DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

13-12-2023 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 13.12.2023 um 10.30 UTC



Zunächst mal etwas mehr, mal etwas weniger antizyklonal (Hochrandlage). Im Laufe
der nächsten Woche wahrscheinlich wieder zyklonaler mit Variationsmöglichkeiten.

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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 20.12.2023


Mittwoch, 13. Dezember, auch in diesem Jahr - völlig überraschend - noch 11 Tage
bis zum "Fest". Mit anderen Worten, keine zwei Wochen mehr, was nicht viel ist.
Und klar, keine Überraschung, so langsam nimmt die Unruhe zu und die Spannung
steigt, was denn die Atmosphäre in diesem Jahr mit uns so vorhat. Okay, die
ersten medialen Anfragen nach "Weißer Weihnacht" erfolgen gefühlt schon im
September, was irgendwo aber auch verständlich ist. Ballern doch sämtliche
Discounter und Supermärkte schon zu dieser Zeit ihre Sonderregale mit allerlei
weihnachtlichen Leckereien voll, so dass man ja gar nicht anders kann als an
Weihnachten zu denken. Seriös betrachtet ist es aber tatsächlich so, dass wir
erst im Laufe der zweiten Dezemberdekade so langsam in ein einigermaßen
belastbares Prognosefenster für die Feiertage kommen, wenngleich auch dabei noch
Unsicherheiten gegeben und Überraschungen möglich sind. Wie sich die
Angelegenheit auf Basis der heutigen 00-UTC-Laufs von IFS (ECMF) darstellt, kann
den folgenden Ausführungen entnommen werden.

Los geht´s am kommenden Samstag, dem ersten offiziellen Tag des mittelfristigen
Prognosezeitrums. Nachdem die Kurzfrist in großen Teilen und über weite Strecken
noch zyklonal bestimmt sein wird, beginnt die Großwetterlage am Wochenende ins
antizyklonale abzukippen. Für die volle Hochdruckdröhnung wird es aber nicht
reichen, stattdessen schlittern wir (zum Glück nicht wortwörtlich auf den
Straßen) in eine klassische Hochrandlage mit je nach Region und Himmelrichtung
unterschiedlichen Wetterverhältnissen. Dabei verläuft die Frontalzone relativ
weit im Norden, während sich gleichzeitig von der Iberischen Halbinsel her ein
stark zonal gefärbter Rücken über Mitteleuropa bis in den baltischen Raum
ausweitet. Korrespondierend dazu steigt der Luftdruck von Frankreich her
merklich an. Liegen wir am Donnerstag noch etwa zwischen 1015 und 1020 hPa, sind
es am Ende des Samstags etwas über 1040 hPa. Allerdings nur in der Südhälfte, wo
die Divergenzachse des von Frankreich bis nach Ungarn verlaufenden Hochzentrums
(FIONA) verläuft. Weiter nördlich nimmt der Luftdruck bis zu den Küsten
kontinuierlich ab (auf bis zu 1030 hPa an der Grenze zu Dänemark), weshalb sich
die Nordhälfte auch nur am Rande des Hochs befindet. Versucht man diese
Konstellation in ein Großwetterlagenmuster zu packen, landet man bei einer
Mischung aus BM (Brücke Mitteleuropa) und Wa (antizyklonale, "nördliche"
Westlage).
Teils advektiv, teils absinkbedingt steigt die Temperatur niedertroposphärisch
von Westen her merklich an (Freitag noch komplett im Minus, Samstag, 24 UTC T850
um 0°C in Ostbayern bis zu 8°C an der Nordsee). Bei gradientschwachen
Bedingungen resultiert daraus im Süden eine Inversionslage mit den klassisch
winterlichen Grundschichtphänomenen (Stichwort Nebel/Hochnebel, aber auch
Frost). Nach Norden hin wird die maritime Luftmasse deutlich besser durchmischt.
Außerdem zeigt man sich dort wesentlich anfälliger für Tiefausläufer, zunächst
in Form einer Warmfront, die von der Nordsee her durchschwenkt und neben dichtem
Gewölk mitunter für leichten Regen oder Nieselregen sorgt.

Im Laufe des Sonntags verlagern sich die beiden Divergenzachsen des Rückens und
des etwas schwächelnden Bodenhochs geringfügig nach Süden, was der Frontalzone
die Möglichkeit bietet, etwas dichter an den Vorhersageraum heranzurücken. Dabei
greift eine schwache Kaltfront auf den Norden über, die auf ihrem Weg nach Süden
zunehmend an ohnehin nicht im Überfluss vorhandener Substanz verliert und sich
am Montag schlussendlich auflöst. Allerdings wird mit dieser kleinen Attacke der
Weg für eine zweite Kaltfront geebnet, die zwar eine Liga höher spielt als die
Vorgängerversion, auf der anderen Seite aber auch alles andere als ein Ungetüm
ist. Auf alle Fälle schwenkt diese zweite Front mit überwiegend leichten
Regenfällen im Laufe des Dienstags von Nord nach Süd durch. Dabei bricht sie im
Süden die Inverslage auf, während auf der Rückseite eine Portion erwärmter
Meeresluft subpolaren Ursprungs (mPs; T850 0 bis -5°C) den Weg zu uns findet.

Am Mittwoch kommt die Front im Bereich des Alpenrands zu liegen, wobei von
Westen möglicherweise noch eine Welle durchzieht. So oder so, die Niederschläge,
die im Süden runterkommen, fallen wahrscheinlich meist als Regen, nur in höheren
Lagen als Schnee. Derweil braut sich weiter nördlich ein satter Druckgradient
auf, der ganz klar anzeigt, in welche Richtung der Hase (vielleicht sollte man
besser Rentier sagen) in der erweiterten Mittelfrist läuft, zumindest
deterministisch-europäisch. Über Nordeuropa hat sich nämlich von der Irminger
See bis hinüber nach Nordwestrussland eine ganze Armada an Tiefdruckgebieten
aufgestellt, an deren Südflanken sich eine kräftige und langgestreckte Westdrift
etabliert, die immer mehr auch den Vorhersageraum erfasst - zunächst noch ganz
leicht antizyklonal, zum Ende hin dann zyklonal. Hauptprotagonist ist übrigens
ein Vollblut-Orkantief, das am Donnerstag die Dänemarkstraße dicht an Island
vorbei passiert, um Freitagfrüh mit einer Kernisobare von 945 hPa auf der
Norwegischen See aufzuschlagen. Wind und Sturm wären garantiert und besonders
kalt wird´s auch nicht. Na denn mal los...
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann bis nächsten Mittwoch als sehr gut bezeichnet
werden. Die Abläufe - erst Hochrandlage, am Dienstag dann Durchgang einer
schwachen, bestenfalls mittelmäßigen Kaltfront - werden von den letzten
Modellläufen kontinuierlich bestätigt. Dass es dabei zu kleineren Unschärfen,
beispielsweise beim Timing oder der Intensität der Kaltfront kommt - geschenkt.

Interessant wird es ganz zum Ende hin, quasi schon in der erweiterten
Mittelfrist, wenn der Zeitstrahl unweigerlich gen Weihnachten konvergiert. Wurde
gestern 00 UTC für Donnerstag noch eine veritable Trogpassage simuliert (=>
winterlich zumindest im Bergland), ist davon inzwischen nichts, aber auch rein
gar nichts mehr zu sehen. Stattdessen stellt das Modell auf eine lupenreine,
windige bis stürmische und milde Westlage. Wie lange diese andauert, steht
freilich noch nicht fest. Für White-Christmas-Nostalgiker - wahrscheinlich
werden es immer weniger - sind das aber keine guten Nachrichten.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Im Großen und Ganzen simulieren meisten Globalmodelle die Entwicklung ähnlich
wie IFS. Die erste zaghafte Kaltfront am Montag wird allerdings nur von UK10
bestätigt, während sie bei ICON, GFS und GEM entweder gar nicht richtig da ist
oder - bevor sie die Mitte erreicht - bereits wieder in eine Warmfront übergeht,
die dann nach Nordosten schwenkt.
Von Dienstag zu Mittwoch schert UK10 insofern aus, als dass es uns ein kleines
aber feines Sturmtief offeriert, das von UK via Nordsee Richtung Jütland zieht
und uns mit einem veritablen Warmsektorsturm belegt - ein zugegeben sehr
außenseiterlastiges Szenario.
In der erweiterten Mittelfrist setzen die Nordamerikaner GFS und GEM wie IFS auf
eine windige bis stürmische Westlage.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis einschließlich
Montag vor allem beim Geopotenzial (500 hPa) einen sehr eng gebündelten
Kurvenverlauf. Dabei geht es bis Samstag zunächst bergauf, bevor bis Montag eine
Seitwärtsbewegung erfolgt. Danach geht es tendenziell wieder runter, wobei die
Streuung erst gemach, ab Mittwoch dann deutlich zunimmt.
Bei den Temperaturen (850 hPa) nimmt der Spread - wenn auch nicht überbordend -
schon ab Sonntag zu. Dabei sticht am Montag die Delle des Hauptlaufs nach unten
heraus, die von vielen Ensembles nur bedingt oder gar nicht nachgezeichnet wird.
Ein Indiz dafür, dass Existenz und Passage der ersten schwachen Kaltfront
fraglich sind. Die zweite, wirklich auffällige Delle zeigt sich am Donnertag, in
diesem Fall nach oben. Hier besitzt der Hauptlauf nahezu Alleinstellungsmerkmal.
Die meisten Ensemblemitglieder bleiben kälter und auch beim Potenzial markiert
der deterministische Lauf den oberen Rand. Das lässt den Schluss zu, dass die
Entwicklung doch nicht so klar in Richtung astreine Westlage geht wie weiter
oben beschrieben.

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich natürlich ein Blick in die Clusterung
von IFS-EPS. Dabei präsentiert sich das erste Zeitfenster Samstag/Sonntag
(T+72...96h) noch nicht besonders aussagekräftig, sehen die fünf angebotenen
Cluster zumindest für den mitteleuropäischen Raum doch ziemlich ident aus. Das
ändert sich ab Montag (T+120...168h), wenn die maximale Anzahl an Clustern,
nämlich sechs, voll ausgereizt wird. Dabei wird der Abbau des
Hochdruckeinflusses mal etwas schneller (durch von Westen heranschwenkende
Tröge), mal etwas langsamer forciert. Fünf von sechs Clustern setzen aber auf
NAO+, nur CL 4 dreht auf "Atlantischer Rücken".
In der erweiterten Mittelfrist (Donnerstag bis Samstag, T+192...240h) werden
ebenfalls sechs Schubladen geöffnet, in denen die Unterschiede zunehmen. Gemein
ist allen eine zyklonale Kontur, wobei auch noch die o.e. Trogpassage von
gestern am Start ist (CL 5, 7 Fälle). Ansonsten ist von Trogvorderseite (CL 2
mit 11 Fällen, eher südwestliche, CL 4 mit 7 Fällen, eher südliche Strömung) bis
hin zu glatten West- (CL 1 und 3 (11 + 10 Fälle)) oder West-Südwestlagen (CL 6,
5 Fälle + HL!) nicht alles, aber vieles dabei.

FAZIT: Die anfängliche Hoch- (Süden) bzw. Hochrandlage (Norden) steht. Fraglich
ist die erste schwache Kaltfront am Montag, während die zweite am Dienstag
lediglich vom Timing etwas unsicher ist. Richtung erweiterte Mittelfrist sind
einige Varianten möglich, wobei der Hauptlauf trotz Unterstützung von GFS und
GEM nicht unbedingt die wahrscheinlichste Lösung darstellt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Typisch für eine Hochrandlage weht der Wind am stärksten am Rande des Hochs. Im
konkreten Fall bedeutet das vornehmlich für die Küste, das küstennahe Binnenland
sowie einige Hochlagen ein mehr oder weniger lebhafter Südwest- bis Westwind,
der mitunter stürmisch auffrischt. Mehr als Böen der Stärke 8 bis 9 Bft sind
aber nicht zu erwarten und das auch nicht durchgängig. Das höchste der Gefühle
dürften schwere Sturmböen 10 Bft sein, die am ehesten mal auf dem Brocken oder
oben auf dem Fichtelberg anzutreffen sind. Ansonsten bleibt die Sturmgefahr im
nord- und nordostdeutschen Tiefland eher gering.

Andere markante Wetterparameter sind mittelfristig nicht auszumachen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann