DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

05-12-2023 12:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 05.12.2023 um 10.30 UTC



Zunächst erneute Glatteislage durch gefrierenden Regen, ab Sonntag Umstellung
auf deutlich milderes, aber unbeständiges Wetter mit möglichen
Dauerniederschlägen im Süden, stürmischem Bergland sowie durchgreifendem
Tauwetter in der neuen Woche.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 12.12.2023


Es hat sich ausgewintert. Nach den für die Jahreszeit doch recht beachtlichen
Schneemengen steht zu befürchten, dass ebenjenen in der nächsten Zeit endgültig
der Garaus gemacht wird. Bereits in der heutigen Kurzfrist ist von Kälte keine
Spur mehr zu sehen. Dieser Trend setzt sich auch in der Mittelfrist fort. Aber
der Reihe nach:

Wir beginnen am Freitag und finden hier über Europa eine hochamplifizierte
Doppeltrogstruktur vor, d.h. in weiten Teilen Europas dominiert zyklonaler
Einfluss das Wettergeschehen. Trog Nummer Eins ist bereits ordentlich gealtert
und befindet sich schon kurz vor dem Abtropfen mit seiner zentralen Achse von
der Westukraine bis in die Ägäis. Bodennah überwiegen dabei im nördlichen
Abschnitt die Ausläufer des sich inzwischen prächtig entwickelt habenden
eurasischen Kontinentalhochs (Kerndruck um 1050 hPa). In der Ägäis herrscht
dagegen rege Tiefdruckaktivität vor mit dem Willen, warme Luftmassen gegen das
Kontinentalhoch nordwärts zu befördern, was bis dato nicht gelingt. Trog Nummer
Zwei liegt mit seiner Achse über Westeuropa und reicht mit seiner Amplitude bis
in das westliche Saharagebiet hinein. Das hier steuernde zentrale Tief befindet
sich dabei mit Kern über Schottland und ist sowohl bodennah als auch bis in
höhere Luftschichten deutlich ausgeprägt. Eine Achsneigung ist kaum mehr
auszumachen. Damit dürfte auch an diesem Trog die Dynamik an Kraft verlieren und
das Tief sich in der Folge zunehmend auffüllen. Deutschland selbst befindet sich
dabei genau zwischen den Stühlen genau im Bereich eines Rückens zwischen den
beiden erwähnten Trögen. Bodennah greifen aber schon die Ausläufer des
Schottland-Tiefs über. Dabei handelt es sich vorneweg vor allem um die
abgesetzten Warmfrontreste, die trogvorlaufend vor allem in höheren
Luftschichten für Milderung sorgt, während die bodennahen Kaltluftschichten noch
nicht sofort ausgeräumt werden. Da an diese Warmfront noch Restniederschläge
gekoppelt sind, steht uns hier im Laufe des Tages die nächste Glatteis-Lage ins
Haus, örtlich könnte es dabei für Unwetter reichen.

Am Samstag verlagert sich der westeuropäische Trog unter rascher Abschwächung
langsam ostwärts. Vor allem in den Früh- und den Vormittagsstunden hält die
Glatteislage aber mit bestehenden Regenfällen zunächst noch weiter an. Teilweise
fällt vor allem im Nordosten in die kühle Grundschicht auch noch Schnee. Erst am
Nachmittag und Abend dürfte sich die Situation allmählich entspannen. Dann
beginnt sich im Südwesten bereits Hochdruckeinfluss bemerkbar zu machen. Dieser
entstammt einem neuen ausgedehnten und kräftigem Hoch über dem zentralen
Ostatlantik, wo sich ein Rücken mit ansehnlichem Geopotential von 592 gpdm in
500 hPa ausbildet. Dessen Achse reicht an der Spitze bis in den Alpenraum. Dem
gegenüber steht ein neues Zentraltief über dem Atlantik, dass sich aus rapider
Zyklogenese vor Neufundland entwickelt hat und nun mit etwa 950 hPa Kerndruck
südlich von Island liegt. Vorlaufend bildet sich dabei ein Bodentrog aus, der
bereits die Nordwesthälfte Deutschlands im Tagesverlauf erreicht und für etwas
schauerartigen Regen sorgt, teils bereits zeitnah nach Abzug der letzten
Niederschlagsreste der vorherigen Warmfront. Mit einsetzender Südkomponente des
Windes bei zunehmendem Gradienten steigen die Tageshöchstwerte dabei vor allem
westlich des Rheins das erste Mal seit längerer Zeit wieder auf zweistellige
Plusgrade.

Am Sonntag überquert uns im Laufe der frühen Morgenstunden der vorlaufende Trog,
der nun auch in der Höhe zu amplifizieren beginnt. Daran gekoppelt sind erneute,
diesmal etwas kräftigere Niederschläge, die vor allem im östlichen Bergland noch
immer als Schnee fallen können. Auch im äußersten Südosten Bayerns ist die
Kaltluft mit der vorhergehenden Warmfront noch nicht vollständig ausgeräumt
worden, sodass hier nochmals ein Restrisiko für gefrierenden Regen und Glatteis
besteht. Später am Tag erreicht dann das eigentliche Frontensystem des
steuernden Zentraltiefs auf dem Atlantik. Genau genommen gehört dieses aber
mittlerweile zu einem Randläufer-Tief, welches zu diesem Zeitpunkt bereits vor
der irischen Küste liegt. Dabei greifen von Südwesten verbreitet Regenfälle auf
Deutschland über. Vor allem in tieferen Luftschichten dringt dabei rasch mildere
Luft vor, während in der Höhe noch Kaltluft vorhanden ist. Die Luftmasse wird
dadurch labilisiert, eventuell reicht es dadurch sogar für das ein oder andere
Gewitter. Warmlufteinschubgewitter ist hier das synoptische Stichwort, um bei
dieser Gelegenheit auch gleich nochmal die Schönheiten der deutschen Sprache zu
bemühen.

Am Montag verstärken sich die Gegensätze zwischen nordeuropäischem Tiefdruck und
südeuropäischem Hochdruck weiter, während die Zentren der entsprechenden
Druckgebiete weiter ostwärts in Richtung des europäischen Kontinents wandern.
Dadurch kommt in der Höhe der Frontalzonenjet in Gang, während die Höhenströmung
auf West dreht. Die noch immer über Deutschland liegende Front kommt dabei im
Süden zunehmend ins Schleifen. Längeranhaltende Niederschläge sind die Folge.
Bei T850 von etwa +5°C steigt die Schneefallgrenze auf ungefähr 2000 m. Damit
reicht es selbst für die höchsten Mittelgebirgslagen nicht mehr für Schnee,
sondern Tauwetter gewinnt die Oberhand. Angesichts der Regenfälle auf reichlich
Schneedecke bei Plusgraden ist damit vor allem in Schwarzwald und Allgäu von
signifikanten Abflüssen auszugehen, die durchaus Warnrelevanz erreichen können.


Am Dienstag erreicht bereits das nächste Frontensystem Deutschland. Dieses
gehört nun endgültig zum Zentraltief, das mittlerweile von Island bis zu den
Britischen Inseln vorangekommen ist. Die ohnehin aus der schleifenden Front
generierte Luftmassengrenze über Deutschland wird dabei durch zusätzlichen
Hebungsantrieb weiter aktiviert und geht zunächst in eine Warmfront über, sodass
es erneut zu einem temporären Vorstoß milder Luftmassen aus Südwest in
Verbindung mit weiteren Niederschlägen kommt. Das System okkludiert aber rasch,
sodass diese Milderung nur von kurzer Dauer ist, nachfolgend setzen sich aus
Nordwest rasch wieder maritime Luftmassen subpolaren Charakters durch.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die IFS-Läufe sind in sich verhältnismäßig konsistent. Beim Timing der
Frontdurchgänge gibt es kaum nennenswerte Unterschiede. Selbst die üblicherweise
in der Numerik recht kritische Randtiefentwicklung, die für den Sonntag gezeigt
wird, ist bereits in den vorherigen Läufen abgebildet. Allerdings zeichnet sich
zuletzt eine deutliche Intensivierung dieses Tiefs ab. Die aktuelle
Deterministik zeigt ein ausgewachsenes Sturmtief, während der gestrige 00
UTC-Lauf das System noch als Randwelle geführt hat. Am Wetterablauf ändert dies
zuletzt aber kaum etwas in Bezug auf den generellen Trend. Dieser zeigt
übereinstimmend in Richtung Westlage mit Ausbildung der Frontalzone genau über
Deutschland und den damit einhergehenden Wettererscheinungen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bezüglich der Großwetterlage zeigen alle wesentlichen Globalmodelle in die
gleiche Richtung: Wiederholt Warmluftvorstöße, die anfangs zu gefrierendem Regen
führen, nachfolgend Umstellung auf Westlage. Signifikante Unterschiede zeigen
sich dort, wo man sie auch erwarten würde: in den durchaus komplexen
zyklogenetischen Prozessen auf dem Atlantik. Jedes Modell wartet hier mit
unterschiedlichen Varianten auf, die letztendlich auch Auswirkungen auf das
hiesige Wetter haben. ICON rechnet den sonntäglichen Warmluftvorstoß deutlich
schneller und intensiver. Der verantwortliche Randtrog ist hier ebenfalls
vorhanden, wird vom Modell allerdings nicht amplifiziert, sodass sich
nachfolgend gleich eine glatte Westströmung einstellt. Diese macht den Weg frei
für weiteren Nachschub an milderer Luft. Grundsätzlich ist die Frontalzone mit
daran gekoppelten Niederschlägen aber auch hier vorhanden, wenngleich auf
milderem Niveau. Wesentlich für den Ablauf ist hierbei einzig und allein das
steuernde Islandtief, während IFS die Dualvariante fährt mit zwei wesentlichen
Bodentiefs über dem Atlantik und zum Schluss über Südskandinavien. Auch GFS
zeigt die Variante mit einem zweiten steuernden Bodentiefkern, welches sich aus
einem Randtief entlang der Frontalzone entwickelt. Hier allerdings in einer
etwas nördlicheren Variante mit Zentrum über Norwegen. Letzten Endes sind aber
all diese Unterschiede nur akademischen Charakters. Wesentlich ist allen
Modellen die grundsätzlich zonale und zyklonale Wetterlage mit mehr oder weniger
starker Ausbildung einer Luftmassengrenze über Deutschland und daran gekoppelten
Niederschlägen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bis zum Sonntag herrscht in den IFS-Rauchfahnen weitgehende Einigkeit bezüglich
des Temperaturverlaufs und der Entwicklung des Geopotentials. Mit Beginn der
neuen Woche zeigen sich dann größere Unsicherheiten, die an die Art und Weise
der Tiefentwicklung über dem Atlantik gekoppelt sind. Insgesamt zeigt sich zum
Ende des Mittelfristzeitraum ein Trend zu erneuter Abkühlung bei sinkendem
Geopotential und insgesamter hoher Niederschlagsneigung.

Den Trend zur deutlich positiven NAO-Phase zeigen auch die Cluster, von denen es
im Zeitraum bis +96h gleich ganze fünf Stück gibt. Wesentliche Unterschiede
lassen sich dabei kaum ausmachen. Auch im Zeitraum bis +196h stehen alle Signale
zunächst weiter auf NAO+.

Fazit:
Die Winterepisode ist zu Ende. Zunächst bekommen wir es nochmals mit einer
signifikanten, eventuell bis in den Unwetterbereich reichenden Glatteislage zu
tun. Dies liegt am Vorstoß milderer Luftmassen, die dann spätestens in der neuen
Woche die Oberhand gewinnen. Dabei stellt sich insgesamt eine zyklonal
dominierte Westlage ein, die für unbeständige sowie zumindest regional nasse und
windige Witterung sorgt. Schnee, Glätte und Frost spielen nur noch eine sehr
untergeordnete Rolle.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Freitag und bis in den Samstag hinein verbreitet Glatteis durch gefrierenden
Regen wahrscheinlich. Unwetter nicht ausgeschlossen.
Ab Samstag, vor allem aber am Sonntag und Montag im zentralen und südlichen
Bergland Sturm, auf Gipfeln bis hin zur Bft 11. Außerdem an einigen
Küstenabschnitten mit geringer Wahrscheinlichkeit stürmisch.
Am Sonntag und Montag im südlichen Bergland, hier vor allem im Schwarzwald und
im Allgäu, Dauerregen und markantes Tauwetter gering wahrscheinlich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-IFS, -ENS, GFS, ICON, -EU, MOSMIX
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VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch