbahn und Entwicklung eventueller kurzwelliger Troganteile und der
daran gekoppelten Bodentiefs bzw. Bodentröge angeht. Für beide Tage zeigt das
GFS noch die schärfste Windentwicklung und simuliert vor allem in der
Silvesternacht auch im Binnenland häufiger markante Böen (Bft 8). Insgesamt
scheint aber für beide Tage eine wirklich gröbere Sturmlage vom Tisch, lediglich
auf den Bergen und im Nordseeumfeld reicht es für Sturmböen.
Danach werden die Differenzen noch größer, was an den unterschiedlich
simulierten Amplituden und Phasen der kurzen Wellen bzw. Randtröge angeht. Die
vom IFS simulierte Sturmtiefentwicklung in der Nacht zum bzw. am Dienstag (2.1.)
hat das ICON weiter nördlich, über der Nordsee auf der Agenda, inklusive
schwerer Sturm- bzw. orkanartiger Böen über der Deutschen Bucht. Nach Lesart des
GFS bleibt es dagegen über der nördlichen Nordsee, allerdings lässt das Modell
die Kaltfront über der Mitte Deutschlands verwellen, so dass es im Süden neben
kräftigen Regenfällen im Warmsektor auch Sturmböen geben könnte. UK10 dagegen
lässt ein Tief in der Nacht zum Mittwoch über die Mitte Deutschlands hinweg
ostwärts ziehen, an dessen Nordflanke es bis in mittlere Höhenlagen
vorübergehend mal kräftig schneien könnte.
Zum Ende der Mittelfrist, wenn die rückseitig des Tiefs einströmende, etwas
kältere Luftmasse nach Lesart des IFS am Donnerstag rasch wieder nach Nordosten
abgedrängt wird, simuliert ICON den Aufbau eines Zwischenhochs, GFS dagegen ein
von der mittleren Nordsee zur südlichen Ostsee ziehendes Sturmtief, an dessen
Südwestflanke sich vor alle für den Nordosten eine Sturmlage andeutet, während
UK10 eine Troglage mit Regen- und Schneeschauern teils bis in tiefere Lagen
andeutet.
Die teilweise großen Modellunterschiede erschweren die Mittelfristprognosen im
Detail erheblich.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Zeitraum 72 bis 96 Stunden verteilen sich die ENS-Member, der Haupt- und
Kontrolllauf auf drei Cluster, die zwar allesamt die recht weit südlich
verlaufende Frontalzone auf der Agenda haben (Großwetterlagenregime NAO
negativ), bei genauerer Betrachtung die entscheidenden Differenzen für die
Wetterentwicklung zum Jahreswechsel aber deutlich werden: CL 1 (28 Member,
inklusive Haupt- und Kontrolllauf) und CL 3 (7 Member) vereinen wohl die Member
mit etwas schwächeren bzw. nördlicheren Randtiefs über der Nordsee, während CL 2
(16 Member) die Lösungen mit kräftigeren Bodentiefs repräsentiert. Immerhin
deuten somit einige Einzelläufe wohl durchaus die Möglichkeit einer etwas
großflächigeren markanten Windlage zum Jahreswechsel an, ähnlich wie das GFS.

Auch im nächstfolgenden Zeitraum (120 bis 168 Stunden) bleibt es bei der
südlichen Westlage, wobei sogar nur noch ein Cluster auftaucht. Kopfzerbrechen
bereitet dem Forecaster somit nicht die Großwetterlage generell (unbeständig,
zeitweise windig, mild), sondern, wie bereits beschrieben, die von Modell zu
Modell (und somit auch von Member zu Member) unterschiedlich simulierten Phasen
und Amplituden der kurzen Wellen und daran gekoppelten Bodentiefentwicklungen,
die die Detailprognosen erheblich erschweren. Der grobe Fahrplan aber steht.

Zwei Cluster hat dann die erweiterte Mittelfrist (196 bis 240 Stunden) auf der
Agenda, wobei CL 1 mit 28 Membern weiterhin eher eine Fortsetzung der südlichen
Westlage mit einem progressiv durchschwenkenden Trog-Rücken-Muster andeutet und
CL 2 (23 Member plus Hauptlauf) einen sich aufbauenden Höhenrücken über dem
nahen Ostatlantik zeigt mit einem über Mitteleuropa Richtung Mittelmeer
abtropfenden Trog, auf dessen Rückseite dann kältere Luftmassen aus Nordeuropa
zu uns vordringen könnten.

Auffällig in den Rauchfahnen ist, was die 850 hPa-Temperatur der einzelnen
Member angeht, die Bündelung vieler Einzelläufe in einem nur recht engen Spread
um den Median mit nur wenigen Ausreißern nach unten und nach oben. Insgesamt
bewegt sich der Median der 850 hPa-Temperatur mit leicht sinkender Tendenz meist
zwischen 0 und -6 Grad.
Bei genauerer Betrachtung der Einzelläufe in den Rauchfahnen fallen aber die
großen Unterschiede bzgl. der Regenmengen von Lauf zu Lauf auf, was auf die
schon mehrfach genannte Problematik der mit größeren Differenzen simulierten
Wellenphasen bzw. -amplituden hindeutet.

Somit kann als grobes FAZIT festgehalten werden:
Es geht bis in die erweiterte Mittelfrist, eigentlich wie gehabt, sehr
wechselhaft weiter; wenn eines nicht in Sicht ist, ist das stabiles
Hochdruckwetter.
Zwar kann es immer mal wieder stürmisch werden, auch im Binnenland bzw. in den
Niederungen, eine großräumige Sturmlage steht aber erst einmal nicht auf der
Agenda. Zum Ende der Mittelfrist können wohl allmählich kältere Luftmassen zu
uns vordringen, diese bescheren aber vorerst höchstens dem Bergland einen Hauch
von Winter.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Über den gesamten Mittelfristzeitraum, zumindest erst einmal bis zum Dienstag
bzw. der Nacht zum Mittwoch kann es zwar auch im Binnenland bzw. in den
Niederungen immer mal wieder stürmische Böen, vielleicht sogar vereinzelt auch
mal Sturmböen geben, im Detail gehen die Modelle aber noch deutlich auseinander
und das deutet sich auch in der Probabilistik an.
Diese hat aktuell vor allem in der Nacht zum bzw. am Dienstag leicht erhöhte
Wahrscheinlichkeiten dafür auf der Agenda.
An den Küsten, insbesondere im Nordseeumfeld, sind die Wahrscheinlichkeiten für
markante Böen (Bft 8 bis 9) höher, ebenso in den Gipfellagen der Mittelgebirge,
am Dienstag und Mittwoch wohl auch der Alpen, wo es zudem auch schwere Sturmböen
geben kann, vielleicht auch mehr.
Niederschläge spielen warntechnisch wohl zunächst nur eine untergeordnete Rolle.
Leicht erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Dauerregen werden erst am Dienstag und
in der Nacht zum Mittwoch für die Staulagen der zentralen und süddeutschen
Mittelgebirge angedeutet.
Als einziges Modell zeigt das UK10 in der Nacht zum Mittwoch und
Mittwochvormittag an der Nordflanke eines über die Mitte hinweg ostwärts
ziehenden Tiefs markante Schneemengen bis in mittlere Höhenlagen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghof