DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-12-2023 18:30
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 23.12.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Nach starkem Schneefall im Erzgebirge starkes Tauwetter (Unwetter). Weiter
anhaltende kräftige Regenfälle in den Mittelgebirgen (ebenso teils Unwetter).
Verbreitet windig bis stürmisch, auf dem Bergen teils Orkan (nochmal Unwetter).

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich ein Langwellentrog von Grönland südostwärts über
Skandinavien bis zum Schwarzen Meer und zur Türkei. Diesem steht ein breiter
Rücken über dem nahen Atlantik gegenüber. Dazwischen liegt Deutschland im
Bereich einer sehr kräftigen nordwestlichen Höhenströmung, ein Jetmaximum mit
über 150 kt befindet sich dabei über Polen. Bodennah liegt das altbekannte Tief
Zoltan immer noch über dem Baltikum, währenddessen ein recht weit östlich
liegendes Azorenhoch einen Keil bis zu den Alpen geschoben hat. Damit liegt
Deutschland auch bodennah in einem recht kräftigen Gradienten. Das nächste Tief
Abdul (mit einem Kerndruck von unter 980 hPa) steht schon südlich von Island
bereit.

Wenig überraschend finden sich unter der kräftigen Höhenströmung auch mächtige
thermische Gegensätze über Deutschland. So liegt derzeit eine Luftmassengrenze
auf einer Linie von der Nordsee bis zum Erzgebirge. Diese ist nach aktueller
Analyse weder mit Zoltan noch mit Abdul direkt verbunden. Auf der kalten Seite
im Nordosten Deutschlands liegen die Temperaturen in 850 hPa um etwa -6°C
(maritime Polarluft mP), während in die Südwesthälfte eine abgekühlte
subtropische Luftmasse (mSp) geführt wird, die in 850 hPa +2°C aufweist. Entlang
dieser Luftmassengrenze sind heute mehrere flache Wellen entlang gezogen, die
für reichlich Hebung gesorgt haben, zudem kommt es generell über recht großen
Gebieten Deutschlands zu Hebung durch Warmluftadvektion. Aktuell zieht die
letzte Welle nach Tschechien ab. Auf der kalten Seite kommt es nach wie vor zu
Schneefall teils bis in tiefere Lagen, insbesondere im Stau des Erzgebirges
fällt dieser mitunter kräftig aus, so dass heute insbesondere im zentralen
Erzgebirge bis zu 50 cm Neuschnee in den Staulagen erwartet werden. Deswegen
gilt dort noch bis 22 Uhr eine Unwetterwarnung. Richtung Erzgebirgsvorland und
Lausitzer Bergland fällt weniger Schnee, dort gilt eine markante Warnung.
Ansonsten reicht es in den Tieflagen des Nordostens bei recht guter
Durchmischung nicht ganz für Schnee oder nur sehr nassen Schnee.

Südwestlich der Luftmassengrenze, die sich im weiteren Verlauf wieder nach
Nordosten ausdehnt - dazu später mehr - kommt es weiterhin zu anhaltenden
Regenfällen. Diese halten - je nach Region - bis zum Montag an. Betrachten wir
dabei die 48-stündigen Regenmengen von heute Abend bis Montagabend, so stechen
(bei ICON, die anderen Modelle sind aber nicht so unähnlich, wenngleich GFS und
IFS etwas geringere Regensummen aufweisen) vor allem der Harz mit bis zu 80 l/qm
und das Bergische Land mit bis zu 60 l/qm hervor. Auch ansonsten sind vor allem
auf dem Streifen vom Bayerwald bis zum Thüringer Wald sowie im Nordwesten und
den westlichen Mittelgebirgen vielfach noch einmal 20 bis 40 l/qm zu erwarten.
Aufgrund der bereits gefallenen Mengen, die in den bereits gewarnten Regionen
vielfach zwischen 40 und 80 l/qm (seit Donnerstag) liegen, teilweise auch schon
über 100 l/qm, wurden teils Verlängerungen der (Unwetter-)Warnungen bis Montag
ausgegeben, zumal auch die Hochwasserlage regional schon ganz schon angespannt
ist. Insgesamt kommen in Zeiträumen zwischen 3 und 4 Tagen in den entsprechenden
Regionen vielfach 60 bis 150 l/qm zusammen, in einzelnen Staulagen in den
Unwetterregionen dürften 150 bis 200 l/qm zusammenkommen.

Nun noch zum Wind: Vor allem südwestlich der Luftmassengrenze ist der Gradient
recht stark, während er im Nordosten etwas auseinandergezogen ist. Dort kommt es
nur noch an der Ostsee zu starken bis stürmischen Böen, während in der gesamten
Südwesthälfte steife bis stürmische Böen auftreten. Im Süden sowie im höheren
Bergland kommt es weiterhin zu Sturmböen, in einigen exponierten Lagen auch zu
Sturmböen. Auf exponierten Bergen kommt es zu schweren Sturmböen bis Orkanböen.

In der Nacht zum Sonntag (Heiligabend) drückt sich in den breiten atlantischen
Rücken von Nordwesten her ein flacher Trog hinein. Auf dessen Vorderseite kommt
es zu einer weiteren Verstärkung (unter 970 hPa) des Tiefs Abdul, dieses zieht
ostwärts in Richtung Nordmeer. Damit gelangt auch die bei uns liegende
Luftmassengrenze zunehmend in dessen Einflussbereich und wird im Laufe der Nacht
zunächst langsam, später immer schneller als Warmfront nach Osten gesteuert.
Rückseitig der Warmfront weht der Wind weiterhin kräftig aus Südwest bis West,
auf der Vorderseite dreht er auf Süd bis Südost zurück. Dabei weht der Wind
anfangs ähnlich stark wie aktuell, später schwächt er sich allmählich leicht ab,
wobei sich das Windfeld mit der Warmfront nach Osten ausdehnt. Im Verlauf der
Nacht sind es im Flachland dann meist nur noch steife Böen, vereinzelt in
exponierten Lagen auch stürmische Böen. Auf den exponieren Bergen (Feldberg,
Brocken, Erzgebirge, Bayerischer Wald, Alpen) sind weiterhin schwere Sturmböen
bis Orkanböen aus West zu erwarten.

Mit der nach Osten vorankommenden Warmfront weiten sich auch die Niederschläge
bis zum Morgen bis Vorpommern aus. Dabei schneit es anfangs am Erzgebirge noch
kräftig, später ziehen sich die Schneefälle zunehmend ins Lausitzer Bergland
zurück. Dort geht nach Mitternacht der Schnee in Regen über. Auch im
nordostdeutschen Flachland kann es teils schneien, allerdings bleibt die
Luftmasse bei mäßigem Wind einigermaßen gut durchmischt, auch die
Niederschlagsraten sind nicht allzu stark. Somit werden die Temperaturen wohl
nicht ganz bis 0°C hinuntergedrückt und es bleibt bei nassem Schnee, der oftmals
auch gar nicht liegen bleibt. Allenfalls bei vorübergehenden Verstärkungen kann
es mal etwas Matsch oder eine dünne Schneedecke geben. Im Erzgebirge fallen auf
den frisch gefallenen nassen Schnee 5 bis 10 l/qm Regen, nach Westen zu teils
auch über 15 l/qm. Dabei steigt die Temperatur spürbar an, so dass unmittelbar
Tauwetter einsetzt. Aufgrund der simulierten Schnee- und Regensummen darf
deswegen bis Montagabend in großen Teilen des Erzgebirges mit einem
Niederschlagsdargebot von etwa 40 bis 50 l/qm gerechnet werden, punktuell bis 70
l/qm. Dies wird auch von Snow4 gestützt, wo man auch regional auf 40 bis 60 l/qm
kommt. Entsprechende Unwetterwarnungen wurden ausgegeben.

In den Nordwesten ziehen in der zweiten Nachthälfte neue Regenfälle. Hier macht
sich besonders kräftige Warmluftadvektion im Vorfeld der ursprünglichen
Warmfront Abduls bemerkbar. In Summe fallen von der Nordsee bis nach Ostbayern
vielfach weitere 10 bis 20 l/qm Regen, in den Mittelgebirgen teils mehr,
insbesondere im Harz um 40 l/qm. Nach Südwesten hin fällt weniger Regen. Ganz im
Süden kann es teils auch trocken bleiben und an den Alpen sind auch einige
Wolkenauflockerungen möglich.

Die Temperatur steigt insbesondere in der Nordosthälfte im Verlauf der Nacht
deutlich an. Gegen Morgen liegen die Werte dann in den meisten Regionen bei 6
bis 10°C. Nur nordöstlich einer Linie Rostock-Cottbus ist es dann mit 0 bis 5°C
deutlich kälter, mit den tiefsten Werten in Vorpommern. Auch ganz im Süden kann
es bei Auflockerungen etwas kälter werden.

Am Sonntag (Heiligabend)... zieht der oben erwähnte flache Trog bis nach
Südskandinavien. Tief Abdul zieht dabei bis in die nördliche Nordsee und
erreicht vorübergehend einen Kerndruck um 965 hPa. Am Abend bildet sich bereits
ein Ableger im Oslofjord. Die Warmfront des Tiefs verabschiedet sich am
Vormittag rasch nach Nordosten, so dass ganz Deutschland in den Bereich des
Warmsektors gerät. In der einfließenden maritimen Subtropikluft (mS) steigt in
850 hPa die Temperatur auf etwa 2 bis 7°C. Am Nachmittag dringt dann die
thermisch nur wenig markante Kaltfront mit schauerartigen Regenfällen in den
Nordwesten des Landes ein. Auch im Süden des Landes kommt es zu leichten
Regenfällen. Dieses Regengebiet lässt sich wohl als Überrest der "alten"
Warmfront Abduls interpretieren, die bis in den Süden Deutschlands vordringt.
Insbesondere im Norden fallen dabei wieder flächendeckend um 5 bzw. bis 10 l/qm
Regen. In einigen Mittelgebirgen und auch im Nordwesten, wo am Nachmittag die
Kaltfront am aktivsten ist, sind es auch wieder 10 bis 20 l/qm. Ansonsten ist es
im Süden und Südwesten meist weniger.

Bei so vielen Wolken braucht auf Sonne nicht spekuliert werden. Diese setzt sich
allenfalls zeitweise an den Alpen durch. Dafür wird es landesweit sehr mild mit
meist 8 bis 12°C. Nur in den Mittelgebirgen bleibt es etwas kühler, aber auch im
Erzgebirge werden um 7°C erreicht, so dass sich dort bei nur noch leichtem Regen
das Tauwetter fortsetzt und die gerade erst gefallene Schneedecke gleich wieder
in die Bäche gespült wird.

Bei weiterhin starkem Gradienten an der Südflanke von Abdul setzt sich
landesweit Südwestwind durch, wobei die Böenspitzen zwischen 6 Bft in etwas
geschützteren Lagen und 8 Bft in etwas exponierteren Lagen erreichen, so dass
landesweit eine gelbe Windwarnung nötig wird, im Nordosten aber erst ab dem
Nachmittag. Mit der Kaltfront treten dann am Abend im Nordwesten wieder
verstärkt stürmische Böen auf, an der See auch Sturmböen, wobei der Wind auf
West dreht. Am Höhenwindfeld ändert sich nur wenig, so dass die höheren
Mittelgebirgslagen an Heiligabend allgemein Sturmböen ausgesetzt sind, auf den
berüchtigten (und oben erwähnten) exponierten Bergen sind es weiterhin schwere
Sturmböen bis Orkanböen.

In der Nacht zum Montag (1. Weihnachtsfeiertag) zieht der flache Trog über
Südskandinavien und die Ostsee hinweg bis ins Baltikum. Bei Tief Abdul nimmt der
Ableger aus dem Oslofjord das Kommando und zieht bis zum Morgen an die Küste
Lettlands. Seine Kaltfront dringt über Deutschland südwärts vor und erreicht
gegen Morgen die Regionen südlich des Mains mit Regenfällen. Abgesehen vom
Norden und dem Süden fallen wieder vielfach 2 bis 10 l/qm Regen, vor allem in
den westlichen Mittelgebirgen teils um 20 l/qm. Arome und UK10 deuten
streifenweise Maxima über 10 l/qm an, was auf kräftige Schauerlinien hindeutet,
für Gewitter ist die Schichtung aber zu stabil.

Rückseitig fließt eine erwärmte maritime Polarluft (mPs) in den Norden ein, dort
sinkt in 850 hPa die Temperatur auf etwa -2°C. Dort kann es in der zweiten
Nachthälfte auch ein paar Auflockerungen geben. Auch ganz im Süden kann es
Auflockerungen geben.

Über den Norden und die nördliche Mitte zieht ein kräftiges Windfeld hinweg,
dort kommt es wieder vermehrt zu stürmischen Böen, bei Schauern sollten
Sturmböen ins Kalkül gezogen werden. An der See kommt es generell zu Sturmböen,
an den westexponierten Lagen der Nordsee und später auch der Ostsee auch zu
schweren Sturmböen. Im Süden bleibt es bei den starken bis stürmischen Böen,
wobei in allen Regionen in der zweiten Nachthälfte eine Abschwächung einsetzt.
Die exponierten Berge liegen weiterhin im Bereich des Starkwindfeldes, so dass
dort auch weiterhin schwere Sturmböen bis Orkanböen auftreten.

In der windigen und trüben Heiligen Nacht bleibt es dementsprechend mild, so
dass es abgesehen von Hochlagen meist nur auf 10 bis 5°C abkühlt.

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Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Am Montag (1. Weihnachtsfeiertag)... dreht die Höhenströmung auf West und
mäandriert nur schwach. Die stärkste Höhenströmung mit dem Jetstream liegt knapp
nördlich unseres Landes. Mit Hochdruckeinfluss im Mittelmeerraum stellt sich
eine klassische zyklonale Westlage ein. Tief Abdul zieht mit der kräftigen
westlichen Strömung nach Russland ab, doch das nächste Tief (Bodo?) erreicht am
Abend schon die Nordsee und soll bis Dienstagmorgen (2. Weihnachtsfeiertag)
schon Südschweden erreichen. Die Kaltfront kommt dabei am Montagvormittag
maximal bis zur Donau südwärts voran und bewegt sich dann als Warmfront wieder
nordwärts. Dabei intensivieren sich die Regenfälle am Nachmittag und in der
ersten Nachthälfte im Nordwesten Deutschlands, bevor dann in der zweiten
Nachthälfte die Front als Kaltfront wieder zurückkommt und bis zum Morgen schon
eine Linie Rügen-Eifel erreicht. Insbesondere im Norden und Nordwesten muss
erneut flächendeckend mit 10 bis 20, punktuell auch bis 30 l/qm Regen gerechnet
werden. Wahrscheinlich treten entsprechende Summen auch wieder im Bergischen
Land auf. Ganz im Süden bleibt es trocken und dort stehen die Chancen auf einen
sonnigen Weihnachtstag gut.

Die Windsituation beruhigt sich tagsüber noch etwas, er weht dann meist mäßig
aus Südwest und steife bis stürmische Böen treten vor allem noch im zentralen
Bergland auf. Am Abend und in der Nacht wird es mit Annäherung des Tiefs vor
allem im Norden und Nordwesten wieder stürmisch. Auf den hohen Bergen geht die
Windgeschwindigkeit insgesamt etwa um 1 Bft zurück. Ganz ohne Unwetterwarnungen
wird es aber weiterhin nicht gehen.

Tagsüber wird es mit Werten zwischen 7°C im Norden und 13°C im Süden wieder sehr
mild, im Alpenvorland sind auch 15°C möglich. In der Nacht bleibt es weiterhin
frostfrei.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle simulieren die synoptische Lage für die kommenden Tage
in hoher Übereinstimmung. Die Prognosen für den Wind und die Niederschlagssummen
weisen nur recht geringe Unterschiede auf.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann