DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-12-2023 09:01
SXEU31 DWAV 210800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.12.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL NWz
Schwere Sturmlage über großen Landesteilen, vereinzelt mit Gewittern orkanartige
Böen. Küsten Orkanböen, nachts Ostsee. Auch Rest der Kurzfrist gebietsweise
weiter Sturm. Östliches Bergland und Alpen teils markante Schneemengen
(Freitag/Samstag), später Übergang in Tauwetter (Nacht auf Sonntag). Westliche
Mittelgebirge und tiefere Lagen Dauerregen, teils bis in den Unwetterbereich.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht ein Tag mit Vollwetter ins Haus. Verantwortlich dafür ist
eine stramme nordwestliche Höhenströmung, die mit Ihrer diffluenten Vorderseite
auf Deutschland übergreift. Ein in die nordwestliche Strömung eingelagerter
Kurzwellentrog befindet sich zunächst noch über der nördlichen Nordsee und zieht
in weiterer Folge südostwärts. Daran gekoppelt ist auch ein kräftiger Jet in 300
hPa. Auf dessen linker Ausgangseite befindet sich ein kräftiges Sturmtief, das
sich im Tagesverlauf auch noch etwas vertiefen kann und vom Nordmeer bis nach
Südschweden zieht.

Mit dem kräftigen Gradienten in allen Höhenschichten ist auch ordentlich Wind
verbunden. So liegen die Winde in 850 hPa bereits in den Morgenstunden bei 50
bis 60 kn. Zunächst befindet sich Deutschland noch in einer stabilen Schichtung
mit kräftiger WLA die zu Aufgleitniederschlägen führt, aber verhindert, dass der
starke Höhenwind nach unten gemischt wird. So sind im Vormittagsverlauf vor
allem das Bergland und die Nordsee von stürmischen Böen und Sturmböen betroffen.
Auf den Gipfeln gibt es schwere Sturmböen bis Orkanböen. Im Voralpenraum macht
sich zunächst der Leitplankeneffekt bemerkbar. Dort muss auch schon am Vormittag
mit ersten Sturmböen gerechnet werden. Sonst sind es im Flach- und Binnenland
oft noch starke bis stürmische Böen.

Etwa ab den Mittagsstunden legt der Wind von Nordwesten deutlich zu. Dann greift
die Kaltfront auf Deutschland über, was mit einer deutlichen Labilisierung
einher geht (siehe Lapse Rate Tendenz). Die Kaltfront kommt am Nachmittag
südwärts voran und erreicht bis zum Abend die mittleren Landesteile.
Die Kaltfront ist linienhaft organisiert, wobei sich den Pseudoreflektivitäten
folgend keine durchgezogene Linie zeigt, sondern entlang der Kaltfront
organisierte Linienelemente in Form von Schauern und auch einzelnen Gewittern.
Das MU-CAPE hält sich zwar in Grenzen, trotzdem ist es gut vorstellbar, dass das
ein oder andere Gewitter eingelagert ist.

Mit der Passage der Kaltfront sind in der gut gescherten Strömung verbreitet
Sturmböen und auch einzelne schwere Sturmböen verbunden. Die stärksten Böen
stehen in Verbindung mit den gut ausgeprägten Linienelementen. Mit den jüngsten
Modellläufen kristallisiert sich ein Schwerpunkt heraus, der vom Emsland über
Ostwestfalen/Südniedersachsen, weiter nach Sachsen-Anhalt, das nördliche
Thüringen bis nach Sachsen ausgreift. Das ICON-D2 zeigt dort deutlich erhöhte
Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 10. Zaghaft werden auch vereinzelte Böen Bft
11 angeboten. Damit hat das ICON im Vergleich zu den Vorläufen noch etwas an
stärker zugenommen und auch immer mehr Einzelmember zeigen Bft 10 Spuren.
Externe Modelle (z.B. Super HD) stützen die gemacht Aussagen.

Auf den Bergen und an der Nordsee kommt es verbreitet zu Sturmböen und schweren
Sturmböen und in exponierten Bereichen sowie auf den Inseln zu orkanartigen
Böen. Einzelne Orkanböen sind nicht ausgeschlossen.

Insgesamt erscheinen der genannte Bereich und die Stärke auch plausibel. So
befindet man sich auf der linken Jetausgangsseite, in einer gut gescherten
Luftmasse mit einem Trockeneinschub aus der Stratosphäre (siehe Pseudosat
WV6.2). Auch die Lapse Rates zwischen Boden und 850 hPa zeigen ein erhöhtes
Potential für das Herabmischen der starken Höhenwinde, die 850 hPa immerhin bis
65 kn steigen.
Sollte sich die bestätigen wäre darüber nachzudenken in die bestehende Warnung
kurzzeitig eine Warnung Bft 10 mit Häkchen Bft 11 einzulagern.

Neben dem Wind spielt auch noch der Niederschlag eine Rolle. So sorgt die
kräftige WLA für ausgiebige Niederschläge. Betroffen sind dann die
verschiedenen Nordweststaulagen der Mittelgebirge. Dort fallen bereits bis
Freitagmorgen vielfach 30 bis 60 l/qm in 24 h. Im Nordweststau des Harzes ist es
nochmal etwas mehr (Unwetter).

Auch im Anstau des Westerwaldes und Sauer-Siegerlandes gibt es Andeutungen für
die Überschreitung der Unwetterschwelle. Diese sind auch für den Bayerischen
Wald gegeben. Dort kommt aber erschwerend die wechselnde Schneefallgrenze hinzu.
So schneit es zunächst noch kräftig, ehe mit Erwärmung der 850er in den
positiven Bereich die Niederschläge bis in die Kammlagen in Regen übergehen. Im
Laufe der Nacht auf Freitag sinkt die Schneefallgrenze dann wieder deutlich ab.

In der Nacht auf Freitag kommt die Kaltfront etwa bis Mitternacht bis zum
Alpenrand voran. Mit Kaltfrontpassage können auch weiterhin Sturmböen und
vereinzelt schwere Sturmböen auftreten. Das Potential geht aber vor allem für
die schweren Sturmböen langsam zurück. Berge und Küsten bleiben mit schweren
Sturmböen und orkanartigen Böen. Insbesondere die Ostsee gerät mit Verlagerung
des Bodentiefs zum Baltikum nun immer stärker in den Fokus. Auf der
Südwestflanke findet sich der stärkste Gradient und es musss verbreitet im
Küstenumfeld mit schweren Sturmböen und orkanartigen Böen gerechnet werden.
Zudem kann es in auflandigen Gebieten einzelne Orkanböen geben.
Ausgreifend bis ins Nordostdeutsche Binnenland gibt es Sturmböen und vor allem
in Vorpommern auch schwere Sturmböen. Sonst lässt von Westen und Südwesten das
stärkste Böenpotential vorübergehend postfrontal nach. Windböen und einzelne
stürmische Böen kann es aber weiterhin geben.

Rückseitig der Kaltfront gibt es weiter schauerartige Niederschläge, wobei die
Schneefallgrenze vor allem nach Osten zum Teil bis in tiefe Lagen sinkt. Im
Bergland oberhalb von etwa 400 m kann sich eine dünne Neuschneedecke ausbilden.
In Nordweststaulagen des Erzgebirges und Harzes kann es 5 bis 10 cm, im
Nordweststau des Harzes vereinzelt auch bis 20 cm Neuschnee geben.

Auch im Süden sinkt die Schneefallgrenze bis zum Morgen wieder unter 1000 m. Im
Bayerischen Wald gibt es etwas Neuschnee, an den Alpen setzt eine Staulage ein,
wobei bis zum Morgen vor allem in höheren Lagen schon 10 bis 20 cm Neuschnee
erwartet werden.


Freitag... zieht das Zentrum des Sturmtiefs langsam zu den Baltischen Staaten.
Auf seine Südwestflanke bleibt der Gradient kräftig, lässt aber im Tagesverlauf
etwas nach. Am längsten muss mit Sturmböen und einzelnen schweren Sturmböen im
Osten und Nordosten gerechnet werden, Ostseeküste anfangs auch noch orkanartig.
Erst im Laufe des Nachmittags langsam nachlassender Wind. Dann an der Ostsee
Sturmböen und einzelne schwere Sturmböen.
Auch sonst bleibt der Wind weiter lebhaft mit starken bis stürmische Böen in
tiefen Lagen. Auf den Bergen schwere Sturmböen bis Orkanböen.

Während zunächst noch schauerartige Niederschläge dominieren, verstärkt sich im
Laufe des Nachmittags von Westen die Warmluftadvektion und es greifen neue
Dauerniederschläge über. Gleichzeitig steigt die Schneefallgrenze im Westen und
Südwesten wieder bis in die Hochlagen der Berge. An den Alpen steigt sie bis zum
Abend bis auf 1200 m, Bayerischer Wald 800 m. In der Nacht Alpen und Bayerischer
Wald 1000 m, Westen über die Gipfellagen hinaus.

Damit muss in mittleren und höheren Lagen erneut mit großen Regenmengen
gerechnet werden. Bis Samstagmorgen werden 20 bis 40 l/qm in 24 h erwartet.
Aufsummiert mit den Summen des Vortages kann es vor allem im Sauer-Siegerland
bzw. Westerwald für die Überschreitung von Unwetterschwellen reichen.

In höheren Berglagen im Osten und Südosten kommt vorübergehend einiges an
Neuschnee herunter. So muss im Anstau vom Erzgebirge mit 5 bis 10 cm,
staubedingt vereinzelt auch bis 20 cm in 12 bis 18 h gerechnet werden. An der
Nordostflanke der Aufgleitniederschläge liegt die Schneefallgrenze teils auch in
tiefen Lagen. In der Nacht auf Samstag wird mittlerweile auch ein Streifen von
Ostsachen bis nach Schleswig-Holstein gerechnet, wo vorübergehend 1 bis lokal 4
cm Schnee fallen können. Diese Vorhersage vom ICON-D2 wird auch vom ECMWF und
dem SuperHD gestützt. Entsprechend muss dort in den Nachtstunden mit Glätte
gerechnet werden.

Während der Gradient im Norden und Nordosten am Abend und in der Nacht auf
Samstag deutlich rausgeht. Bleibt er auf der Südflanke der von Nordwest nach
Südost quer über Deutschland verlaufenden Warmfront ziemlich stramm. Es muss
dort weiterhin mit starken bis stürmische Böen gerechnet werden. Im Voralpenraum
gibt es durch den Leitplankeneffekt wieder zunehmend Sturmböen, vereinzelt auch
schwere Sturmböen.

An der Nordsee zeigen einzelne Modelle in der ersten Nachthälfte nochmal ein
Windmaximum mit Böen Bft 9/10 (kleine Randtrog), das in der zweiten Nachthälfte
wieder nachlässt. Dann gibt es allgemein an den Küsten noch stürmische Böen.
Höheres Bergland stürmische Böen und Sturmböen, Gipfel bis Bft 11.

Ganz im Nordosten ist es noch vielfach trocken und die Wolkendecke hat Lücken.
Dort kann es leichten Frost um 0 Grad geben.

Samstag... kommt die wellende Warmfront zögernd nordostwärts voran. Das
zugehörige Tief befindet sich noch zwischen Island und Schottland. In der Höhe
bleibt die stramme nordwestliche Strömung weiter erhalten. Aufgrund der recht
strömungsparallelen Lage geht die Verlagerung aber nur sehr langsam von Statten.
So kann es im Umfeld der Warmfront wieder große Regenmengen geben. Das gilt
bevorzugt von Südostniedersachsen und Westfalen bis nach Thüringen und Sachsen
sowie zum Bayerischen Wald. Die Schneefallgrenze liegt im Westen oberhalb der
Kämme, im Bayerischen Wald zwischen 1000 und 1200 m, Alpen etwa 1200 bis 1400 m.
Damit fällt viel Niederschlag auch als Regen. Die Mengen liegen in den West- und
Nordweststaulagen zwischen 20 und 40 l/qm in 24 h. Gerade im Harzstau sowie im
Anstau zwischen Weserbergland und Sauer-Siegerland kann es auch um 50 l/qm
geben. Mit den Vormengen ergeben sich damit im Westen laut der deutschen
Modellkette Unwettermengen. GFS und ECMWF zeigen geringere Mengen.

Große Mengen werden auch in Richtung Erzgebirge und Bayerischen Wald
prognostiziert. Im Bayerischen Wald fällt aber zunächst oberhalb 1000 bis 1200 m
Schnee. Dort kommen auch markante Neuschneemengen bis Sonntag zustande. Gleiches
gilt auch für das Erzgebirge, wobei dort die Schneefallgrenze zunächst noch
recht niedrig liegt. Oberhalb 600 m dürfte es locker für markante
Neuschneemengen zwischen 10 bis 20 cm in 12 h reichen, vereinzelt kann es sicher
auch bis in den roten Bereich reinreichen. Auch in tieferen Lagen des
Erzgebirgsvorlandes fällt zunächst Neuschnee (1 bis 5 cm).
Im weiteren Verlauf und vor allem in der Nacht auf Sonntag steigt dann auch im
Erzgebirge die Schneefallgrenze rasch bis in die Gipfellagen an, sodass sich
nachfolgend kräftiges Tauwetter einstellt.

Der Wind bleibt vor allem südwestlich der langsam nordostwärts wandernden
Warmfront kräftig mit starken bis stürmischen Böen in tiefen Lagen und Sturmböen
bis orkanartigen Böen in den Gipfeln. Sicherlich kann es vorübergehend auch mal
Schneeverwehungen in den höchsten Lagen geben. Letzteres sollte aber nur ein
vorübergehender Effekt sein.
Im Voralpengebiet ist die Leitplanke noch aktiv, sodass man dort auch weiterhin
mit Sturmböen rechnen muss, einzelne schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen.
Nach Norden und Nordosten nimmt der Wind im Tagesverlauf ab. Anfangs gibt es
noch Windböen und an der Ostsee Sturmböen, später noch Windböen an der Ostsee.

In der Nacht auf Sonntag schiebt sich die Warmfront langsam in den Nordosten. Im
Übergangsbereich zur Kaltluft kann es bevorzugt von der Uckermark bis nach
Vorpommern nochmal für eine dünnen Neuschneedecke und Glätte bei Tiefstwerten um
0 Grad reichen.

Sonst setzt wie angesprochen bis in höhere Berglagen Tauwetter ein, wobei die 0
Grad Isotherme in 850 hPa dann überall in den positiven Bereich steigt.

Das Windfeld greift mit der Entwicklung auch weiter nach Nordosten aus. Nur ganz
im Nordosten bleibt es warnfrei, sonst muss mit starken bis stürmischen Böen
gerechnet werden, Alpenvorland Sturmböen. Höhere Berggipfel schwere Sturmböen
bis Orkanböen.

Der Schwerpunkt der Niederschläge verlagert sich in der zweiten Nachthälfte in
den Nordosten. Sodass in den Dauerregengebieten vorübergehend etwas nachlassen,
zum Morgen aber von Westen wieder aufleben.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle zeigen noch Unterschiede im Detail (siehe Haupttext), die
grundlegende Entwicklung wird aber vergleichbar vorhergesagt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer