DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-12-2023 11:01
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.12.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Winkelwestlage (Ww)
Wetter: Ekelhaftes Tauwetter im südlichen Bergland, vor allem Allgäu, so dass
die Schneedecke durch den Dauerregen weggematscht wird und die Flüsse voll
macht. Zudem zeitweise windig/stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Am heutigen Sonntag... liegt zu Beginn noch ein Höhentrog über Deutschland, der
aber im Tagesverlauf nach Osten schwenkt. Nachfolgend schiebt sich von Westen
eine stramme und nur wenig mäandrierende westliche Höhenströmung über unser
Land, so dass sich die atlantischen Wettersysteme endgültig voll durchsetzen.
Bodennah bestimmt heute noch das Tief Vanja II (international Elin) das
Wettergeschehen, welches heute früh über der Deutschen Bucht liegt. Dieses gerät
aber zunehmend in die Zirkulation eines neuen von den Britischen Inseln
heranziehenden Sturmtiefs (Walter), so dass von Vanja II selbst nur eine
Tiefdruckrinne übrigbleibt, die sich im Tagesverlauf noch über den Norden
Deutschlands hinwegstreckt. Das okkludierte Frontensystem zieht im Laufe des
Vormittages nach Nordosten ab. Die nachfolgend einfließende Luftmasse ist
maritim und polaren Ursprungs, aber schon reichlich erwärmt und weist in 850 hPa
in etwa eine Temperatur von 0°C auf. Rückseitig der Okklusion sorgt der
Höhentrog mit etwas PVA heute über der Nordhälfte für weitere durchschwenkende
Regenfälle, zudem ist hier auch WLA aktiv. In den übrigen Regionen kommt es
heute nur noch zu geringen Niederschlägen, bei den entsprechenden Temperaturen
bis in die Hochlagen der Mittelgebirge als Regen, nur in den Alpen fällt
deutlich über 1000 m noch etwas Schnee. Dazwischen kommt vor allem im Süden des
Landes heute auch mal zeitweise die Sonne heraus.

Das nächste Thema ist der Wind: An der Südflanke des oben erwähnten
Tiefdruckkomplexes herrscht ein recht kräftiger Gradient, so dass es heute in
allen Regionen südwestlich der Elbe verbreitet zu steifen Böen aus Südwest
kommt, über dem Nordwesten und dem Bergland auch zu stürmischen Böen. In
Hochlagen der Mittelgebirge reicht es zu Sturmböen oder schweren Sturmböen, auf
dem Brocken sogar für einzelne Orkanböen. Am Nachmittag lässt der Wind dann
tendenziell etwas nach. Das Temperaturniveau heute ist nur noch wenig
winterlich: Ganz im Nordosten und in Teilen des Berglandes steigt die Temperatur
heute auf etwa 5°C an, entlang des Rheins auf bis zu 12°C.

In der Nacht zum Montag schiebt sich wie versprochen von Westen die stramme
westliche Höhenströmung rein, verbunden mit einem flachen Trog. Tief Walter
zieht dabei unter Abschwächung bis in die Deutsche Bucht. In diesem Zusammenhang
kommt es über Deutschland noch einmal zu einer Gradientverschärfung, die sich
vor allem mit einer Windzunahme im Nordwesten sowie im Bergland bemerkbar macht.
So kommt es im Nordseebereich in der Nacht erneut zu steifen Böen aus Südwest.
Vor allem vom südwestlichen bis zum zentralen Bergland lebt der Wind noch einmal
in etwa in der Stärke wie tagsüber auf, auf dem Feldberg im Schwarzwald sind
dann auch orkanartige Böen möglich. In der zweiten Nachthälfte nimmt der Wind
dann schon wieder ab.

Tief Walter bringt auch weiterhin kräftige WLA und damit einen neuen Schub
milder Luft, so dass im Süden in 850 hPa die Temperatur bis auf 4°C ansteigt,
vorübergehend sogar höher. Zudem breitet sich ab dem späten Abend von Nordwesten
ein neues teilokkludiertes Frontensystem aus, das in der Nacht Deutschland
überquert uns dessen Kaltfront am Morgen dann schleifend an den Alpen liegt.
Rückseitig schwenken auf der Vorderseite eines Bodentroges in recht instabil
geschichteter Luftmasse Schauer von Nordsee in den Nordwesten Deutschlands. Für
Gewitter - wie bei ICON simuliert - reicht es wohl eher nicht.

Kommen wir zum kompliziertesten, der Niederschlagssituation: Bis zum Morgen
fallen verbreitet 3 bis 10 l/qm Regen, im Schwarzwald und am Alpenrand meist bis
10 bis 20, vereinzelt im Südschwarzwald und im Allgäu auch um 30 l/qm. Hierzu
kommt die weiter abtauende Schneedecke. So liegen im Schwarzwald ab etwa 800 m,
in Bayern teils auch in tieferen Lagen oftmals noch 10 bis 30 cm Schnee, teils
mit spezifischen Wasseräquivalenten von 2,5 bis 3,5, so dass entsprechend große
Wassermengen in der Schneedecke gespeichert sind. Und diesen Schneedecken geht
es gewaltig an den Kragen, zumal die Schneefallgrenze teilweise bis auf 2000 m
steigt. Dies hat entsprechend hohe Abflussmengen zur Folge, die schon bis zum
Montagmorgen vielfach bei bis zu 40 l/qm liegen können, im höheren Allgäuer
Alpenvorland und in den dortigen Tälern auch mehr. Zudem hält ja - Achtung
Spoiler - der Regen dort am Montag weiter an und am Dienstag kommen neue
Regenfälle auf. So kann man davon ausgehen, dass die teilweise 30 bis 60 cm
hohen Schneedecken in den Alpentälern sowie in den höheren Lagen des Vorlandes
(ab 800 bis 900 m) zu größeren Teilen abschmelzen werden. Wieviel Abfluss daraus
dann tatsächlich resultiert, ist natürlich schwer abzuschätzen. Sehen wir uns
aber die zu erwartenden Niederschlagsmengen bis Mittwochmittag an, die in den
Alpen so bei 40 bis 70 l/qm, im Allgäu teilweise um 100 l/qm liegen dürften, und
rechnen noch etwas Abfluss aus der Schneedecke hinzu (nicht alles, der
Restschnee speichert viel Wasser!), so darf man durchaus Abflussmengen bis 80
l/qm, im Allgäu bis 140 l/qm (bis Mittwoch) annehmen. Somit ist auch für das
Allgäu eine Unwetterwarnung gerechtfertigt. Blickt man auf die aktuellen
Pegelstände, so sieht man auch, dass die Flüsse teils schon ganz gut gefüllt
sind.

Am Montag... zieht Tief Walter von der Nordsee über Jütland hinweg in die
Ostsee. Auf seiner Rückseite entwickelt sich ein wieder etwas stärker
ausgeprägter Trog über dem Nordosten Deutschlands. Damit ist auch die Zufuhr
wieder etwas kälterer Luft verbunden, in 850 hPa bis -2°C. Die schauerartigen
Regenfälle an dem oben erwähnten Bodentrog überqueren im Tagesverlauf die
Nordhälfte Deutschlands. Dabei können durchaus regional um 5 l/qm zusammenkommen
vereinzelt auch bis 10 l/qm. Im Süden bleibt es dagegen tagsüber dann weitgehend
trocken, teilweise gibt es ein paar Wolkenauflockerungen. Davon ausgenommen ist
nur der unmittelbare Alpenrand, wo die Kaltfront weiter entlang schleift. Hier
fallen meist 10 bis 30 l/qm, im Allgäu bis 50 l/qm in 12 Stunden. Die
Schneefallgrenze liegt weiterhin zwischen 1500 und 2000 m, so dass das Tauwetter
jetzt seinen Höhepunkt erreicht.

Zu erwähnen ist auch noch, dass mit dem Bodentrog in der Mitte des Landes der
südwestliche bis westliche Wind wieder deutlich auffrischt, mit steifen Böen im
Flachland und teils stürmischen Böen im Bergland. Höhere und exponierte Berge
müssen weiterhin mit Sturmböen bis schweren Sturmböen rechnen. Bei den
Temperaturen geht es noch einen Tick weiter nach oben mit Höchstwerten zwischen
6°C im Nordosten und 14°C am Oberrhein.

In der Nacht zum Dienstag zieht Tief Walter nach Osten ab, mit ihm der
Höhentrog. Der nachfolgende Rücken sorgt für den Aufbau eines Zwischenhochs.
Damit schwächt sich der auf unterschiedliche Richtungen drehende Wind deutlich
ab. Das kann in der feuchten Luftmasse insbesondere bei Wolkenauflockerungen und
im höheren Bergland für schlechte Sichten sorgen, die große Nebellage wird es
aber nicht werden. Die Regenfälle ziehen ab bzw. schwächen sich ab, ganz trocken
wird es aber nicht.

Die oben schon erwähnten Wolkenauflockerungen bleiben die Ausnahme, so dass die
Nacht recht mild verläuft mit Tiefstwerten zwischen 1°C ganz im Norden und 9°C
im Südwesten.

Am Dienstag... nähert sich das nächste Tief von Westen und erreicht England.
Damit verlässt uns das Zwischenhoch schon wieder und der Wind frischt etwas aus
Ost bis Süd auf, ohne aber in der Fläche warnwürdig zu werden. Vor allem dürften
die Hochlagen des Schwarzwaldes von Sturmböen betroffen sein, auch in den Alpen
kann es in den Hochlagen Sturmböen geben, dort aber aus Südwest bis West. Von
Südwesten greift ab dem Morgen ein neues Regengebiet über, das bis zum Abend den
ganzen Südwesten überquert hat. Auf seiner Rückseite breitet sich eine bodennah
milde, in der Höhe aber kalte Luftmasse aus, so dass es einigermaßen labil wird
und zu zahlreichen Schauern im Südwesten vielleicht sogar ein Gewitter kommt. Im
Nordosten bleibt es dagegen weitgehend trocken, wenngleich es aber weitgehend
trüb bleibt. Mit dem auffrischenden Südostwind wird dort sogar wieder etwas
kältere Luft herangeführt. Das resultiert dann in Höchstwerten zwischen 3 und
5°C im Nordosten, während am Oberrhein weiterhin über 10°C erwartet werden.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das Tief in den Ärmelkanal und die Regenfälle
kommen weiter in den Nordosten voran, nur von Sylt bis zur Uckermark bleibt es
noch trocken. Ganz im Norden können sich bei dort weiter kaltem Ostwind auch ein
paar Schneeflocken in den Regen mischen. Auch an den Alpen kommt es zu
kräftigeren Regenfällen. Ansonsten breitet sich die milde und leicht labil
geschichtete Luftmasse in weiten Landesteilen aus, dort kommt es zu Schauern und
- nicht ganz ausgeschlossen - einzelnen Gewittern. Insgesamt kommen in 24
Stunden meist 3 bis 10 l/qm zusammen, in einigen Mittelgebirgen 10 bis 20 l/qm,
im Schwarzwald und im Allgäu auch um 30 l/qm.

Der Wind frischt vor allem über der Nordsee weiter auf, so dass es dort über der
See zu stürmischen Böen kommt, aufgrund der meist ablandigen Windrichtung
dürften aber in Nordfriesland höchstens die Inseln von steifen Böen betroffen
sein, bei leichter Drehung Richtung Ostnordost könnte es auf den Ostfriesischen
Inseln auch zu stürmischen Böen kommen.

Die Temperaturspanne bleibt weiterhin recht groß, so werden Tiefstwerte zwischen
9°C ganz im Südwesten und -1°C ganz im Nordosten erwartet.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der Niederschlagssummen gibt es an allen Tagen größere
Modellunterschiede, zudem kommt noch die schwer zu prognostizierende
Abflussmenge aus dem schmelzenden Schnee. Hierbei sollte uns eigentlich das
Modell Snow4 eine Hilfe sein, welches aber im heutigen Fall (in den letzten
Tagen war es teilweise nicht besser) teils recht wenig nachvollziehbare
Prognosen liefert. Mitunter sind auch die für 06 UTC prognostizierten
Schneehöhen schon deutlich abweichend von den gemessenen, so dass letztendlich
die Abflussmengen in den Tauwetterwarnungen - die definitiv erforderlich sind -
eher Pi mal Daumen entstanden sind. Dabei wurde entschieden, im Schwarzwald und
in Teilen des Alpenvorlandes nur bis morgen zu warnen, weil dort dann der meiste
Schnee (Hochlagen Schwarzwald ausgenommen) Geschichte sein dürfte. In den Alpen
setzt sich dieser meteorologische Schlamassel bis Mittwoch weiter fort. Bei den
Windprognosen liegen die modelltypischen Unterschiede vor. Ansonsten sind sich
auf synoptischer Skala die Modelle aber ähnlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann