DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

26-12-2023 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 26.12.2023 um 10.30 UTC



Vorerst kein Winter in Sicht. Wechselhaft, zeitweise windig bis stürmisch und
für die Jahreszeit zu mild. Sonntag Gefahr einer großräumigen Sturmlage
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 02.01.2024


Deutschland liegt weiterhin im Bereich einer zonal verlaufenden Frontalzone,
wobei das Wettergeschehen durch kurzwellige Keile und Tröge geprägt wird. Einer
dieser Tröge wird am Freitag über die Britischen Inseln hinweg unter leichter
Verschärfung ostwärts gesteuert. Die vorgelagerte Kaltfront liegt schleifend und
daher wellend über der Mitte Deutschlands, wodurch vom Westen bis in die Mitte
hinein teils länger andauernder Regen zu erwarten ist. An der Südflanke frischt
der Wind auf, so dass in den Mittelgebirgen Sturmböen, auf exponierten Gipfeln
schwere Sturmböen und im Lee der Mittelgebirge stürmische Böen auftreten. In der
Nacht zum Samstag überquert der von den Britischen Inseln kommende Trog
weitgehend das Vorhersagegebiet. Die Niederschläge sind dann konvektiv
durchsetzt, kurze Gewitter mit Graupel und Sturmböen bis in tiefe Lagen sind
nicht auszuschließen. Oberhalb 600 m fällt dann etwas Schnee.
Am Samstag greift ein flacher Rücken auf Mitteleuropa über, für ein Zwischenhoch
reicht es nicht. Dieser Rücken ist mit Annäherung der Warmfront eines nach
Schottland ziehenden Sturmtiefs von Warmluftadvektion überlaufen, wodurch im
Norden nach kurzer Unterbrechung von der Nordsee her bei auffrischendem
Südwestwind erneut Regen einsetzt. Ansonsten sind im Südwesten und im Lee der
Gebirge ein paar Auflockerungen vorstellbar. In der Nacht zum Sonntag wird das
Sturmtief von Schottland rasch über die Nordsee und Jütland hinweg ostwärts
gesteuert. Dessen Kaltfront greift leicht schleifend und mit länger andauerndem
Regen in Nordseenähe auf den Nordwesten Deutschlands über. Präfrontal und auch
im Frontbereich frischt der Wind mit Sturmböen bis in tiefe Lagen auf. Im
Bergland sind dann schwere Sturmböen bis hin zu Böen von Orkanstärke in den
Kamm- und Gipfellagen zu erwarten.
Am Sonntag arbeitet sich die Kaltfront des dann über Südschweden hinweg in die
Ostsee ziehenden Sturmtiefs bis nach Süddeutschland vor. Da diese Front aufgrund
ihrer annähernd strömungsparallelen Lage weiterhin leicht schleift, dauern die
Niederschläge vor allem über den mittleren Regionen und dort über dem Bergland
längere Zeit an, wobei durchweg Regen fällt. Lediglich in Donaunähe und südlich
davon bleibt es noch größtenteils trocken. Nach wie vor besteht die Gefahr von
Sturmböen bis in tiefe Lagen, wahrscheinlich beginnt erst ab dem Abend der
Gradient allmählich aufzuweichen. In Verbindung mit kurzen Graupelgewittern
besteht Gefahr schwerer Sturmböen. In der Nacht zu Montag (Silvesternacht)
nähert sich die Kaltfront den Alpen, wodurch dann im Süden teils länger
andauernder Regen fällt. Ansonsten folgen noch einzelne Schauer, die im Bergland
oberhalb 600 m meist als Schnee fallen, allerdings reicht es nur für wenige
Zentimeter Schnee. Im Bereich eines Zwischenhochs erfolgt Wetterberuhigung,
gebietsweise klart es auf, vor allem im Bergland (aber nicht nur dort!) muss
dann mit Glätte durch überfrierende Nässe gerechnet werden.
Am Montag (Neujahr) hält sich noch Zwischenhocheinfluss. Allerdings merkt man im
Süden Deutschlands hiervon nicht allzu viel. Die Kaltfront liegt weiterhin an
den Alpen und wird durch eine erneute Zyklogenese, dieses Mal in Richtung
Westausgang Ärmelkanal, als Warmfront rückläufig, so dass sich im Süden
Deutschlands kaum eine Unterbrechung der Niederschläge abzeichnet; vielmehr
setzt von Südwesten und Westen her erneut Regen ein. Im Norden und Nordosten
sind dann im Bereich der zuvor eingeflossenen kühleren und trockeneren Luft
größere Auflockerungen vorstellbar. In der Nacht zum Dienstag verlagert sich das
Tief unter weiterer Intensivierung zu einem Sturmtief in den Ärmelkanal. Mit der
Warmfront erfassen die Niederschläge, die vor allem im Westen auch länger
andauern, die mittleren Teile Deutschlands.
Am Dienstag erfasst das Tief nebst korrespondierendem Trog Deutschland, wodurch
dann insgesamt ein eher regnerischer Tag zu erwarten ist. Dabei füllt sich
dieses Tief rasch auf, so dass Sturmböen wahrscheinlich auf höhere Berglagen
beschränkt sind. In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich dieses Tief nach
Westpolen. Rückseitig fließt mit einer kräftigen, auf Nordwest bis Nord
drehenden Strömung kühlere Luft ein, so dass die Niederschläge oberhalb 600 und
später bis etwa 400 m herunter in Schnee übergehen. Bedingt durch den kräftigen
Gradienten muss dann zumindest im Bergland wieder mit Sturm- und schweren
Sturmböen gerechnet werden.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum kommt eine Luftmassengrenze
zwischen merklich kühlerer Luft im Norden und Nordosten und etwas milderer Luft
in den andren Landesteilen zustande. Dabei sind weitere Niederschläge zu
erwarten, wobei es in den nördlichen und östlichen Mittelgebirgen bis in tiefere
Lagen schneit und im südwestdeutschen Bergland und an den Alpen die
Schneefallgrenze etwa bei 800 m liegt. Dabei ist es nicht mehr so mild wie
bisher. In den Nächten stellt sich bei Aufklaren leichter Frost ein.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Nur anfangs, d.h. am Freitag, ist der aktuelle Lauf zu den gestrigen
Simulationen konsistent. Bereits am Samstag läuft die Entwicklung aus dem Ruder.
Die neueste Modellrechnung hat einen flachen Rücken im Angebot, nach den
gestrigen Läufen wäre stattdessen ein Trog zu erwarten. Von Konsistenz kann auch
danach und somit zum Jahreswechsel keine Rede sein. Wobei der aktuellste Lauf
den kräftigsten Gradienten zu bieten hat. Auch die erneute Sturmtiefentwicklung
am Dienstag kommender Woche hatten die gestrigen Modellläufe noch nicht auf dem
Radar. Diese zeigten über Westeuropa einen flachen Rücken und danach eine west-
südwestliche straffe Strömung mit erneuter Zufuhr von deutschlandweit sehr
milder Luft. Hinsichtlich der Temperaturen im 850 hPa-Niveau ergibt sich am
Donnerstag im Nordosten Deutschlands zwischen der aktuellen Modellversion und
den gestrigen Ergebnissen ein Unterschied von 10 bis 15 K.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die verfügbaren Modelle divergieren nicht so rasch wie die einzelnen EZMW-Läufe.
Zwar ergeben sich am Samstag hier auch Unterschiede hinsichtlich der Passage des
Troges, aber diese liegen im Bereich der Prognoseunschärfe. Auch die Sturmlage
am Sonntag lässt sich bei mehr oder weniger allen Modellen finden, wobei UK10
den Gradienten etwas schwächer ausprägt. Das Zwischenhoch am Neujahrstag ist
auch bei ICON, GFS und beim Modell des kanadischen Wetterdienstes zu finden;
UK10 lässt dann bereits einen Trog auf Mitteleuropa übergreifen. Die
Sturm-Zyklogenese am Dienstag wird dagegen von keinem anderen Modell gestützt;
aufgrund der kräftigen Strömung ist aber eine derartige Entwicklung nicht
auszuschließen und muss weiter verfolgt werden.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum lässt sich die weiter oben
beschriebene Luftmassengrenze auch bei GFS und beim kanadischen Modell finden.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das EPS des GFS stützt weitgehend das deterministische Modell. Bei Betrachtung
der Anomalie des EPS-Mittels mehren sich im erweiterten mittelfristigen
Vorhersagezeitraum die Anzeichen für eine Blockierung im Raum Südgrönland -
Island. Und als Gegenspieler hierzu tieferes Geopotential über dem südlichen
Nordatlantik bis hin zu den Azoren. Somit ist dann der allmählich einsetzende
Temperaturrückgang, der etwa ab Mitte der ersten Januarwoche nicht nur von den
beiden ungestörten Läufen (von denen aber ganz besonders ausgeprägt), sondern
auch von der Mehrzahl der Member mitgetragen wird, folgerichtig.
Das EPS des EZMW zeigt zwar ab dem Jahreswechsel ebenfalls eine Drehung der
Strömung auf nordwestliche Richtungen, ohne dass sich aber eine Luftmassengrenze
abzeichnet wie beim deterministischen Lauf. Demzufolge ergibt sich seitens der
Clusterung ein widersprüchliches Bild. Mehr als zwei Drittel der Member haben
weiterhin eine leicht mäandrierende Frontalzone im Programm, nur ein Cluster mit
14 Membern setzt ebenfalls auf eine nordwestliche Strömung. Erst weit nach
Wochenmitte deutet sich eine Abschwächung der Frontalzone an. Auch das
Clustering gemäß Großwetterlagen zeigt ab Mitte der ersten Januarwoche einen
beginnenden Trend von nördlichen und nordöstlichen und dann eher
antizyklonaleren Strukturen, was, wenn auch mit einer gewissen Verzögerung
gegenüber dem EPS des GFS, auch auf eine Abkühlung hinauslaufen würde.
Demzufolge ist der Trend des EPS auch in zu kälteren Temperaturen gerichtet,
wenngleich dies nicht so ausgeprägt der Fall ist wie bei EPS des GFS. Zudem ist
beim EPS des EZMW der Spread größer. Im Nordosten markiert der deterministische
Lauf etwa die kalte Grenze der Verteilung der Einzellösungen. Nach Südwesten hin
ist die Tendenz einer Temperaturabnahme weniger deutlich erkennbar und stärkeren
Schwankungen unterworfen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Freitag muss aufgrund der schleifenden Kaltfront im westlichen Bergland
erneut mit Dauerregen von mehr als 30 l/qm innerhalb von 24 Stunden, in
Staulagen bis über 40 l/qm gerechnet werden. Zudem kommen im Nordwesten und bis
in die Mitte hinein und dort vor allem im Lee der Mittelgebirge wahrscheinlich
stürmische Böen bis Bft 8 aus Südwest, an der Nordsee und in den Mittelgebirgen
durchweg Sturmböen Bft 9 aus Südwest bis West und auf höheren Berggipfeln
schwere Sturm- und einzelne orkanartige Böen auf.
Am Samstag besteht in Nordseenähe und erneut in den Staulagen der westlichen
Mittelgebirge die Gefahr von Dauerregen mit mehr als 30 l/qm innerhalb von 24
Stunden. Darüber hinaus gibt es in höheren Berglagen sowie an der Ostseeküste
Vorpommerns wahrscheinlich Sturmböen Bft 8/9.
Am Sonntag droht eine Sturmlage. Abgesehen vom äußersten Südosten besteht
verbreitet Gefahr von Sturmböen Bft 8/9 bis in tiefe Lagen. Im Bergland gibt es
sehr wahrscheinlich durchweg schwere Sturmböen (Bft 10, um 100 km/h), in Kamm-
und Gipfellagen Böen bis Orkanstärke. Darüber hinaus können auch kurze Gewitter
mit Graupel und schweren Sturmböen nicht ausgeschlossen werden.
Zu Neujahr erfolgt eine Wetterberuhigung, aber in den Frühstunden besteht
Glättegefahr durch überfrorene Nässe. Im östlichen Bergland und an der Ostsee
kann es mit geringer Wahrscheinlichkeit noch stürmische Böen geben, sonst sind
dann wahrscheinlich keine markant zu bewarnenden Wetterereignisse zu erwarten.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EPS, anfangs MOS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann