DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-12-2023 10:02
SXEU31 DWAV 080800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 08.12.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: WW (Winkel West) mit Tendenz zu Ws (südliche Westlage)

Heute nach Osten durchmarschierender Niederschlag, teils Schnee, teils Regen mit
Glatteis. Am Wochenende unbeständig, mitunter windig, mild. Einsetzendes
Tauwetter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein stark wellendes Muster,
in dem abwechselnd Tröge und Keile den Weg vom mittleren Nordatlantik zum
Europäischen Kontinent finden. Aktuell ist gerade ein Trog dabei, Deutschland zu
erfassen, wobei wir den größten Teil des Tages aber noch auf seiner Vorderseite
verbringen. Nach Süden hin, also Richtung westliches Mittelmeer zeigt der Trog
klare Abtropftendenzen, so dass am Ende ein relativ flaches Residuum
übrigbleibt. Gleichwohl werden auf der Vorderseite synoptisch-skalige
Hebungsprozesse bestehend aus WLA und PVA generiert, die zudem noch frontal
unterstützt werden. Womit wir bei einer Okklusion mit Warmfrontcharakter
angekommen wären, die einem kleinen Tief dicht bei Irland anhängig ist. Die Rede
ist von UDO, der eingangs der Nacht noch stolze 970 hPa im Kern vermelden
konnte, inzwischen aber - die senkrechte Achse zeigt es - in die Tage gekommen
ist und sich zusehends auffüllt. Bis zum Abend dürfte der Kerndruck dich vor der
nordirischen Küste auf etwa 990 hPa angestiegen sein, bevor der gute UDO später
in einen Randtrog übergeht. Doch zurück zur Okklusion, die uns mit ihrem
Niederschlagsgebiet im Laufe des Tages von West nach Ost überquert und dabei im
Süden etwas zurückhängt, weil sie durch ein weiteres Tief bei Korsika und
Sardinien etwas ausgebremst wird.

Die primäre Frage, die sich im Zusammenhang mit der Frontpassage stellt, ist die
nach der Niederschlagsphase. Bereits in der Nacht konnten im Westen schon alle
Phasen beobachtet werden und das dürfte tagsüber auch so weitergehen. So hat
sich in Teilen des Landes, insbesondere im Südosten und der östlichen Mitte
sowie in den Mittelgebirgen eine kalte Grundschicht mit leichtem bis mäßigem,
teils sogar strengem Frost etabliert, über die sich niedertroposphärisch mildere
Luft mit positiven Temperaturen geschoben hat. "Warme Nase" ist hier das
Stichwort, hatten wir Anfang der Woche schon mal. Schaut man sich die
vorhandenen Nachtaufstiege an, so findet man vornehmlich im Westen und Süden,
bedingt auch noch in der Mitte eine mehr oder weniger ausgeprägte Warmschicht
mit Plusgraden, während nach Norden und Nordosten hin niedertroposphärische
Kaltluft überwiegt. In Westdeutschland ist die kalte Grundschicht vielerorts
schon aufgebrochen und der Niederschlag weitgehend durch, so dass dort lediglich
in einigen Mittelgebirgslagen noch etwas Restglättegefahr entweder durch
gefrierende Nässe oder gefrierenden Nieselregen gegeben ist.

Ansonsten fällt auf, dass die Warmschicht häufig mit großer Trockenheit
verbunden ist, was natürlich Konsequenzen für Niederschlagsphase und -intensität
hat. So kommt unten zunächst mal gar nicht so viel oder sogar überhaupt kein
Niederschlag an, obwohl einem das Radar was anderes sagt. Klar, die fallenden
Schneeflocken sublimieren in der Trockenschicht und kühlen diese dabei ab bei
gleichzeitig beginnender Anfeuchtung. Am Ende, wenn der Prozess lang genug
angedauert hat und der Niederschlag intensiv genug ist, bleibt eine Schichtung
übrig, die nicht ganz einfach einzuschätzen ist: Hält sich vielleicht noch eine
warme Nase oder ist sie gänzlich weggekühlt auf isotherme Grundschicht? Nicht
immer ganz einfach die Abschätzung, auch wenn sich die Modelle im Vorfeld noch
so viel Mühe geben.

Unter dem Strich lassen sich die Ereignisse der nächsten Stunden in etwa so
zusammenfassen. Im Nordosten, wo es mit der warmen Nase nicht so weit her ist,
fällt überwiegend Schnee, der nach Westen hin in Regen übergeht
(Glatteisgefahr), bevor er alsbald aufhört. Zum Teil bildet sich eine 1 bis 3 cm
dünne Schneedecke, teilweise bleibt bei mittlerweile schon positiven
Belagstemperaturen auch nichts liegen oder es reicht nur für Schneematsch. Zur
Mitte und nach Osten hin ergibt sich ein uneinheitliches Bild, bei dem von
Schnee über Eiskörner bis zu gefrierenden Regen alles dabei sein kann. In den
beiden südlichen Bundesländern überwiegt vielleicht mit Ausnahme Nordbayerns die
Regenphase, in BaWü zunehmend entspannt durch gewöhnlichen Regen, im frostigen
Freistaat häufig gefrierend mit Glatteis. Später, wenn sich die Schichtung
beginnt zu normalisieren, fängt es im Allgäu oberhalb rund 1000 m zu schneien,
wobei bis in die Nacht zum Samstag um 10 cm Neuschnee fallen können. Aktuell
laufen flächendeckend markante Glatteiswarnungen, die einen gewissen
"Vollkaskoschutz" gewähren und ein deutliches Signal darstellen. Eine
Hochstufung auf "Unwetter" sollte eigentlich nur dann erfolgen, wenn die Beläge
noch klar negativ temperiert, die Regenraten hoch genug sind (mindestens 0,5
mm/h) und das ganze nicht nur auf kleinstem Raum beobachtet wird.

Darüber hinaus gilt es nur noch zu berichten, dass die Niederschläge von Westen
her bereits wieder nachlassen, die Chancen für Auflockerungen und ein paar
Sonnenstrahlen aber nahe null bleiben. Dann wäre da noch der südöstliche bis
südwestliche Wind, der im Bereich der Nordsee sowie der westlichen Ostsee
anfangs noch flott daherkommt (in Böen 7 Bft), zum Nachmittag aber nachlässt.
Gleiches gilt für den Böhmischen Wind im Osterzgebirge und in der Oberlausitz,
der spätestens bis zum Abend den Betrieb einstellt. Und auch im Hochschwarzwald,
wo es anfangs stürmisch zugeht, kehrt im Tagesverlauf Ruhe ein. Die Temperatur
steigt im Westen und Südwesten z.T. auf 7, 8 oder gar 9°C, während sonst die
Spanne zwischen 0 und 6°C liegt. Vor allem in Südostbayern, lokal aber auch im
Osten und Nordosten hält sich sogar leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Samstag zieht die Okklusion weitgehend ab, lediglich im Süden
hängt sie aus dem schon genannten Grund zurück. Entsprechend kommt es von
Oberschwaben bis hinüber zu den ostbayerischen Mittelgebirgen sowie südlich
davon zu weiteren Niederschlägen, bei denen die Gefahr für Glatteis im Südosten
Bayerns am größten ist. Sonst ist es teils Regen, teils Schnee, wobei für die
Alpen (ab 1000 m) sowie die Hochlagen der Mittelgebirge eine einfache
Schneefallwarnung fällig wird. Im großen Rest des Landes fällt kaum noch Regen
oder Schnee, die Wolkendecke bleibt aber überwiegend geschlossen. Sollte doch
irgendwo mal eine Lücke gerissen werden, bildet sich in der feuchten
Grundschicht rasch Nebel. In der Osthälfte liegen die Temperaturen zwischen +1
und -4°C, Tendenz im Nachtverlauf steigend. Hier und da kann es glatt werden
durch gefrierende Nässe. Nach Westen hin bleibt es mit Ausnahme einiger
Hochlagen im Schwarzwald frostfrei.



Samstag... zonalisiert die Höhenströmung vorübergehend. Derweil positioniert
sich bei UK/Irland das nächste Tief (VANJA II, am Mittag 985 hPa), dessen
okkludierendes Frontensystem straight ahead auf Deutschland zuläuft.
Vorderseitig greift im Laufe des Vormittags stratiformer Regen auf den Westen
über, der sich bis zum Abend auf die gesamte Westhälfte, vielleicht auch noch
etwas darüber hinaus. Im westlichen Mittelgebirgsraum sowie im Schwarzwaldstau
können durchaus 10 bis 15 l/m², sonst vielfach 3 bis 10 l/m² zusammenkommen. Die
Schneefallgrenze steigt auf deutlich über 1000 m und damit über Kammniveau an,
womit Tauwetter in Gang gesetzt wird. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass
die vorhandene Schneedecke noch über ausreichend Retentionsvermögen verfügt, so
dass die Menge abflussrelevanten Wassers zunächst noch limitiert ist.

In der Osthälfte bleibt es bis zum Abend in weiten Teilen weitgehend
niederschlagsfrei mit wahrscheinlich aber nur wenigen Auflockerungen. Der
Gradient zieht im Tagesverlauf mit Annäherung der Front an, was entsprechend
auch für den Wind gilt. Der kommt aus Südwest bis Südost und erreicht in der
Westhälfte in Böen Stärke 6 bis 7 Bft, auf der Nordsee, im höheren Bergland
sowie in einigen Leelagen Stärke 8 Bft, in exponierten Kamm- und Kuppenlagen 9
bis 10 Bft, Feldberg zum Abend hin 11 Bft. In der einfließenden subpolaren
Meeresluft (mPs) steigt die Temperatur im Westen und Südwesten auf 7 bis 11°C,
sonst auf 2 bis 7°C.

In der Nacht zum Sonntag gelangen wir auf die Rückseite der Okklusion bzw.
Kaltfront, auf der ein Schwall geringfügig kälterer Meeresluft (T850 um -1°C am
Morgen) den Weg zu uns findet. Der Niederschlag zieht ost-südostwärts durch,
hält sich im Nordosten aber bis zum Morgen. Im östlichen Bergland fällt anfangs
Schnee, lokal ist kurzzeitig auch noch mal gefrierender Regen möglich.
Hinsichtlich der Regenmengen schreiben die Modelle derzeit noch unterschiedliche
Geschichten. Es kann aber gut sein, dass im Allgäu und im Schwarzwald trotz
etwas sinkender Schneefallgrenze weitere 10, vielleicht auch 15 bis 20 l/m²
Regen dazukommen, was das Tauwetter weiter anfacht. So richtig zur Sache scheint
es aber erst ab der Nacht zum Montag zu gehen, wenn sich im Süden eine
Schleifzone mit wiederholten Regenfällen einstellt und hohe Temperaturen gepaart
mit Wind den richtigen Schneefresser spielen. Neuer Regen kommt mit Passage eine
KW-Trogs im Westen an, wo gebietsweise 5 bis 10, lokal bis zu 15 l/m² möglich
sind.

Der mit Ausnahme des Nordostens auf Südwest drehende Wind bleibt auf der
Südflanke des zur Nordsee ziehenden Tiefs zumindest in der Mitte und im Süden
prominent unterwegs. Auf den Bergen stürmt es, teils sogar orkanartig (Brocken,
Feldberg). Im Norden dagegen schwächt sich der Wind mit zunehmender Nähe zum
Kern deutlich ab. In Südostbayern und im östlichen Bergland liegen die
Tiefstwerte zwischen -3 und +1°C, sonst zwischen 7 und 1°C.

Sonntag... gelangen wir unter den östlichen Ausgang der Frontalzone, die relativ
glatt konturiert über dem mittleren Nordatlantik verläuft, bei uns anfangs aber
noch aufgefächert ist. Das o.e. Randtief füllt sich über der Nordsee oder
Jütland auf. Es markiert übrigens den östlichen Rand einer ganzen Kaskade von
Tiefdruckgebieten, die sich auf dem Atlantik aufgereiht haben und nur auf ihren
Einsatz warten, dem europäischen Kontinent milde Meeresluft zuzufächern. Im
Schlepptau des nach Osten abziehenden KW-Trogs kommt es in der Mitte und im
Norden zu zeitweiligen Regenfällen, die nur ganz weit oben mit Schnee vermischt
sind. Im Süden macht sich schwacher Zwischenhocheinfluss mit weniger
Niederschlag und sogar ein paar Auflockerungen oder sonnigen Abschnitten
bemerkbar. In der Südwesthälfte und in Teilen der Mitte bleibt es windig bis
stürmisch aus Südwesten. Die Temperatur erreicht 4°C in Vorpommern und rund 11°C
den Rhein entlang.

In der Nacht zum Montag kommen mit dem nächsten Tief neue Niederschläge auf, die
spätestens jetzt im Süden den Beginn einer ernsthaften Tauwetterperiode
markieren. Mehr dazu in den Folgeübersichten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Dis Basisfelder werden modellübergreifend sehr ähnlich simuliert. Das macht das
Warnmanagement für heute (Glatteis, Schnee, beides oder gar nichts von beiden)
nicht einfacher. Monitoring und Sicht sind unter dem Deckmantel der
großflächigen markanten Glatteiswarnung angesagt.
Unklar ist auch noch das genaue Vorgehen zu den mit Sicherheit anstehenden
Tauwetterwarnungen. Hier sollte aber im Tagesverlauf Klarheit geschaffen werden.
Fakt ist, dass es bereits seit Tagen deutliche Hinweise auf steigende
Pegelstände und Hochwasser insbesondere für Donau + Einzug, teils aber auch für
den Rhein gibt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann