DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

19-12-2023 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.12.2023 um 10.30 UTC



Sehr wechselhaft und teils größere Unsicherheiten: Windig bis stürmisch, teils
Sturmböen oder sogar schwere Sturmböen. Gebietsweise Dauerregengefahr, in den
Alpen teils markante Neuschneemengen. Im Bergland zeitweise starke
Schneeverwehungen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 26.12.2023


Zu Beginn der Mittelfrist am Freitag zieht das hochreichende Sturmtief von
Südschweden über die zentrale Ostsee in Richtung Baltikum. Deutschland gelangt
auf die Rückseite, die Strömung dreht gesamtatmosphärisch auf Nordwest bis Nord,
so dass die Luft polaren Ursprungs peu à peu südwärts vorankommt: die 0
Grad-Isotherme in 850 hPa erreicht bis zum Abend den Südwesten und nachts auch
allmählich den Süden, den Alpenrand evtl. nicht ganz. Im Nordosten werden in 850
hPa zeitweise -5 bis -8 Grad simuliert. Diagonal von Nordwest nach Südost liegt
über Deutschland eine Luftmassengrenze und der markante Jet. An dessen linkem
Rand über dem Nordosten liegt zudem Höhenkaltluft, Niederschläge treten dort
meist in Form von Schauern auf, sonst regnet es wederholt, mit zunehmendem
Nordwestanstau in entsprechenden Mittelgebirgslagen und dann auch an den Alpen
teils auch kräftig und länger. Die Schneefallgrenze dürfte zunächst im Norden
und in der Mitte bei 400 bis 600 m liegen (in Schauern im Nordosten auch teils
deutlich darunter), nach Süden/Südwesten hin liegt sie bei 1000 bis 1200 m. Vor
allem im Nordosten und Osten sinkt sie in der Nacht zum Samstag noch weiter ab,
allerdings klingen die schauerartigen Niederschläge dort häufig ab. Strichweise
Im östlichen Bergland sind aber einige Zentimeter Neuschnee möglich, nach Westen
hin höchstens in Hochlagen, an den Alpen deuten sich oberhalb 1000/1200 m
durchaus markante Neuschneemengen an. Im Südwesten bleibt es häufig bei Regen
(mit Ausnahme der Gipfellagen), insbesondere Richtung Schwarzwald, eventuell
auch Richtung Bergisches Land sind dauerregenrelevante Mengen von 30 bis 40 l/qm
möglich. Ein weiteres Warnkriterium ist der Wind: Verbreitet werden Böen Bft 8
bis 9 aus West, später zunehmend Nordwest, erwartet. In exponierten Lagen des
Berglandes, vor allem aber auch an der See sind Böen Bft 10 wahrscheinlich,
teils vielleicht auch Bft 11 bis 12. Auf der Nordsee besteht mit zunehmender
Nordwestanströmung auch die Gefahr einer Sturmflut. Im Zusammenspiel von
Schneefall in Hochlagen der östlichen Mittelgebirge und vor allem der Alpen und
dem Sturm kann es teils zu starken Schneeverwehungen kommen. Im Laufe der Nacht
zum Samstag nimmt der Wind nur zögerlich aber langsam ab.

Am Samstag greift bereits ausgangs der Nacht die Warmfront eines Tiefs mit Kern
westlich von Island auf den Westen über und erreicht mit Niederschlägen bis zum
Abend etwa eine Linie Ostfriesland-Vogtland und greift dann in der Nacht zum
Sonntag auch auf den Nordosten über. Die Nordwestströmung sorgt insbesondere an
den Alpen für eine Staukomponente und damit weiterhin andauernde Niederschläge,
auch in den Nordweststaulagen der zentralen Mittelgebirge können markante Mengen
nicht ganz ausgeschlossen werden. Die Niederschläge fallen bei 850 hPa
Temperaturen um oder leicht über 0 Grad überwiegend als Regen, nach Osten hin
fällt noch zeitweise Schnee oberhalb etwa 500 bis 600 m und auch an den Alpen
oberhalb etwa 1200 bis 1400 m. In den östlichen Mittelgebirgen sind dabei eher
leichte Schneefälle, an den Alpen durchaus markante Mengen zu erwarten. Der
Gradient fächert nur zögerlich auf, daher nehmen die warnwürdigen Böen aus
Nordwest bis West langsam ab, bleiben aber gebietsweise stark bis stürmisch, an
exponierten Küstenabschnitten, vor allem aber auch im Bergland muss zeitweise
mit Sturmböen (Bft 9) gerechnet werden.

Ab Sonntag werden die Modellunterschiede bzw. die Lösungen der vorliegenden
IFS-Läufe seit gestern 00 UTC relativ groß. In der Folge wird tendenziell der
aktuellste Modelllauf beschrieben.

Am Sonntag gelangen wir zwar von der Höhe betrachtet immer mehr auf die
Rückseite des Osteuropatroges, allerdings wölbt sich nur ein sehr flacher Keil
von Südwesten her auf. Am Boden überquert uns die Warmfront, von Westen greift
relativ bald ein weiteres Frontensystem des Islandtiefs mit weiteren
Niederschlägen über. Zunächst die Warmfront, wir gelangen in den breiten
Warmsektor, die Temperaturen in 850 hPa steigen bis Montag früh auf 1 bis 2 Grad
im Norden und Nordosten und auf bis zu 10 Grad im Südwesten und Süden. Später
folgt im Norden die wellende Kaltfront, dort werden auch nachts weitere
Niederschläge erwartet, im Südwesten und Süden lassen sie häufig nach. Es fällt
durchweg Regen. Über dem Nordwesten/Norden dauern die Niederschläge häufig an,
markante Mengen sind in den Weststaulagen der westlichen/zentralen Mittelgebirge
nicht ausgeschlossen, aber relativ unsicher. Der Gradient ist erneut relativ
ordentlich ausgeprägt, auch der Jet liegt mit seinem rechten Rand über dem
Norden. Es muss also erneut relativ verbreitet mit starken bis stürmischen Böen
gerechnet werden, vor allem an den Küsten und im Bergland, vor allem im
Nordwesten und Norden aber wohl auch häufig in tiefen Lagen.

Am Montag liegt die Frontalwelle zunächst über der Nordhälfte und sorgt dort für
zeitweilige Niederschläge. Im Zusammenspiel mit dem Vorstoß eines
Kurzwellentroges von der Nordsee her Richtung Deutschland dreht die Strömung
zunehmend auf Nordwest, die Frontalwelle wird als Kaltfront im Tagesverlauf
südostwärts geführt. Der Wellenscheite über den Nordosten ostwärts. In der Nacht
zum Dienstag erreicht die Kaltfront unter Abschwächung auch den Alpenrand mit
Niederschlägen. Rückseitig der Kaltfront treten schauerartige Niederschläge auf
und es sickert wieder kühlere Luft ein. Die 850 hPa-Temperaturen gehen auf 0 bis
-3 Grad zurück, lediglich ganz im Süden und Südwesten sind es noch leicht über 0
Grad. Die Schneefallgrenze sinkt allmählich auf 600 bis 800 m, im Süden liegt
sie bei 1200 m. Der Gradient ist im Norden und der Mitte weiterhin kräftig und
fächert erst nach Durchgang eines Bodentroges voraussichtlich im Laufe der Nacht
zum Dienstag allmählich auf. In der Nordhälfte muss demnach weiter mit starken,
häufig auch stürmischen Böen gerechnet werden, im Küstenumfeld und auf
exponierten Gipfel können Böen Bft 9 bis 10 aus West auftreten.

Am Dienstag deutet sich ein weiter Luftdruckanstieg von Südwesten an, rückseitig
des nach Osten abziehenden Troges wölbt sich ein Höhenrücken etwas deutlicher
auf. Die Luftmasse mit 850 hPa-Temperaturen unter 0 Grad wird in den Nordosten
verdrängt, im Südwesten werden um 5 Grad in 850 hPa erwartet. Der Gradient
fächert auch im Norden weiter auf. Anfang muss im Norden und Nordosten,
eventuell auch an den Alpen noch mit leichten Niederschlägen gerechnet werden,
abgesehen von Hochlagen der östlichen Mittelgebirge fällt Regen. Diese klingen
im Tagesverlauf mehr und mehr ab bzw. ziehen ostwärts ab. Die Bewölkung lockert
von Südwesten auf, nachts teils Nebelbildung. Im Bergland und an den Küsten
anfangs noch starker bis stürmischer Westwind, exponiert Sturmböen nicht
ausgeschlossen, im Tagesverlauf nachlassend/häufig abklingend.

Die Entwicklung in der erweiterten Mittelfrist ist reichlich unsicher. Es bleibt
die Frage, wie "ausdauernd" die Wetterberuhigung von Süden her ist, die sich im
Laufe des Dienstages einstellt. Wahrscheinlich aber nicht allzu lang, da über
West-/Nordwesteuropa bereits das nächste Tiefdrucksystem zu finden ist. Wann und
in welcher Form dies aber wieder auf Mitteleuropa übergreift ist unsicher,
deutet sich aber spätestens für den Donnerstag an. Voraussichtlich stellt sich
also spätestens im Laufe des Donnerstages wieder sehr wechselhaftes, teils
windiges Wetter ein.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der vorliegenden IFS-Modellläufe ist zu Beginn der Mittelfrist am
Freitag noch gut, allerdings zeigen sich in der detaillierten Behandlung des
Sturmtiefs, das von Südschweden über die Ostsee in Richtung Baltikum zieht,
bereits Unterschiede in der Position und im erwarteten Kerndruck. Der neueste
IFS-Lauf von heute 00 UTC ist dabei etwas schneller aufgestellt und zeigt eine
etwas südlichere Verlagerung des Tiefs sowie einen um etwa 5 hPa höheren
Kerndruck. Insgesamt zeigen die beiden neueren Modellläufe gegenüber dem
gestrigen 00 UTC-Lauf rückseitig des Tiefs am Samstag eine deutlicher auf
Nordwest drehende Strömung sowohl am Boden als auch in der Höhe, daraus
resultiert ein Vorstoß kälterer Luft weiter nach Süden über dem
Vorhersagegebiet. Ab Sonntag werden die Unterschiede hinsichtlich einer neuen
Austrogung über Westeuropa bzw. der Nordsee und einer daraus folgenden
Randtiefentwicklung mit Sturmtiefpotenzial sehr groß: der 00 UTC-Lauf vom Montag
zeigte dies sehr deutlich mit nachfolgend auf Nordwest drehender Strömung, nach
dem neuesten Modelllauf des IFS greift zwar ein okkludierende Frontensystem auf
Deutschland über, das steuernde Tief liegt aber bei Island (und damit viel
weiter nördlich), wir gelangen in den Warmsektor in eine westliche Strömung auf
höherem Temperaturniveau. Auch in der weiteren Folge bleiben die Unterschiede in
der Entwicklung der Wetterlage relativ groß. Allerdings wird eine überwiegend
zyklonal geprägte Wetterlage von allen IFS-Läufen favorisiert, vorübergehende
Wetterberuhigungen deuten sich am ehesten nach Süden an und eventuell zur
erweiterten Mittelfrist nach den Weihnachtsfeiertagen. Die Unsicherheiten sind
aber noch groß.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch mit Blick auf andere Globalmodelle zeigen sich bereits in der Behandlung
des abziehenden Sturmtiefs am Freitag Unterschiede. Im weiteren Verlauf sind IFS
und ICON sich mit ihren 00 UTC-Läufen von heute noch recht ähnlich, GFS zeigt ab
Sonntag eine deutlich markantere Randtiefentwicklung über Nordwesteuropa, das
zum Dienstag Deutschland mit viel Wind zumindest im Norden überquert und
rückseitig deutlich kühlere Luft einsickern lässt. Nach Süden zeigt GFS hingegen
wieder hohen Luftdruck und Wetterberuhigung.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen weisen bereits zu Beginn der Mittelfrist einen relativ großen
Spread auf, der hinsichtlich des Geopotenzials in 500 hPa auch groß bleibt, bei
der Temperatur in 850 hPa sogar ab Sonntag noch anwächst. Der Hauptlauf schwankt
in dem Feld der möglichen Lösungen fleißig von einer der wärmsten Lösungen zum
unterem/kälteren Drittel, teilweise ist gar keine Bündelung mehrerer Member zu
erkennen. Die Niederschlagssignale sind üppig in der Anzahl, teils auch in der
Menge mit leichter Abnahmetendenz zum Ende der Mittelfrist/Übergang in die
erweiterte Mittelfrist. Alles in allem zeigen sich also auch bei den Rauchfahnen
die Unsicherheiten der Mittelfristvorhersage, der Grundtenor ist aber eindeutig
wechselhaft bei schwankendem Temperaturniveau, vorübergehend winterlich aber
meist nur in höheren Lagen.

Hinweis: Die aktuelle Clusteranalyse des IFS lag leider nicht vor.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WIND/STURM:
Im gesamten Mittelfristzeitraum ist der Wind voraussichtlich warnwürdig in
unterschiedlichen Abstufungen, die stärkste Entwicklung bereits in der Kurzfrist
am Donnerstag beginnend und in den Freitag fortsetzend: Am Freitag verbreitet
Böen Bft 8 bis 9 aus West, später zunehmend Nordwest. In exponierten Lagen des
Berglandes, vor allem aber auch an der See Böen Bft 10 wahrscheinlich, teils
vielleicht auch Bft 11 bis 12. Auf der Nordsee zunehmender Nordwestanströmung
Sturmflutgefahr. Der Gradient fächert am Samstag nur zögerlich auf, daher
weiterhin gebietsweise starke bis stürmische Böen, an exponierten
Küstenabschnitten, vor allem aber auch im Bergland zeitweise Sturmböen (Bft 9).
Auch am Sonntag relativ verbreitet starke bis stürmische Böen, vor allem an den
Küsten und im Bergland, vor allem im Nordwesten und Norden aber wohl auch häufig
in tiefen Lagen. Am Montag in der Nordhälfte weiter starke, häufig auch
stürmische Böen, im Küstenumfeld und auf exponierten Gipfel Böen Bft 9 bis 10
aus West wahrscheinlich.

DAUERREGEN:
Mit Nordwestanstau und wiederholten Niederschlägen sind in den Staulagen der
Mittelgebirge markante Niederschläge möglich, an den Alpen wahrscheinlich, wobei
ein Teil dieser Niederschläge zumindest in höheren, alpinen Lagen zeitweise als
Schnee fällt und damit nicht unmittelbar abflussrelevant wäre. Der EFI hat über
den gesamten Zeitraum deutlich Niederschlagssignale zu bieten, am Freitag und
Samstag vor allem auch im Südosten und Süden (Alpen), am Sonntag eher über der
Mitte und dem Norden. Auch die EPS-Verfahren schlagen teils deutlich an, vor
allem auch im Alpenraum. Dabei fällt aber voraussichtlich wie bereits erwähnt
auch teils die feste Phase.

SCHNEE:
Schnee fällt überwiegend im Bergland, am Freitag bzw. in der Nacht zum Samstag
im Nordosten eventuell auch mal bis in tiefe Lagen. Meist werden nur leichte
Schneefälle mit wenigen Zentimeter Neuschnee erwartet. Etwas anders sieht das am
Alpenrand am Freitag und bis in den Samstag hinein aus. Dort liefert auch der
EFI und die EPS-Verfahren deutliche Signale für markante Neuschneemengen in
Lagen oberhalb etwa 1200 m. Unwetter nicht ganz ausgeschlossen, allerdings
betrifft das voraussichtlich nur Hochlagen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Sabine Krüger